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The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


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Ужасы


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»Dann wissen Sie es ja. Als Teenager hatte ich meinen regelmäßigen Anteil von Sex-Träumen, feuchte und trockene, aber dazwischen manchmal auch welche, in denen sich das Mädchen, mit dem ich zusammen war, in eine Kröte verwandelte, eine Schlange oder sogar in einen verwesenden Leichnam. Als ich älter wurde, hatte ich Träume vom Versagen, Träume der Erniedrigung, Träume von Selbstmord, Träume von einem gräßlichen Unfalltod. Am häufigsten war der, in dem ich langsam von einer Hebebühne zerquetscht wurde. Ich glaube, das alles sind einfache Abwandlungen des Troll-Traums. Ich bin der festen Überzeugung, daß solche Träume ein simples psychologisches Überdruckventil sind, und die Leute, die sie haben, sind mehr gesegnet als verflucht.«

»Wenn man es sich vom Hals schafft, staut es sich nicht auf.«

»Genau. Es gibt alle möglichen Traumdeutungen – die von Freud sind die berüchtigtsten -, aber ich war immer der Meinung, Träume haben eine schlichte abführende Wirkung, mehr nicht – sie sind ein Mittel der Psyche, ab und zu einmal Müll abzuladen. Und dass Menschen, die nicht träumen – oder nicht auf eine Weise träumen, an die sie sich nach dem Aufwachen erinnern können – unter einer Art geistiger Verstopfung leiden. Schließlich ist die einzige praktische Kompensation für einen Alptraum, wenn man aufwacht und erkennt, es war alles nur ein Traum.«

Stu lächelte.

»Aber in letzter Zeit habe ich einen ziemlich schlimmen Traum. Er kommt immer wieder, wie mein Traum, unter der Hebebühne zerquetscht zu werden, aber dagegen wirkt dieser wie ein Ammenmärchen. Er gleicht keinem Traum, den ich jemals gehabt habe, und doch in gewisser Weise auch wieder allen. Als wäre... als wäre er die Summe aller bösen Träume. Wenn ich aufwache, ist mir elend zumute, als wäre es gar kein Traum gewesen, sondern eine Vision. Ich weiß, wie verrückt sich das anhören muß.«

»Wie ist er?«

»Es geht um einen Mann«, sagte Bateman leise. »Jedenfalls glaube ich, daß es ein Mann ist. Er steht auf dem Dach eines hohen Gebäudes, möglicherweise auf einer Klippe. Was auch immer, es ist so hoch, daß es Hunderte Meter tiefer im Nebel verschwindet. Es ist kurz vor Sonnenuntergang, aber er sieht in die andere Richtung, nach Osten. Manchmal hat er Jeans und Jeansjacke an, aber häufiger eine Kutte mit Kapuze. Sein Gesicht kann ich nie sehen, aber seine Augen. Er hat rote Augen. Und ich habe das Gefühl, dass er nach mir sucht – und daß er mich früher oder später finden wird oder ich zu ihm gehen muß... und das wird mein Tod sein. Daher versuche ich zu schreien...« Er verstummte mit einem knappen, verlegenen Achselzucken.

»Dann wachen Sie auf?«

»Ja.« Sie sahen Kojak zu, der zurückkam; Bateman tätschelte ihn, während Kojak die Schnauze in die Aluminiumschale steckte und die letzten Kuchenkrümel herausholte.

»Nun, ich schätze, es ist nur ein Traum«, sagte Bateman. Er stand auf und verzog das Gesicht, als seine Knie knackten. »Ein Psychologe, der das Ganze analysiert, würde vielleicht sagen, der Traum drücke meine unterbewußte Angst vor einem Führer aus, der die ganze Scheiße wieder von vorne anfängt. Vielleicht eine Angst vor der Technologie allgemein. Denn ich glaube, alle neuen Gesellschaften, die sich bilden, zumindest in der westlichen Zivilisation, werden Technologie als Eckstein haben. Das ist ein Jammer, und es muß nicht sein, aber es wird sein, weil wir süchtig sind. Sie werden sich nicht an die Ecke erinnern – oder erinnern wollen -, in die wir uns selbst gedrängt haben. Die verdreckten Flüsse, das Ozonloch, die Atombombe, die Luftverschmutzung. Sie werden sich nur daran erinnern, daß sie es früher einmal ohne nennenswerte Anstrengung nachts warm haben konnten. Sie sehen, zusätzlich zu meinen anderen Unzulänglichkeiten bin ich auch noch Euddit. Aber dieser Traum... der beschäftigt mich, Stu.«

Stu sagte nichts.

»Ich mache mich jetzt auf den Heimweg«, sagte Bateman brüsk.

»Ich bin schon halb betrunken, und ich glaube, es gibt heute nachmittag Gewitter.« Er ging zum hinteren Teil der Lichtung und stöberte dort herum. Wenig später kam er mit einer Schubkarre zurück. Er drehte den Klavierhocker ganz herunter, legte ihn hinein, danach die Staffelei, die Kühlbox und zu guter Letzt sein mittelmäßiges Bild oben auf den wackeligen Stapel.

»Haben Sie das alles hierhergekarrt?« fragte Stu.

»Bis ich etwas gesehen habe, das ich malen wollte. Ich gehe jeden Tag in eine andere Richtung. Gutes Training. Wenn Sie nach Osten gehen, warum kommen Sie nicht mit mir nach Woodville und übernachten in meinem Haus? Wir können uns beim Schieben ablösen, und ich habe drüben im Bach noch ein Sechserpack Bier stehen. Damit dürften wir standesgemäß nach Hause kommen.«

»Einverstanden«, sagte Stu.

»Gut. Ich werde unterwegs wahrscheinlich die ganze Zeit reden. Sie befinden sich in der Gewalt des Geschwätzigen Professors, TexasOst. Wenn ich Sie langweile, sagen Sie mir einfach, ich soll die Klappe halten. Wird mich nicht kränken.«

»Ich höre gern zu«, sagte Stu.

»Dann sind Sie einer von Gottes Auserwählten. Gehen wir.«

Sie gingen die 302 entlang, und während der eine die Karre schob, trank der andere Bier. Ganz gleich, wer gerade was tat, Bateman redete, ein endloser Monolog, der ohne Pause von einem Thema zum anderen sprang. Kojak sprang neben ihnen her. Stu hörte eine Weile zu, dann schweiften seine Gedanken eine Weile ab, und dann hörte er wieder zu. Er war beunruhigt von Batemans Vision von Hunderten menschlicher Enklaven, manche militaristisch, die in einem Land lebten, in dem Tausende Weltvernichtungswaffen herumlagen wie Bauklötze eines Kindes. Aber seltsamerweise mußte er immer wieder an Glen Batemans Traum denken, den Mann ohne Gesicht auf einem hohen Gebäude – oder am Rand einer Klippe -, den Mann mit den roten Augen, der, der sinkenden Sonne den Rücken zugewandt, ruhelos nach Osten sah.

Kurz vor Mitternacht wachte er schweißgebadet auf und fürchtete, er hätte geschrien. Aber Glen Bateman im Nebenzimmer atmete langsam, ruhig und ungestört, und auf dem Flur sah er Kojak mit dem Kopf auf den Pfoten schlafen. Alles erstrahlte so hell im Mondschein, daß es surrealistisch anmutete.

Als er aufwachte, hatte Stu sich auf den Ellenbogen aufgerichtet, und jetzt ließ er sich wieder auf das feuchte Laken sinken und hielt einen Arm vor die Augen; er wollte sich nicht an den Traum erinnern, konnte es aber nicht verhindern.

Er war wieder in Stovington gewesen. Eider war tot. Alle waren tot. Das Gebäude war eine hallende Gruft. Er war als einziger am Leben, und er konnte den Ausgang nicht finden. Zuerst versuchte er, seine Panik zu unterdrücken. Gehen, nicht laufen, sagte er sich immer wieder, aber zuletzt lief er doch. Seine Schritte wurden immer schneller, und der Zwang, über die Schulter zurückzuschauen und sich zu vergewissern, daß nur das Echo ihn verfolgte, wurde unerträglich.

Er kam an verschlossenen Bürotüren vorbei, auf deren Milchglasscheiben Namen in schwarzer Schrift standen. An einem umgestürzten Rollwägelchen vorbei. An der Leiche einer Schwester vorbei, deren Rock bis über die Schenkel hochgerutscht war und deren schwarzes, verzerrtes Gesicht zu den Neonleuchten aufsah, die wie umgekehrte Eiswürfelschalen an der Decke hingen.

Schließlich fing er an zu rennen.

Schneller, schneller glitten die Türen an ihm vorbei und weg, seine Füße stampften auf das Linoleum. Verschwimmende orangefarbene Pfeile an der weißen Wand. Schilder. Zuerst erschienen sie ganz normal: RADIOLOGIE und KORRIDOR B ZU DEN LABORS und KEIN ZUTRITT OHNE GÜLTIGEN AUSWEIS. Und dann war er plötzlich in einem anderen Teil der Anlage, einem Teil, den er noch nie gesehen hatte und auch nie hätte sehen sollen. Die Farbe an diesen Wänden blätterte schon ab. Manche Neonlampen waren aus; andere summten wie gefangene Fliegen. Viele Milchglasscheiben an den Bürotüren waren eingeschlagen, und durch die gezackten Löcher sah er Trümmer und zusammengekrümmte Leichen. Er sah Blut. Diese Leute waren nicht an der Grippe gestorben. Sie waren ermordet worden. Ihre Leichen wiesen Stiche und Schußwunden und schlimme Verletzungen auf, die nur von stumpfen Gegenständen herrühren konnten. Ihre Augen waren aus den Höhlen gequollen.

Er lief eine Rolltreppe hinunter, die außer Betrieb war, und in einen langen, dunklen Tunnel mit gekachelten Wänden. Am anderen Ende lagen weitere Büroräume, aber jetzt waren die Türen tiefschwarz gestrichen. Die Pfeile waren hellrot. Die Neonlampen summten und flackerten. Auf den Schildern stand: KOBALTBEHÄLTER und LASER-ARSENAL und SIDEWINDERRAKETEN und SEUCHENRAUM. Und dann sah er schluchzend vor Erleichterung einen Pfeil, der um eine rechtwinklige Ecke wies, und darüber das gesegnete Wort: AUSGANG.

Er ging um die Ecke, die Tür stand offen. Draußen die angenehm duftende Nacht. Er wollte auf die Tür zustürzen und hinaus, aber ein Mann in Jeans und grober Jacke trat davor und versperrte ihm den Weg. Stu blieb rutschend stehen, ein Schrei blieb ihm im Hals stecken. Als der Mann unter das trübe Licht der flackernden Neonlampen trat, sah Stu dort, wo sein Gesicht hätte sein müssen, nur einen kalten schwarzen Schatten, eine Schwärze, aus der zwei seelenlose rote Augen hervorstarrten. Keine Seele, aber Humor. Das war es; eine Art tanzende, irre Heiterkeit.

Der dunkle Mann streckte die Hände aus, und Stu sah, daß Blut von ihnen herabtropfte.

»Himmel und Erde«, flüsterte der dunkle Mann aus dem leeren Loch, wo sein Gesicht hätte sein müssen. »Der ganze Himmel und die ganze Erde.«

Dann war Stu aufgewacht.

Jetzt winselte und knurrte Kojak leise im Flur. Er zuckte im Schlaf sogar mit den Pfoten, und Stu nahm an, daß sogar Hunde träumten. Träumen war ganz normal, auch gelegentliche Alpträume.

Aber es dauerte lange, bis er wieder einschlafen konnte.

38

Im Kielwasser der Supergrippe-Epidemie folgte eine zweite Epidemie, die ungefähr zwei Monate dauerte. Diese Epidemie war in technologischen Gesellschaften wie den Vereinigten Staaten weit verbreitet, weniger dagegen in unterentwickelten Ländern wie Peru oder Senegal. In den USA raffte diese zweite Epidemie etwa sechzehn Prozent der Überlebenden der Supergrippe dahin. In Peru und Senegal nicht mehr als drei Prozent. Die zweite Epidemie hatte keinen Namen, weil die Symptome von Fall zu Fall grundverschieden waren. Ein Soziologe wie Glen Bateman hätte diese zweite Epidemie vielleicht »natürlichen Tod« genannt oder »den alten Unfallaufnahme-Nachklapp«. Im streng darwinistischen Sinn war es der letzte Schnitt – der schlimmste Schnitt von allen, hätten manche vielleicht gesagt.

Sam Tauber war fünfeinhalb Jahre alt. Seine Mutter war am 24. Juni im General Hospital von Murfreesboro, Georgia, gestorben. Am 25. starben sein Vater und seine kleine Schwester, die zwei Jahre alte April. Am 27. starb sein ältester Bruder Mike, und damit war Sam sich selbst überlassen.

Sam war seit dem Tod seiner Mutter im Schock. Er irrte gleichgültig durch die Straßen von Murfreesboro, aß, wenn er Hunger hatte, und weinte manchmal. Nach einer Weile hörte er auf zu weinen, weil es nichts nützte zu weinen. Es brachte die Menschen nicht zurück. Nachts wurde sein Schlaf von gräßlichen Alpträumen unterbrochen, in denen Papa, April und Mike immer wieder starben; ihre Gesichter waren schwarz und aufgedunsen, und sie hatten alle ein schlimmes Rasseln in der Brust, während sie an ihrem eigenen Rotz erstickten. Am Morgen des 2. Juli um Viertel vor zehn verirrte sich Sam in ein Gebüsch mit wilden Brombeeren hinter Hattie Reynolds' Haus. Geistesabwesend und mit leeren Augen ging er im Zickzack um Brombeersträucher herum, die fast zweimal so hoch waren wie er, und pflückte Beeren und aß sie, bis Lippen und Kinn schwarz verschmiert waren. Dornen rissen an seiner Kleidung und manchmal der bloßen Haut, aber er merkte es kaum. Bienen summten träge um ihn herum. Er sah die alte und verfaulte Brunnendeckplatte nicht, die halb unter hohem Gras und Brombeerranken verborgen war. Sie gab mit einem knirschenden, splitternden Krachen unter seinen Füßen nach, Sam stürzte sechs Meter tief den gemauerten Schacht hinunter auf den trockenen Grund, wo er sich beide Arme brach. Er starb vierundzwanzig Stunden später an Angst und Elend ebenso wie an Schock, Hunger und Wassermangel.



Irma Fayette lebte in Lodi, Kalifornien. Sie war alleinstehend, sechsundzwanzig Jahre alt, Jungfrau und von morbider Angst vor einer Vergewaltigung erfüllt. Seit dem 23. Juni, als es in der Stadt zu Plünderungen gekommen war und keine Polizei mehr da war, um den Plünderern Einhalt zu gebieten, war ihr Leben ein einziger langer Alptraum geworden. Irma besaß ein kleines Haus in einer Seitenstraße; ihre Mutter hatte mit ihr dort gewohnt, bis sie 1985 an einem Schlaganfall gestorben war. Als die Plünderungen begannen, die Schüsse und das gräßliche Grölen betrunkener Männer, die auf Motorrädern die Hauptstraße entlang fuhren, hatte Irma sämtliche Türen abgeschlossen und sich dann in der Rumpelkammer im Keller versteckt. Seither schlich sie regelmäßig nach oben, mucksmäuschenstill, um etwas zu essen zu holen oder sich zu erleichtern.

Irma konnte die Menschen nicht ausstehen. Wenn alle auf der Welt gestorben wären, außer ihr, wäre sie darüber nicht unglücklich gewesen. Aber so war es nicht. Erst gestern, als sie schon die zaghafte Hoffnung hegte, zumindest in Lodi könnte außer ihr niemand mehr sein, hatte sie einen üblen, betrunkenen Mann gesehen, einen Hippie mit T-Shirt, auf dem stand: ICH HABE AUF SEX UND ALKOHOL VERZICHTET – ES WAREN DIE SCHLIMMSTEN 20 MINUTEN MEINES LEBENS, der mit einer Flasche Whiskey in der Hand durch die Straßen gezogen war. Er hatte langes blondes Haar, das unter der Schirmmütze hervorquoll, die er aufhatte, und bis auf die Schultern fiel. Im Saum der engen Jeans hatte er eine Pistole stecken. Irma hatte ihn hinter dem Schlafzimmervorhang beobachtet, bis er nicht mehr zu sehen war, dann war sie nach unten in die Rumpelkammer geeilt, als wäre ein böser Bann von ihr genommen worden.

Sie waren nicht alle tot. Wenn noch ein Hippie übrig war, würde es noch andere Hippies geben. Und alle waren Vergewaltiger. Sie würden sie vergewaltigen. Früher oder später würden sie sie finden und vergewaltigen.

Heute morgen war sie noch vor Anbruch der Dämmerung auf den Dachboden geschlichen, wo die wenigen Habseligkeiten ihres Vaters in Kartons verstaut waren. Ihr Vater war bei der Handelsmarine gewesen. Er hatte Irmas Mutter Ende der sechziger Jahre verlassen. Irmas Mutter hatte Irma alles darüber erzählt. Sie war ganz offen zu ihr gewesen. Irmas Vater war ein Scheusal gewesen, der sich betrank und sie dann vergewaltigen wollte. Das wollten sie alle. Wenn man verheiratet war, gab das einem Mann das Recht, einen zu vergewaltigen, wann immer er wollte. Sogar bei Tage. Irmas Mutter faßte die Tatsache, daß ihr Mann sie verlassen hatte, stets mit drei Worten zusammen, dieselben Worte, die Irma zum Tod aller Männer, Frauen und Kinder auf der Welt hätte sagen können: »Kein großer Verlust.«

Die meisten Kisten enthielten lediglich billige Kinkerlitzchen, die in fremden Häfen gekauft worden waren – Souvenir aus Hong Kong, Souvenir aus Saigon, Souvenir aus Kopenhagen. Daneben ein Album mit Fotos. Die meisten zeigten ihren Vater auf einem Schiff, manchmal hatte er den Arm um seine befreundeten Scheusale gelegt und lächelte in die Kamera. Nun, wahrscheinlich hatte ihn die Krankheit, die sie Captain Trips nannten, dort erwischt, wohin er sich verkrümelt hatte. Kein großer Verlust.

Aber es war auch eine kleine Holzkiste mit Messingscharnieren dabei, in diesem Kästchen war eine Waffe. Eine Pistole Kaliber 45. Sie lag auf rotem Samt, in einem Geheimfach unter dem roten Samt befanden sich auch ein paar Kugeln. Sie waren grün und sahen schimmlig aus, aber Irma dachte, daß sie trotzdem funktionieren würden, Kugeln waren aus Metall. Die wurden nicht schlecht wie Milch oder Käse.

Sie lud die Waffe unter der Glühbirne voller Spinnweben auf dem Dachboden, dann ging sie hinunter und frühstückte an ihrem eigenen Küchentisch. Sie würde sich nicht länger wie eine Maus in ihrem Loch verkriechen. Sie war bewaffnet. Die Vergewaltiger sollten bloss aufpassen.

Am Nachmittag ging sie auf die Veranda, um ihr Buch zu lesen. Der Titel des Buches lautete Satan lebt auf der Welt und fühlt sich wohl.Grimmige und dennoch freudige Lektüre. Die Sünder und Tunichtgute hatten ihre gerechte Strafe erhalten, genau wie das Buch es vorhergesagt hatte. Sie waren alle tot. Abgesehen von ein paar Hippie-Vergewaltigern, und mit denen, glaubte sie, würde sie schon fertig werden. Die Pistole lag neben ihr.

Um zwei Uhr kam der Mann mit dem blonden Haar zurück. Er war so betrunken, daß er kaum stehen konnte. Er sah Irma und strahlte, zweifellos weil er sich freute, daß er endlich eine »Möse« gefunden hatte.

»He, Baby!« rief er. »Nur noch wir beide! Wie lange...« Dann umwölkte Entsetzen sein Gesicht, als er sah, wie Irma das Buch weglegte und die Fünfundvierziger hob.

»He, hör mal, leg das Ding weg... ist es geladen? He...!«

Irma drückte ab. Die Pistole explodierte und tötete sie auf der Stelle. Kein großer Verlust.



George McDougall lebte in Nyack, New York. Er war Mathematiklehrer an der High School und hatte sich auf Förderkurse spezialisiert. Er und seine Frau waren praktizierende Katholiken, und Harriett McDougall hatte ihm elf Kinder geboren, neun Jungs und zwei Mädchen. Zwischen dem 22. Juni, als sein neunjähriger Sohn Jeff der Krankheit erlag, welche zu dem Zeitpunkt noch als »grippale Erkrankung der Atemwege« diagnostiziert wurde, und dem 29. Juni, als seine sechzehnjährige Tochter Patricia (o Gott, sie war so jung und so wunderschön gewesen) an derselben Krankheit gestorben war, die inzwischen alle – die noch lebten – »Halswürger« nannten, hatte George mit ansehen müssen, wie die zwölf Menschen, die er am meisten auf der Welt liebte, gestorben waren, während er selbst sich wohl und bei bester Gesundheit fühlte. In der Schule hatte er immer Witze gemacht, daß er sich nicht an alle Namen seiner Kinder erinnern könne, aber die Reihenfolge ihres Todes war in seine Erinnerung eingraviert: Jeff am 22.., Marty und Heien am 23., seine Frau Harriett und Bill und George Junior und Robert und Stan am 24., Richard am 25., Danny am 27., der dreijährige Frank am 28. und zuletzt Pat – dabei hatte es bis zum Ende ausgesehen, als würde es Pat besser gehen.

George glaubte, er würde durchdrehen.

Auf Anraten seines Hausarztes hatte er vor zehn Jahren angefangen zu joggen. Er spielte weder Tennis noch Handball, bezahlte ein Kind dafür, daß es den Rasen mähte (selbstverständlich eines seiner eigenen), und fuhr in aller Regel mit dem Wagen zum Laden an der Ecke, wenn Harriett einen Laib Brot brauchte. Sie nehmen zu, hatte Dr. Warner gesagt. Zuviel Sitzen. Nicht gut fürs Herz. Versuchen Sie es mit Joggen.

Also hatte er sich einen Jogginganzug gekauft und war jeden Abend joggen gegangen, anfangs kurze Strecken, aber dann immer längere. Anfangs war er unsicher gewesen, davon überzeugt, dass sich die Nachbarn an die Stirn klopfen und die Augen verdrehen würden, aber dann waren ein paar Männer, die er sonst nur winken sah, wenn sie den Rasen sprengten, zu ihm gekommen und hatten gefragt, ob sie mitmachen könnten – möglicherweise fühlte man sich in der Gruppe einfach sicherer. Zu dem Zeitpunkt hatten Georges zwei älteste Söhne ebenfalls mitgemacht. Es wurde zu einer Sache in der Nachbarschaft, und obwohl sich die Zusammensetzung veränderte, weil Leute kamen und gingen, blieb es eine Sache in der Nachbarschaft.

Jetzt waren alle tot, aber er joggte immer noch. Jeden Tag. Stundenlang. Nur wenn er joggte, sich ausschließlich auf das Pochen der Turnschuhe auf dem Gehweg, das Armeschwingen und seinen keuchenden Atem konzentrierte, wurde er das Gefühl los, jeden Moment durchzudrehen. Er konnte nicht Selbstmord begehen, denn als praktizierender Katholik wußte er, daß Selbstmord eine Todsünde war und Gott ihn sicher mit gutem Grund am Leben gelassen hatte, daher joggte er. Gestern hatte er fast sechs Stunden gejoggt, bis er völlig außer Atem war und vor Erschöpfung beinahe gewürgt hatte. Er war einundfünfzig, kein junger Spund mehr, und er ging davon aus, daß zuviel Laufen nicht gut für ihn war, aber in einem anderen, wichtigeren Sinne war es das einzige für ihn, das gut war.

Er war heute morgen nach einer weitgehend schlaflosen Nacht beim ersten Licht der Dämmerung aufgestanden (nur ein einziger Gedanke war ihm durch den Kopf gegangen: Jeff-Marty-Helen Harriett-Bill-George-Junior Robert-Stanley-Richard-Danny -Frank Patty-und-ich-dachte-es-würde-ihr-besser-gehen) und hatte den Jogginganzug angezogen. Er ging hinaus und lief durch die einsamen Straßen von Nyack, und manchmal knirschten seine Füße auf Glasscherben, einmal mußte er über einen Fernseher springen, der aus dem Fenster geworfen worden war und auf dem Gehweg lag, vorbei an den Häusern der Wohngegend, wo die Jalousien heruntergelassen waren, und auch an dem schrecklichen Verkehrsunfall an der Kreuzung der Main Street vorbei, in den drei Autos verwickelt waren.

Anfangs joggte er nur, aber er mußte immer schneller laufen, damit die Gedanken hinter ihm zurückblieben. Er joggte, dann lief er, dann rannte er, und zuletzt sprintete er, ein einundfünfzigjähriger Mann mit grauem Haar, in grauem Jogginganzug und weißen Turnschuhen, der durch die verlassenen Straßen floh, als wären sämtliche Teufel der Hölle hinter ihm her. Viertel nach elf erlitt er eine massive Arterienthrombose und fiel ganz in der Nähe eines Feuermelders an der Ecke Oak und Pine tot um. Sein Gesicht drückte so etwas wie Dankbarkeit aus.



Mrs. Eileen Drummond aus Clewiston, Florida, betrank sich am Nachmittag des 2. Juli mit DeKuyper Creme de Menthe. Sie wollte sich betrinken, denn wenn sie betrunken war, mußte sie nicht an ihre Familie denken, und Creme de Menthe war die einzige Form von Alkohol, die sie zu sich nehmen konnte. Am Vortag hatte sie im Zimmer ihres Sechzehnjährigen ein Tütchen Marihuana gefunden und hatte es geschafft, high zu werden, aber high zu sein machte alles irgendwie nur noch schlimmer.

Aus diesem Grund betrank sie sich am fraglichen Nachmittag, trank eine ganze Flasche Creme de Menthe; ihr wurde übel, sie ging ins Bad und übergab sich, dann legte sie sich ins Bett, zündete eine Zigarette an, schlief ein, brannte das Haus nieder und mußte nicht mehr darüber nachdenken, niemals mehr. Wind war aufgekommen, und dadurch brannte sie den größten Teil von Clewiston mit nieder. Kein großer Verlust.



Arthur Stimson lebte in Reno, Nevada. Am Nachmittag des 29., nachdem er im Lake Tahoe schwimmen gewesen war, trat er in einen rostigen Nagel. Er bekam Wundbrand. Diese Diagnose stellte er anhand des Geruchs und versuchte, sich den Fuß zu amputieren. Während der Operation verlor er das Bewußtsein und starb an Schock und Blutverlust in der Halle von Toby Harrahs Spielcasino, wo er die Operation versucht hatte.



In Swanville, Maine, fiel ein zehnjähriges Mädchen namens Candice Moran vom Fahrrad und starb an Schädelbruch.



Milton Craslow, Farmer in Harding Country, New Mexico, wurde von einer Klapperschlange gebissen und starb eine halbe Stunde später.



In Milltown, Kentucky, war Judy Horton sehr zufrieden mit der Lage. Judy war siebzehn Jahre alt und hübsch. Vor zwei Jahren hatte sie zwei große Fehler gemacht: Sie war schwanger geworden und hatte sich vo n ihren Eltern beschwatzen lassen, den verantwortlichen Jungen zu heiraten, einen brillentragenden Ingenieurstudenten der State University. Mit fünfzehn hatte sie sich geschmeichelt gefühlt, daß einer vom College sie überhaupt einlud (auch wenn er gerade angefangen hatte), aber heute konnte sie sich, selbst wenn ihr Leben davon abgehangen hätte, nicht mehr daran erinnern, warum sie Waldo – Waldo Horton, was für ein Scheißname – »zu Willen gewesen« war. Wenn sie schon geschwängert wurde, warum dann ausgerechnet von ihm? Judy war auch Steve Phillips und Mark Collins »zu Willen gewesen«; sie gehörten beide der Footballmannschaft der High School von Milltown an (den Milltown Cougars, um genau zu sein, fight-fight-fight-fight-for-the-dearblueand-white), sie selbst war Cheerleader gewesen. Wäre der beschissene Waldo Horton nicht gewesen, wäre sie schon im Juniorjahr zur Anführerin der Cheerleaders geworden, problemlos. Und, um wieder zur Sache zu kommen, Steve oder Mark hätten beide akzeptablere Ehemänner abgegeben. Sie hatten beide breite Schultern, und Mark hatte herrliches, schulterlanges blondes Haar. Aber es war Waldo, es konnte kein anderer als Waldo sein. Sie mußte nur in ihr Tagebuch schauen und nachrechnen. Und als das Baby da war, hatte sich sogar das erübrigt. Es sah aus wie er. Beschissen.

Sie hatte sich zwei Jahre durchgequält, die verschiedensten Scheißjobs in Imbißrestaurants und Motels angenommen, während Waldo selbst zum College ging. Es kam so weit, daß sie Waldos College am meisten haßte, noch mehr als Waldo und das Baby. Wenn er sich so sehr eine Familie wünschte, warum ging er dann nicht arbeiten? Sie hatte es doch auch getan. Aber das ließen seine und ihre Eltern nicht zu. Sie allein hätte ihn beschwatzen können (sie hätte es ihn versprechen lassen können, bevor sie sich im Bett von ihm anfassen ließ), aber sämtliche Eltern und Schwiegereltern steckten andauernd ihre Nasen in alles hinein. O Judy, wenn Waldo eine gute Stelle hat, wird alles viel besser werden. O Judy, alles würde viel besser aussehen, wenn du öfter zur Kirche gehen würdest. O Judy, du mußt schlucken und dir nichts anmerken lassen. Nichtsanmerken lassen.

Dann war die Supergrippe gekommen und hatte all ihre Probleme gelöst. Ihre Eltern waren gestorben, ihr kleiner Sohn Petie war gestorben (das war schon irgendwie traurig, aber nach ein paar Tagen war sie darüber hinweg), dann waren Waldos Eltern gestorben und zuletzt Waldo selbst, und sie war frei. Der Gedanke, daß sie selbst sterben könnte, war ihr nie in den Sinn gekommen, und sie starb dann auch nicht.

Sie hatte in einem großen und lauten Mietshaus in der Innenstadt von Milltown gewohnt. Was Waldo so dafür eingenommen hatte (sie selbst hatte kein Mitspracherecht gehabt), war eine große Fleischkühlhalle im Keller. Sie hatten im September 1988 eine Wohnung bezogen, die im dritten Stock lag, und wer hatte immer runtergehen und Roastbeef oder Hamburger aus der Kühlhalle holen müssen? Dreimal darfst du raten, die beiden ersten zählen nicht. Waldo und Petie waren daheim gestorben. Da konnte man schon keine Krankenhausbehandlung mehr bekommen, wenn man kein Großkopferter war, und die Leichenhallen waren überfüllt (es waren unheimliche, dunkle Klötze, Judy wäre nicht für viel Geld hingegangen), aber der Strom funktionierte noch. Daher hatte sie sie nach unten in die Kühlhalle gebracht.

Vor drei Tagen war in Milltown der Strom ausgefallen, aber hier unten war es immer noch ziemlich kühl. Judy wußte es, weil sie drei-bis viermal täglich nach unten ging, um sich die Leichen anzusehen. Sie sagte sich, daß sie nur nachsah. Was sollte es sonst sein? Sie trauerte doch sicher nicht?

Am Nachmittag des 2. Juli ging sie hinein und vergaß, den Gummikeil unter die Tür der Kühlhalle zu kanten. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloß. Da erst stellte sie fest, nachdem sie zwei Jahre lang hier fast jeden Tag unten gewesen war, daß die Tür innen keine Klinke hatte. Mittlerweile war es so warm, daß sie nicht erfror, aber nicht zu kalt zum Verhungern. So kam es, daß Judy Horton doch noch in Gesellschaft von Mann und Kind starb.



Jim Lee aus Hattiesburg, Mississippi, schloß alle elektrischen Leitungen in seinem Haus an einen Benzingenerator an und starb durch Stromschlag, als er versuchte, ihn anzulassen.



Richard Hoggins war ein junger Farbiger, der sein ganzes Leben in Detroit, Michigan, verbracht hatte. Die letzten fünf Jahre war er süchtig nach dem weißen Pulver, das er »Herroinn« nannte. Während die Supergrippe grassierte, hatte er extreme Entzugserscheinungen gehabt, weil sämtliche Dealer und Pusher, die er kannte, gestorben oder geflohen waren.

An diesem warmen Sommernachmittag saß er auf einer müllübersäten Veranda, trank warmes 7-Up und wünschte sich, er hätte einen Schuß, nur einen kleinen, klitzekleinen Schuß. Er mußte an Allie McFarlane denken und an etwas über Allie McFarlane, das er auf der Straße gehört hatte, bevor die Kacke am Dampfen gewesen war.

Die Leute sagten, daß Allie, schätzungsweise der Drittgrößte in Detroit, gerade eine eins a Lieferung bekommen hatte. Allen würde es gutgehen. Nicht die übliche braune Scheiße. China White, richtig guter Stoff. Richie wußte nicht mit Sicherheit, wo McFarlane so eine große Lieferung aufbewahren würde – es war nicht gut für die Gesundheit, so etwas zu wissen -, aber er hatte mehrmals im Vorbeigehen sagen hören, wenn die Polizei jemals einen Durchsuchungsbefehl für das Haus am Grosse Point bekommen würde, das Allie seinem Großonkel gekauft hatte, dann würde Allie hinter Gitter wandern, bis der Neumond golden wurde.

Richie entschied, daß er zum Grosse Point gehen würde. Er hatte schließlich nichts Besseres vor.

Die Adresse von Erin D. McFarlane am Lake Shore Drive fand er im Telefonbuch und ging zu Fuß dorthin. Als er dort war, war es fast dunkel, und die Füße taten ihm weh. Er versuchte sich nicht mehr einzureden, daß es nur ein Spaziergang war; er brauchte einen Schuß, und zwar dringend.

Das Anwesen war von einer grauen Steinmauer umgeben, und Richie kletterte wie ein schwarzer Schatten hinüber und schnitt sich die Hände an den Glasscherben oben auf. Als er eine Scheibe einschlug, damit er hinein konnte, ging der Einbruchalarm los, und er war schon halb über den Rasen geflohen, bis ihm einfiel, daß keine Bullen mehr dawaren, die den Alarm hören konnten. Flatterig und schweißnaß ging er zurück.

Der Hauptstrom war aus, und die Scheißbude hatte gut und gerne zwanzig Zimmer. Er mußte warten bis morgen, bis er richtig suchen konnte, und selbst bei Tage würde es drei Wochen dauern, das ganze Haus ordentlich auf den Kopf zu stellen. Und dabei war der Stoff wahrscheinlich nicht einmal hier. Herrgott. Richie war ganz krank vor Verzweiflung. Aber er wollte wenigstens an den offensichtlichsten Stellen suchen.


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