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The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


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Ужасы


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Stu nickte. Sie beendeten die Mahlzeit und setzten ihren Weg fort. Am Nachmittag stießen sie auf einen liegengebliebenen Truck der Great-Western-Market-Ladenkette, dessen Fahrtziel offensichtlich Green River gewesen war. Der Laster stand ordentlich neben der Fahrbahn auf der Standspur geparkt; der Fahrer saß kerzengerade und tot hinter dem Steuer. Als Abendbrot gab es Schinken aus der Büchse, aber keiner von ihnen schien rechten Appetit zu haben. Ihre Mägen seien geschrumpft, erklärte Glen. Stu sagte, seiner Meinung nach rieche der Schinken schlecht – nicht verdorben, sondern zu streng, zu fleischig. Ihm wurde fast übel. Er bekam nur eine einzige Scheibe herunter. Ralph sagte, er hätte jetzt lieber noch zwei oder drei Schachteln Tiercracker, und alle lachten. Selbst Kojak fraß nur ein kleines Stück, bevor er sich davonmachte, um irgendeinem Geruch zu folgen.

An dem Abend kampierten sie östlich vom Green River, und in den frühen Morgenstunden fiel ein erster Hauch von Schnee.



Am Dreiundzwanzigsten kurz nach Mittag erreichten sie die Auswaschung. Der Himmel war den ganzen Tag bedeckt gewesen, und es war kalt – kalt genug, meinte Stu, daß es Schnee geben könnte – viel Schnee und nicht bloß einen Schauer.

Die Vier standen oben am Rand, Kojak neben Glen, und schauten hinunter und zur anderen Seite. Irgendwo nördlich von hier mußte ein Damm gebrochen sein, oder es hatte eine Reihe von schweren Sommergewittern gegeben. Jedenfalls mußte der Fluß über die Ufer getreten sein, obwohl er sonst alle paar Jahre austrocknete. Das Wasser hatte ein großes Stück aus der I-70 herausgerissen. Der Abhang war ungefähr fünfzehn Meter tief, die Böschung bestand aus lockerer Erde, Geröll und Sedimentgestein. Unten floß träge ein schmaler Wasserlauf.

»Heiliges Kanonenrohr«, sagte Ralph. »Man sollte die Straßenbaubehörde des Staates Utah anrufen.«

Larry zeigte mit dem Finger. »Seht euch das an«, sagte er.

Sie blickten in die von Larry gewiesene Richtung, wo sich seltsame, von Wind und Wetter geformte Felssäulen und Monolithen erhoben. Etwa hundert Meter flußabwärts sahen sie im Flußbett des San Rafael ein Gewirr von Leitplanken und Kabeln und große Asphaltbrocken von der Straße. Ein großes Stück ragte wie ein apokalyptischer Finger in den bewölkten Himmel.

Glen blickte den geröllübersäten Abhang hinunter. Er hatte die Hände in den Taschen, und sein Gesicht zeigte einen verträumten Ausdruck.

»Schaffst du es, Glen?« fragte Stu leise.

»Sicher, ich glaub' schon.«

»Was macht die Arthritis?«

»Es war schon schlimmer.« Er lächelte gequält. »Aber, um ehrlich zu sein, es war auch schon besser.«

Sie hatten kein Seil mehr, mit dem sie einander hätten absichern können.

Stu stieg als erster hinab; er bewegte sich ganz vorsichtig. Ihm gefiel es überhaupt nicht, wie der Boden an manchen Stellen unter seinen Füßen nachgab und Steine und Erde sich lösten und herunterpolterten. Einmal hatte er schon Angst, den Halt zu verlieren und auf dem Hintern bis nach unten zu rutschen. Aber er konnte sich an einem Felsvorsprung festhalten und hatte dann wieder festen Boden unter den Füßen. Dann sprang Kojak munter an ihm vorüber. Er trat kaum Erde los, und einen Moment später stand er schon unten und bellte freundlich zu Stu hoch.

»Dieser verdammte angeberische Köter«, knurrte Stu und ging vorsichtig weiter, bis er unten war.

»Ich komme als nächster«, rief Glen. »Ich habe genau gehört, was du zu meinem Hund gesagt hast!«

»Sei vorsichtig, alter Junge. Sei verdammt vorsichtig! Es ist wirklich lose unter den Füßen.«

Glen stieg ganz langsam nach unten. Vorsichtig bewegte er sich von einem festen Halt zum anderen. Stu schrak jedesmal zusammen, wenn sich unter Glens Füßen Erdreich löste. Wie feines Silber wehten Glen die Haare im aufkommenden Wind um die Ohren. Dabei fiel Stu ein, daß Glens Haar noch ziemlich dunkel gewesen war, als er ihn kennenlernte, während Glen gerade an einer Straße in New Hampshire ein mittelmäßiges Bild malte.

Stu war sicher, daß Glen jeden Moment abstürzen und in zwei Hälften brechen würde. Er war erst beruhigt, als Glen mit beiden Füßen auf dem schlammigen Boden am Grund des Abhangs stand.

Stu seufzte vor Erleichterung und klopfte Glen auf die Schulter.

»Ich habe nicht einmal geschwitzt, Ost-Texaner«, sagte Glen und bückte sich, um Kojak zu streicheln.

»Ich um so mehr«, sagte Stu.

Ralph kam als nächster, kletterte vorsichtig von einem Halt zum anderen und sprang die letzten zwei Meter. »Junge«, sagte er. »Die Scheiße ist tatsächlich verdammt lose. Es wäre verdammt komisch, wenn wir auf der anderen Seite nicht mehr raufkämen und vier oder fünf Meilen flußabwärts gehen müßten, um eine flachere Uferböschung zu suchen, stimmt's?«

»Es wäre noch komischer, wenn wieder eine Überschwemmung käme, während wir noch suchen«, sagte Stu.

Larry stieg behende nach unten. Drei Minuten nachdem die anderen ihren Abstieg begonnen hatten, stand er schon neben ihnen. »Wer steigt zuerst hoch?« fragte er.

»Warum tust du es nicht, wo du es doch so gut kannst?« fragte Glen.

»Okay.«

Er brauchte für den Aufstieg wesentlich länger, und zweimal gab der trügerische Boden nach, und er wäre fast abgestürzt. Aber endlich war er oben und winkte den anderen zu.

»Wer ist der nächste?« fragte Ralph.

»Ich«, sagte Glen und ging zur anderen Seite hinüber. Stu nahm ihn am Arm. »Hör zu«, sagte er. »Wir können stromaufwärts gehen und eine flachere Stelle suchen, wie Ralph schon sagte.«

»Und den Rest des Tages verlieren? Als Junge wäre ich in vierzig Sekunden oben gewesen.«

»Du bist kein Junge mehr, Glen.«

»Nein, aber ich glaube, etwas von dem Jungen ist noch in mir.«

Bevor Stu noch etwas sagen konnte, hatte Glen den Aufstieg schon begonnen. Als er ein Drittel geschafft hatte, rastete er einen Augenblick. Dann stieg er weiter. Etwa auf der Hälfte der Strecke gab ein Felsbrocken nach, an dem er sich festhalten wollte, und Stu sah ihn schon mitsamt seiner Arthritis kopfüber den Hang herunterstürzen.

»Verdammte Scheiße...«, flüsterte Ralph.

Glen ließ die Arme herumwirbeln, und irgendwie gelang es ihm, die Balance zu halten. Er warf sich nach rechts und stieg wieder etwa fünf oder sechs Meter nach oben. Dann rastete er erneut. Als er fast oben war, löste sich ein Stein, auf dem er gestanden hatte, und er wäre den ganzen Hang hinuntergestürzt, wäre nicht Larry zur Stelle gewesen. Er packte Glens Arm und zog ihn herauf.

»Kleinigkeit«, rief Glen nach unten.

Stu grinste erleichtert. »Und dein Pulsschlag?«

»Über neunzig, glaube ich«, gab Glen zu.

Ralph erkletterte den Hang bedächtig wie eine Bergziege und prüfte vorher jeden Halt. Er setzte die Füße mit größter Vorsicht. Als er oben angekommen war, begann Stu den Aufstieg.

Bis zum Augenblick seines Sturzes fand Stu, daß dieser Hang tatsächlich nicht ganz so steil wie der andere war. Hier hatte man auch besseren Halt. Aber die Oberfläche war eine Mischung aus kreidigem Boden und Felsbrocken, der sich durch die Regenfälle stark gelockert hatte. Stu hatte böse Vorahnungen und stieg ebenfalls sehr vorsichtig hoch.

Er hatte mit der Brust schon die obere Kante erreicht, als ein Stein unter seinem linken Fuß plötzlich verschwand. Er spürte, daß er abrutschte. Larry griff nach seiner Hand, aber diesmal packte er ins Leere. Stu versuchte, sich an einem Stück Straßenkante festzuhalten, aber es brach ab. Er starrte das Stück Asphalt verblüfft an, noch während er immer schneller nach unten glitt. Er ließ es los und kam sich vor wie der Coyote in einem Roadrunner-Comic. Fehlt nur noch das »Wumm!« in der Zeichnung, wenn ich unten aufschlage, schoß es ihm durch den Kopf.




Er stieß mit dem Knie gegen etwas, und ein brennender Schmerz schoß ihm durch das Bein. Er versuchte sich am Hang festzuhalten, der jetzt mit erschreckender Geschwindigkeit an ihm vorbeiglitt, aber er erwischte nur eine Handvoll Schlamm.

Er schlug auf einem Felsbrocken auf, der wie eine große stumme Pfeilspitze aus dem losen, brüchigen Gestein ragte, und überschlug sich. Der Aufprall war so heftig, daß ihm die Luft wegblieb. Die nächsten drei Meter stürzte er in freiem Fall und traf in einem unglücklichen Winkel mit dem Bein auf. Er hörte es knacken. Der Schmerz war unerträglich. Er schrie laut auf, dann machte er einen Salto rückwärts und rutschte mit dem Gesicht durch den Dreck. Scharfe Kiesel kratzten ihm Gesicht und Arme blutig. Wieder landete er auf seinem verletzten Bein, und er hörte es an einer anderen Stelle brechen. Diesmal schrie er nicht. Diesmal brüllte er. Die letzten Meter schlitterte er auf dem Bauch, wie ein Kind auf einer schmierigen Rutschbahn. Völlig mit Schlamm bedeckt, blieb er liegen, und er hörte seinen Herzschlag in den Ohren dröhnen. Die Schmerzen in seinem Bein brannten wie Feuer. Seine Jacke und sein Hemd waren bis auf die Haut zerfetzt und durchgescheuert.

Gebrochen. Aber wie schlimm? Ziemlich schlimm, so wie es sich anfühlt. Mindestens an zwei Stellen gebrochen, wenn nicht an mehr. Und auch das Knie ist verletzt.

Dann kam Larry den Hang herab. Er kam in langen Sprüngen, die fast wie Hohn wirkten nach dem, was Stu erlitten hatte. Larry kniete sich neben Stu und stellte die Fragen, die Stu sich schon selbst gestellt hatte.

»Wie schlimm ist es, Stu?«

Stu stützte sich auf die Ellenbogen und blickte Larry an, das Gesicht noch weiß vor Entsetzen und von Schlamm verdreckt.

»Ich schätze, ich werde in drei Monaten wieder gehen können«, sagte er. Er hatte das Gefühl, als ob er sich übergeben müßte. Er schaute zum wolkenverhangenen Himmel auf, ballte die Fäuste und schüttelte sie.

»OH, SCHEISSE!« brüllte er.



Ralph und Larry schienten ihm das Bein. Glen holte eine Flasche »Arthritispillen«, wie er sie nannte, aus der Tasche und gab Stu eine. Stu wußte nicht, woraus die »Arthritispillen« bestanden, und Glen wollte es ihm nicht sagen, aber die Schmerzen in seinem Bein waren nach einiger Zeit nur noch wie ein entferntes Summen. Er war jetzt ganz ruhig, sogar heiter. Er mußte daran denken, daß sie alle nur von geborgter Zeit lebten, nicht, weil sie auf dem Weg zu Flagg waren, sondern schon deshalb, weil sie Captain Trips überlebt hatten. Jedenfalls wußte er, was zu tun war... und er würde dafür sorgen, daß es auch getan wurde.

Larry hatte gerade aufgehört zu sprechen, und die anderen warteten gespannt auf Stus Kommentar.

Er sagte nur ein Wort: »Nein.«

»Stu«, sagte Glen leise, »du verstehst nicht...«

»Ich verstehe. Ich sage nein. Keine Fahrt zurück nach Green River. Kein Seil. Kein Wagen. Das wäre gegen die Spielregeln.«

»Dies ist kein Spiel!« rief Larry. »Du würdest hier sterben!«

»Und ihr werdet höchstwahrscheinlich drüben in Nevada sterben. Und jetzt macht, daß ihr weiterkommt. Ihr habt noch vier Stunden Tageslicht. Es gibt keinen Grund, hier rumzutrödeln.«

»Wir werden dich hier nicht allein lassen«, sagte Larry.

»Genau das werdet ihr tun. Ich befehle es euch.«

»Nein. Ich habe jetzt das Kommando übernommen. Mutter hat gesagt, wenn dir etwas passiert...«

»...dann sollt ihr weitermachen.«

»Nein. Nein.« Larry blickte hilfesuchend Glen und Ralph an. Sie standen bekümmert da. Kojak saß in der Nähe, den Schwanz um die Pfoten geringelt, und beobachtete die vier.

»Hör zu, Larry«, sagte Stu. »Dieser ganze Ausflug basiert auf der Annahme, daß die alte Dame wußte, worüber sie redete. Wenn du das in Zweifel ziehst, setzt du alles aufs Spiel.«

»Ja, das stimmt«, sagte Ralph.

»Nein, das stimmt nicht, du Bauernlümmel«, sagte Larry, indem er wütend Ralphs breiten Oklahoma-Akzent nachahmte. »Es war nicht Gottes Wille, daß Stu hier abstürzen sollte. Nicht einmal der dunkle Mann hat etwas damit zu tun. Es war nur loser Dreck, weiter nichts, nur loser Dreck! Ich lasse dich hier nicht allein, Stu. Nie wieder lasse ich Menschen allein.«

»Doch. Wir werden ihn hier zurücklassen«, sagte Glen ruhig. Larry sah ihn ungläubig an, als wäre er gerade verraten und verkauft worden. »Und ich dachte, du bist sein Freund.«

»Das bin ich auch. Aber das spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.«

Larry lachte hysterisch und ging ein paar Schritte durc h den Schlamm. »Du bist verrückt! Weißt du das?«

»Nein, das bin ich nicht. Wir haben eine Vereinbarung getroffen. Wir standen um Mutter Abagails Totenbett herum und waren alle einverstanden. Das bedeutete mit ziemlicher Sicherheit unseren Tod, und das wußten wir. Wir haben alles genau verstanden, und jetzt werden wir uns an diese Vereinbarung halten.«

»Das will ich ja auch, verdammt noch mal!« rief Larry. »Ich meine, wir müssen ja nicht nach Green River laufen. Wir könnten uns einen Kombi besorgen, laden ihn ein und fahren weiter...«

»Wir sollen zu Fuß gehen«, sagte Ralph. Er zeigte auf Stu. »Er kann nicht gehen.«

»Richtig. Gut. Er hat sich das Bein gebrochen. Und was schlägst du vor? Sollen wir ihn wie ein Pferd erschießen?«

»Larry...«, setzte Stu an.

Bevor er noch ein Wort sagen konnte, packte Glen Larry am Hemd und riß ihn zu sich heran. »Wen versuchst du zu retten?« Seine Stimme war kalt und streng. »Stu oder dich selbst?«

Larry sah ihn an. Seine Mundwinkel zuckten.

»Es ist ganz einfach«, sagte Glen. »Wir können nicht bleiben... und er kann nicht gehen.«

»Ich weigere mich, das zu akzeptieren«, flüsterte Larry. Er war totenblaß.

»Es ist eine Prüfung«, sagte Ralph plötzlich. »Genau das ist es.«

»Vielleicht wird hier geprüft, ob du noch normal bist«, meinte Larry.

»Stimmt ab«, sagte Stu. »Ich bin dafür, daß ihr geht.«

»Ich auch«, sagte Ralph. »Es tut mir so leid, Stu. Aber wenn Gott über uns wacht, wird er vielleicht auch über dich wachen...«

»Ich kann es nicht«, sagte Larry.

»Du denkst überhaupt nicht an Stu«, sagte Glen. »Ich glaube, du versuchst irgend etwas in dir selbst zu retten. Aber diesmal, Larry, ist es richtig, jemanden allein zu lassen. Wir müssen es tun.«

Larry rieb sich langsam mit dem Handrücken über den Mund.

»Laßt uns wenigstens heute nacht hier bleiben«, sagte Larry. »Laßt uns noch einmal über alles nachdenken.«

»Nein«, sagte Stu.

Ralph nickte. Er wechselte einen Blick mit Glen, und dann holte Glen wieder seine Flasche mit »Arthritispillen« aus der Tasche und drückte sie Stu in die Hand. »Sie sind auf Morphiumbasis«, sagte er.

»Mehr als drei oder vier wirken wahrscheinlich tödlich.« Er sah Stu fest an. »Hast du kapiert, Ost-Texaner?«

»Ich weiß, was du meinst«, sagte Stu.

»Wovon redest du?« schrie Larry mit schriller Stimme. »Was, zum Teufel, willst du damit andeuten?«

»Weißt du das nicht?« fragte Ralph, und in seinem Tonfall lag so viel Verachtung, daß Larry eine Weile schwieg. Dann stand ihm plötzlich alles wieder vor Augen, mit alptraumhafter Geschwindigkeit, wie man von einem rasenden Karussell aus die Gesichter von Fremden vorüberziehen sieht: Tabletten, aufputschende und beruhigende. Rita, die tot und steif in ihrem Schlafsack liegt und aus deren Mund grünes Erbrochenes quillt, wie ein widerlicher Party-Scherz.

» Nein!« schrie er und versuchte, Stu die Flasche zu entreißen. Ralph packte ihn an der Schulter, und Larry wehrte sich.

»Laß ihn los«, sagte Stu. »Ich will mit ihm reden.« Ralph hielt ihn immer noch fest und sah Stu unsicher an. »Komm, laß ihn schon los.«

Ralph gehorchte, war aber bereit, sofort wieder zuzupacken.

»Komm her, Larry«, sagte Stu. »Setz dich mal hin.«

Larry ging zu ihm hinüber und hockte sich neben ihn. Er sah Stu kläglich an. »Das ist doch nicht richtig, Mann. Wenn jemand stürzt und sich das Bein bricht, dann... kann man doch nicht einfach weggehen und ihn sterben lassen. Weißt du das denn nicht? He, Mann...« Er berührte Stus Gesicht. »Bitte, denk doch mal nach.«

Stu nahm Larrys Hand und hielt sie fest. »Hältst du mich für verrückt?«

»Nein! Nein, aber...«

»Und findest du nicht auch, daß Leute, die bei Verstand sind, selbst entscheiden sollten, was sie tun wollen?«

»Oh, Mann«, sagte Larry und fing an zu weinen.

»Larry, du bist nicht betroffen. Ich will, daß du mit den anderen weitergehst. Wenn du je wieder aus Vegas zurückkommst, dann komm hier vorbei. Vielleicht schickt Gott mir einen Raben, der mich füttert. Das weiß man nicht. Ich habe mal in der Sonntagsbeilage gelesen, daß ein Mensch siebzig Tage lang ohne Nahrung auskommen kann, wenn er nur Wasser hat.«

»Schon lange vorher wird es hier Winter. Dann wirst du in drei Tagen an Unterkühlung gestorben sein, selbst wenn du nicht diese Pillen nimmst.«

»Das ist nicht deine Sache. Du hast damit nichts zu tun.«

»Schick mich nicht weg, Stu.«

»Ich schicke dich weg«, sagte Stu energisch.

»Was für eine Scheiße«, sagte Larry und stand auf. »Was wird Fran zu uns sagen, wenn sie erfährt, daß wir dich hier für die Ratten und die Bussarde liegengelassen haben?«

»Sie wird überhaupt nichts sagen, wenn du nicht nach drüben gehst und ihm die Fresse polierst. Auch Lucy nicht. Oder Dick Ellis. Oder Brad. Oder sonst jemand.«

»Okay«, sagte Larry. »Wir werden gehen. Aber erst morgen. Heute nacht werden wir hier unser Lager aufschlagen, und vielleicht haben wir einen Traum... irgend etwas...«

»Keine Träume«, sagte Stu leise. »Keine Zeichen. So funktioniert es nicht. Ihr würdet eine Nacht lang bleiben, und es passiert nichts, und dann würdet ihr noch eine Nacht bleiben wollen, dann noch eine... ihr müßt sofort weiter.«

Mit gesenktem Kopf ging Larry zur Seite und drehte den anderen den Rücken zu. »Okay«, sagte er schließlich, und er sprach so leise, daß seine Worte kaum zu verstehen waren. »Wir tun, was du sagst. Gott möge unseren Seelen gnädig sein.«

Ralph kam und kniete sich neben Stu. »Können wir dir irg end etwas mitbringen, Stu?«

Stu lächelte. »Ja. Alles, was Göre Vidal jemals geschrieben hat – die Bücher über Lincoln und Aaron Burr und diese Burschen. Die Schinken wollte ich schon immer lesen, und es sieht so aus, als hätte ich jetzt die Zeit dazu.«

Ralph lächelte verkniffen. »Tut mir leid, Stu. Da hab' ich wohl ein bißchen zuviel versprochen.«

Stu drückte ihm den Arm, und Ralph ging davon. Glen kam zu ihm. Auch er hatte geweint, und als er sich neben Stu setzte, kamen ihm schon wieder die Tränen.

»Hör auf zu heulen, Baby«, sagte Stu. »Mir wird schon nichts passieren.«

»Larry hat recht. Es ist nicht gut, was wir hier machen. Das kann man höchstens einem Pferd antun, das sich ein Bein gebrochen hat.«

»Du weißt, daß es anders nicht geht.«

»Ich glaube schon, aber wer weiß es wirklich? Wie fühlt sich das Bein an?«

»Im Moment habe ich keine Schmerzen.«

»Okay, du hast die Pillen.« Glen wischte sich mit dem Arm über die Augen. »Leb wohl, Ost-Texaner. Es war verdammt gut, dich zu kennen.«

Stu wandte sich ab. »Sag nicht Leb wohl, Glen. Sag bis bald. Du wirst wahrscheinlich diesen verdammten Hang nur halb raufkommen und wieder runterfallen. Dann können wir hier den ganzen Winter Karten spielen.«

»Bis bald trifft's wohl nicht«, sagte Glen. »Hast du nicht auch das Gefühl?«

Und weil er es hatte, wandte Stu Glen wieder sein Gesicht zu. »Ja, das habe ich«, sagte er, und dann lächelte er. »Aber wir fürchten uns nicht vor dem Bösen, stimmt's?«

»Stimmt«, sagte Glen. Seine Stimme war jetzt ein heiseres Flüstern.

»Zieh den Stöpsel raus, wenn es sein muß, Smart. Quäl dich nicht lange herum.«

»Nein.«

»Also dann... leb wohl.«

»Leb wohl, Glen.«

Die drei versammelten sich am Westhang, und nach einem letzten Blick zurück stieg Glen als erster nach oben. Mit wachsender Besorgnis beobachtete Stu seinen Aufstieg. Glen bewegte sich lässig, fast sorglos, und achtete kaum darauf, wohin er trat. Zweimal bröckelte der Boden unter ihm weg. Beide Male griff er nach irgendeinem Halt, und beide Male hatte er Glück. Als er die obere Kante erreicht hatte, stieß Stu einen hörbaren Seufzer der Erleichterung aus.

Ralph stieg als nächster hoch, und als er oben angekommen war, rief Stu Larry ein letztes Mal zu sich heran. Er schaute Larry ins Gesicht und überlegte, daß es eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem Gesicht des verblichenen Harold Lauder hatte – bemerkenswert ruhig, mit aufmerksamen und ein wenig mißtrauischen Augen. Ein Gesicht, das nichts verriet, es sei denn, es wollte etwas verraten.

»Du hast jetzt das Kommando«, sagte Stu. »Kommst du damit zurecht?«

»Ich weiß nicht, aber ich will es versuchen.«

»Du wirst schon die richtigen Entscheidungen treffen.«

»Glaubst du? Sieht so aus, als wäre meine erste Entscheidung abgewiesen worden.« Jetzt spiegelte sich in seinen Augen eine Regung: Vorwurf.

»Ja, aber bei diesem einen Mal wird es bleiben. Hör zu – seine Leute werden euch erwischen.«

»Ja. Das werden sie wahrscheinlich. Entweder werden sie uns erwischen oder aus irgendeinem Hinterhalt wie Hunde abknallen.«

»Ich glaube eher, daß sie euch greifen und zu ihm bringen werden. Ich denke, das wird schon in den nächsten Tagen geschehen. Wenn du Vegas erreichst, halte die Augen offen. Warte. Es wird kommen.«

»Was wird kommen? Was, Stu?«

»Ich weiß nicht. Das, weswegen man uns hergeschickt hat. Was immer es sein mag. Halte dich bereit. Damit du es vorher weißt.«

»Wir werden zu dir zurückkommen. Wenn wir es nur irgend schaffen. Das weißt du.«

»Ja, okay.«

Rasch stieg Larry den Hang hinauf, wo die anderen schon auf ihn warteten. Sie blieben noch einen Augenblick stehen und winkten hinunter. Auch Stu hob grüßend die Hand. Dann gingen sie. Und keiner von ihnen sollte Stu Redman je wiedersehen.


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