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The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


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Ужасы


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»Aber diesmal nicht«, flüsterte er. »Ich werde ihn erwischen. Ich werde ihn erwischen.«

Er hätte nicht erklären können, warum es so wichtig war, den Schwachsinnigen zu fangen; die Vernunftgründe an diesem Problem entfielen ihm immer wieder. Er empfand in zunehmendem Maße den Drang, einfach zu handeln, sich zu bewegen, etwas zu tun. Zu zerstören.

Gestern abend, als Lloyd ihm von den Hubschrauberabstürzen und dem Tod der drei Piloten berichtete, hatte er seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten müssen, um nicht in brüllende Raserei zu verfallen. Sein erster Impuls war gewesen, auf der Stelle eine bewaffnete Macht zu versammeln – Panzer, Flammenwerfer, Panzerfahrzeuge und alles, was dazugehört. Sie konnten in fünf Tagen in Boulder sein. Der ganze stinkende Dreck wäre in anderthalb Wochen ausgeräumt.

Gewiß.

Aber wenn auf den Bergpässen schon früh Schnee lag, wäre das das Ende seiner großartigen »Wehrmacht«. Und es war schon der 14. September. Gutes Wetter konnte man nicht mehr unbedingt voraussetzen. Wie, um alles in der Welt, hatte die Zeit so schnell vergehen können?

Aber er war der mächtigste Mann der Welt, oder? Es mochte Leute wie ihn in Rußland geben, in China oder im Iran, aber das war frühestens in zehn Jahren ein Problem. Jetzt war nur eins wichtig, er mußte überlegen bleiben, er wußte es, er fühlte es. Er war stark, mehr konnte der Schwachsinnige seinen Leuten nicht sagen... wenn er sich nicht in der Wüste verirrte oder in den Bergen erfror. Er konnte ihnen nur sagen, daß Flaggs Leute in Angst vor dem Wandelnden Gecken lebten und seine Befehle bedingungslos ausführten. Er konnte ihnen nur Dinge erzählen, die ihre Moral noch weiter untergraben würden. Warum hatte er dann aber dieses ständige bohrende Gefühl, daß Cullen gefunden und getötet werden mußte, bevor er den Westen verlassen konnte?

Weil ich es will, und weil ich auch bekommen werde, was ich will, und das ist Grund genug.

Und der Mülleimermann. Er hatte geglaubt, Müll ganz einfach abschreiben zu können. Er hatte geglaubt, den Mülleimermann fortwerfen zu können wie ein schadhaftes Werkzeug. Aber ihm war gelungen, was die gesamte Freie Zone nicht fertiggebracht hätte: Er hatte Sand in das narrensichere Getriebe der Eroberungsmaschinerie des dunklen Mannes geworfen.

Ich habe ihn falsch eingeschätzt...

Ein verhaßter Gedanke, den er nicht bis zu seiner letzten Konsequenz verfolgen mochte. Er warf sein Glas über das niedere Geländer und sah, wie es sich glitzernd überschlug, hinauswirbelte und dann nach unten fiel. Ein beiläufiger Gedanke schoß ihm durch den Kopf, der Gedanke eines boshaften Kindes: Hoffentlich fällt es jemandem auf den Kopf.

Weit unten fiel das Glas auf den Parkplatz und zerschellte – so weit unten, daß der dunkle Mann es nicht einmal hören konnte. Sie hatten in Indian Springs keine Bomben mehr gefunden. Sie hatten den ganzen Stützpunkt durchsucht. Offenbar hatte Müll seine Sprengladungen wahllos an den erstbesten Geräten angebracht, die er vorfand, an den Hubschraubern in Hangar 9 und den Tankwagen im Fuhrpark nebenan.

Flagg hatte seinen Befehl wiederholt, daß der Mülleimermann zu erschießen war, sobald er sich blicken ließ. Der Gedanke an den Mülleimermann, der auf dem unermeßlichen Regierungsgelände herumstreunte, wo Gott weiß was zu finden war, machte ihn jetzt sichtlich nervös.

Nervös.

Ja. Die wunderbare Gewißheit verflüchtigte sich immer noch. Wann hatte dieser Verflüchtigungsprozeß begonnen? Er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Er wußte nur, daß die Dinge an den Rändern unscharf wurden. Lloyd wußte es auch. Er konnte es daran sehen, wie Lloyd ihn betrachtete. Es war vielleicht keine schlechte Idee, wenn Lloyd einen Unfall hatte, ehe der Winter zu Ende ging. Er war Busenfreund von zu vielen Arschlöchern hier, Leuten wie Whitney Horgan und Ken DeMott. Sogar Burlson, der die Sache mit der Roten Liste verplappert hatte. Er hatte sich überlegt, ob er Burlson dafür bei lebendigem Leib die Haut abziehen sollte.

Aber wenn Lloyd von der Roten Liste gewußt hätte, wäre das alles nicht...

»Sei still«, murmelte er. »Sei... einfach... still!«

Aber der Gedanke ließ sich nicht so leicht verdrängen. Warum hatte er Lloyd die Namen der Top-Leute der Freien Zone nicht mitgeteilt? Er wußte es nicht, konnte sich nicht mehr erinnern. Damals schien er gute Gründe dafür gehabt zu haben, aber je mehr er darüber nachdachte, um so mehr entglitten sie ihm. War es nur der bauernschlaue Entschluß gewesen, nicht zu viele Eier in einen Korb zu legen – das Gefühl, daß man einem einzelnen nicht zu viele Geheimnisse anvertrauen durfte, nicht einmal einem so dummen und loyalen Menschen wie Lloyd Henreid?

Ein Ausdruck von Verwirrung wogte über sein Gesicht. Hatte er schon die ganze Zeit so dumme Entschlüsse gefaßt?

Und wie loyal war Lloyd tatsächlich? Dieser seltsame Blick... Abrupt beschloß er, dies alles beiseitezuschieben und zu levitieren. Dabei fühlte er sich immer besser. Stärker und glücklicher, und sein Kopf wurde klarer. Er sah zum Himmel über der Wüste hinauf. ( Ich bin, ich bin, ich bin, ICH BIN...)

Seine abgelaufenen Absätze lösten sich vom Sonnendeck, schwebten, stiegen einen Zentimeter. Dann zwei. Er wurde ruhig und wußte plötzlich, daß er die Lösung finden würde. Alles war klarer. Zuerst mußte er...

»Sie kommen, um dich zu erledigen.«

Als er diese leise, monotone Stimme hörte, plumpste er wieder auf den Fußboden. Der Schock fuhr ihm durch Beine und Rückgrat bis in den Kiefer. Er wirbelte herum wie eine Katze. Aber sein aufkeimendes Grinsen erlosch, als er Nadine sah. Sie trug ein weißes Nachthemd, viele Meter gazeartigen Stoffs, der sich um ihren Körper bauschte. Ihr Haar war so weiß wie ihr Kleid und wehte um ihr Gesicht. Sie sah aus wie eine bleiche, irre Sibylle, und Flagg hatte Angst, er konnte nicht anders. Sie trat vorsichtig an ihn heran. Ihre Füße waren nackt.

»Sie kommen. Stu Redman, Glen Bateman, Ralph Brentner und Larry Underwood. Sie kommen, und sie werden dich töten wie ein Wiesel, das Hühner stiehlt.«

»Sie sind in Boulder«, sagte er, »verstecken sich unter ihren Betten und trauern um das alte Niggerweib.«

»Nein«, sagte sie interesselos. »Sie sind fast in Utah. Sie werden bald hier sein. Und sie werden dich ausmerzen wie eine Krankheit.«

»Schweig. Geh nach unten.«

»Ich werde nach unten gehen«, sagte sie, kam näher zu ihm, und nun war sie es, die lächelte – ein Lächeln, das ihn mit Grauen erfüllte. Die wütende Farbe schwand aus seinen Wangen, und die seltsame heiße Vitalität schien mit ihr zu schwinden. Einen Augenblick sah er alt und gebrechlich aus. »Ich werde untergehen... und du auch.«

»Geh raus.«

»Wir werden untergehen«, sang sie und lächelte... es war gräßlich.

»Nach unten, nach unten... nach unten...«

»Sie sind in Boulder

»Sie sind fast hier.«

» Mach, daß du rauskommst!«

»Was du hier aufgebaut hast, fällt auseinander, und warum auch nicht? Die effektive Halbwertzeit des Bösen ist relativ kurz. Die Leute tuscheln über dich. Sie sagen, du hättest Tom Cullen entwischen lassen, einen schwachsinnigen Jungen, aber schlau genug, Randall Flagg zu überlisten.« Ihre Worte kamen immer schneller, sie sprudelten nur so zwischen dem höhnischen Lächeln hindurch. »Sie sagen, daß dein Waffenexperte verrückt geworden ist und du es nicht einmal vorhergesehen hast. Sie haben Angst, daß er aus der Wüste etwas holt, das gegen sie gerichtet sein könnte, statt gegen die Leute im Osten. Und sie verschwinden. Hast du das nicht gewußt?«

»Du lügst«, flüsterte er. Sein Gesicht war weiß wie Pergament, seine Augen quollen aus den Höhlen. »Sie würden es nicht wagen. Und wenn, wüßte ich es.«

Ihr leerer Blick ging über seine Schulter nach Osten. »Ich sehe sie«, flüsterte sie. »Sie verlassen mitten in der Nacht ihre Posten, und dein Auge sieht sie nicht. Sie verlassen ihre Posten und schleichen davon. Ein Arbeitstrupp zieht mit zwanzig Leuten aus, aber nur achtzehn kommen zurück. Die Grenzwachen desertieren. Sie fürchten, daß sich die Machtverhältnisse zu deinen Ungunsten verändern. Sie verlassen dich, verlassen dich, und die wenigen, die bleiben, werden keinen Finger rühren, wenn die Männer aus dem Osten kommen, um dich ein für allemal zu erledigen...«

Es riß. Was immer in seinem Inneren war, es riß.

» DU LÜGST!« schrie er sie an. Er packte sie so hart an den Schultern, daß ihr Schlüsselbein wie ein Bleistift zerbrach. Er hob ihren Körper hoch über den Kopf in den blaßblauen Wüstenhimmel, drehte sich auf den Absätzen um und schleuderte sie hoch und nach draußen, wie er das Glas geworfen hatte. Er sah ein Lächeln der Erleichterung und des Triumphes in ihrem Gesicht, sah die plötzliche Klarheit in ihren Augen und begriff. Sie hatte ihn überlistet. Sie hatte ihn gereizt, damit er es tat, denn sie hatte irgendwie gewußt, daß nur er sie erlösen konnte...

Und sie trug sein Kind.

Er beugte sich über das niedere Geländer und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Er wollte das Unwiderrufliche rückgängig machen. Ihr Nachthemd flatterte. Er erwischte einen Fetzen davon, und er hörte es reißen; der Stoff war so dünn, daß er durch ihn hindurch seine Finger sehen konnte – wie der Stoff des Traumes nach dem Erwachen.

Dann war sie weg, stürzte mit den Füßen voran nach unten, und ihr Nachthemd bauschte sich hoch, bis es ihr Gesicht verhüllte. Sie schrie nicht. Sie stürzte lautlos, wie ein Feuerwerkskörper, der nicht gezündet hat.

Als er das unbeschreibliche Geräusch des Aufpralls hörte, warf Flagg den Kopf zurück und heulte laut auf.

Es wareinerlei, es wareinerlei.

Er hatte immer noch alles in der Hand.

Er beugte sich wieder über das Geländer und sah, wie Leute wie von einem Magneten angezogene Eisenspäne zusammenströmten. Oder wie Maden, die sich über die Innereien hermachen.

Sie sahen so klein aus, und er stand so hoch über ihnen. Er beschloß zu levitieren, um sich wieder zu beruhigen. Aber es dauerte sehr, sehr lange, bis sich seine Füße vom Boden hoben, und sie schwebten nur einen halben Zentimeter über dem Beton. Höher wollten sie nicht.



Tom wachte an diesem Abend um acht Uhr auf, aber es war noch zu hell. Er wartete. Im Schlaf war Nick wieder zu ihm gekommen, und sie hatten gesprochen. Es war schön, mit Nick zu sprechen. Er lag im Schatten des großen Felsens und sah, wie der Himmel dunkler wurde. Die Sterne kamen zum Vorschein. Er dachte an Pringle's New Fangled Potato Chips und wünschte, er hätte welche. Wenn er wieder in der Freien Zone war – wenn er die Zone überhaupt je erreichte -, würde er so viele bekommen, wie er wollte. Er würde sich an Pringle's Chips satt essen. Und er würde sich darüber freuen können, daß er Freunde hatte, die ihn mochten. Gerade das hatte ihm hier in Las Vegas gefehlt, überlegte er; einfach Liebe. Gewiß, es gab genug nette Leute, aber in ihnen war wenig Liebe. Sie waren zu sehr mit ihrer Angst beschäftigt. Und dort, wo es nur Angst gab, gedieh Liebe nicht besonders gut, ebensowenig wie Pflanzen an Stellen wuchsen, wo es immer dunkel war. Nur Pilze und Schimmel wurden dick und fett in der Dunkelheit, das wußte sogar er, meine Fresse, ja.

»Ich liebe Nick und Frannie und Dick Ellis und Lucy«, flüsterte Tom. Das war sein Gebet. »Ich liebe auch Larry Underwood und Glen Batmean. Ich liebe Stan und Rona. Ich liebe Ralph. Ich liebe Stu. Ich liebe...«

Es war seltsam, wie leicht ihm die Namen einfielen. Damals in der Zone war er schon froh, wenn er Stus Namen wußte, wenn der zu Besuch kam. Und jetzt mußte er an sein Spielzeug denken. Seine Garage, seine Autos, seine Modelleisenbahn. Stundenlang hatte er damit gespielt. Aber er fragte sich, ob er noch so oft damit spielen würde, wenn er zurückgekehrt war von diesem... wenn er zurückkehrte. Es würde nicht mehr dasselbe sein. Das war traurig, aber vielleicht hatte es auch sein Gutes.

»Der Herr ist mein Hirte«, zitierte er leise. »Mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Au. Er beschmiert meinen Kopf mit Öl. Er gibt mir Kung-Fu im Angesicht meiner Feinde. Amen.«

Es war jetzt dunkel genug, und er zog weiter. Um elf Uhr dreißig in dieser Nacht erreichte er Gottes Finger; dort rastete er, um etwas zu essen. Das Gelände lag hoch, er hatte einen guten Ausblick. Wo er hergekommen war, sah er Lichter. Auf der Straße, dachte er. Sie suchen mich.

Tom blickte wieder nach Nordosten. Weit entfernt, in der Dunkelheit kaum zu erkennen (der Mond, der seit zwei Tagen abnahm, ging langsam unter), sah er eine riesige runde Granitkuppel. Sie war sein nächstes Ziel.

»Toms Füße sind wund«, flüsterte er, aber eigentlich war er ganz froh. Wunde Füße waren schlimm, aber es hätte noch schlimmer kommen können. »M-O-N-D und das buchstabiert man wunde Füße.«

Er ging weiter, und die Nachtlebewesen wuselten vor ihm davon, und als er sich gegen Morgen hinlegte, hatte er fast vierzig Meilen geschafft. Die Grenze zwischen Nevada und Utah war nicht mehr weit östlich von ihm.

Um acht Uhr morgens schlief er schon fest, den Kopf auf seiner Jacke. Seine Augen drehten sich rasch hinter den geschlossenen Lidern.

Nick war gekommen, und Tom sprach mit ihm.

Im Schlaf runzelte Tom die Stirn. Er hatte Nick erzählt, wie sehr er sich darauf freute, ihn wiederzusehen.

Aber aus einem Grund, den er nicht verstand, hatte Nick sich abgewandt.

68

Wie die Geschichte sich wiederholt: Der Mülleimermann wurde wieder einmal lebendig geröstet in des Teufels Bratpfanne – aber diesmal gab es keine Hoffnung auf Cibolas kühlende Brunnen.

Ich verdiene es nicht anders, ich bekomme nur, was ich verdiene.

Seine Haut war verbrannt, hatte sich abgeschält und war wieder verbrannt, aber sie war nicht braun geworden, sondern schwarz. Er war der wandelnde Beweis dafür, daß ein Mann am Ende so aussieht, wie er ist. Müll sah aus, als hätte ihn jemand mit Kerosin übergössen und ein Streichholz an ihn gehalten. Das Blau seiner Augen war in der ständigen grellen Wüstensonne noch blasser geworden; in sie zu sehen war, als schaute man in unheimliche vieldimensionale Löcher im Raum. Seine Kleidung war eine seltsame Imitation der des dunklen Mannes – offenes rotkariertes Hemd, verblichene Jeans und Wüstenstiefel, die inzwischen zerkratzt und zerknautscht und faltig und gerissen waren. Aber das schwarze Amulett mit dem roten Makel hatte er fortgeworfen. Er verdiente nicht mehr, es zu tragen. Er hatte sich als unwürdig erwiesen. Und wie jeder unwürdige Teufel war er ausgetrieben worden.

Er blieb in der glühenden Sonne stehen und fuhr sich mit einer mageren und zitternden Hand über die Stirn. Dieser Ort und diese Zeit waren ihm bestimmt – sein ganzes Leben war nur Vorbereitung gewesen. Er war durch die brennenden Korridore der Hölle gegangen, um hierher zu gelangen. Er hatte den vatermordenden Sheriff ertragen, er hatte Terre Haute ertragen, er hatte Carley Yates ertragen. Nach diesem seltsamen und einsamen Leben hatte er Freunde gefunden. Lloyd. Ken. Whitney Horgan.

O Gott, und er hatte alles versaut. Er verdiente es, hier draußen in des Teufels Bratpfanne zu schmoren. Konnte es Rettung für ihn geben? Das mochte der dunkle Mann wissen. Der Mülleimermann jedenfalls nicht.

Er wußte kaum noch, was geschehen war – vielleicht weil sein gequälter Verstand sich nicht erinnern wollte. Vor seiner letzten unheilvollen Rückkehr nach Indian Springs war er über eine Woche in der Wüste gewesen. Ein Skorpion hatte ihn in den Mittelfinger der linken Hand gestochen (in seinen Fickfinger, wie Carley Yates es vor langer, langer Zeit in Powtanville in seiner vulgären BillardsaalSprache genannt haben würde), und die Hand war angeschwollen wie ein Gummihandschuh voll Wasser. Ein unirdisches Feuer brannte in seinem Kopf. Und dennoch war er weitergegangen.

Schließlich war er nach Indian Springs zurückgekehrt und hatte sich immer noch wie die Ausgeburt der Phantasie eines anderen gefühlt. Es hatte einige Scherzworte gegeben, als er den Männern zeigte, was er gefunden hatte – Brandsätze, Tretminen, eigentlich nur Kleinigkeiten. An dem Tag hatte Müll sich seit dem Skorpionstich zum ersten Mal wieder wohl gefühlt.

Und dann hatte sich ohne jede Vorwarnung die Zeit verschoben, und er war wieder in Powtanville. Jemand hatte gesagt: »Leute, die mit Feuer spielen, sind Bettnässer, Müll«, und er hatte aufgeschaut und erwartet, Billy Jamieson zu sehen, aber da war nicht Billy, sondern Rieh Groudemore aus Powtanville gewesen, der grinste und sich mit einem Streichholz in den Zähnen stocherte, und seine Hände waren schwarz von Öl, denn er war von der Texaco an der Ecke in die Billardhalle gekommen, um in der Mittagspause ein Spiel zu machen. Und ein anderer sagte: »Laß das besser verschwinden, Richie, Müll ist wieder in der Stadt«, und das hörte sich zuerst nach Steve Tobie an, aber es war nicht Steve. Es war Carley Yates in seiner schäbigen alten Motorradjacke. Mit wachsendem Entsetzen hatte er gesehen, daß sie alle da waren, ruhelose Leichen, die wieder lebten. Richie Groudemore und Carley und Norman Morrisette und Hatch Cunningham, der schon eine Glatze bekam, obwohl er erst achtzehn war, und den alle Hatch Cunnilingus nannten.

Und sie alle stierten ihn an. Und dann prasselte durch den Fieberdunst der Jahre alles auf ihn herab. He, Müll, warum hast du nicht die SCHULE angezündet? He, Mülli, hast du dir schon den Arsch verbrannt? He, Mülleimermann, ich hab' gehört, du schneuzt Feuerzeugbenzin, stimmt das?

Dann Carleys Vater: He, Müll, was hat die alte Oma Semple gesagt, als du ihren Rentenscheck verbrannt hast?

Er hatte versucht, sie anzuschreien, aber nur ein Flüstern kam heraus: »Fragt mich bloß nicht mehr nach Oma Semples Scheck.«

Und er war davongerannt.

Der Rest war ein Traum. Er nahm die Zünder und befestigte sie an den Lastwagen im Fuhrpark. Seine Hände hatten die Arbeit getan, sein Verstand war weit entfernt und wirbelte verwirrt durcheinander. Leute sahen ihn zwischen dem Fuhrpark und seinem Geländewagen mit den großen Reifen hin und her gehen, manche winkten sogar, aber niemand war gekommen und hatte gefragt, was er da trieb. Immerhin trug er Flaggs Talisman.

Mülli tat, was er tun mußte, und dachte an Terre Haute. In Terre Haute hatten sie ihn auf ein Gummiding beißen lassen, wenn er die Elektroschocks bekam, und der Mann an den Kontrollen sah manchmal wie der vatermordende Sheriff und manchmal wie Carley Yates und manchmal wie Hatch Cunnilingus aus. Und er schwor sich jedesmal hysterisch, daß er sich diesmal nicht bepissen würde. Und tat es doch immer wieder.

Als er mit den Tankwagen fertig war, hatte er sich in den nächsten Hangar geschlichen und die Hubschrauber dort präpariert. Er wollte Zeitzünder verwenden und war deshalb in die Küche der Kantine gegangen, wo er über ein Dutzend dieser kleinen Plastikuhren aus dem Five-and-Dime fand. Man stellte sie auf fünfzehn Minuten oder eine halbe Stunde ein, und wenn sie wieder auf Null standen, klingelten sie, und man wußte, daß der Kuchen aus dem Ofen mußte. Statt zu klingeln, dachte Müll, würde es diesmal krachen. Das gefiel ihm. Das war ziemlich gut. Wenn Carley Yates oder Rieh Groudemore versuchten, mit einem dieser Hubschrauber loszufliegen, würden sie eine dicke fette Überraschung erleben. Er hatte die Küchenuhren einfach an die Zündsysteme der Hubschrauber angeschlossen.

Als er damit fertig war, hatte er noch einmal einen Augenblick der Vernunft gehabt. Er hatte die Hubschrauber in dem großen hallenden Hangar angestarrt, dann seine Hände. Sie rochen wie eine Rotte verbrannter Zündhütchen. Aber dies war nicht Powtanville. In Powtanville gab es keine Hubschrauber. In Indiana schien die Sonne nicht mit der wilden Glut dieser Sonne. Er war in Nevada. Carley und seine Freunde aus der Billardhalle waren tot. An der Supergrippe gestorben.

Von Zweifeln geplagt, hatte Müll sich umgedreht und seine Arbeit betrachtet. Wie kam er dazu, das Gerät des dunklen Mannes zu sabotieren? Es war sinnlos, Wahnsinn. Er mußte es rückgängig machen, und zwar schnell.

Aber die schönen Explosionen. Die wunderbaren Feuer. Brennender Düsentreibstoff, der in alle Richtungen floß. Hubschrauber, die in der Luft explodierten. So schön. Und dann hatte er plötzlich sein neues Leben weggeworfen. Er war zu seinem Geländewagen gelaufen, ein verstohlenes Grinsen in seinem von der Sonne geschwärzten Gesicht. Er war eingestiegen und weggefahren... aber nicht weit. Er hatte gewartet, und schließlich war ein Tankwagen aus dem Fuhrpark gekommen und langsam über den Asphalt gerollt wie ein olivgrüner Käfer. Und als er hochging und die brennende Flüssigkeit nach allen Seiten schoß, hatte Müll den Feldstecher fallenlassen und die Fäuste geschüttelt und seine Freude zum Himmel hinaufgeschrien. Aber seine Freude war nur kurz gewesen. Sie hatte sich schnell in tödliches Entsetzen und bittere Trauer verwandelt.

Er war mit fast selbstmörderischer Geschwindigkeit mit dem Geländewagen Richtung Nordwesten in die Wüste gerast. Wie lange war das her? Er wußte es nicht. Hätte man ihm gesagt, daß dies der sechzehnte September war, hätte er nur völlig verständnislos genickt.

Er dachte, er würde Selbstmord begehen. Er hatte jetzt keine andere Möglichkeit mehr, sagte er sich, alle standen jetzt gegen ihn, und genauso sollte es sein. Wenn man die Hand biß, die einen fütterte, mußte man damit rechnen, daß sich diese Hand zur Faust ballte. So ging das Leben; das war Gerechtigkeit. Er hatte drei große Benzinkanister hinten im Geländewagen. Er würde alle über sich schütten und dann ein Streichholz anzünden. Das hatte er verdient. Aber er hatte es nicht getan. Warum, wußte er nicht. Eine Kraft, die mächtiger als der Schmerz seines Bedauerns und seiner Einsamkeit war, hatte ihn daran gehindert. Ihm schien, als wäre selbst der Feuertod nach Art eines buddhistischen Mönchs keine ausreichende Strafe für ihn. Er hatte geschlafen. Und als er erwacht war, hatte er festgestellt, daß sich im Schlaf ein neuer Gedanke in sein Gehirn geschlichen hatte, und dieser Gedanke war:

WIEDERGUTMACHUNG

War das möglich? Er wußte es nicht. Aber wenn er etwas fand... etwas GROSSES... und es dem dunklen Mann in Las Vegas brachte, konnte es dann nicht möglich sein? Und selbst wenn WIEDERGUTMACHUNGunmöglich war, vielleicht war SÜHNEes nicht. Wenn es stimmte, bestand immer noch die Möglichkeit, daß er zufrieden sterben konnte.

Aber was? Was war groß genug für WIEDERGUTMACHUNG oder SÜHNE? Keine Tretminen oder Flammenwerfer, keine Handgranaten oder automatische Waffen. Das alles war nicht gross genug. Er wußte, daß es für Versuchszwecke zwei große Jagdbomber gab, und er wußte auch, wo sie standen (sie waren ohne Wissen des Kongresses gebaut und aus einem geheimen Fonds bezahlt worden), aber er konnte sie nicht nach Vegas schaffen, und selbst wenn er es könnte, gab es niemanden, der sie fliegen könnte. Wie sie aussahen, brauchten sie eine Besatzung von mindestens zehn Mann, wenn nicht mehr.

Er war wie ein Infrarot-Gerät, das in der Dunkelheit Hitze registrieren kann und die Hitzequellen als vage rote Teufelsgestalten wiedergibt. Auf seltsame Weise war er in der Lage, die Dinge aufzuspüren, die in dieser Öde lagerten, in der früher so viele militärische Projekte durchgeführt worden waren. Er hätte nach Westen fahren können, direkt zum Projekt Blau, wo das Ganze angefangen hatte. Aber die kalte Seuche war nicht nach seinem Geschmack, und auf seine wirre, wenn auch nicht ganz unlogische Weise glaubte er, daß sie auch nicht nach Flaggs Geschmack sein würde. Einer Seuche war es einerlei, wen sie umbrachte. Es wäre besser für die Menschen gewesen, wenn die Initiatoren von Projekt Blau diese Tatsache nicht vergessen hätten.

Er war daher von Indian Springs nach Nordwesten gefahren, wo in der sandigen Einöde Nellis Airforce Range lag, und hatte sein Fahrzeug zum Stehen gebracht, als er auf einen hohen Stacheldrahtzaun mit folgenden Schildern stieß: US REGIERUNGSGELÄNDE KEIN ZUTRITT und BEWAFFNETE POSTEN und SCHARFE WACHHUNDE und DRAHT FÜHRT STARKSTROM. Aber der Strom war so tot wie die scharfen Wachhunde und die bewaffneten Posten, und der Mülleimermann fuhr weiter und korrigierte hin und wieder den Kurs. Etwas zog ihn an. Er wußte nicht, was es war, aber es mußte etwas Großes sein. Groß genug.

Die Goodyear-Ballonreifen seines Geländewagens rollten und rollten und trugen Müll durch ausgetrocknete Flußbetten und über Hänge, die so felsig waren, daß sie aussahen wie der halb bloßgelegte Rücken eines Stegosaurus. Es war windstill und trocken. Die Temperatur mochte an die vierzig Grad betragen. Das einzige Geräusch war das Röhren des modifizierten Studebaker-Motors des Geländewagens.

Er fuhr einen Hügel hinauf, sah, was unten vor ihm lag, und schaltete einen Moment auf Leerlauf, damit er besser sehen konnte. Unten sah er Gebäude, deren Metalldächer in der Hitze flimmerten und wie Quecksilber aussahen. Nissenhütten und Häuser aus Hohlziegeln. Hier und da standen Fahrzeuge auf den vom Staub zugewehten Straßen. Das ganze Areal war durch drei Stacheldrahtzäune gesichert, und er sah die Isolatoren aus Porzellan, die in Abständen an den Drähten angebracht waren. Es waren nicht die kleinen Isolatoren, die knöchelgroßen, die einen leichten Geh-wegStromschlag verteilten; es waren riesige, so gross wie eine geballte Faust.

Von Osten führte eine zweispurige Asphaltstraße zum Wachlokal, das wie eine betonierte Tablettenschachtel aussah. Hier hingen keine netten kleinen Schilder mit Aufschriften wie LASSEN SIE IHRE KAMERA VOM WACHHABENDEN ÜBERPRÜFEN und WENN ES IHNEN BEI UNS GEFALLEN HAT, SAGEN SIE ES IHREM KONGRESSABGEORDNETEN. Das einzig sichtbare Schild war rot auf gelb, die Farben der Gefahr, kurz und bündig AUSWEISPAPIERE UNVERLANGT VORZEIGEN.

»Danke«, flüsterte Mülleimer. Er hatte keine Ahnung, bei wem er sich bedankte. »Oh, danke... danke.« Sein sechster Sinn hatte ihn an diesen Ort geführt, aber er hatte schon immer gewußt, daß es ihn gab. Irgendwo.

Er legte den Vorwärtsgang ein und fuhr den Hang hinab. Zehn Minuten später war er auf dem Zufahrtsweg zum Wachgebäude. Die Straße war durch eine schwarzweiß gestreifte Schranke gesperrt, und Müll stieg aus, um sie zu inspizieren. Solche Anlagen hatten immer große Generatoren, die im Notfall eingeschaltet wurden. Er bezweifelte zwar, ob nach drei Monaten auch noch nur ein einziger Generator funktionierte, aber er mußte sich vergewissern, ob alles außer Betrieb war, bevor er hineinging. Was er brauchte, lag direkt vor ihm. Er durfte nicht übereilt handeln und gebraten werden wie ein Stück Fleisch im Mikrowellenherd.

Hinter zehn Zentimeter dickem kugelsicherem Glas saß eine Mumie in Uniform und starrte an ihm vorbei.

Müll duckte sich unter der Schranke an der Einfahrts-Seite des Wachhauses hindurch und ging zur Tür des kleinen Betongebäudes. Er faßte an die Tür, und sie ließ sich öffnen. Das war gut. Wenn in so einer Anlage auf die Notaggregate umgeschaltet wurde, schloß sich alles automatisch. Wenn man gerade beim Kacken war, wurde man auf der Toilette eingesperrt, bis die Krise vorüber war. Aber wenn das Notstromaggregat versagte, entriegelte sich alles wieder. Der tote Wachposten roch trocken, süß und interessant, wie Zimt und Zucker auf Toast. Er war nicht aufgetrieben oder verwest; er war ganz einfach vertrocknet. Am Hals sah man noch die schwarzen Verfärbungen, das charakteristische Merkmal von Captain Trips. In der Ecke hinter ihm stand ein automatisches Browning-Gewehr. Der Mülleimermann nahm es und ging wieder nach draußen. Er stellte die Waffe auf Einzelfeuer, machte sich am Visier zu schaffen und drückte sie gegen die knochige rechte Schulter. Er zielte auf einen der Porzellanisolatoren und drückte ab. Es folgte ein lauter Knall, wie Händeklatschen, und aufregender Korditgeruch. Der Isolator explodierte nach allen Seiten, aber es gab keine purpurweiße Flamme von Starkstrom. Der Mülleimermann lächelte. Er ging summend zum Tor und untersuchte es. Es war ebensowenig verschlossen wie die Tür des Wachlokals. Er stieß es ein Stück auf und kauerte sich nieder. Unter dem Pflaster war eine Tretmine. Er wußte nicht, woher er das wußte, aber er wußte es. Sie war vielleicht scharf; vielleicht nicht.

Er ging zu seinem Geländewagen zurück, legte den Gang ein und fuhr durch die Schranke. Diese brach mit einem lauten Knacken, und die breiten Ballonreifen des Fahrzeugs fuhren darüber hinweg. Die Wüstensonne brannte herunter. Die seltsamen Augen des Mülleimermanns leuchteten vor Freude.

Vor dem Tor stieg er aus dem Geländewagen aus und legte den Gang wieder ein. Der führerlose Wagen rollte vorwärts und stieß das Tor ganz auf. Mülleimermann hastete in das Wachlokal. Er kniff die Augen zu, aber es erfolgte keine Explosion. Das war gut; sie hatten tatsächlich voll und ganz abgeschaltet. Das Notsystem hatte vielleicht einen Monat funktioniert, vielleicht zwei, aber letztendlich hatten Hitze und fehlende regelmäßige Wartung es erledigt. Trotzdem mußte er vorsichtig sein.

Derweil rollte sein Geländewagen gemütlich auf die Wellblechmauer einer Hütte zu. Der Mülleimermann folgte ihm in den Stützpunkt und holte ihn gerade ein, als die Reifen auf den Bordstein einer Straße polterten, die ein Schild als Illinois Street auswies. Er schaltete wieder in den Leerlauf, worauf der Geländewagen stehenblieb. Er stieg ein, legte den Gang ein und fuhr zur Vorderfront des Gebäudes.

Es war eine Mannschaftsunterkunft. Das schattige Innere war ebenfalls von einem Zucker-und-Zimt-Geruch erfüllt. Zwischen den etwa fünfzig Betten lagen ungefähr zwanzig tote Soldaten. Der Mülleimermann ging durch den Gang an ihnen vorbei und wußte nicht, wohin er ging. Hier gab es nichts für ihn, oder? Früher waren diese Toten gewissermaßen Waffen gewesen, aber die Supergrippe hatte sie neutralisiert.

Aber ganz hinten im Gebäude war etwas, das ihn interessierte. Ein Schild. Er trat näher heran, um es zu lesen. Die Hitze hier drinnen war enorm. Sein Kopf tat weh und schien anzuschwellen. Aber als er vor dem Schild stand, mußte er lächeln. Ja, hier war es. Irgendwo in der Nähe war das, was er suchte.

Auf dem Schild war die Karikatur eines Mannes unter der Karikatur einer Dusche zu sehen. Er seifte sich eifrig seine Genitalien ein, die fast ganz von Seifenschaum bedeckt waren. Darunter stand zu lesen: NICHT VERGESSEN! ES LIEGT IN IHREM EIGENEN INTERESSE, SICH TÄGLICH ZU DUSCHEN!


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