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The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


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Ужасы


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Nick nickte.

»Und ich habe von dir geträumt. Gibt es dich nicht? Gelobt sei Gott, du sitzt mir gegenüber, mit einem Notizblock auf den Knien. Diesen anderen Mann, Nick, gibt es wirklich, genau wie dich.« Ja, es gab ihn. Sie dachte an die Wiesel und an das rote Auge, das sich in der Dunkelheit öffnete. Und als sie weitersprach, war ihre Stimme heiser. »Er ist nicht Satan«, sagte sie. »Aber er und der Satan kennen einander, sie stecken von altersher unter einer Decke.

Die Bibel sagt nicht, was aus Noah und seiner Familie wurde, als das Wasser zurückging. Aber ich würde mich nicht wundern, wenn es einen schrecklichen Kampf um die Seelen dieser wenigen Menschen gegeben hätte – um ihre Seelen, ihre Körper, ihre Art zu denken. Und es würde mich nicht wundern, wenn uns das auch bevorsteht. Er ist jetzt westlich der Rockies. Früher oder später wird er nach Osten kommen. Vielleicht nicht dieses Jahr, aber sobald er bereit ist. Und es ist unser Los, mit ihm fertigzuwerden.«

Nick schüttelte beunruhigt den Kopf.

»Doch«, sagte sie leise. »Du wirst es sehen. Vor uns liegen bittere Tage. Tod und Entsetzen, Verrat und Tränen. Und wir werden nicht alle am Leben bleiben und sehen, wie es ausgeht.«

»Mir gefällt das alles nicht«, murmelte Ralph. »Ist nicht alles schon schlimm genug auch ohne diesen Burschen, von dem Sie und Nick reden ? Haben wir nicht schon genügend Probleme, keine Ärzte, keinen Strom, nichts? Warum müssen wir uns auch noch mit diesem verdammten Problem herumschlagen?«

»Ich weiß es nicht. Das ist Gottes Art. Er erklärt Leuten wie Abby Freemantle nichts.«

»Wenn das seine Art ist«, sagte Ralph, »dann wünschte ich, er würde abtreten und einem Jüngeren Platz machen.«

»Wenn der dunkle Mann im Westen ist«, schrieb Nick, »sollten wir vielleicht lieber unsere Sachen packen und nach Osten ziehen.«

Sie schüttelte geduldig den Kopf. »Nick, alle Dinge dienen dem Herrn. Glaubst du nicht, daß dieser schwarze Mann Ihm auch dient? Er tut es, wie unergründlich Gottes Wege auch sein mögen. Wohin du auch gehst, der dunkle Mann wird dir folgen, denn es dient Gottes Zwecken, daß du ihm begegnest. Es nützt nichts, wenn man vor dem Willen des Herrn der Heerscharen davonläuft. Ein Mann oder eine Frau, die das versuchen, landen unweigerlich im Bauch der Bestie.«

Nick schrieb kurz. Ralph studierte den Zettel, rieb sich an der Nase und wünschte, er müßte ihn nicht vorlesen.

»Was sagt er?« fragte Abagail.

»Er sagt...« Ralph räusperte sich; die Feder im Hutband wippte. »Er sagt, daß er nicht an Gott glaubt.« Nachdem er die Botschaft übermittelt hatte, blickte Ralph unbehaglich auf seine Schuhe und wartete auf die Explosion.

Aber sie kicherte nur, stand auf und ging zu Nick hinüber. Sie nahm seine Hand und tätschelte sie. »Gott segne dich, Nick, denn das spielt keine Rolle. Erglaubt an dich



Sie blieben auch am nächsten Tag in Mutter Abagails Haus, und es war der schönste Tag, an den sie sich erinnern konnten, seit die Supergrippe abgeklungen war wie die Wasser, die vom Berg Ararat herunterflössen. In den frühen Morgenstunden hatte es aufgehört zu regnen, um neun Uhr glich der Himmel einem bezaubernden Mittelwesten-Wandgemälde mit Sonne und Wölkchen. Der Mais funkelte in allen Richtungen wie ein Kästchen voller Smaragde. Es war so kühl wie seit Wochen nicht mehr.

Tom Cullen lief den ganzen Vormittag mit ausgebreiteten Armen durch die Maisreihen und scheuchte ganze Schwärme Krähen auf. Gina McCone saß zufrieden bei der Reifenschaukel im Sand und spielte mit einer Vielzahl von Papierpuppen, die Abagail ganz unten in einer Truhe in ihrem Schlafzimmer gefunden hatte. Eine Weile vorher hatten sie schon mit Autos, Lastwagen und der Garage von Fisher-Price gespielt, die Tom aus dem Five-and-Dime in May, Oklahoma, mitgenommen hatte. Tom befolgte Ginas Anweisungen nur allzu bereitwillig.

Dick Ellis, der Tierarzt, kam zögernd zu Mutter Abagail und fragte sie, ob jemand in der Gegend Schweine gehalten hatte.

»Sicher, die Stoners haben immer Schweine gehabt«, sagte sie. Sie saß im Schaukelstuhl auf der Veranda, schlug Akkorde auf der Gitarre an und beobachtete Gina mit ihrem geschientes Bein beim Spielen im Hof.

»Glauben Sie, es könnten noch welche leben?«

»Da müßtest du nachsehen. Könnte sein. Könnte auch sein, daß sie ihre Pferche umgestürzt haben und wild geworden sind.« Ihre Augen funkelten. » Undes könnte sein, daß ich einen Mann kenne, der gestern nacht von Schweinekoteletts geträumt hat.«

»Könnte schon sein«, sagte Dick.

»Schon mal ein Schwein geschlachtet?«

»Nein, Ma'am«, sagte er und grinste breit. »Ein paar entwurmt, aber geschlachtet noch keins. Bin schon immer Pazifist gewesen.«

»Glaubst du, du und Ralph würdet mit einer Vorarbeiterin klarkommen?«

»Gut möglich«, sagte er.

Zwanzig Minuten später waren die drei unterwegs. Abagail sass zwischen den beiden Männern im Führerhaus des Chevy und hatte den Stock fest zwischen die Knie geklemmt. Bei den Stoners fanden sie zwei einjährige Schweine im Pferch hinten im Hof, die gesund und wohlgenährt waren. Es schien, als hätten sie sich an ihren schwächeren und nicht so glücklichen Artgenossen gütlich getan, als das Futter zu Ende ging.

Ralph stellte Reg Stoners Flaschenzug auf, und Dick gelang es auf Geheiß von Mutter Abagail schließlich, einem Einjährigen ein Seil fest um die Hinterbeine zu schlingen. Es wurde quiekend und um sich tretend in den Hof gezogen und mit dem Kopf nach unten an den Flaschenzug gehängt.

Ralph kam mit einem siebzig Zentimeter langen Schlachtermesser aus dem Haus. Das ist kein Messer, das ist, bei Gott, ein regelrechtes Bajonett, dachte Abby.

»Wissen Sie, ich weiß nicht, ob ich das kann«, sagte er.

»Dann gib her«, sagte Abagail und streckte die Hand aus. Ralph sah Dick zweifelnd an. Dick zuckte die Achseln. Ralph gab ihr das Messer.

»Herr«, sagte Abagail, »wir danken Dir für die Gabe, die wir aus Deiner Güte empfangen. Segne dieses Schwein, daß es uns nähren möge. Amen. Weg da, Jungs, es wird gleich spritzen.«

Mit geübtem Schwung schnitt sie dem Schwein die Kehle durch – es gibt Dinge, die man nie vergißt, wie alt man auch wird – und wich, so schnell sie konnte, zurück.

»Hast du das Feuer unter dem Kessel angezündet?« fragte sie Dick.

»Ein schönes, heißes Feuer draußen auf dem Hof?«

»Ja, Ma'am«, sagte Dick, der kein Auge von dem Schwein nehmen konnte.

»Hast du die Bürsten?« fragte sie Ralph.

Ralph zeigte zwei große Scheuerbürsten mit steifen gelben Borsten.

»Nun denn, tragt es rüber und werft es rein. Wenn es eine Weile gekocht hat, lassen sich die Borsten leicht abschrubben, und dann könnt ihr Mr. Schwein abschälen wie eine Banane.«

Bei dieser Vorstellung nahmen die Gesichter der beiden eine leicht grünliche Färbung an. »Los doch«, sagte sie. »Ihr könnt es nicht essen, solange es noch seinen Mantel anhat. Vorher müßt ihr es ausziehen.«

Ralph und Dick Ellis sahen einander an, schluckten und ließen das Schwein langsam am Flaschenzug herunter. Nachmittags um drei waren sie damit fertig, um vier erreichten sie mit einer Wagenladung Fleisch Abagails Haus und aßen frische Schweinekoteletts zum Abendessen. Die Männer aßen nicht viel, aber Abagail verzehrte allein zwei Koteletts und genoß es, wie die fette Kruste zwischen ihrem Gebiß knackte. Es gab nichts Schöneres als frisches Fleisch aus eigener Schlachtung.



Es war kurz nach neun Uhr. Gina schlief, und Tom Cullen war auf der Veranda in Mutter Abagails Schaukelstuhl eingenickt. Fern im Westen zuckte Wetterleuchten über den Himmel. Die anderen Erwachsenen hatten sich in der Küche versammelt, außer Nick, der einen Spaziergang machte. Abagail wußte, womit der Junge kämpfte, und ihr Herz war bei ihm.

»Sagen Sie, Sie sind doch nicht wirklich hundertacht, oder?« fragte Ralph, dem etwas einfiel, das Abby heute morgen gesagt hatte, bevor sie zu ihrer Schweinesafari aufgebrochen waren.

»Kleinen Moment mal«, sagte Abagail. »Ich will dir etwas zeigen, mein Lieber.« Sie ging ins Schlafzimmer und holte den eingerahmten Brief von Präsident Reagan aus der obersten Schublade der Kommode. Sie brachte ihn Ralph und legte ihn auf dessen Schoß.

»Lies das, Jungchen«, sagte sie stolz.

Ralph las ihn. »...Anlaß Ihres einhundertsten Geburtstages... eine von zweiundsiebzig erwiesenen Hundertjährigen in den Vereinigten Staaten von Amerika... fünftälteste amtlich erfaßte Republikanerin in den Vereinigten Staaten von Amerika... Grüße und Glückwünsche von Präsident Ronald Reagan, 14. Januar 1982.« Er sah sie mit großen Augen an. »Da soll doch die Schei...« Er verstummte und errötete verwirrt. »Verzeihung, Ma'am.«

»Was Sie alles gesehen haben müssen!« staunte Olivia.

»Das ist alles nichts verglichen mit dem, was ich im Lauf des vergangenen Monats gesehen habe.« Sie seufzte. »Oder was ich noch zu sehen erwarte.«

Die Tür ging auf, und Nick trat ein – die Unterhaltung verstummte, als hätten sie alle sich die Zeit vertrieben und nur auf ihn gewartet. Sie sah seinem Gesicht an, daß er sich entschieden hatte, und glaubte zu wissen, wie die Entscheidung ausgefallen war. Er gab ihr einen Zettel, den er bei Tom auf der Veranda geschrieben hatte. Sie hielt den Zettel auf Armlänge, um ihn zu lesen.

»Wir sollten morgen nach Boulder aufbrechen«, hatte Nick geschrieben.

Sie sah vom Zettel in Nicks Gesicht und nickte bedächtig. Sie gab den Zettel June Brinkmeyer, die ihn an Olivia weiterreichte. »Das denke ich auch«, sagte Abagail. »Ich will ebenso wenig wie ihr, aber wir müssen es tun. Wie bist du zu dem Entschluß gekommen?«

Er zuckte fast wütend die Achseln und deutet auf sie.

»So sei es«, sagte Abagail. »Ich vertraue dem Herrn.«

Nick dachte: Ich wünschte, ich könnte das auch.



Am nächsten Morgen, dem 26. Juli, brachen Dick und Ralph nach einer kurzen Besprechung mit Ralphs Wagen nach Columbus auf.

»Ich trenne mich ungern von dem Ding«, sagte Ralph. »Aber wenn es so ist, wie du sagst, Nick, okay.«

Nick schrieb: »Kommt so schnell wie möglich zurück.« Ralph lachte kurz auf und sah über den Hof. June und Olivia wuschen in einer großen Wanne, in der ein Waschbrett stand, einige Kleidungsstücke. Tom war im Mais und scheuchte Krähen auf – eine Beschäftigung, die er endlos unterhaltsam zu finden schien. Gina spielte mit Toms Corgi-Modellautos und der Tankstelle. Die alte Frau döste in ihrem Schaukelstuhl, döste und schnarchte.

»Du hast es ja furchtbar eilig, den Kopf in den Rachen des Löwen zu stecken, Nicky.«

Nick schrieb: »Hast du einen besseren Vorschlag?«

»Du hast recht. Es hat keinen Zweck, in der Gegend herumzuziehen. Dabei fühlt man sich wertlos. Ein Mensch fühlt sich eigentlich nur wohl, wenn er ein Ziel hat, ist dir das schon mal aufgefallen?«

Nick nickte.

»Okay.« Ralph schlug Nick auf die Schulter und wandte sich ab.

»Dick, können wir jetzt fahren?«

Tom Cullen kam aus dem Mais gerannt; Maisfäden hingen ihm an Hemd, Hose und den blonden Haaren. »Ich auch! Tom Cullen will auch mitfahren! Meine Güte, ja!«

»Dann komm«, sagte Ralph. »Sieh dir das an. Von oben bis unten und von Bug bis Heck voller Maisfäden. Und du hast immer noch keine Krähe gefangen. Laß dich abbürsten.«

Tom grinste dümmlich, während Ralph ihm Hemd und Hose abbürstete. Für Tom, überlegte Nick, mußten die letzten zwei Wochen die glücklichsten seines Lebens gewesen sein. Er war bei Leuten, die ihn akzeptierten und brauchten. Warum auch nicht? Er mochte schwachsinnig sein, aber er war in dieser neuen Welt eine ausgesprochene Seltenheit: ein lebendes menschliches Wesen.

»Tschüs, Nicky«, sagte Ralph und stieg hinter das Lenkrad des Chevy.

»Tschüs, Nicky«, wiederholte Tom Cullen noch grinsend. Nick sah dem Wagen nach, bis er nicht mehr zu sehen war, dann ging er in den Schuppen, wo er eine alte Kiste und einen Eimer Farbe fand. Er brach ein Seitenbrett der Kiste ab und nagelte ein langes Stück Zaunpfahl daran. Er trug Schild und Farbe auf den Hof und schrieb sorgfältig etwas darauf, während Gina ihm interessiert über die Schulter sah.

»Was heißt das?« fragte sie.

»Es heißt: >Wir sind nach Boulder, Colorado, gefahren. Wir benutzen Nebenstraßen, um Verkehrsstaus auszuweichen. Citizen Band, Kanal 14<«, las Olivia vor.

»Was soll das?« fragte June, die herüberkam. Sie nahm Gina auf den Arm, und sie sahen beide zu, wie Nick das Schild so aufstellte, daß es der Stelle zugewandt war, wo der Sandweg in Mutter Abagails Einfahrt überging. Er grub neunzig Zentimeter der Zaunlatte ein. Jetzt würde nur noch ein schwerer Sturm sie umwerfen. Selbstverständlich herrschtenin diesem Teil der Welt schwere Stürme; er dachte an den, der Tom und ihn fast fortgerissen hätte, und die Angst, die sie im Keller ausgestanden hatten. Er schrieb eine Notiz und gab sie June.

»Dick und Ralph sollen in Columbus unter anderem ein CB Funkgerät besorgen. Jemand muß die ganze Zeit Kanal 14 überwachen.«

»Oh«, sagte Olivia. »Schlau.«

Nick tippte sich feierlich an die Stirn und lächelte. Die beiden Frauen gingen weg, um ihre Wäsche aufzuhängen. Gina hinkte auf einem Bein zu ihren Spielzeugautos. Nick ging über den Hof, stieg die Stufen zur Veranda hoch und setzte sich neben die schlafende alte Frau. Er sah über das Maisfeld und fragte sich, was aus ihnen werden sollte.

Aber wenn es so ist, wie du sagst, Nick, okay.

Sie hatten ihn zum Anführer gemacht. Das hatten sie, aber er hatte nicht die geringste Ahnung, warum. Man konnte von einem Taubstummen keine Befehle entgegennehmen; das war wie ein schlechter Witz. Dick hätte ihr Anführer sein müssen. Er selbst war nur ein Speerträger, der dritte von links, keine Streifen, den nur seine Mutter gelten ließ. Aber von dem Augenblick an, als sie Ralph Brentner getroffen hatten, der mit seinem alten Chevrolet die Straße entlangtuckerte, ohne zu wissen, wohin er fuhr, hatte es angefangen: Immer wenn jemand etwas sagte, sah er rasch Nick an, als ob er eine Bestätigung brauchte. Auf die Tage zwischen Shoyo und May, vor Tom und der Verantwortung, hatte sich jetzt schon ein Nebel von Nostalgie gelegt. Es war leicht, die Einsamkeit zu vergessen und die Angst, die ständigen entsetzlichen Träume könnten bedeuten, daß er den Verstand verlor. Und leicht, sich zu erinnern, wie man für sich selbst sorgen mußte, den Speerträger, dritter von links, ein Statist in diesem grauenhaften Stück.

Als ich dich sah, wußte ich es. Du bist es, Nick. Gott hat seinen Finger auf dein Herz gelegt...

Nein, das akzeptiere ich nicht. Ich akzeptiere auch Gott nicht, was das angeht. Mochte die alte Frau ihren Gott behalten; Gott war für alte Frauen so notwendig wie Einläufe und Teebeutel von Lipton. Er würde sich darauf konzentrieren, eins nach dem anderen zu erledigen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er würde sie nach Boulder bringen und sehen, was dann kam. Die alte Frau hatte gesagt, den dunklen Mann gäbe es wirklich, er wäre nicht nur ein psychologisches Symbol, und auch das wollte er nicht glauben... aber in seinem Herzen glaubte er es doch. In seinem Herzen glaubte er alles, was die alte Frau gesagt hatte, und es machte ihm angst. Er wollte nicht ihr Anführer sein.

Du bist es, Nick.

Eine Hand drückte seine Schulter, er zuckte überrascht zusammen und drehte sich um. Sie mochte geschlafen haben, aber jetzt nicht mehr. Sie lächelte ihn aus ihrem Schaukelstuhl ohne Armlehnen an.

»Ich habe hier gesessen und über die große Wirtschaftskrise nachgedacht«, sagte sie. »Weißt du, daß dieses Land früher im Umkreis von vielen Meilen meinem Daddy gehört hat? Es stimmt. Keine Kleinigkeit für einen Schwarzen. Und ich habe neunzehnnullzwo im großen Saal der Farmervereinigung Gitarre gespielt und gesungen. Das ist lange her, Nick. Sehr, sehr lange.«

Nick nickte.

»Es waren schöne Zeiten, Nick – meistens jedenfalls. Aber ich schätze, nichts ist von Dauer. Nur die Liebe des Herrn. Mein Daddy starb, und das Land wurde unter seinen Söhnen aufgeteilt, auch mein erster Mann bekam ein Stück, nicht viel, nur vierundzwanzig Hektar. Dies Haus steht auf einem Teil dieser vierundzwanzig Hektar. Jetzt sind nur noch anderthalb Hektar übrig. O ja, jetzt könnte ich das ganze Land wieder beanspruchen, aber es wäre irgendwie nicht dasselbe.«

Nick tätschelte ihre knochige Hand, und sie seufzte tief.

»Brüder vertragen sich nicht immer gut, sie fangen fast immer an zu streiten; siehe Kain und Abel. Jeder wollte der Boß sein, keiner wollte auf dem Feld arbeiten! Dann kam 1931, und die Bank wollte ihr Geld. Da zogen sie plötzlich alle an einem Strang, aber es war schon fast zu spät. 1945 war alles weg, bis auf meine vierundzwanzig Hektar und noch fünfzehn oder zwanzig, wo jetzt Goodells Haus steht.«

Sie zog das Taschentuch aus der Tasche ihres Kleides und wischte sich langsam und nachdenklich die Augen.

»Am Ende lebte nur noch ich und hatte kein Geld und nichts. Und jedes Jahr, wenn die Steuer fällig war, nahmen sie mir ein wenig mehr Land weg, und dann ging ich nach draußen auf die Veranda, sah mir das Land an, das mir nicht mehr gehörte, und weinte darum, so wie jetzt. Jedes Jahr ging ein Stück für die Steuer weg, so war das. Hier ein Stück, da ein Stück. Das restliche Land hatte ich verpachtet, aber die Einnahmen reichten nie für die verflixte Steuer aus. Dann, als ich hundert Jahre alt wurde, haben sie mir die Steuern für immer erlassen. Ja, sie haben mir das Land überlassen, nachdem sie mir bis auf dieses kleine Stück alles genommen hatten. Großzügig von ihnen, was?«

Nick drückte ihr leicht die Hand und sah sie an.

»O Nick«, sagte Mutter Abagail, »in meinem Herzen habe ich den Herrn gehaßt. Jeder Mann, der ihn liebt, und jede Frau, die ihn liebt, sie hassen ihn gleichzeitig, denn er ist ein harter Gott, ein eifersüchtiger Gott. Er ist, was er ist, und in dieser Welt vergilt er treuen Dienst mit Schmerzen, während die Bösen in Cadillacs auf den Straßen fahren. Selbst die Freude, ihm zu dienen, ist eine bittere Freude. Ich handle nach seinem Willen, aber in meinem Herzen habe ich ihn verflucht. >Abby<, sagt der Herr zu mir, >in ferner Zukunft wartet Arbeit auf dich. Deshalb werde ich dich lange leben lassen, bis das Fleisch dir an den Knochen bitter wird. Du sollst alle deine Kinder vor dir sterben sehen und immer noch auf Erden wandeln. Ich zeige dir, wie dir das Land deines Vaters Stück für Stück genommen wird. Und am Ende wird deine Belohnung sein, daß du mit Fremden zusammen fortziehst und alles verlassen mußt, was du liebst, und du wirst in einem fremden Land sterben, und die Arbeit wird noch nicht getan sein. Das ist mein Wille, Abby<, sagt er, und ich sagte: >Ja, Herr. Dein Wille gesehenes und im Herzen verfluche ich ihn und frage: >Warum, warum, warum?< und bekomme nur eine Antwort: >Wo warst du, als ich die Welt erschaffen habe?<«

Jetzt flössen ihre Tränen wie eine bittere Flut über die Wangen und das Leibchen ihres Kleides, und Nick wunderte sich darüber, daß so viele Tränen in so einer alten Frau waren, die so dürr und trocken aussah wie ein abgestorbener Zweig.

»Hilf mir weiter, Nick«, sagte sie. »Ich will nur das Richtige tun.« Er hielt ihre Hände ganz fest. Hinter ihnen kicherte Gina und hielt eins der Spielzeugautos in die Luft, so daß sich die Sonne darauf spiegelte.

Gegen Mittag kamen Dick und Ralph aus Columbus zurück. Dick saß am Steuer eines neuen Dodge-Lieferwagens, und Ralph fuhr einen roten Abschleppwagen mit Kran und Haken, der hinten herunterbaumelte. Tom stand auf der Ladefläche und winkte. Sie hielten vor der Veranda an, und Dick stieg aus.

»Der Abschleppwagen hat ein hervorragendes CB-Gerät«, sagte er zu Nick. »Mit vierzig Kanälen. Ich glaube, Ralph ist ganz verliebt in das Ding.«

Nick grinste. Die Frauen waren dazugekommen und begutachteten die Fahrzeuge. Abag ail fiel auf, wie Ralph June zum Abschleppwagen führte, damit sie das Funkgerät bewundern und beifällig nicken konnte. Die Frau hatte gutgebaute Hüften, und gewiss befand sich dazwischen eine ordentliche Verandatür. Sie würde so viele Kinder bekommen können, wie sie wollte. . . ,-»Und wann fahren wir?« fragte Ralph.

Nick kritzelte: »Sobald wir gegessen haben. Hast du das CB ausprobiert?«

»Ja«, sagte Ralph. »Es war die ganze Zeit eingeschaltet. Schreckliche Statik; es hat einen Dämmknopf, aber der scheint nicht sehr gut zu funktionieren. Weißt du, ich schwöre, ich habe etwas gehört, ob Statik oder nicht. Weit entfernt. Vielleicht nicht einmal Stimmen. Aber ich sage die Wahrheit, Nicky, es hat mir gar nicht gefallen. So wenig wie die Träume.«

Schweigen senkte sich über sie.

»Nun«, sagte Olivia in die Stille. »Ich werde etwas kochen.

Hoffentlich stört es niemanden, zwei Tage hintereinander Schweinefleisch zu essen.«

Es störte niemanden. Um ein Uhr waren die Camping-Ausrüstung – und Abagails Schaukelstuhl und Gitarre – im Lieferwagen verstaut, und sie fuhren los, der Abschleppwagen voraus, um etwaige Hindernisse wegzuschieben. Abagail saß vorn im Lieferwagen, als sie zur Route 30 fuhren, die nach Westen führte. Sie weinte nicht. Sie hatte den Stock zwischen die Knie geklemmt. Das Weinen war vorbei. Es war der Wille des Herrn, und Sein Wille sollte geschehen. Der Wille des Herrn sollte geschehen, aber sie dachte an das rote Auge, das sich im dunklen Herzen der Nacht öffnete, und sie hatte Angst.


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