Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"
Автор книги: Stephen Edwin King
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Ужасы
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»Ach ja.« Er marschierte hin und her und hatte schon ordentlich Schaum erzeugt. Ein Paar Bluejeans kamen an die Oberfläche, und er stampfte sie unter das Wasser zurück, so daß cremiger Seifenschaum auf den Rasen spritzte. Frannie dachte: Es sieht ein wenig aus wie... nein, Schluß jetzt, sonst bekommst du vom Lachen noch eine Fehlgeburt.
»Wir haben heute abend die erste Ad-hoc-Versammlung«, sagte Stu.
»Ich habe zwei Kästen Bier, Käsecracker, Käsedip und Peperoni, die eigentlich noch gut...«
»Darum geht es nicht, Frannie. Dick Ellis war heute hier und hat gesagt, daß er aus dem Komitee raus will.«
»Echt?« Sie war überrascht. Dick schien ihr nicht der Mann zu sein, der sich vor der Verantwortung drückte.
»Er meinte, er würde gern mitarbeiten, aber erst müßten wir hier einen Arzt haben, momentan sei es ihm unmöglich. Heute sind wieder fünfundzwanzig Leute angekommen, und eine Frau hatte eine Blutvergiftung im Bein. Von einem Kratzer, als sie unter einem rostigen Stacheldrahtzaun hindurchgekrochen ist.«
»Oh, das ist schlimm.«
»Dick hat sie gerettet... Dick und diese Krankenschwester, die mit Underwood gekommen ist. Ein großes, hübsches Mädchen. Laurie Constable heißt sie. Dick sagte, ohne sie wäre die Frau gestorben. Jedenfalls haben sie ihr das Bein unter dem Knie amputiert und sind völlig erschöpft. Sie haben drei Stunden gebraucht. Dann ist da noch ein kleiner Junge mit Krämpfen, und Dick ist halb verrückt, weil er nicht weiß, ob es Epilepsie ist oder eine Art Schädeldruck oder Diabetes. Sie haben einige Fälle von Lebensmittelvergiftung, Leute haben verdorbene Lebensmittel gegessen, und er sagt, daß Leute sterben werden, wenn wir nicht sofort Zettel drucken, damit die Leute erfahren, wie sie ihre Lebensmittel auswählen müssen. Mal sehen, wo war ich stehengeblieben? Zwei gebrochene Arme, zwei Grippefälle...«
»Mein Gott! Hast du Grippegesagt?«
»Ruhig. Normale Grippe. Aspirin senkt das Fieber, keine Panik... und es geht nicht wieder hoch. Auch keine schwarzen Flecken am Hals. Aber Dick weiß nicht, welche Antibiotika er anwenden soll, wenn überhaupt, und er sitzt bis in die Nacht hinein, um es rauszufinden. Außerdem hat er Angst, die Grippe könnte um sich greifen und die Leute in Panik versetzen.«
»Wer ist es?«
»Eine Dame namens Rona Hewett. Sie ist fast den ganzen Weg von Laramie, Wyoming, bis hierher zu Fuß gegangen, und Dick sagt, sie war anfällig.«
Fran nickte.
»Glücklicherweise scheint sich diese Laurie Constable irgendwie in Dick verschossen zu haben, obwohl er doppelt so alt ist wie sie. Aber das macht wohl nichts.«
»Wie edel von dir, daß du ihre Beziehung billigst, Stuart.«
Er lächelte. »Jedenfalls ist Dick achtundvierzig, und er hat einen leichten Herzfehler. Im Augenblick meint er, daß er sich nicht zuviel zumuten kann. Herrgott, er studiert praktisch Medizin.« Er sah Frannie ernst an. »Ich verstehe schon, warum Laurie sich in ihn verknallt hat. Er ist so etwas wie ein Held. Er ist nur ein Tierarzt vom Land und hat eine Heidenangst, daß er jemand umbringt. Und er weiß, daß jeden Tag mehr Leute kommen, und manche sind übel mitgenommen.«
»Also brauchen wir noch jemand für das Komitee.«
»Ja. Ralph Brentner schwört auf diesen Larry Underwood, und wie du gesagt hast, findest du ihn ja auch ganz in Ordnung.«
»Ja. Ich glaube, daß er geeignet wäre. Und ich habe heute in der Stadt seine Freundin getroffen, sie heißt Lucy Swann. Sie ist unheimlich nett und hält große Stücke auf Larry.«
»Ich glaube, jede gute Frau empfindet so. Aber Frannie, um ganz ehrlich zu sein – es hat mir nicht gefallen, daß er jemandem, den er gerade kennengelernt hat, gleich seine ganze Lebensgeschichte erzählt.«
»Ich glaube, das war nur, weil ich von Anfang an mit Harold gereist bin. Ich glaube, er hat nicht verstanden, wieso ich mit dir und nicht mit Harold zusammen bin.«
»Ich wüßte gern, was er von Harold hält.«
»Frag ihn doch.«
»Mach ich.«
»Willst du ihm vorschlagen, dem Komitee beizutreten?« *, »Wahrscheinlich.« Er stand auf. »Ich hätte gern diesen alten Knaben, den sie Richter nennen. Aber er ist siebzig, und das ist einfach zu alt.«
»Hast du mit ihm über Larry gesprochen?«
»Nein, aber Nick. Nick Andros ist ein gescheiter Junge, Fran. Er hat Glen und mir ein paar Flausen ausgetrieben. Glen war zuerst eingeschnappt, aber selbst er mußte zugeben, daß Nicks Einfälle gut waren. Der Richter hat Nick jedenfalls gesagt, daß Larry genau der Mann ist, den wir suchen. Er meinte, Larry findet gerade heraus, dass er für etwas gut ist und noch besser werden kann.«
»Das nenne ich eine gute Empfehlung.«
»Ja«, sagte Stu. »Aber ich möchte wissen, was er über Harold denkt, bevor ich ihm den Vorschlag mache.«
»Was soll das immer mit Harold?« fragte sie aufgebracht.
»Ebensogut könnte ich fragen, was ist mit dir, Fran. Du fühlst dich immer noch für ihn verantwortlich.«
»Tatsächlich? Ich weiß nicht. Aber wenn ich an ihn denke, habe ich immer noch leichte Schuldgefühle – das kann ich dir sagen.«
»Warum? Weil ich ihn ausgebootet habe? Fran, hast du ihn jemals gewollt?«
»Nein. Herrgott, nein.« Sie erschauerte fast.
»Ich habe ihn einmal belogen«, sagte Stu. »Nun... eigentlich war es keine Lüge. Es war an dem Tag, als wir drei uns getroffen haben.
Vierter Juli. Ich glaube, er hat da schon gespürt, was kommen würde. Ich habe gesagt, ich wollte dich nicht. Wie sollte ich da schon wissen, ob ich dich wollte oder nicht? In Büchern gibt es vielleicht Liebe auf den ersten Blick, aber im wahren Leben...«
Er verstummte, ein Grinsen breitete sich langsam auf seinem Gesicht aus.
»Weswegen grinst du, Stuart Redman?«
»Ich habe gerade nachgedacht«, sagte er, »daß ich im wahren Leben mindestens...« Er rieb sich überlegend das Kinn. »Oh, ich würde sagen, vier Stunden gebraucht habe.«
Sie küßte ihn auf die Wange. »Das ist süß.«
»Es ist die Wahrheit. Ich glaube jedenfalls, daß er mir das, was ich gesagt habe, immer noch übelnimmt.«
»Er sagt kein schlechtes Wort über dich, Stu... oder sonstwen.«
»Nein«, stimmte Stu zu. »Er lächelt. Das gefällt mir nicht.«
»Du glaubst doch nicht, daß er... Rachepläne schmiedet oder so was?«
Stu stand auf und lächelte. »Nein, nicht Harold. Glen denkt, daß sich die Opposition um Harold gruppieren könnte. Das ist in Ordnung. Ich hoffe nur, er versucht nicht kaputtzumachen, was wir momentan alles aufbauen.«
»Vergiß nicht, daß er ängstlich und einsam ist.«
»Und eifersüchtig.«
»Eifersüchtig?« Sie dachte darüber nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Das glaube ich nicht – wirklich nicht. Ich habe mit ihm geredet und bilde mir ein, das wüßte ich. Aber er fühlt sich vielleicht zurückgewiesen. Ich glaube, er hat damit gerechnet, daß er im Adhoc-Komitee sein würde...«
»Das war eine von Nicks einseitigen – ist das das richtige Wort? – Entscheidungen, mit der wir alle einverstanden waren. Der Grund war wohl letztlich, daß keiner von uns ihm so ganz traute.«
»In Ogunquit«, sagte sie, »war er der unerträglichste Junge, den du dir vorstellen kannst. Ich glaube, vieles war Kompensierung für seine familiäre Situation... ihnen muß es vorgekommen sein, als wäre er aus einem Kuckucksei ausgeschlüpft oder so... aber nach der Grippe schien er sich zu ändern. Jedenfalls in meinen Augen. Er schien zu versuchen, nun... ein Mann zu sein. Dann hat er sich wieder verändert. Auf einmal. Er lächelte ständig. Man konnte nicht mehr mit ihm reden. Er war... in sich gekehrt. Wie Menschen werden, wenn sie zur Religion bekehrt werden oder lesen...« Sie verstummte, und ihre Augen nahmen kurz einen verblüfften Ausdruck an, der fast Angst gleichkam.
»Was lesen?« fragte Stu.
»Etwas, das ihr Leben verändert«, sagte sie. » Das Kapital. Mein Kampf.Oder vielleicht nur abgefangene Liebesbriefe.«
»Wovon sprichst du?«
»Hmm?« Sie sah ihn an, als hätte er sie aus einem tiefen Tagtraum geschreckt. Dann lächelte sie. »Nichts. Wolltest du nicht Larry Underwood besuchen?«
»Klar... wenn alles in Ordnung ist.«
»Mehr als das... mir geht es ungeheuer gut. Geh schon. Husch. Das Treffen ist um sieben. Wenn du dich beeilst, kannst du vorher noch eine Kleinigkeit essen.«
»Gut.«
Er war am Tor, das den Garten vom Hof trennte, da rief sie ihm nach: »Vergiß nicht, ihn zu fragen, was er von Harold hält.«
»Keine Bange«, sagte Stu. »Auf keinen Fall.«
»Und sieh ihm in die Augen, wenn er antwortet, Stu.«
Als Stu ihn beiläufig nach seinem Eindruck von Harold fragte (da hatte Stu die freie Stelle im Ad-hoc-Komitee noch mit keinem Wort erwähnt), wurden Larry Underwoods Augen argwöhnisch und verwirrt zugleich.
»Fran hat dir von meiner Fixierung auf Harold erzählt, hm?«
»Jawoll.«
Larry und Stu waren im Wohnzimmer des kleinen Reihenhauses am Table Mesa. Draußen in der Küche machte Lucy das Essen, sie wärmte Konserven auf einem Grill, den Larry für sie gebaut hatte. Er lief mit Propangas. Sie sang Verse aus »Honky Tonk Woman« bei der Arbeit und schien sehr glücklich zu sein.
Stu zündete eine Zigarette an. Er rauchte nur noch fünf oder sechs am Tag; er wollte nicht riskieren, daß Dick Ellis ihn wegen Lungenkrebs operieren würde.
»Nun, die ganze Zeit, während ich Harold folgte, habe ich mir immer wieder gesagt, daß er wohl nicht so aussehen würde, wie ich ihn mir vorstellte. Und so war es auch, aber ich versuche immer noch herauszubekommen, was mit ihm ist. Er war verdammt nett. Ein guter Gastgeber. Er hat die Flasche Wein aufgemacht, die ich mitgebracht hatte, und wir haben angestoßen. Alles wunderbar, aber...«
»Aber?«
»Wir tauchten plötzlich hinter ihm auf. Leo und ich. Er baute gerade eine Mauer um den Vorgarten und fuhr herum... er hatte uns wohl nicht kommen hören... und einen Augenblick habe ich gedacht:
>Mein Gott, der Kerl will mich umbringen.<«
Lucy kam herein. »Stu, bleiben Sie zum Essen? Es ist genug da.«
»Danke, aber Frannie erwartet mich. Ich kann höchstens eine Viertelstunde bleiben.«
»Sicher?«
»Nächstes Mal, Lucy. Vielen Dank.«
»Okay.« Sie ging in die Küche zurück.
»Bist du nur gekommen, um mich nach Harold zu fragen?« fragte Larry.
»Nein«, sagte Stu, der zu einem Entschluß gekommen war. »Ich bin gekommen, um dich zu fragen, ob du in unserem kleinen Ad-hocKomitee mitarbeiten willst. Einer der anderen, Dick Ellis, mußte absagen.«
»So ist es also, ja?« Larry trat ans Fenster und sah auf die stille Straße hinaus. »Ich hatte gedacht, ich könnte wieder Privatmann sein.«
»Das mußt du entscheiden. Wir brauchen jemand. Du bist empfohlen worden.«
»Von wem, wenn ich fragen darf...«
»Wir haben uns erkundigt. Frannie scheint dich für ganz brauchbar zu halten. Und Nick Andres hat mit einem der Männer gesprochen, die mit dir gekommen sind – natürlich nicht gesprochen, du weißt, was ich meine. Richter Farris.«
Larry schien erfreut zu sein. »Der Richter hat mich empfohlen, hm? Großartig. Weißt du, ihn solltet ihr nehmen. Er ist klug wie der Teufel.«
»Das hat Nick auch gesagt. Aber er ist siebzig, und unsere medizinische Versorgung ist ziemlich primitiv.«
Larry drehte sich zu Stu um und lächelte. »Das Komitee ist also nicht so kurzlebig, wie getan wird?«
Stu lächelte und entspannte sich etwas. Er hatte sich immer noch nicht entschieden, was er von Larry Underwood hielt, aber es war eindeutig, daß der Mann nicht auf den Kopf gefallen war. »Hmm, ich will mal so sagen. Es wäre uns recht, wenn unser Komitee sich für eine volle Amtsperiode zur Wahl stellen würde.«
»Und möglichst ohne Opposition«, sagte Larry. Er sah Stu freundlich aber scharf an – sehr scharf. »Soll ich dir ein Bier bringen?«
»Lieber nicht. Ich habe vor ein paar Tagen mit Glen Bateman zusammen zuviel getrunken. Fran ist geduldig, aber irgendwo hat ihre Geduld Grenzen. Was meinst du, Larry? Willst du mitmachen?«
»Ich denke... ach, verdammt, ich sage ja. Ich dachte, nichts auf der Welt würde mich glücklicher machen, als meine Leute loszuwerden und jemand anderem die Verantwortung zu geben. Und jetzt, bitte die Ausdrucksweise zu entschuldigen, fällt mir vor Langeweile der Hintern ab...«
»Wir treffen uns heute abend in meiner Wohnung, um ein wenig über die große Versammlung am achtzehnten zu reden. Könntest du kommen?«
»Kann ich Lucy mitbringen?«
Stu schüttelte langsam den Kopf. »Du darfst nicht einmal mit ihr darüber reden. Gewisse Dinge wollen wir fürs erste geheimhalten.«
Larrys Lächeln verschwand. »Ich bin kein Mantel-und-Degen-Typ, Stu. Das möchte ich klarstellen, damit es später keinen Ärger gibt. Ich denke, das im Juni konnte nur geschehen, weil zu viele Leute zu viele Dinge verschleiert haben. Das war keine Strafe Gottes. Das war eine von Menschen angerichtete grandiose Versaubeutelung.«
»Das solltest du nicht Mutter Abagail sagen«, sagte Stu. Er lächelte immer noch erleichtert. »Im übrigen bin ich deiner Meinung. Aber würdest du genauso denken, wenn Krieg wäre?«
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Diesen Mann, von dem wir geträumt haben. Ich bezweifle, daß er einfach verschwunden ist.«
Larry sah erschrocken und nachdenklich drein.
»Glen sagt, er kann verstehen, warum niemand darüber spricht«, fuhr Stu fort, »obwohl wir alle gewarnt worden sind. Die Leute hier leiden immer noch an der Kriegsneurose. Sie haben das Gefühl, durch die Hölle gegangen zu sein, um hierher zu kommen. Sie wollen nur noch ihre Wunden lecken und ihre Toten begraben. Aber wenn Mutter Abagail hier ist, muß erdort sein.« Stu machte eine Kopfbewegung zum Fenster, das den Blick auf die im Sommerdunst aufragenden Flatirons freigab. »Und auch wenn die meisten Leute hier nicht an ihn denken, ich wette meinen letzten Dollar, daß er an unsdenkt.«
Larry sah zur Küchentür hinüber, aber Lucy war nach draußen gegangen und unterhielt sich mit Jane Hovington von nebenan.
»Du glaubst, er ist hinter uns her«, sagte er mit leiser Stimme.
»Hübscher Gedanke kurz vor dem Essen. Gut für den Appetit.«
»Larry, ich bin meiner Sache selbst nicht sicher. Aber Mutter Abagail sagt, es wird so oder so nicht vorbei sein, bis er uns hat oder wir ihn.«
»Hoffentlich erzählt sie es nicht weiter. Die Leute würden nach Australien auswandern.«
»Ich dachte, du hältst nichts von Geheimniskrämerei.«
»Nein, aber das...« Larry verstummte. Stu lächelte freundlich, und Larry lächelte etwas gallig zurück. »Okay. Ein Punkt für dich. Wir werden es durchdiskutieren und den Mund halten.«
»Fein. Also bis sieben.«
»Geht in Ordnung.«
Sie gingen zusammen zur Tür. »Dank Lucy noch mal für die Einladung«, sägte Stu. »Frannie und ich werden sie bald beim Wort nehmen.«
»Okay.« Als Stu schon an der Tür war, sagte Larry: »He!«
Stu drehte sich fragend um.
»Da ist ein Junge«, sagte Larry langsam, »der mit uns aus Maine gekommen ist. Er heißt Leo Rockway. Ein Problemfall. Lucy und ich teilen ihn gewissermaßen mit einer Frau namens Nadine Cross. Nadine ist selbst etwas ungewöhnlich, weißt du.«
Stu nickte. Es wurde erzählt, daß es zwischen Mutter Abagail und dieser Cross eine sonderbare Szene gegeben hatte, als Larry mit seiner Gruppe ankam.
»Bevor ich sie getroffen habe, hat Nadine für Leo gesorgt. Leo scheint in die Menschen hineinsehen zu können. Und er ist nicht der einzige. Vielleicht hat es schon immer solche Menschen gegeben, aber seit der Grippe scheinen es irgendwie mehr geworden zu sein. Und Leo... er hat sich geweigert, Harolds Haus zu betreten. Er wollte nicht einmal auf dem Rasen sitzenbleiben. Das ist... irgendwie seltsam, nicht?«
»Stimmt«, meinte Stu.
Sie sahen sich einen Augenblick nachdenklich an, dann ging Stu nach Hause zum Abendessen. Beim Essen schien Frannie mit sich selbst beschäftigt zu sein und sagte wenig. Und während sie in einem Plastikeimer mit warmem Wasser das letzte Geschirr spülte, erschienen schon die Leute zur ersten Sitzung des Ad-hoc-Komitees der Freien Zone.
Als Stu zu Larry gegangen war, lief Frannie nach oben ins Schlafzimmer. In einer Ecke des Schranks lag der Schlafsack, den sie auf dem Motorradgepäckträger durch das Land kutschiert hatte. Ihre persönlichen Sachen bewahrte sie in einer kleinen Tasche mit Reißverschluß auf. Die meisten davon hatte sie schon in der Wohnung verteilt, die sie mit Stu teilte, aber manche hatten noch keinen Platz gefunden und steckten im Schlafsack. Einige Flaschen Reinigungsmilch – nach dem Tod ihrer Eltern hatte sie eine Zeitlang an Hautausschlag gelitten, aber der war inzwischen weg -; eine Packung Slipeinlagen für den Fall, daß sie Ausfluß haben sollte (sie hatte gehört, daß das bei schwangeren Frauen manchmal vorkam); zwei Kisten billige Zigarren, die eine mit der Aufschrift: ES IST EIN JUNGE!, die andere mit: ES IST EIN MÄDCHEN! Zuletzt ihr Tagebuch.
Sie zog es heraus und betrachtete es nachdenklich. Seit ihrer Ankunft in Boulder hatte sie nur acht oder neun Einträge gemacht, die meisten kurz, fast bruchstückhaft. Den größten Ausstoß hatte sie gehabt, als sie noch unterwegs gewesen waren... wie eine Nachgeburt, dachte sie etwas reuig. In den letzten vier Tagen hatte sie gar nichts geschrieben und vermutete, daß das Tagebuch vielleicht einmal völlig in Vergessenheit geraten wäre, obwohl sie es um so penibler führen wollte, wenn alles ruhiger geworden war. Für das Baby. Aber jetzt dachte sie wieder an nichts anderes.
Wie Menschen werden, wenn sie zur Religion bekehrt werden... oder etwas lesen, das ihr Leben verändert... vielleicht nur abgefangene Liebesbriefe ...
Plötzlich kam es ihr so vor, als wäre das Buch schwerer geworden und als würde ihr der Schweiß auf der Stirn ausbrechen, wenn sie nur den Pappband aufschlug und... und...
Sie sah plötzlich über die Schulter, ihr Herz klopfte wie wild. Hatte sich hinter ihr etwas bewegt?
Vielleicht eine Maus hinter der Wand. Nichts anderes. Wahrscheinlich nur Einbildung. Es gab keinen Grund, überhaupt keinen, jetzt plötzlich an den Mann im schwarzen Mantel zu denken, den Mann mit dem Kleiderbügel. Ihr Baby lebte und war in Sicherheit, und dies war nur ein Buch, und es gab keine Möglichkeit festzustellen, ob jemand es gelesen hatte, und selbst wenn, konnte man nicht wissen, ob es Harold Lauder gewesen war. Dennoch schlug sie das Buch auf, blätterte es langsam durch und bekam Momentaufnahmen der jüngsten Vergangenheit wie Schwarzweißbilder eines Amateurfotografen. Heimkino der Gedanken.
Heute haben wir sie bewundert, und Harold redete über Farbe & Struktur & Ton, und Stu blinzelte mir sehr ernst zu. Ich Böse habe zurückgeblinzelt...
Harold wird natürlich aus Prinzip dagegen sein. Verdammt, Harold, werd erwachsen!
... und ich sah schon, daß er wieder eine seiner patentierten Harold - 7 3 7 – Lauder-Klugscheißerbemerkungen loslassen wollte...
(Mein Gott, Fran, warum hast du das alles über ihn geschrieben? Zu welchem Zweck?)
Nun, du kennst ja Harold... seine Großspurigkeit... diese bombastischen Sprüche... ein unsicherer kleiner Junge...
Das war am 12. Juli. Sie zuckte zusammen und blätterte hastig weiter, immer schneller, um es hinter sich zu bringen. Die Sätze sprangen ihr entgegen, ohrfeigten sie: Zur Abwechslung hat Harold heute ziemlich sauber gerochen ... Harolds Mundgeruch hätte heute abend selbst einen Drachen vertrieben... Und ein fast prophetischer Satz: Er sammelt Zurückweisungen wie einen Piratenschatz. Aber zu welchem Zweck? Um seinem heimlichen Gefühl der Überlegenheit und seinem Verfolgungswahn Nahrung zu geben? Oder ging es um Vergeltung?
Oh, er macht eine Liste... und prüfet sie fein ...er weiß ganz genau... wer bös' ist und rein...
Dann am 1. August, gerade zwei Wochen alt. Die Eintragung fing unten auf einer Seite an. Gestern abend keine Eintragung. Ich war zu glücklich. War ich schon jemals so glücklich? Ich glaube nicht. Stu und ich sind zusammen. Wir
Ende der Seite. Sie schlug die nächste auf. Die ersten Worte: haben zweimal miteinander geschlafen. Aber das sah sie kaum, denn sie betrachtete die Mitte der Seite. Dort, neben Geschwätz über Mutterinstinkte, war etwas, das sie erstarren ließ. Es war ein dunkler, schmieriger Daumenabdruck.
Sie dachte panisch: Ich bin den ganzen Tag Motorrad gefahren, jeden Tag, sicher, ich habe mich immer so gut es ging gewaschen, aber die Hände werden schmutzig und...
Sie streckte die Hand aus und war nicht überrascht, daß sie stark zitterte. Sie legte den Daumen auf den Fleck. Der Fleck war viel größer.
Logisch, sagte sie zu sich. Wenn man etwas verschmiert, wird es selbstverständlich größer. Darum; nurdarum...
Aber der Daumenabdruck war nicht so verschmiert. Die kleinen Kringel und Streifen waren größtenteils noch deutlich. Und es war weder Schmiere noch Öl, da mußte sie sich gar nichts vormachen.
Es war getrocknete Schokolade.
Paydays, dachte Fran voll Ekel. Payday-Schokoriegel. Einen Augenblick hatte sie solche Angst, daß sie es kaum wagte, sich umzudrehen – sie hatte Angst, Harolds Grinsen über ihrer Schulter hängen zu sehen wie das Grinsen der Cheshire-Katze in Alice. Harolds wulstige Lippen sich bewegen zu sehen, wenn er feierlich sagte: Jeder Hund hat seinen Tag, Frannie. Jeder Hund hat seinen Tag.
Aber selbst wenn Harold heimlich einen Blick in ihr Tagebuch geworfen hatte, mußte das bedeuten, daß er einen Rachefeldzug gegen sie oder Stu oder die anderen plante?
Aber Harold hat sich verändert, flüsterte eine innere Stimme.
»Verdammt, so sehr hat er sich nicht verändert!« schrie sie in das leere Zimmer. Sie zuckte beim Klang ihrer eigenen Stimme zusammen, dann lachte sie zittrig. Sie ging nach unten und bereitete das Abendessen vor. Wegen der Versammlung wollten sie heute früh essen... aber plötzlich kam ihr die Versammlung nicht mehr so wichtig wie vorher vor.
Auszüge aus dem Protokoll der Sitzung des Ad-hoc-Komitees
13. August 1990
Die Sitzung fand in der Wohnung von Stuart Redman und Frances Goldsmith statt. Alle Mitglieder des Ad-hoc -Komitees waren anwesend, im einzelnen: Stuart Redman, Frances Goldsmith, Nick Andres, Glen Bateman, Ralph Brentner, Susan Stern und Larry Underwood...
Zum Leiter der Sitzung wurde Stu Redman, zur Protokollführerin Frances Goldsmith gewählt...
Diese Aufzeichnungen (einschließlich Räuspern und Rülpsen auf Memorex-Kassetten, aufgezeichnet für jeden, der verrückt genug ist, es sich anzuhören) werden in einem Schließfach der First Bank of Boulder deponiert...
Stu Redman präsentierte einen von Dick Ellis und Laurie Constable verfaßten Leitfaden zum Problem der Lebensmittelvergiftungen (auffällig betitelt WENN SIE ESSEN, SOLLTEN SIE DIES LESEN!). Er sagte, Dick wolle diesen Bericht noch vor der großen Versammlung am 18. August drucken und überall in Boulder anschlagen lassen, denn es habe schon fünfzehn Fälle von Lebensmittelvergiftung in Boulder gegeben, darunter zwei sehr ernste. Das Komitee beschloß 7:0 tausend Exemplare von Dicks Plakat drucken zu lassen und zehn Leute damit zu beauftragen, es überall in der Stadt auszuhängen...
Susan Stern brachte ein Thema zur Sprache, das Dick und Laurie der Versammlung präsentieren wollten (und uns allen wäre es lieb gewesen, wenn der eine oder andere dabei gewesen wäre). Die beiden finden, daß ein Beerdigungskomitee nötig ist; Dick bestand darauf, dieses Thema vor der öffentlichen Versammlung zur Sprache zu bringen, aber nicht als Seuchenproblem – was vielleicht Panik auslösen würde -, sondern als moralische Verpflichtung. Wir alle wissen, daß es im Verhältnis zur Bevölkerungszahl vor Ausbruch der Seuche in Boulder überraschend wenige Leichen gibt, aber wir wissen nicht, warum... nicht, daß es wichtig wäre. Aber es gibt immer noch Tausende Leichen, und wenn wir hierbleiben wollen, müssen sie weggeschafft werden.
Stu wollte wissen, wie dringlich das Problem sei, und Susan sagte, daß es im Herbst kritisch würde, weil nach der heißen Trockenperiode normalerweise Niederschläge einsetzen. Larry Underwood beantragte, Dicks Vorschlag, ein Beerdigungskomitee einzusetzen, in der Tagesordnung für die Versammlung am 18. August zu berücksichtigen.
Der Antrag wurde 7:0 angenommen.
Dann wurde Nick Andros aufgerufen. Ralph Brentner verlas seinen vorbereiteten Kommentar, den ich hier wörtlich zitiere:
»Eine der wichtigsten Fragen, mit denen sich dieses Komitee unbedingt befassen muß, ist die, ob wir Mutter Abagail uneingeschränkt ins Vertrauen ziehen können und ob wir sie über alles informieren sollen, was in unseren Versammlungen besprochen wird, ob sie nun öffentlich oder geheim sind. Die Frage kann auch andersherum gestellt werden: >Soll Mutter Abagail dieses Komitee – und das ständige Komitee, das folgen wird – ins Vertrauen ziehen, und soll das Komitee über alles informiert werden, was bei ihren Begegnungen mit Gott, oder wem auch immer, besprochen wird, besonders bei den geheimen ?<
Das mag sich nach Quatsch anhören, und ich will es erklären, denn es ist eigentlich eine ganz pragmatische Frage. Wir müssen Mutter Abagails Stellung in unserer Gemeinschaft sofort festlegen, denn unser Problem besteht nicht nur darin, >wieder auf die Füße zu kommen<. Wenn das alles wäre, würden wir sie überhaupt nicht brauchen. Wir wissen alle, daß es ein weiteres Problem gibt, das des Mannes, den unsereins bisweilen als den dunklen Mann bezeichnet oder Glen, wie er sich ausdrückt, als den Gegenspieler. Mein Beweis für seine Existenz ist sehr einfach, das werdet ihr gleich sehen, und ich glaube, daß die meisten Leute in Boulder meiner Argumentation folgen würden – wenn sie überhaupt an das Problem denken wollen. Hier ist mein Beweis: Ich habe von Mutter Abagail geträumt, und sie existiert; ich habe von dem dunklen Mann geträumt, und deshalb muß er auch existieren, obwohl ich ihn nie gesehen habe. Die Menschen hier lieben alle Mutter Abagail, und ich liebe sie auch. Aber wir werden nicht sehr weit kommen – ja, wir werden überhaupt nichts erreichen -, wenn wir nicht von Anfang an ihre Zustimmung für unsere Pläne einholen.
Deshalb habe ich die alte Dame heute nachmittag auch aufgesucht, und ich habe sie direkt und mit allem Nachdruck gefragt: Wollen Sie mit uns zusammenarbeiten? Sie ist dazu bereit, aber sie stellte eine Reihe von Bedingungen. Sie war ganz ehrlich und offen. Sie sagte, sie würde es uns überlassen, die >weltlichen Angelegenheiten der Gemeinschaft wahrzunehmen – ihre Formulierung. Unsere Aufgabe müßte es sein, die Straßen frei zu machen, Wohnraum zuzuteilen, den Strom wieder einzuschalten.
Aber sie machte deutlich, daß sie in allenAngelegenheiten, die mit dem dunklen Mann zu tun haben, konsultiert werden will. Sie glaubt, daß wir alle die Figuren in einem Schachspiel zwischen Gott und dem Satan sind und daß der Gegenspieler in diesem Spiel der Vertreter des Satans ist. Sie sagt, daß er Randall Flagg heißt (>der Name, den er diesmal benutzt waren ihre Worte); daß Gott aus Gründen, die nur er weiß, sie in dieser Angelegenheit als seine Vertreterin ausersehen hat. Sie glaubt, und hier stimme ich ihr zu, daß ein Kampf bevorsteht: wir oder er. Sie glaubt, daß dieser Kampf wichtiger ist als alles andere, und besteht unerbittlich darauf, konsultiert zu werden, wenn unsere Pläne damit zu tun haben... und mit ihm.
Ich will nicht auf die religiösen Aspekte eingehen oder diskutieren, ob sie recht hat oder nicht. Aber klar ist, daß wir uns, davon abgesehen, in einer Situation befinden, mit der wir fertig werden müssen. Deshalb möchte ich einige Anträge stellen.«
Nicks Vortrag wurde diskutiert.
Nick stellte diesen Antrag: Können wir, als Komitee, uns darauf einigen, während der Versammlungen nicht über die theologischen, religiösen oder übernatürlichen Verwicklungen des Gegenspielers zu sprechen? Das Komitee sprach sich 7:0 dafür aus, sich Diskussionen über dieses Thema zu enthalten, wenigstens »während der Versammlungen«.
Dann stellte Nick diesen Antrag: Können wir uns darauf einigen, dass alle Angelegenheiten, die mit der als dunkler Mann, Gegenspieler oder Randall Flagg bekannten Macht im Zusammenhang stehen, im Komitee unter strikter Geheimhaltung abgehandelt werden? Glen Bateman unterstützte diesen Antrag und fügte hinzu, daß es von Zeit zu Zeit auch andere Angelegenheiten geben könne – wie zum Beispiel der wahre Grund für die Einsetzung eines Beerdigungskomitees -, die geheimgehalten werden müßten. Der Antrag wurde 7: 0 angenommen.
Dann stellte Nick seinen ursprünglichen Antrag, Mutter Abagail über alle öffentlich oder geheim im Komitee behandelten Angelegenheiten zu informieren.
Dieser Antrag wurde 7:0 angenommen.
Nachdem das Thema Mutter Abagail vorläufig abgehandelt war, beschäftigte sich das Komitee auf Nicks Antrag mit dem Problem, das der dunkle Mann selbst darstellt. Nick schlug vor, drei Freiwillige nach Westen zu schicken, die sich unter seine Leute mischen und Informationen sammeln sollen, was dort wirklich vor sich geht. Susan Stern meldete sich sofort freiwillig. Das führte zu einer heftigen Diskussion, dann erteilte Stu Glen Bateman das Wort, der folgenden Antrag stellte: Man möge beschließen, daß kein Mitglied des Ad-hoc-Komitees oder des ständigen Komitees sich freiwillig für dieses Unternehmen melden dürfe. Sue Stern wollte wissen, warum. Glen: »Jeder erkennt deinen aufrichtigen Wunsch zu helfen an, Sue, aber Tatsache ist, daß wir einfach nicht wissen, ob die Leute, die wir schicken, jemals zurückkommen werden und wir haben keine Ahnung, in welchem Zustand. Inzwischen haben wir die nicht ganz leichte Aufgabe, in Boulder wieder Ordnung zu schaffen. Wenn du nicht mehr hier bist, brauchen wir jemanden, der deinen Platz einnimmt, und er müßte über alles informiert werden, was wir bereits durchgesprochen haben. Diesen Zeitverlust können wir uns nicht leisten.«
Sue: »Ich glaube, du hast recht... oder bist wenigstens vernünftig... aber manchmal frage ich mich, ob beides immer ein und dasselbe ist. Oder selbst für gewöhnlichdasselbe. In Wirklichkeit sagst du, wir können keinen vom Komitee schicken, weil wir alle so verdammt unentbehrlich sind. Also gehen wir einfach her und... und... ich weiss nicht...«
Stu: »Ruhen uns auf unseren Lorbeeren aus?«
Sue: »Ja. Danke. Genau das habe ich gemeint. Wir ruhen uns auf unseren Lorbeeren aus und schicken jemand anderen hin, der möglicherweise an einem Telefonmast gekreuzigt wird, möglicherweise Schlimmeres.«
Ralph: »Verflucht, was könnte denn schlimmer sein?«
Sue: »Ich weiß nicht, aber wennes jemand weiß, dann Flagg. Das stinkt mir eben.«
Glen: »Es mag dir stinken, aber du hast unsere Position sehr klar umrissen. Wir sind hier Politiker. Die ersten Politiker des neuen Zeitalters. Wir können nur hoffen, daß unsere Sache gerechter ist als alle, für die Politiker Menschen vor uns in Situationen geschickt haben, bei denen es um Leben und Tod ging.«