355 500 произведений, 25 200 авторов.

Электронная библиотека книг » Stephen Edwin King » The Stand. Das letze Gefecht » Текст книги (страница 51)
The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


Жанр:

   

Ужасы


сообщить о нарушении

Текущая страница: 51 (всего у книги 100 страниц)

»Wann ist es soweit?«

»Januar«, sagte sie, und die Tränen kamen.

Er nahm sie in die Arme und ließ sie, ohne etwas zu sagen, wissen, daß alles in Ordnung war. Er sagte ihr nicht, sie solle sich keine grauen Haare wachsen lassen und er würde sich schon um alles kümmern, aber er schlief noch einmal mit ihr, und sie hatte das Gefühl, noch nie im Leben so glücklich gewesen zu sein. Keiner von ihnen sah Harold, der schwarz und stumm wie der dunkle Mann selbst in den Büschen stand und sie beobachtete. Keiner von ihnen wußte, daß er die Augen zu kleinen bösartigen Dreiecken zusammenkniff, als Fran ihre Lust hinausschrie, als der herrliche Orgasmus sie durchflutete.

Als sie sich erhoben, war es völlig dunkel.

Harold schlich leise davon.

Aus Fran Goldsmiths Tagebuch



1. August 1990

Gestern abend keine Eintragung, zu aufgeregt, zu glücklich. Stu und ich sind zusammen.

Er war auch der Meinung, daß ich das Geheimnis meines Einsamen Reiters so lange wie möglich bewahren soll, am besten, bis wir seßhaft geworden sind. Wenn's in Colorado ist, soll es mir recht sein. So, wie ich mich heute fühle, wäre mir sogar ein Mondkrater recht. Klingt das wie Gesülze eines verknallten Schulmädchens? Nun – wenn eine Frau in ihrem Tagebuch sich nicht wie ein verknalltes Schulmädchen ausdrücken kann, wo dann?

Aber eines muß ich noch loswerden, bevor ich das Thema Einsamer Reiter fallenlasse. Es hat mit meinen »mütterlichen Instinkten« zu tun. Gibt es so etwas? Ich finde ja. Wahrscheinlich hormonell bedingt. Ich bin seit ein paar Wochen nicht mehr die alte, aber es fällt schwer, die durch die Schwangerschaft verursachten Veränderungen von denen zu trennen, die auf die schreckliche Katastrophe zurückzuführen sind, die über die Welt gekommen ist. Aber ein Gefühl der Eifersucht BESTEHT (»Eifersucht« ist eigentlich nicht das richtige Wort, aber ein besseres finde ich heute nacht nicht), ein Gefühl, daß man dem Mittelpunkt des Universums ein Stück nähergerückt ist und seine Position dort verteidigen muß. Deshalb scheint mir das Veronal ein größeres Risiko als die Alpträume zu sein, auch wenn mir die Vernunft sagt, daß das Veronal dem Baby nicht schaden kann – jedenfalls nicht mit den geringen Dosen, die die anderen nehmen. Und ich glaube, dieses Gefühl der Eifersucht ist auch ein Teil der Liebe, die ich für Stu Redman empfinde. Mir ist, als würde ich nicht nur für zwei essen, sondern auch lieben. So, ich muß mich kurz fassen. Ich brauche meinen Schlaf, was für Träume er auch bringen mag. Wir sind nicht so schnell durch Indiana gekommen, wie wir gehofft hatten – ein schrecklicher Verkehrsunfall in der Nähe der Kreuzung Elkhart hat uns aufgehalten. Viele Fahrzeuge der Armee. Tote Soldaten. Glen, Susan Stern, Dayna und Stu nahmen so viele Waffen mit, wie sie finden konnten – etwa zwei Dutzend Gewehre, ein paar Granaten und – ja, Leute, wahrhaftig – einen Raketenwerfer. Während ich das schreibe, versuchen Harold und Stu herauszufinden, wie der Raketenwerfer, für den siebzehn oder achtzehn Raketen da sind, funktioniert. Bitte, lieber Gott, pass auf, daß sie sich nicht selbst in die Luft jagen.

Und da wir gerade von Harold sprechen, ich muß dir sagen, liebes Tagebuch, daß er NICHT DEN GERINGSTEN VERDACHT HAT (hört sich wie eine Dialogzeile aus einem alten Bette-Davis-Film an, was?). Wenn wir die Gruppe um Mutter Abagail erreicht haben, muss ich es ihm wohl sagen; es wäre nicht recht, es ihm länger zu verheimlichen, komme, was da wolle.

Aber heute war er fröhlicher & und heiterer, als ich ihn je gesehen habe. Er hat so sehr gegrinst, daß ich gedacht habe, sein Gesicht würde zerreißen! Er hat vorgeschlagen, daß Stu ihm mit dem gefährlichen Raketenwerfer helfen soll, und…

Aber jetzt kommen sie zurück. Schreibe später weiter.



Frannie schlief tief und traumlos. Wie alle, außer Harold Lauder. Irgendwann kurz nach Mitternacht stand er auf, ging leise zu der Stelle, wo Frannie lag, blieb stehen und sah auf sie hinab. Jetzt lächelte er nicht mehr, obwohl er den ganzen Tag gelächelt hatte. Manchmal hatte er heute das Gefühl gehabt, das Lächeln würde ihm das Gesicht spalten, so daß sein gemartertes Gehirn herausquoll. Vielleicht wäre das eine Wohltat gewesen.

Er sah auf sie hinab und lauschte dem sommerlichen Zirpen der Grillen. Wir haben jetzt die Hundstage, dachte er. Die Hundstage, vom 25. Juli bis zum 28. August, laut Webster's Lexikon. Sie werden so genannt, weil sich um diese Zeit die meisten Hunde mit Tollwut infizieren. Er sah auf Fran hinab, die so friedlich schlief und den zusammengerollten Pullover als Kissen benützte. Ihr Rucksack stand neben ihr.

Jeder Hund hat seinen Tag, Frannie.

Er kniete sich hin und erstarrte, als seine Kniegelenke wie Pistolenschüsse knackten, aber niemand bewegte sich. Er machte ihren Rucksack auf, löste die Zugschnur und griff hinein. Er richtete seine winzige Taschenlampe auf den Inhalt des Rucksacks. Frannie murmelte tief im Schlaf, regte sich, und Harold hielt den Atem an. Er fand das Ringbuch ganz unten hinter drei Blusen und einem eselsohrigen Taschenatlas. Er zog es heraus, schlug es auf und richtete das Licht auf Frannies enge, aber lesbare Handschrift.

6.Juli 1990 – Nach einiger Überredung war Mr. Bateman bereit, mit uns zu kommen...

Harold klappte das Buch zu und kroch damit zu seinem Schlafsack zurück. Er kam sich wie der kleine Junge von damals vor, der Junge mit wenigen Freunden (er war, bis er drei wurde, ein hübsches Baby gewesen, aber seitdem war er ein dicker und häßlicher Witz) und vielen Feinden, der Junge, den seine Eltern ganz einfach nur hingenommen hatten – deren Aufmerksamkeit hatte nur Amy gegolten, als diese den Miss-America-Atlantic-City-Weg ihres Lebens betrat -, der Junge, der in Büchern Trost suchte, der Junge, der seine Enttäuschung darüber, daß ihn beim Baseball niemand in seiner Mannschaft haben wollte und er stets übergangen wurde, wenn Schülerlotsen gesucht wurden, dadurch kompensierte, daß er sich in Long John Silver oder Tarzan oder Philip Kent verwandelte... der Junge, der spät abends zu diesen Gestalten wurde, wenn er unter der Bettdecke die Taschenlampe auf die bedruckten Seiten richtete, vor Aufregung große Augen bekam und seine eigenen Bettfürze nicht roch; dieser Junge kroch jetzt Kopf voraus mit Frannies Tagebuch und seiner Taschenlampe in seinen Schlafsack.

Als er den Lichtstrahl auf die erste Seite des Ringbuchs richtete, erlebte er noch einen Augenblick der Vernunft. Nur einen Augenblick lang schrie etwas in ihm Harold! Hör auf!– so zwingend, daß er am ganzen Körper zitterte. Und er hätte fast aufgehört. Einen Augenblick schien es möglich aufzuhören, das Tagebuch wieder dorthin zu legen, wo er es gefunden hatte, Frannie aufzugeben und die beiden ihrer Wege ziehen zu lassen, bevor etwas Schreckliches und Unwiderrufliches geschah. In diesem Augenblick schien es, als könnte er den bitteren Trank von sich weisen, ihn aus dem Becher gießen und diesen mit dem füllen, was diese Welt für ihn bereithielt. Gib es zurück, Harold, bat diese Stimme der Vernunft, aber vielleicht war es schon zu spät.

Im Alter von sechzehn Jahren hatte er Burroughs und Stevenson und Robert Howard zugunsten anderer Phantasien aufgegeben, Phantasien, die geliebt und verhaßt zugleich waren – die nichts mit Weltraumraketen oder Piraten zu tun hatten, sondern mit Mädchen in durchsichtigen Seidenpyjamas, die auf Satinkissen vor ihm knieten, während Harold der Große sich nackt auf seinem Thron räkelte und bereit war, sie mit kleinen Lederpeitschen oder einem Stock mit silbernem Knauf zu züchtigen. Es waren bittere Phantasien, in denen jedes hübsche Mädchen der High School von Ogunquit irgendwann einmal aufgetreten war. Diese Tagträume endeten stets mit einem wachsenden Druck in den Lenden, einer Explosion von Körperflüssigkeit, die mehr Fluch als Lust war. Dann schlief er ein, und das Sperma trocknete auf seinem Bauch zu Schuppen. Jedes Hündchen hat seinen Tag.

Jetzt waren es diese bitteren Phantasien, die alten Kränkungen, die er wie gelbe Laken um sich hüllte, die alten Freunde, die nie starben, deren Zähne nie stumpf wurden, deren tödliche Zuneigung nie wankte.

Er schlug die erste Seite auf, richtete die Taschenlampe auf die Worte und fing an zu lesen.

Eine Stunde vor Einbruch der Dämmerung stopfte er das Buch wieder in Frans Rucksack und schnallte ihn zu. Er war nicht einmal besonders vorsichtig. Wenn sie aufwachte, dachte er kalt, würde er sie umbringen und verschwinden. Aber wohin? Nach Westen. Doch er würde nicht in Nebraska halten, nicht einmal in Colorado, o nein. Sie wachte nicht auf.

Er ging zu seinem Schlafsack zurück. Er masturbierte voll bitterer Verzweiflung. Als er endlich einschlief, schlief er unruhig. Er träumte, er würde auf halbem Weg an einem steilen Abhang mit Felsbrocken und Findlingen sterben. Hoch über ihm kreisten Bussarde in den nächtlichen Aufwinden und warteten darauf, daß sein Körper zu ihrer Mahlzeit würde. Kein Mond schien, keine Sterne...

Und dann öffnete sich in der Dunkelheit ein schreckliches rotes Auge: wölfisch, geisterhaft. Das Auge erfüllte ihn mit Entsetzen und hielt ihn doch in seinem Bann.

Das Auge lockte ihn.

Nach Westen, wo sich jetzt die Schatten zu ihrem Totentanz in der Dämmerung versammelten.



Als sie an diesem Abend ihr Lager aufschlugen, waren sie westlich von Joliet, Illinois. Es gab einen Kasten Bier, nette Gespräche, Gelächter. Sie hatten das Gefühl, als hätten sie mit Indiana auch den Regen hinter sich gelassen. Alle machten Bemerkungen über Harold, der noch nie so fröhlich gewesen war. »Weißt du, Harold«, sagte Frannie später am Abend, als die Party sich langsam auflöste, »ich glaube, ich habe dich noch nie so gut gelaunt gesehen. Was ist los?«

Er zwinkerte ihr fröhlich zu. »Jeder Hund hat seinen Tag, Frannie.«

Sie lächelte ihn ein wenig verdutzt an. Aber sie dachte, daß Harold sich eben geheimnisvoll gab. Unwichtig. Viel wichtiger war, daß sich alles zum Guten wendete.



An diesem Abend fing Harold an, selbst Tagebuch zu führen.

48

Er taumelte und stolperte eine lange Steigung hinauf; die sengende Sonne kochte seinen Magen und röstete sein Gehirn. Die Interstate flimmerte in der Hitze. Er war einmal Donald Merwin Elbert gewesen, aber jetzt war er für alle Zeiten der Mülleimermann und erblickte die legendären sieben Städte von Cibola.

Wie lange reiste er schon nach Westen? Wie lange, seit er The Kid getroffen hatte? Gott mochte es wissen; der Mülleimermann nicht. Es waren Tage. Nächte. Oh, an die Nächte erinnerte er sich!

Er stand schwankend in seinen Lumpen da und sah auf Cibola hinab, die verheißene Stadt, die Stadt der Träume. Er war ein Wrack. Das Handgelenk, das er gebrochen hatte, als er über das Geländer auf die an den Tank der Cheery Oil genieteten Treppe sprang, war nicht richtig geheilt; das Handgelenk war ein grotesker, mit einem dreckigen Verband umwickelter Klumpen. Die Knochen sämtlicher Finger hatten sich irgendwie zusammengezogen und die Hand in eine Quasimodo-Klaue verwandelt. Sein linker Arm war vom Ellbogen bis zur Schulter eine nur langsam verheilende Masse verbrannten Gewebes. Es roch nicht mehr schlecht und vereitert, aber das neue Fleisch war haarlos und rosa wie die Haut einer billigen Puppe. Sein grinsendes, irres Gesicht war von der Sonne verbrannt, rissig, stoppelbärtig und von den schorfigen Wunden seines Sturzes bedeckt, als sich der Vorderreifen seines Fahrrads vom Rahmen verabschiedet hatte. Er trug ein verblichenes blaues J.C.-Penney-Arbeitshemd, auf dem sich konzentrisch Schweißflecken ausbreiteten, und eine schmutzige Cordhose. Sein Rucksack, der vor kurzem noch neu gewesen war, hatte sich in Aussehen und Substanz seinem Besitzer angeglichen – ein Riemen war gerissen; Müll hatte ihn, so gut er konnte, zusammengeknotet; jetzt hing der Rucksack so schief auf seinem Rücken wie der Fensterladen eines Spukhauses; er war verstaubt, die Falten voll Wüstensand. An den Füßen trug Müll Turnschuhe Marke Kids, die mit Strohschnüren gebunden waren; die Knöchel ragten daraus hervor – zerkratzt, vom Sand aufgescheuert und bar jeglicher Socken.

Er sah zu der weit entfernten Stadt hinunter. Er wandte das Gesicht dem unerbittlichen stahlblauen Himmel und der glühenden Sonne zu, die herabgleißte und ihn mit Backofenhitze einhüllte. Er schrie. Es war ein wilder, triumphierender Schrei, fast genau wie der, den Patty Kroger ausstieß, als sie Roger Rabbit mit dem Kolben seiner eigenen Schrotflinte den Schädel gespalten hatte.

Er begann einen schlurfenden Siegestanz auf dem kochenden, hitzeflimmernden Asphalt der Interstate 15, während der heiße Wüstenwind Sand über den Highway wehte und die blauen Gipfel der Bergketten Pahranagat und Spotted mit ihren weißen Zähnen ungerührt am strahlenden Himmel sägten, wie seit Jahrtausenden. Auf der anderen Seite des Highway waren ein Lincoln Continental und ein Thunderbird fast im Sand vergraben, die Insassen hinter dem Sicherheitsglas mumifiziert. Auf Mülleimers Straßenseite hatte sich ein Stück weiter ein Kleinlaster überschlagen; nur die Räder und das Bodenblech waren noch zu sehen.

Er tanzte. Seine Füße in den zusammengebundenen und ausgetretenen Kids hüpften wie bei einem trunkenen Volkstanz auf dem Highway auf und ab. Sein zerfetztes Hemd flatterte im Wind. Die Feldflasche klapperte gegen den Rucksack. Die losen Enden des Ace-Verbands wehten im heißen Atem des Windes. Das rosa Gewebe der verheilenden Brandwunden schimmerte häßlich. Seine Schläfenadern traten hervor wie Stricke. Er wanderte jetzt schon eine Woche durch Gottes Bratpfanne nach Südwesten durch Utah, die Spitze von Arizona und dann nach Nevada, und er war ein Irrer, total verrückt.

Während er tanzte, sang er monoton, immer wieder dieselben Worte zu einer Melodie, die populär gewesen war, als er noch in der Anstalt in Terre Haute gesessen hatte, einem Song mit dem Titel »Down to the Nightclub« von einer schwarzen Gruppe namens Tower of Power. Aber der Text war von ihm. Er sang:

»Ci-a-bola, Ci-a-bola, bump-ty, bump-ty, bump! Ci-a-bola, Ci-a-bola, bump-ty, bump-ty, bump!«, und auf jedes letzte bump! folgte ein Hüpfschritt, bis in der Hitze alles verschwamm und der harsche blaue Himmel dämmergrau wurde, bis er halb bewußtlos auf der Straße zusammenbrach und sein überlastetes Herz wie verrückt in der ausgedörrten Brust klopfte. Brabbelnd und grinsend zog er sich mit letzter Kraft über den umgestürzten Lastwagen und lag in dessen schwindendem Schatten zitternd und keuchend in der Gluthitze.

»Ciabola!« krächzte er. »Bumpty-bumpty-fe«

Er fummelte mit seiner Klauenhand die Feldflasche von der Schulter und schüttelte sie. Die Flasche war fast leer. Einerlei. Er würde den letzten Tropfen austrinken und sich hier hinlegen, bis die Sonne unterging, und dann würde er auf dem Highway nach Cibola laufen, zu den legendären sieben Städten. Heute abend würde er aus ewig sprudelnden goldenen Brunnen trinken. Aber erst wenn die Mördersonne unterging. Gott war der größte Feuerteufel von allen. Vor langer, langer Zeit hatte ein Junge namens Donald Merwin Elbert den Rentenscheck der alten Oma Semple verbrannt. Derselbe Junge hatte die Methodistenkirche in Powtanville angesteckt, und wenn noch etwas von diesem Donald Merwin Elbert in dieser Hülle gewesen wäre, dann wäre es ganz bestimmt mit den Öltanks in Gary, Indiana, verbrannt worden. Mehr als neun Dutzend, und sie waren wie ein Strang-Kracher hochgegangen. Und obendrein noch rechtzeitig zum 4. Juli. Hübsch. Im Kielwasser der Feuersbrunst war nur der Mülleimermann übriggeblieben, dessen linker Arm ein rissiges, kochendes Gulasch war, und in dessen Körper ein Feuer brannte, das nie mehr ausgehen würde... jedenfalls nicht, bevor sein Körper zu schwarzer Kohle geworden war.

Und heute abend würde er das Wasser von Cibola trinken, ja, es würde schmecken wie Wein.

Er hob die Flasche, und sein Adamsapfel hüpfte, als das letzte Wasser pißwarm in seinen Magen gurgelte. Als sie leer war, warf er die Flasche in die Wüste. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Das Wasser verkrampfte ihm köstlich den Magen.

»Cibola!« murmelte er. »Cibola! Ich komme! Ich komme! Ich mach' alles, was du willst! Mein Leben für dich! Bumpty-bumpty-bump«

Müdigkeit überkam ihn, nachdem der Durst etwas gestillt war. Er war fast eingeschlafen, als ihm ein völlig anderer Gedanke wie eine eiskalte Dolchklinge durch den Boden seines Verstands fuhr:

Wenn Cibola nun bloß eine Fata Morgana war?

»Nein«, murmelte er. »Nein, hm-hm, nein.«

Aber ihn einfach nicht wahrhaben zu wollen verscheuchte den Gedanken nicht. Die Klinge stieß und bohrte und hielt den Schlaf fern. Wenn er nun mit dem letzten Schluck Wasser eine Fata Morgana gefeiert hatte? Auf seine Weise erkannte er seinen Wahnsinn; genau wie er würde ein Verrückter handeln. Wenn es eine Fata Morgana war, würde er hier in der Wüste sterben, und die Bussarde würden sich an ihm gütlich tun.

Schließlich konnte er die grauenhafte Möglichkeit nicht mehr ertragen, kam taumelnd auf die Füße, arbeitete sich wieder zur Straße vor und kämpfte gegen die Wogen von Erschöpfung und Übelkeit, die ihn überwältigen wollten. Auf der Hügelkuppe sah er gespannt über die mit Yucca und Steppenhexe und Teufelsmantel bewachsene riesige flache Ebene. Der Atem blieb ihm im Halse stecken und franste dann zu einem langen Seufzer aus wie ein Stück Stoff, das an einem Nagel hängenbleibt.

Da war es!

Cibola, seit alters her Legende, von vielen gesucht, vom Mülleimermann entdeckt!

Weit unten in der Wüste, von blauen Bergen umgeben, glänzten seine Türme und Straßen, selbst blau im Dunst der Entfernung, im Wüstentag. Dort standen Palmen... er konnte Palmen sehen... und Bewegungen... und Wasser!

»Oh, Cibola!« frohlockte er und taumelte in den Schatten des umgestürzten Wagens zurück. Cibola lag weiter entfernt, als es aussah, das wußte er. Heute nacht, wenn Gottes Fackel vom Himmel verschwunden war, würde er laufen wie nie zuvor. Er würde Cibola erreichen und sich als erstes kopfüber in den nächsten Brunnen stürzen, an dem er vorbeikam. Dann würde er ihnsuchen, den Mann, der ihn zu sich befohlen hatte. Den Mann, der ihn durch die Ebenen und über die Berge und schließlich in die Wüste gezogen hatte – und das alles innerhalb eines Monats und trotz des gräßlich verbrannten Arms.

Er, der ist– der dunkle Mann, der Hartgesottene. Er wartete in Cibola auf den Mülleimermann, und ihmgehörten die Heere der Nacht, ihm gehörten die bleichen Totenreiter, die von Westen dahersprengten ins Gesicht der aufgehenden Sonne. Sie würden toben und grinsen und nach Schweiß und Pulverdampf stinken. Es würden Schreie ertönen, und Mülleimer störten solche Schreie kaum; es würde zu Vergewaltigungen und Unterdrückung kommen, was ihn noch weniger störte; es würde Mord geben, was ihm gleichgültig war – und es würde einen großen Brand geben.

Das gefiel ihm sehr gut. In den Träumen kam der dunkle Mann zu ihm, breitete an einem hohen Orte die Arme aus und zeigte Mülleimer ein Land in Flammen. Städte, die wie Bomben explodierten. Bebaute Felder, über die der Feuersturm raste. Und selbst auf den Flüssen von Chicago und Pittsburgh und Detroit und Birmingham loderte treibendes Öl. Und der dunkle Mann hatte ihm in seinen Träumen etwas ganz Einfaches gesagt, das ihn veranlaßt hatte, sofort loszulaufen: Du wirst in meiner Artillerie einen hohen Rang einnehmen. Du bist der Mann, den ich brauche. 

Er rollte sich auf die Seite, seine Wangen und Lider waren vom Sand wundgescheuert. Er hatte die Hoffnung schon verloren -, ja, als sich das Vorderrad vom Rahmen gelöst hatte, hatte er die Hoffnung verloren. Gott, der Gott vatermordender Sheriffs, der Gott von Charley Yates war anscheinend doch stärker als der dunkle Mann, wie es schien. Aber er hatte den Glauben nicht verloren und weitergemacht. Und zuletzt, als es ausgesehen hatte, als würde er in der Wüste verbrennen, bevor er Cibola erreichte, wo der dunkle Mann auf ihn wartete, hatte er es weit unten in der Sonne träumen sehen.

»Cibola«, flüsterte er und schlief ein.



Den ersten Traum hatte er vor über einem Monat in Gary gehabt, nachdem er sich den Arm verbrannt hatte. An dem Abend war er mit der Gewißheit eingeschlafen, daß er sterben würde; niemand konnte sich so schlimm verbrennen wie er und überleben. Ein Refrain hatte sich seinem Kopf eingeprägt: Lebe durchs Feuer, stirb durchs Feuer. Lebe dadurch, stirb dadurch.

In einem kleinen Stadtpark hatten die Beine unter ihm nachgegeben; er war gestürzt und hatte den linken Arm mit dem versengten Ärmel von sich weggestreckt wie etwas Totes. Die Schmerzen waren gigantisch, unglaublich gewesen. Er hätte sich nie träumen lassen, daß es solche Schmerzen auf der Welt gab. Er war fröhlich von einem Block Öltanks zum nächsten gelaufen und hatte provisorische Zeitzünder angebracht, die aus einem Stahlrohr und einer entflammbaren Paraffinmischung bestanden, welche mittels eines Stahlplättchens von einer kleinen Menge Säure getrennt war. Diese Vorrichtungen hatte er in die Überlaufrohre oben auf den Tanks gesteckt. Wenn sich die Säure durch den Stahl gefressen hatte, entzündete sich das Paraffin, und die Tanks gingen hoch. Er hatte vorgehabt, zum Westrand von Gary zu gehen, zu dem Wirrwarr von Kreuzungen und Dreiecken der zahlreichen Straßen Richtung Chicago oder Milwaukee, bevor einer der Tanks explodierte. Er wollte das Spektakel verfolgen, wenn die ganze dreckige Stadt von einem Feuersturm verzehrt wurde.

Aber er hatte den Zündzeitpunkt der letzten Bombe falsch eingeschätzt oder sie fehlerhaft konstruiert. Sie war detoniert, während Müll noch den Deckel auf dem Überlaufrohr mit einem Schraubenschlüssel löste. Das brennende Paraffin rülpste eine grellweiße Flamme aus der Röhre und hüllte seinen linken Arm in Feuer. Es war kein schmerzloser Handschuh aus Feuerzeugbenzin, den man in der Luft schwenken und wie ein großes Streichholz ausblasen konnte. Das waren Schmerzen, als hätte man den Arm in einen Vulkan gesteckt.

Er lief kreischend und wie irrsinnig auf dem Öltank hin und her und sprang von dem hüfthohen Geländer ab wie eine fleischgewordene Flipperkugel. Wären die Geländer nicht dagewesen, wäre er hinuntergestürzt und hätte sich dabei immer wieder überschlagen wie eine Fackel, die in einen Brunnen geworfen wurde. Nur der Zufall rettete sein Leben; er stolperte über die eigenen Füße, fiel mit dem Körper auf den linken Arm und erstickte die Flammen. Er richtete sich auf und war immer noch halb irr vor Schmerzen. Später dachte er, daß ihn nur reines Glück – oder der Wille des dunklen Mannes davor bewahrt hatten zu verbrennen. Der Großteil des Paraffinstrahls hatte ihn verfehlt. Er war dankbar – aber die Dankbarkeit kam erst später. Zu dem Zeitpunkt konnte er nur weinen, hin und her wippen und den verbrannten Arm vom Körper Wegstrecken, während die Haut schmorte und aufplatzte und sich zusammenzog.

Als das Licht vom Himmel schwand, fiel ihm vage ein, daß er schon ein Dutzend seiner Zünder angebracht hatte. Sie konnten jeden Moment hochgehen. Zu sterben und aus diesem unsäglichen Elend erlöst zu sein wäre wunderbar, aber in den Flammen zu sterben das absolute Grauen.

Irgendwie war er vom Tank heruntergekrochen, zwischen den liegengebliebenen Wagen hindurchgelaufen, und dabei hatte er die ganze Zeit den gegrillten Arm weit vom Körper gehalten. Als er einen kleinen Park in der Nähe des Stadtzentrums erreichte, ging die Sonne unter. Er setzte sich zwischen zwei ShuttleboardSpielfeldern auf den Rasen und überlegte, was man bei Brandwunden unternehmen könnte. Butter draufstreichen, das hätte Donald Merwin Elberts Mutter gesagt. Aber das half nur, wenn man sich verbrüht hatte oder das Bratenfett besonders hoch spritzte und einem den Arm mit heißem Öl übergoß. Er konnte sich nicht vorstellen, Butter auf das aufgeplatzte schwarze Fleisch zwischen Ellenbogen und Schulter zu streichen; er konnte sich nicht einmal vorstellen, es zu berühren.

Sich umbringen.Das war es, das war die Lösung. Er würde sich von seinem Elend erlösen, wie man einen alten Hund...

Plötzlich erfolgte im Osten der Stadt eine gewaltige Explosion, als wäre das Weltgefüge brutal entzweigerissen worden. Eine flüssige Feuersäule raste in das tiefe Indigo der Dämmerung empor. Er mußte die Augen zu tränenden, schmerzenden Schlitzen zusammenkneifen.

Selbst mit den Schmerzen hatte er Freude an dem Feuer... mehr noch, es entzückte und erfüllte ihn. Feuer war die beste Medizin, besser als das Morphium, das er am nächsten Tag fand (als Vertrauensmann im Gefängnis hatte er außer in der Bibliothek und der Fahrbereitschaft auch in der Krankenstation gearbeitet und wußte über Morphium und Elavil und Darvon Complex Bescheid). Er brachte den momentanen Schmerz nicht mit der Feuersäule in Verbindung. Er wußte nur, das Feuer war gut, das Feuer war schön, das Feuer brauchte er und würde es immer brauchen. Wunderbares Feuer!

Augenblicke später explodierte ein zweiter Öltank, und selbst hier, drei Meilen entfernt, spürte er den heißen Lufthauch der Druckwelle. Noch ein Tank ging hoch, und noch einer. Eine kleine Pause, dann explodierten sechs in dröhnender Folge, und jetzt war es so hell, dass man nicht mehr hinübersehen konnte, aber er sah trotzdem hinüber, grinste, und in seinen Augen spiegelten sich die gelben Flammen; sein verbrannter Arm und die Gedanken an Selbstmord waren vergessen.

Es dauerte über zwei Stunden, bis alle Tanks explodiert waren, bis es Nacht war, aber es war nicht dunkel, die Nacht war gelb und orangefarben und fiebrig von den Flammen. Das Feuer tanzte am gesamten östlichen Bogen des Horizonts. Das Bild erinnerte ihn an einen Illustrierte-Klassiker-Comic, den er als Kind gelesen hatte, eine Adaption von H. G. Well's Krieg der Welten. Jetzt, Jahre später, war der Junge, dem das Comic-Heft gehört hatte, verschwunden, aber der Mülleimermann war da, und Müll besaß das wunderbare, schreckliche Geheimnis der marsianischen Todesstrahlen. Es war Zeit, den Park zu verlassen. Die Temperatur war schon um zehn Grad angestiegen. Er mußte nach Westen gehen, vor dem Feuer bleiben, wie in Powtanville, mußte vor dem sich ständig erweiternden Ring der Zerstörung davonlaufen. Aber sein Zustand erlaubte es ihm nicht, davonzulaufen. Deshalb schlief er im Gras ein, und das Licht der Flammen flackerte über das Gesicht eines müden, mißhandelten Kindes.

In seinem Traum kam der dunkle Mann mit seinem Kapuzenmantel, das Gesicht unsichtbar... und doch glaubte der Mülleimermann, dass er diesen Mann schon einmal gesehen hatte. Wenn die Leute, die in Powtanville in der Milchbar oder der Kneipe herumlungerten, hinter ihm herpfiffen, schien dieser Mann unter ihnen gewesen zu sein, schweigend und nachdenklich. Als er bei Scrubba-Dubba gearbeitet hatte (Scheinwerfer abseifen, Scheibenwischer prüfen, Spiegel abwischen, he, Mister, möchten Sie auch Heißwachs?) und den Schwammhandschuh so lange trug, bis die Hand darunter wie ein bleicher toter Fisch aussah und die Fingernägel so weiß waren wie frisches Elfenbein, schien er das tückische und voll irrer Freude grinsende Gesicht dieses Mannes hinter dem schlierigen Wasserfilm, der die Windschutzscheibe herablief, gesehen zu haben. Als der Sheriff ihn in die Klapsmühle nach Terre Haute schickte, war dieser Mann der Angestellte in der Psychiatrie gewesen, der in dem Raum stand, wo man die Elektroschocks bekam; der Mann hatte die Hand am Schalter gehabt ( Ich werde dir das Gehirn rösten, Junge, und dir auf den Weg helfen, wenn du dich von Donald Merwin Elbert in den Mülleimermann verwandelst, möchtest du Heißwachs?) und war bereit gewesen, ihm etwa tausend Volt ins Hirn zu jagen, bis es zu brodeln schien. Er kannte diesen dunklen Mann durchaus, dessen Gesicht man nie ganz sah, dessen Hände sämtliche Pik aus einem schlechten Blatt austeilten, dessen Augen jenseits der Flammen waren und dessen Grinsen von jenseits des Grabes der Welt kam.

»Ich mache alles, was du willst«, sagte er dankbar im Traum. »Mein Leben für dich!«

Der dunkle Mann hob die Arme unter dem Mantel und machte ihn so zu einem schwarzen Drachen. Sie standen an einem hohen Ort, und unter ihnen lag Amerika in Flammen.

Du wirst in meiner Artillerie einen hohen Rang einnehmen. Du bist der Mann, den ich brauche.

Dann sah er eine Armee von zehntausend zerlumpten und verstoßenen Männern und Frauen, die sich nach Osten wälzte, durch die Wüste in die Berge, ein wildes Tier von einer Armee, dessen Zeit endlich gekommen war; sie fuhren in Lastwagen und Jeeps und Campingwagen und Panzern, jeder Mann und jede Frau trugen einen dunklen Stein um den Hals, tief in manchen dieser Steine war eine Figur eingebettet, die ein Auge oder ein Schlüssel sein konnte. Und ihnen voraus sah er sich selbst in einem riesigen Tanklastzug mit schweren Reifen und wußte, es war Napalm im Tank... und hinter ihm in der Kolonne fuhren Lastwagen mit Tellerminen und Plastiksprengstoff; mit Flammenwerfern und Leuchtbomben und Infrarot-Raketen; mit Granaten und Maschinengewehren und Raketenwerfern. Der Totentanz sollte in Kürze beginnen, die Saiten der Fidein und Gitarren rauchten bereits, der Geruch von Schwefel und Schießpulver erfüllte die Luft. Der dunkle Mann hob wieder die Arme, und als er sie sinken ließ, war alles kalt und stumm, die Feuer erloschen, selbst die Asche war kalt, und einen Augenblick war er wieder Donald Merwin Elbert, klein und ängstlich und verwirrt. Einen Augenblick argwöhnte er, nur eine Figur im riesigen Schachspiel des dunklen Mannes zu sein, getäuscht worden zu sein.

Dann sah er, daß das Gesicht des dunklen Mannes nicht mehr völlig verborgen war; zwei dunkle rote Kohlen glühten in den dunklen Höhlen, wo die Augen sein sollten, und erhellten eine Nase, die so schmal wie eine Messerklinge war.

»Ich mach' alles, was du willst«, sagte Müll dankbar im Traum.

»Mein Leben für dich! Meine Seele für dich!«

»Ich werde dich Feuer entfachen lassen«, sagte der dunkle Mann ernst. »Du mußt in meine Stadt kommen, dort werden wir alles besprechen.«

»Wo? Wo?« Er empfand Qualen der Hoffnung und Erwartung.

»Im Westen«, sagte der dunkle Mann und verblaßte. »Im Westen. Hinter den Bergen!«

Dann wachte er auf, und es war immer noch Nacht und immer noch hell. Die Flammen waren näher gekommen, die Hitze war erstickend. Häuser explodierten. Die Sterne waren nicht mehr zu sehen; sie waren von einem Leichentuch dichten schwarzen Ölqualms verhüllt. Feiner Ascheregen hatte eingesetzt. Die Shuttleboard-Spielfelder waren mit schwarzem Schnee bestäubt.


    Ваша оценка произведения:

Популярные книги за неделю