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The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


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Ужасы


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Nacheinander sah sie jeden an. »Gott wird es fügen, wie er es für richtig hält. Ihr seid nicht der Töpfer, ihr seid der Ton. Vielleicht ist der Mann im Westen das Rad, auf das ihr geflochten werdet. Ich darf es nicht wissen.«

Eine Träne, erstaunlich in dieser sterbenden Wüste, stahl sich aus ihrem linken Auge und rollte ihr über die Wange.

»Mutter, was sollen wir tun?« fragte Ralph.

»Kommt näher, ihr alle. Meine Zeit läuft ab. Ich gehe heim in die Herrlichkeit, und nie war ein Mensch dazu mehr bereit als ich. Kommt nahe zu mir.«

Ralph setzte sich auf die Bettkante. Larry und Glen stellten sich ans Fußende. Fran verzog das Gesicht, als sie aufstand, und Stu zog den Stuhl neben Ralph. Sie setzte sich wieder und nahm seine Hand mit ihren kalten Fingern.

»Gott hat euch nicht zusammengebracht, damit ihr ein Komitee oder eine Gemeinschaft gründet«, sagte sie. »Er hat euch hergeführt, um euch weiterzuschicken, auf eine Suche. Er möchte, daß ihr versucht, diesen Dunklen Fürsten, diesen Mann ferner Meilen, zu vernichten.«

Tickendes Schweigen. Mutter Abagail seufzte.

»Ich habe gedacht, Nick sollte euch führen, aber er hat Nick genommen – obwohl mir scheint, daß Nick nicht ganz verschwunden ist. Nein, ganz und gar nicht. Nun mußt du führen, Stuart. Und wenn es Gottes Wille ist, Stuart zu nehmen, dann mußt du führen, Larry. Und wenn er dich nimmt, dann fällt es Ralph zu.«

»Sieht aus, als wäre ich das fünfte Rad am Wagen«, sagte Glen.

»Was...«

»Führen?« fragte Fran kalt. » Führen? Wohin führen...?«

»Nach Westen, kleines Mädchen«, sagte Mutter Abagail. »Nach Westen. Du sollst nicht gehen. Nur die vier.«

»Nein!« Trotz ihrer Schmerzen war sie aufgesprungen. »Was sagen Sie da? Daß die vier sich in seine Hände geben sollen? Herz, Seele und Mut der Freien Zone?« Ihre Augen funkelten. »Damit er sie ans Kreuz schlagen und nächsten Sommer hier ungehindert einmarschieren kann, um uns alle umzubringen? Ich will nicht, dass mein Mann Ihrem Mördergott geopfert wird. Der Teufel soll ihn holen.«

» Frannie!« keuchte Stu.

»Mördergott!  Mördergott!« fauchte sie. »Millionen – vielleicht Milliarden Tote durch die Seuche. Millionen danach. Wir wissen nicht einmal, ob unsere Kinder leben werden. Hat er immer noch nicht genug? Soll es immer so weitergehen, bis die Erde den Ratten und Insekten gehört? Er ist ein Dämon, und Sie sind seine Hexe!«

»Hör auf, Frannie.«

»Kein Problem. Ich bin fertig. Ich will gehen. Bring mich nach Hause, Stu. Nicht ins Krankenhaus, sondern nach Hause.«

»Wir werden uns anhören, was sie zu sagen hat.«

»Gut. Dann hör du es für uns beide an. Ich gehe.«

»Kleines Mädchen.«

» Nennen Sie mich nicht so

Ihre Hand schoß vor und umklammerte Frannies Handgelenk. Fran erstarrte. Sie machte die Augen zu. Sie riß den Kopf zurück.

»Nein. N-N-Nein...  O MEIN GOTT – STU...«

»Halt! Halt!« brüllte Stu. »Was machen Sie mit ihr?«

Mutter Abagail antwortete nicht. Der Augenblick wurde länger, schien sich zu einem Stück Unendlichkeit zu dehnen, dann ließ die alte Frau los.

Langsam, wie betäubt, massierte Fran das Handgelenk, das Mutter Abagail ergriffen hatte, obwohl keine Rötung darauf hindeutete, dass Druck angewendet worden war. Plötzlich wurden Frannies Augen ganz groß.

»Liebes?« fragte Stu ängstlich.

»Weg«, murmelte Fran.

»Wovon... wovon redet sie?« Stu sah die anderen erschüttert und flehentlich an. Glen schüttelte nur den Kopf. Sein Gesicht war weiss und angespannt, aber nicht ungläubig.

»Die Schmerzen... das Reißen. Meine Rückenschmerzen. Sie sind weg.« Sie sah Stu benommen an. »Sie sind  ganz weg. Sieh doch.«

Sie bückte sich und berührte die Zehen leicht: einmal, dann zweimal. Dann bückte sie sich zum dritten Mal und preßte die Handfläche auf den Boden, ohne die Knie anzuwinkeln.

Sie richtete sich wieder auf und sah Mutter Abagail in die Augen.

»Ist das die Bestechung Gottes? Wenn ja, kann er seine Heilung zurücknehmen. Ich habe lieber die Schmerzen, wenn ich dafür Stu behalten kann.«

»Gott besticht nicht, Mädchen«, flüsterte Mutter Abagail. »Er setzt nur ein Zeichen und läßt die Menschen es nehmen, wie sie wollen.«

»Stu geht nicht nach Westen«, sagte Fran, aber jetzt mischte sich Unsicherheit in ihre Angst.

»Setz dich«, sagte Stu. »Wir werden uns anhören, was sie zu sagen hat.«

Fran setzte sich erschrocken, fassungslos, verwirrt. Ihre Hände betasteten immer wieder den Rücken.

»Geht nach Westen«, flüsterte Mutter Abagail. »Nehmt weder Nahrung noch Wasser mit. Geht noch heute und in den Kleidern, die ihr am Leibe tragt. Geht zu Fuß. Ich weiß, daß einer von euch das Ziel nicht erreichen wird, aber ich weiß nicht, wer derjenige ist, der fallen wird. Ich weiß, daß die anderen vor diesen Mann Flagg gebracht werden, der überhaupt kein Mann ist, sondern ein übernatürliches Wesen. Ich weiß nicht, ob es Gottes Wille ist, daß ihr ihn besiegt. Ich weiß nicht, ob es Gottes Wille ist, daß ihr Boulder jemals wiederseht. Das zu sehen ist mir nicht vergönnt. Aber er ist in Las Vegas, und dort müßt ihr hingehen, und dort werdet ihr euer letztes Gefecht austragen. Ihr werdet gehen, und ihr werdet nicht verzagen, denn ihr könnt euch auf des Herrn starken und ewigen Arm stützen. Ja. Mit Gottes Hilfe werdet ihr bestehen. «

Sie nickte.

»Das ist alles. Ich habe meinen Teil gesagt.«

»Nein«, flüsterte Fran. »Das kann nicht sein.«

»Mutter«, sagte Glen krächzend. Er räusperte sich. »Mutter, uns ist nicht >gegeben< zu verstehen, wenn Sie wissen, was ich meine. Wir... wir sind nicht mit Ihrer Nähe zu dieser Art oberster Instanz gesegnet. Das ist uns nicht gegeben. Fran hat recht. Wenn wir da rübergehen, werden wir wahrscheinlich von den ersten Posten totgeschlagen, denen wir begegnen.«

»Habt ihr keine Augen? Ihr habt gerade gesehen, wie Gott Fran durch mich von ihrem Leiden geheilt hat. Glaubt ihr, sein Plan ist es, daß ihr von den niedersten Häschern des Dunklen Fürsten erschossen und getötet werdet?«

»Aber Mutter...«

»Nein.« Sie hob die Hand und tat seine Worte mit einem Winken ab.

»Es ist nicht meine Sache, mit euch zu streiten oder euch zu überzeugen, sondern nur, euch Gottes Plan mit euch verständlich zu machen. Hör zu, Glen.«

Plötzlich kam die Stimme von Glen Bateman aus Mutter Abagails Mund, die ihnen allen Angst machte, Fran so sehr, daß sie sich kreischend an Stu drückte.

»Mutter Abagail nennt ihn den Vasallen des Teufels«, sagte die kräftige Männerstimme, die irgendwie in der verbrauchten Brust der alten Frau ihren Ursprung nahm und durch den zahnlosen Mund herauskam. »Vielleicht ist er nur der letzte Zauberer rationalen Denkens, der die Werkzeuge der Technologie gegen uns sammelt. Vielleicht ist er mehr, etwas Dunkleres. Ich weiß nur, er ist. Und ich glaube nicht mehr, daß Soziologie oder Psychologie oder sonst eine -ologie ihn aufhalten können. Ich glaube, das kann nur weiße Magie.«

Glens Mund stand offen.

»Ist das die Wahrheit, oder sind dies die Worte eines Lügners?« sagte Mutter Abagail.

»Ich weiß nicht, ob es stimmt oder nicht, aber es sind meine Worte«, sagte Glen erschüttert.

»Habt Vertrauen. Ihr alle.  Vertrauen. Larry... Ralph... Stu... Glen... Frannie. Besonders du, Frannie. Vertrauen... und gehorcht dem Wort Gottes.«

»Haben wir denn eine Wahl?« fragte Larry bitter.

Sie sah ihn erstaunt an. »Eine Wahl? Es gibt immer eine Wahl. Das ist Gottes Art, immer. Euer Wille ist frei. Macht was ihr wollt. Euch sind keine Fußfesseln angelegt. Aber...  das will Gott von euch.«

Wieder diese Stille, wie tiefer Schnee. Schließlich unterbrach Ralph sie. »In der Bibel steht, was David mit Goliath gemacht hat«, sagte er. »Ich werde gehen, wenn Sie sagen, daß es richtig ist, Mutter.«

Sie nahm seine Hand.

»Ich«, sagte Larry. »Ich auch. Okay.« Er seufzte und hielt die Hände an die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen. Glen machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber bevor er es konnte, hörten sie einen tiefen Seufzer aus der Ecke, und ein Poltern.

Es war Lucy, die sie alle vergessen hatten. Sie war in Ohnmacht gefallen.



Die Dämmerung berührte den Rand der Welt.

Sie saßen um Larrys Küchentisch und tranken Kaffee. Es war zehn vor fünf, als Fran durch den Flur kam und unter der Tür stehenblieb. Sie hatte ein verweintes Gesicht, aber sie hinkte nicht mehr beim Gehen. Sie war tatsächlich geheilt. »Ich glaube, sie stirbt«, sagte Fran.

Sie gingen hinein; Larry hatte den Arm um Lucy gelegt. Mutter Abagails Atem klang hohl und rasselnd und erinnerte in schrecklicher Weise an die Supergrippe. Schweigend und voll Ehrfurcht versammelten sie sich um das Bett. Ralph war überzeugt, daß am Ende etwas geschehen, daß sich ihnen das Wunder Gottes unverhüllt und deutlich offenbaren würde. Sie würde mit einem Blitz gen Himmel fahren. Oder sie würden ihre Seele sehen, die in einen Strahlenkranz verwandelt durch das Fenster himmelwärts stieg. Aber am Ende starb sie einfach.

Sie tat noch einen einzigen Atemzug, den letzten von Millionen. Sie sog ihn ein, hielt ihn, stieß ihn wieder aus. Dann hob sich ihre Brust nicht mehr.

»Sie ist tot«, murmelte Stu.

»Gott sei ihrer Seele gnädig«, sagte Ralph, der keine Angst mehr hatte. Er faltete ihr die Hände über der dünnen Brust und benetzte sie mit seinen Tränen.

»Ich werde gehen«, sagte Glen plötzlich. »Sie hatte recht. Weiße Magie. Mehr bleibt uns nicht.«

»Stu«, flüsterte Frannie. »Bitte, Stu, sag nein.«

Sie sahen ihn an – alle.

Nun mußt du führen, Stuart.

Er dachte an Arnette, an den alten Wagen mit Charles D. Campion und seiner Todesfracht, der wie eine böse Büchse der Pandora in Bill Hapscombs Zapfsäulen gefahren war. Er dachte an Denninger und Deitz und wie er sie in Gedanken mit den lächelnden Ärzten verglichen hatte, die ihn und seine kranke Frau – und vielleicht auch sich selbst – über ihren Zustand belogen und belogen und belogen hatten. Und ganz besonders dachte er an Frannie. Und an Mutter Abagail, die gesagt hatte:  Das will Gott von euch.

»Frannie«, sagte er. »Ich muß gehen.«

»Und sterben.« Sie sah ihn bitter, fast haßerfüllt an, dann hilfesuchend zu Lucy. Aber Lucy war selbst betäubt und geistesabwesend und keine Hilfe.

»Wenn wir nicht gehen, sterben wir«, sagte Stu und tastete sich an den Worten entlang. »Sie hatte recht. Wenn wir warten, kommt der Frühling. Und dann? Wie wollen wir ihn aufhalten? Wir wissen es nicht. Wir haben keinen Schimmer. Noch nie gehabt. Wir hatten die Köpfe in den Sand gesteckt. Wir können ihn nicht aufhalten, nur, wie Glen sagt, Weiße Magie. Oder die Macht Gottes.«

Sie fing bitterlich an zu weinen.

»Frannie, nicht«, sagte er und wollte ihre Hand nehmen.

»Faß mich nicht an«, schrie sie. »Du bist ein toter Mann, du bist eine Leiche, also  faß mich nicht an

Als die Sonne aufging, standen sie immer noch wie ein Stilleben um das Bett herum.



Stu und Frannie fuhren gegen elf Uhr zum Flagstaff Mountain. Sie parkten auf halber Höhe, und Stu brachte den Picknickkorb, während Fran die Tischdecke und eine Flasche Blue Nun trug. Das Picknick war ihre Idee gewesen, aber ein seltsames und verlegenes Schweigen herrschte zwischen ihnen.

»Hilf mir die Decke ausbreiten«, sagte sie. »Und paß auf Dornen auf.«

Sie standen auf einer kleinen, flach abfallenden Wiese etwa dreihundert Meter unterhalb des Sunrise Amphitheater. Boulder lag im blauen Dunst unter ihnen. Heute herrschte der Sommer wieder uneingeschränkt. Die Sonne schien mit Macht und Kraft. Im Gras zirpten Grillen. Ein Grashüpfer sprang hoch, und Stu fing ihn mit einer raschen Bewegung der rechten Hand. Er konnte sein ängstliches Kribbeln an den Fingern spüren.

»Spuck, und ich laß dich gehen«, sagte er, eine alte Kindheitsfloskel, und als er aufschaute, sah Fran ihn traurig an. Sie drehte mit rascher Präzision den Kopf und spie aus. Es tat ihm in der Seele weh, das zu sehen. »Fran...«

»Nein, Stu. Sprich nicht darüber. Nicht jetzt.«

Sie breiteten das weiße Tischtuch aus, das Fran aus dem Hotel Boulderado gemopst hatte, und Fran richtete mit knappen, ökonomischen Bewegungen (es gab ihm ein seltsames Gefühl zu sehen, wie sie sich so anmutig und geschmeidig bewegte, als hätte es nie eine Verletzung und einen verrenkten Rücken gegeben) das Essen: Gurken und grünen Salat mit Essig; Schinkensandwiches; den Wein; einen Apfelkuchen als Nachtisch.

»Für alle guten Gaben danken wir dir, amen«, sagte sie. Er setzte sich neben sie und nahm ein Sandwich und Salat. Er war nicht hungrig. Er war innerlich verletzt. Aber er aß.

Als sie beide ihr symbolisches Sandwich und den größten Teil des Salats gegessen hatten – das frische Grün war köstlich gewesen -, und ein Stück Apfelkuchen als Nachtisch, sagte sie: »Wann brecht ihr auf?«

»Zu Mittag«, sagte er. Er zündete sich eine Zigarette an und schützte dabei die Flamme mit den hohlen Händen.

»Wie lange braucht ihr, bis ihr dort seid?«

Er zuckte die Achseln. »Zu Fuß? Keine Ahnung. Glen ist nicht mehr der Jüngste. Ralph auch nicht, was das betrifft. Wenn wir dreißig Meilen am Tag schaffen, könnten wir ungefähr am ersten Oktober drüben sein.«

»Und wenn in den Bergen schon Schnee liegt? Oder in Utah?«

Er zuckte die Achseln und sah sie fest an.

»Noch Wein?« fragte sie.

»Nein. Davon bekomme ich Sodbrennen. Schon immer.«

Fran schenkte sich noch ein Glas ein und trank einen Schluck, »War sie Gottes Stimme, Stu? War sie das?«

»Frannie, ich weiß es nicht.«

»Wir haben von ihr geträumt, und sie existierte. Diese ganze Sache gehört zu einem albernen Spiel, weißt du das, Stuart? Hast du je das Buch Hiob gelesen?«

»Ich glaube, ich war nie sehr bibelfest.«

»Aber meine Mutter. Sie hat immer Wert darauf gelegt, daß mein Bruder und ich uns mit Religion beschäftigen. Warum hat sie uns nie gesagt. Soweit ich weiß, habe ich davon nur einen Vorteil gehabt: Ich konnte immer die Bibelfragen in >Jeopardy< beantworten. Erinnerst du dich noch an >Jeopardy<, Stu?«

Er lächelte und sagte: »Und hier kommt Ihr Gastgeber, Alex Trebeck.«

»Ja, genau der. Es ging immer umgekehrt. Zuerst erhielt man die Antwort, dann mußte man die Frage dazu finden. Was die Bibel anbetraf, kannte ich alle Fragen. Hiob war wie eine Wette zwischen Gott und dem Teufel. Der Teufel sagte: >Natürlich betet er dich an. Es geht ihm gut. Aber wenn du ihm lange genug ins Gesicht pißt, wird er dir abschwören. < Und Gott nahm die Wette an. Er hat sie gewonnen.« Sie lächelte betrübt. »Gott gewinnt immer. Ich wette, Gott ist Fan der Boston Celtics.«

»Vielleicht  ist es eine Wette«, sagte Stu, »aber es geht um das Leben der Leute dort unten. Und um das des Kleinen in dir. Wie hat sie ihn genannt? Den Jungen?«

»Nicht einmal für ihn konnte sie mir Hoffnung machen«, sagte Fran.

»Wenn sie das getan hätte... nur das... wäre es wenigstens ein bißchen leichter gewesen, dich gehen zu lassen.«

Stu wußte nicht, was er sagen sollte.

»Es wird langsam Mittag«, sagte Fran. »Hilf mir einpacken, Stuart.«

Zusammen mit der Tischdecke legten sie das halbgegessene Frühstück und den Rest Wein in den Korb zurück. Stu betrachtete die Stelle und dachte, daß nur noch ein paar Krumen Zeugnis von ihrem Picknick ablegten... und auch die würden bald die Vögel fressen. Als er aufsah, schaute Frannie ihn weinend an. Er ging zu ihr.

»Ist schon gut. Das ist die Schwangerschaft. Ich muß immerfort weinen. Ich kann nichts dafür.«

»Schon recht«, sagte Stu.

»Schlaf mit mir, Stu.«

»Hier? Jetzt?«

Sie nickte und lächelte ein wenig. »Es wird schon gehen. Wenn wir auf die Dornen achten.«

Sie breiteten die Tischdecke wieder aus.

Am Ende der Baseline Road bat sie ihn, vor dem Haus anzuhalten, das bis vor vier Tagen noch Nick und Ralph gehört hatte. Die gesamte Rückfront des Hauses war weggesprengt worden. Trümmer lagen im Garten. Ein zertrümmert er Radiowecker lag auf einer zerfetzten Hecke. In der Nähe war das Sofa, das Fran unter sich begraben hatte. Auf der hinteren Treppe war ein Blutfleck. Sie sah ihn gebannt an.

»Ist das Nicks Blut? Könnte das sein?«

»Frannie, was soll das?« fragte Stu unbehaglich.

» Könnte es sein?«

»Herrgott, ich weiß nicht. Wahrscheinlich schon.«

»Leg die Hand darauf, Stu.«

»Frannie, bist du übergeschnappt?«

Die Stirnfalte furchte ihre Stirn, die Ich-will-Falte, die ihm erstmals in New Hampshire aufgefallen war.

»Leg die Hand darauf!«

Widerstrebend legte Stu die Hand auf den Fleck. Er wußte nicht, ob es Nicks Blut war oder nicht (und vermutete, eher nicht), aber die Geste verursachte ihm ein unheimliches, schauderndes Gefühl.

»Und jetzt schwöre mir, daß du zurückkommen wirst.«

Die Stufe schien an dieser Stelle zu warm zu sein; er wollte die Hand wegnehmen.

»Fran, wie kann ich...«

»Man kann nicht alles Gott überlassen«, zischte sie. »Nicht alles. Schwöre, Stu, schwöre es mir.«

»Frannie, ich schwöre, daß ich es versuchen will.«

»Das wird mir genügen müssen, oder?«

»Wir müssen zu Larry.«

»Ich weiß.« Aber sie hielt ihn nur noch fester. »Sag, daß du mich liebst.«

»Das weißt du doch.«

»Ich weiß es, aber sag es. Ich will es hören.«

Er hielt sie an den Schultern. »Fran, ich liebe dich.«

»Danke«, sagte sie und legte die Wange an seine Schulter. »Ich glaube, jetzt kann ich mich verabschieden. Ich glaube, jetzt kann ich dich gehen lassen.«

Sie umarmten einander in dem verwüsteten Vorgarten.

60

Sie und Lucy standen vor Larrys Haus und erlebten den undramatischen Anfang der Suche. Die vier standen einen Augenblick auf dem Gehweg, ohne Gepäck, ohne Schlafsäcke und ohne besondere Ausrüstung... wie befohlen. Alle trugen derbe Wanderschuhe.

»Tschüs, Larry«, sagte Lucy. Ihr Gesicht war wachsbleich.

»Vergiß es nicht, Stuart«, sagte Frannie. »Vergiß nicht, was du geschworen hast.«

»Ja. Ich vergesse es nicht.«

Glen steckte zwei Finger in den Mund und pfiff. Kojak, der einen Kanaldeckel inspizierte, kam gelaufen.

»Also, gehen wir«, sagte Larry. Er war genauso blaß wie Lucy, seine Augen unnatürlich hell, fast glitzernd. »Bevor ich die Nerven verliere.«



Stu warf Fran eine Kußhand zu, was er nicht mehr getan hatte, fiel ihm ein, seit seine Mutter ihn zum Schulbus brachte. Frannie winkte ihm zu. Die Tränen wollten wieder strömen, heiß und brennend, aber sie unterdrückte sie. Sie brachen auf. Sie gingen einfach fort. Sie hatten schon den halben Block hinter sich, und irgendwo sang ein Vogel. Die Mittagssonne war warm und unspektakulär. Sie kamen zum Ende des Blocks. Stu drehte sich um und winkte. Auch Larry winkte. Fran und Lucy winkten zurück. Sie gingen über die Straße. Sie waren fort. Lucy erschien beinahe krank vor Angst und Kummer.

»Großer Gott«, sagte sie.

»Gehen wir rein«, sagte Fran. »Ich will Tee.«

Sie gingen rein. Fran stellte den Teekessel auf. Das Warten hatte begonnen.



Den Nachmittag über zogen die vier langsam nach Südwesten, ohne viel zu reden. Ihr erstes Ziel war Golden, wo sie die erste Nacht verbringen wollten. Sie kamen an den Beerdigungsplätzen vorbei – es waren inzwischen drei -, und gegen vier Uhr, als ihre Schatten länger und der Tag kühl wurden, erreichten sie das Ortsschild am südlichen Stadtrand von Boulder. Einen Augenblick hatte Stu das Gefühl, daß sie alle kurz davor waren, wieder umzukehren und nach Hause zu gehen. Vor ihnen lagen Dunkelheit und Tod. Hinter ihnen ein wenig Wärme, ein wenig Liebe.

Glen nahm ein grobes Taschentuch aus der Gesäßtasche und band es sich um den Kopf. »Kapitel dreiundvierzig«, sagte er hohl. »Der kahlköpfige Soziologe legt sein Schweißband an.« Kojak war vorausgelaufen und schon über der Grenze von Golden, wo er fröhlich in den Wildblumen schnupperte.

»O Mann«, sagte Larry mit fast schluchzender Stimme. »Ich habe das Gefühl, als wäre dies das Ende von allem.«

»Ja«, sagte Ralph. »Das Gefühl habe ich auch.«

»Will jemand umkehren?« fragte Glen ohne große Hoffnung.

»Kommt«, sagte Stu und lächelte. »Hunde, wollt ihr ewig leben?«

Sie gingen weiter und ließen Boulder hinter sich. Gegen neun Uhr abends machten sie in Golden Rast, eine halbe Meile von dem Punkt entfernt, von dem aus die Route 6 sich am Clear Creek entlang und ins steinerne Herz der Rockies zu winden beginnt.

In dieser ersten Nacht schlief keiner gut. Sie fühlten sich schon weit von zu Hause entfernt und unter dem Schatten des Todes.

BUCH III 

DAS LETZTE GEFECHT

7. September 1990 – 10. Januar 1991

This land is your land,

this land is my land,

front California

to the New York island,

from the redwood forests,

to the Gulf stream waters,

this land was made for you and me.


Woody Guthrie



»He, Müll, was hat die alte Oma Semple gesagt, als du ihren Rentenscheck verbrannt hast?« 

Carley Yates



When the night has come

And the land is dark

And the moon is the only light we'll see, I won't be afraid

Just as long as you stand by me.


Ben E. King 


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