355 500 произведений, 25 200 авторов.

Электронная библиотека книг » Stephen Edwin King » The Stand. Das letze Gefecht » Текст книги (страница 5)
The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


Жанр:

   

Ужасы


сообщить о нарушении

Текущая страница: 5 (всего у книги 100 страниц)

5

Larry Underwood fuhr um die Ecke und fand zwischen einem Hydranten und einer in den Rinnstein gekippten Mülltonne einen Parkplatz, der groß genug für seinen Datsun Z war. In der Mülltonne war etwas Abstoßendes, und Larry versuchte sich einzureden, dass er die Katze und die Ratte, die an ihrem weißen Bauch nagte, gar nicht gesehen hatte. Die Ratte war so schnell aus dem Scheinwerferlicht verschwunden, daß sie möglicherweise wirklich nicht dagewesen war. Die Katze aber hatte Leichenstarre. Und, dachte er, als er den Motor des Z abstellte, wenn man das eine glaubte, mußte man auch das andere glauben. Hieß es nicht, Paris hätte die größte Rattenpopulation der Welt? Die alten Abwasserkanäle. Aber auch New York lag nicht schlecht im Rennen. Und wenn ihn die Erinnerung an seine verkorkste Jugend nicht trog, liefen nicht alle Ratten in New York City auf vier Beinen. Und warum parkte er überhaupt vor diesem verfallenen Sandsteinhaus und dachte an Ratten?

Vor fünf Tagen, am 14. Juni, war er noch im sonnigen Südkalifornien gewesen, Heimat der Spinner und Sekten, der einzigen S/M-Nachtclubs der Welt mit Gogo-Tänzern und Geburtsstätte von Disneyland. Heute morgen um Viertel nach drei war er am Ufer des anderen Ozeans angekommen und hatte an der Triborough Bridge seine Gebühren bezahlt. Trübseliger Nieselregen war gefallen. Nur in New York kann ein Frühsommerregen so gnadenlos verdrießlich sein. Jetzt sah Larry die Tropfen an der Windschutzscheibe des Z zusammenfließen, während die ersten Vorboten der Dämmerung über den östlichen Himmel krochen.

Liebes New York: Ich bin wieder zu Hause.

Vielleicht hatten die Yankees ein Heimspiel. Dann hätte sich die Reise gelohnt. Mit der U-Bahn zum Stadion fahren, Bier trinken, Hot Dogs essen und zusehen, wie die Yankees Cleveland oder Boston die Ärsche aufreißen.

Seine Gedanken schweiften ab, und als er den Faden endlich wiederfand, sah er, daß es viel heller geworden war. Die Uhr am Armaturenbrett stand auf 6:05. Er war eingenickt. Die Ratte war echt gewesen. Die Ratte war wieder da. Die Ratte hatte schon ein richtiges Loch in die Gedärme der toten Katze gefressen. Larrys leerer Magen machte langsam eine Rolle vorwärts. Er überlegte, ob er hupen sollte, um das Tier endgültig zu vertreiben, aber die schlafenden Sandsteinhäuser mit den leeren Mülltonnen, die Wache hielten, schüchterten ihn ein.

Er duckte sich tiefer in den Sitz, damit er der Ratte nicht beim Frühstück zusehen mußte. Nur ein Happen, guter Mann, und dann wieder ins U-Bahn-Netz. Heute abend ins Yankee-Stadion? Vielleicht sehe ich dich, alter Junge. Aber ich bezweifle ernsthaft, ob du mich sehen wirst.

Die Fassade des Gebäudes war mit rätselhaften und geheimnisvollen Graffiti vollgesprüht worden: CHICO 116, ZORRO 93, LITTLE ABIE NR. 1! Als er ein Junge war, vor dem Tod seines Vaters, war dies eine gute Gegend gewesen. Zwei steinerne Hunde hatten die Stufen zur großen Doppeltür hinauf bewacht. Ein Jahr, bevor er an die Küste fuhr, hatten Vandalen den rechten von den Pfoten aufwärts demoliert. Jetzt waren beide weg, abgesehen von der Hinterpfote des linken Hundes. Der Körper, den sie hätte tragen sollen, war nicht mehr an seinem Platz und schmückte jetzt vielleicht die Bruchbude irgendeines puertoricanischen Junkies. Vielleicht hatten die Ratten ihn in einer dunklen Nacht in einen verlassenen U-Bahn-Tunnel geschleppt. Vielleicht hatten sie auch seine Mutter mitgenommen. Er dachte, er sollte wenigstens die Stufen hinaufsteigen und nachsehen, ob ihr Name noch auf dem Briefkasten der Wohnung Nummer 15 stand, aber er war zu müde.

Nein, er würde einfach hier sitzen bleiben, dösen und sich darauf verlassen, daß die Reste der roten Pillen in seinem Körper ihn um sieben Uhr wecken würden. Dann würde er nachsehen, ob seine Mutter noch hier wohnte. Vielleicht wäre es besser, wenn sie nicht mehr da war. Vielleicht würde er dann sogar auf die Yankees verzichten. Vielleicht nur ein Zimmer im Biltmore nehmen, drei Tage schlafen und dann wieder zurück in den goldenen Westen fahren. In diesem Licht, im Nieselregen und mit seinen Kopf– und Beinschmerzen von der langen Fahrt hatte New York den Charme einer toten Hure.

Seine Gedanken schweiften wieder ab, er dachte über die letzten neun Wochen nach und versuchte, einen Schlüssel zu finden, der alles klarmachte und erklärte, wieso man sechs lange Jahre gegen eine Mauer anrennt, in den Clubs spielt, Demo-Bänder macht, sich als Session-Musiker verdingt und so weiter, und es dann plötzlich in neun Wochen schafft. Das gedanklich zu verarbeiten war, als wollte man einen Türknauf verschlucken. Es muß eine Antwort geben, dachte er, eine Erklärung, die es ihm ermöglichte, die häßliche Vorstellung zu verdrängen, daß die ganze Sache nur ein Zufall war, »a simple twist of fate« – eine Laune des Schicksals -, wie Bob Dylan sang.

Mit über der Brust verschränkten Armen döste er tiefer, und es ging ihm immer wieder durch den Kopf, aber jetzt stahl sich etwas Neues hinein, wie ein tiefer und bedrohlicher Kontrapunkt, ein kaum hörbar auf einem Synthesizer gespielter Ton, den man unter Kopfschmerzen wahrnimmt und der einen wie eine böse Vorahnung befällt: die Ratte, die sich in den Körper der toten Katze hineinfrißt, mampf, mampf, und dort etwas sucht, das ihr schmeckt. Das Gesetz des Dschungels, alter Junge, wenn du auf den Bäumen bist, mußt du schwingen...

Es hatte eigentlich vor achtzehn Monaten angefangen. Er hatte mit den Tattered Remnants in einem Club in Berkeley gespielt, und ein Mann von der Columbia hatte angerufen. Kein hohes Tier, nur einer von vielen Wasserträgern der Plattenbranche. Neu Diamond dachte daran, einen von Larrys Songs aufzunehmen, ein Stück mit dem Titel »Baby, Can You Dig Your Man?«

Diamond produzierte ein Album, alles eigene Sachen, außer einem alten Song von Buddy Holly, »Peggie Sue Got Married«, und vielleicht dieses Stück von Larry Underwood. Ob Larry gerne herkommen, ein Demo des Stücks aufnehmen und bei den Aufnahmen dabei sein wollte? Diamond wollte eine zweite akustische Gitarre, und der Song gefiele ihm sehr gut. Larry sagte ja.

Die Session dauerte drei Tage. Schöne Tage. Larry lernte Neu Diamond kennen, Robbie Robertson und Richard Perry. Er wurde auf der Albuminnenseite erwähnt und nach Tarif bezahlt. Aber »Baby, Can You Dig Your Man?« schaffte es nicht auf die Platte. Am zweiten Abend der Session kam Diamond mit einem neuen eigenen Song, und der kam statt dessen ins Album.

Tja, sagte der Mann von der Columbia, zu dumm. Kann vorkommen. Ich will Ihnen mal was sagen – warum nehmen Sie das Demo nicht trotzdem auf? Mal sehen, ob ich was machen kann. Larry machte das Demo und stand wieder auf der Straße. Harte Zeiten in L. A. Er hatte ein paar Sessions, aber nicht viele.

Schließlich fand er einen Job in einem Speiserestaurant, wo er Gitarre spielte und Lieder wie »Softly as I Leave You« und »Moon River« schmachtete, während alte Hasen über Geschäfte redeten und italienische Spezialitäten in sich reinschaufelten. Er schrieb sich die Texte auf kleine Zettel, weil er sie sonst durcheinanderbrachte oder ganz vergaß, in welchem Falle er einfach die Melodie anschlug und dazu »hmmmm-hmmmm, ta-da-hmm« summte, versuchte, Tony Bennets verführerischen Schlafzimmerblick nachzuahmen, und sich dabei wie ein Arschloch vorkam. In Fahrstühlen und Supermärkten war ihm auf morbide Weise klargeworden, was für beschissene Musik ständig gespielt wurde.

Vor neun Wochen hatte dann wie aus heiterem Himmel der Mann von der Columbia angerufen. Sie wollten sein Demo als Single herausbringen. Ob er wohl kommen und die Rückseite machen konnte? Klar, sagte Larry. Konnte er. Und so war er an einem Sonntag nachmittag in die Columbia-Studios in L.A. gegangen, hatte in etwa einer Stunde einen zweiten Track seiner Stimme für »Baby, Can You Dig Your Man?« aufgenommen und anschließend für die BSeite »Pocket Savior«, ein Stück, das er für die Tattered Remnants geschrieben hatte. Der Mann von der Columbia gab ihm einen Scheck über fünfhundert Dollar und einen zum Himmel stinkenden Vertrag, der ihn zumehr verpflichtete als die Plattenfirma. Er schüttelte Larry die Hand, sagte ihm, daß es schön war, ihn an Bord zu haben, lächelte mitleidig, als Larry fragte, wie die Single promotet werden sollte, und ging wieder. Es war zu spät, den Scheck einzulösen, daher hatte Larry ihn noch in der Tasche, als er bei Gino sein Repertoire spielte. Gegen Ende seines ersten Auftritts sang er eine entschärfte Version von »Baby, Can You Dig Your Man?« Der einzige, der davon Notiz nahm, war der Inhaber des Restaurants, der ihm riet, das Nigger-Geheul für die Putzkolonne aufzuheben.

Vor sieben Wochen hatte der Mann von der Columbia wieder angerufen und ihm gesagt, er solle sich ein Exemplar von Billboard kaufen. Larry rannte los. »Baby, Can You Dig Your Man?« war unter den drei heißen Tips der Woche aufgeführt. Larry rief den Mann von der Columbia zurück, und der hatte ihn gefragt, ob er mit ein paar von den hohen Tieren essen gehen wollte. Um über eine LP zu reden. Alle waren mit der Single zufrieden, die bereits in Detroit, Philadelphia und Portland, Maine, im Radio gespielt wurde. Sah aus, als würde sie zünden. In einem Soul-Sender in Detroit hatte sie vier Abende nacheinander den »Battle-of-the-Sounds«-Wettbewerb gewonnen. Niemand schien zu wissen, daß Larry Underwood ein Weißer war.

Er hatte sich beim Essen betrunken und kaum gemerkt, wie der Lachs schmeckte. Niemand schien Anstoß daran zu nehmen, daß er besoffen war. Eines der hohen Tiere sagte, er wäre nicht überrascht, wenn »Baby, Can You Dig Your Man?« nächstes Jahr einen Grammy einheimsen würde. Das hörte sich für Larry alles wunderbar an. Er kam sich wie ein Mann in einem Traum vor, und als er wieder in seine Wohnung ging, war er überzeugt, daß ihn ein Lastwagen überfahren würde und alles zu Ende wäre. Die hohen Tiere von der Columbia hatten ihm wieder einen Scheck gegeben, diesmal über 2500 Dollar. Als Larry nach Hause kam, setzte er sich ans Telefon und erledigte Anrufe. Sein erster galt Mort »Gino« Green. Larry sagte ihm, er würde einen anderen suchen müssen, der »Yellow Bird« spielte, während die Gäste seine lausige halbgare Pasta fraßen. Dann rief er alle an, die ihm einfielen, einschließlich Barry Greig von den Remnants. Anschließend ging er weg und ließ sich bis zum Umfallen vollaufen.

Vor fünf Wochen hatte die Single die Top 100 von Billboardgeschafft. Platz neunundachtzig. Mit einem Paukenschlag. Das war die Woche, als in Los Angeles wirklich der Frühling anfing, und an einem strahlenden Mainachmittag, als die Häuser so weiß und der Ozean so blau waren, daß einem fast die Augen aus dem Kopf fielen wie Murmeln, da hörte er seine Platte zum ersten Mal im Radio. Drei oder vier Freunde waren da, darunter sein derzeitiges Mädchen, und alle waren einigermaßen high auf Kokain. Larry kam mit einer Tüte Tollhaus-Kekse aus der Kochnische ins Wohnzimmer, als der altbekannte KLMT-Slogan »Neue Musiiiiiiiik!« ertönte. Und dann hatte Larry gebannt seine eigene Stimme aus den TechnicsLautsprechern gehört:

»I know l didn't say I was comin down

I know you didn't know l was here in town,

But bay-yay-yaby you can tell me if anyone can,

Baby, can you dig your man?

He's a righteous man,

Tell me baby, can you dig your man?«

»Mein Gott, das bin ich«, hatte er gesagt. Er ließ die Kekse auf den Boden fallen und stand mit offenem Mund und total baff da, während seine Freunde applaudierten.

Vor vier Wochen war sein Stück in den Billboard-Charts auf Platz dreiundsiebzig gesprungen. Er kam sich allmählich vor, als hätte man ihn grob in einen alten Stummfilm gestoßen, in dem alles zu schnell abläuft. Das Telefon klingelte sich wund. Die Columbia schrie nach dem Album, weil sie aus dem Erfolg der Single Kapital schlagen wollte. Ein wahnsinniger Dummsack von Werbefachmann rief ihn an einem Tag dreimal an und erzählte ihm, er müßteins Studio Record One kommen, und zwar am besten schon gestern, und eine Coverversion von »Hang On, Sloopy« von den McCoys als Nachfolger aufnehmen. Wahnsinn! brüllte der Irre immer wieder. Der einzig denkbare Nachfolger, Lar! (Er hatte den Typen nie kennengelernt und war trotzdem schon nicht einmal mehr Larry, sondern Lar.) Das wird der Wahnsinn! Ich meine, der totale Wahnsinn!

Larry hatte die Geduld verloren und dem Wahnsinn-Brüller gesagt, wenn er die Wahl hätte, »Hang On, Sloopy« aufzunehmen oder sich fesseln und ein Klistier mit Coca-Cola verpassen zu lassen, würde er sich für das Klistier entscheiden. Dann hatte er aufgelegt. Die Ereignisse nahmen trotzdem ihren Lauf. Dies könnte der größte Single-Hit seit fünf Jahren werden, ganz bestimmt, kam dem Fassungslosen zu Ohren. Agenten riefen im Dutzend an. Sie klangen alle geldgierig. Er nahm Aufputschmittel und hatte allmählich den Eindruck, als würde er seinen Song überall hören. Am Samstag vormittag hörte er ihn in »Soul Train« und verbrachte den Rest des Tages damit, sich selbst davon zu überzeugen, daß das tatsächlich geschehen war.

Es war plötzlich ein Problem, Julie loszuwerden, das Mädchen, mit dem er seit seinen Auftritten bei Gino ging. Sie machte ihn mit allen möglichen Leuten bekannt, von denen er nur die wenigsten kennenlernen wollte. Ihre Stimme erinnerte ihn allmählich an die der Möchtegern-Agenten am Telefon. Nach einem lauten und gehässigen Streit trennte er sich von ihr. Sie hatte ihn angeschrien, sein Kopf würde bald so groß sein, daß er nicht mehr durch die Tür eines Aufnahmestudios paßte, daß er ihr noch fünfhundert Dollar für Dope schuldete und die Antwort der neunziger Jahre auf Zagar und Evans war. Sie hatte gedroht, sich umzubringen. Hinterher hatte Larry das Gefühl, als hätte er eine lange Kissenschlacht überstanden, bei der alle Kissen mit leichtem Giftgas behandelt worden waren.

Vor drei Wochen hatten sie angefangen, das Album aufzunehmen, und Larry hatte fast allen »gutgemeinten« Vorschlägen widerstanden. Er nutzte jeden Spielraum, den sein Vertrag ihm ließ. Er holte sich drei von den Tattered Remnants – Barry Greig, AI Spellman und Johnny McCall – und zwei Musiker, mit denen er schon gearbeitet hatte, Neu Goodman und Wayne Stukey. Sie nahmen das Album in neun Tagen auf, das Äußerste an Studiozeit, was sie bekamen. Columbia wollte ein Album, das auf einen Verkaufserfolg von zwanzig Wochen ausgelegt war, mit »Baby, Can You Dig Your Man?« am Anfang und »Hang on, Sloopy« am Ende. Larry wollte mehr.

Das Albumcover zeigte ein Foto von Larry in einer altmodischen Badewanne mit Klauenfüßen voll Seifenschaum. Auf den Kacheln über ihm standen, mit dem Lippenstift einer Columbia-Sekretärin geschrieben, die Worte POCKET SAVIOR und LARRY UNDERWOOD! Die Columbia hatte das Album Baby, Can You Dig Your Man? nennen wollen, aber dagegen hatte sich Larry ausdrücklich verwahrt, schließlich hatten sie sich auf einen Aufkleber MIT HIT-SINGLE! geeinigt.

Vor zwei Wochen stand die Single auf Platz siebenundvierzig, und die Party hatte richtig angefangen. Er hatte für einen Monat ein Strandhaus in Malibu gemietet, und danach wurde alles ein wenig verschwommen. Leute kamen und gingen, immer mehr. Einige kannte er, aber die meisten waren Fremde. Er erinnerte sich daran, daß ihn noch mehr Agenten belästigten, die »seine große Karriere fördern« wollten. Er erinnerte sich an ein Mädchen, das einen schlechten Trip erwischt hatte und schreiend und splitternackt über den weißen Strand gelaufen war. Er erinnerte sich, daß er Kokain geschnupft und mit Tequila nachgespült hatte. Er erinnerte sich, dass er an einem Samstag morgen wachgerüttelt worden war, es mußte vor einer Woche oder so gewesen sein, und gehört hatte, wie Kasey Käsern in American Top Forty seine Scheibe als Debüt-Song spielte, der auf Platz sechsunddreißig stand. Er erinnerte sich, daß er viele rote Tabletten geschluckt und mit einem Scheck über viertausend Dollar, der mit der Post gekommen war, um den Datsun Z gefeilscht hatte.

Und dann kam der 13. Juni, vor sechs Tagen, als Wayne Stukey Larry gebeten hatte, mit ihm einen Spaziergang am Strand zu machen. Es war erst neun Uhr morgens gewesen, aber die Stereoanlage und beide Fernsehgeräte waren eingeschaltet, und es hörte sich an, als würde im Spielzimmer im Keller eine Orgie stattfinden. Larry saß in Unterhosen auf einem Plüschsessel im Wohnzimmer und versuchte krampfhaft, einen Superboy-Comic zu lesen und zu verstehen. Er fühlte sich topfit, aber die Worte ergaben keinen Zusammenhang. Ein Stück von Wagner donnerte aus den Quadrolautsprechern, und Wayne mußte drei– oder viermal rufen, bis er gehört wurde. Dann nickte Larry. Er fühlte sich, als hätte er Meilen zurücklegen können.

Aber als der Sonnenschein Larry wie Nadeln in die Augen stach, überlegte er es sich plötzlich anders. Kein Spaziergang. Hmmmm. Seine Augen hatten sich in Vergrößerungsgläser verwandelt, und die Sonne würde so lange hineinscheinen, bis sie ihm das Gehirn verbrannt hatte. Sein armes altes Gehirn schien trocken wie Zunder zu sein.

Wayne ließ nicht locker und packte ihn fest am Arm. Sie gingen zum Strand hinunter, über den warmen Sand zum dunkleren, härteren Boden beim Wasser, und jetzt fand Larry, daß es doch eine ganz gute Idee gewesen war. Das anschwellende Geräusch der Wellen, die ans Ufer schlugen, war beruhigend. Eine Möwe, die sich bemühte, Höhe zu gewinnen, hing wie ein gemaltes M am Himmel. Wayne zog ihn fest am Arm. »Komm mit.«

Larry durfte mehr Meilen zurücklegen, als ihm lieb war, bis er keine Lust mehr hatte. Er hatte häßliche Kopfschmerzen, und sein Rückgrat fühlte sich an, als hätte es sich in Glas verwandelt. Seine Augen pulsierten, und er hatte dumpfe Schmerzen in den Nieren. Ein Amphetaminkater ist zwar nicht ganz so schlimm wie der Morgen nach der Nacht, in der man sich zehn Milligramm Four Roses eingepfiffen hat, aber er ist auch nicht so angenehm, wie, zum Beispiel, Raquel Welch zu bumsen. Wenn er noch ein paar Aufputscher nahm, konnte er vielleicht den Kater kitten. Er wollte in die Tasche greifen, um die Tabletten herauszuholen, und merkte erst jetzt, daß er nur eine Unterhose anhatte, die vor drei Tagen frisch gewesen war.

»Wayne, ich will wieder zurück.«

»Laß uns noch ein Stück gehen.« Es schien ihm, daß Wayne ihn seltsam ansah, mit einer Mischung aus Zorn und Mitleid.

»Nein, Mann. Ich hab' nur 'ne Unterhose an. Ich werd' wegen Exhibitionismus eingelocht.«

»An diesem Teil der Küste kannst du dir ein Taschentuch um den Dödel binden und die Eier frei hängen lassen und wirst trotzdem nicht wegen Exhibitionismus eingesperrt. Komm schon, Mann.«

»Ich bin müde«, sagte Larry quengelnd. Wayne ging ihm allmählich auf den Geist. So also wollte Wayne ihm heimzahlen, daß Larry einen Hit hatte und er, Wayne, auf dem Album nur als Keyboardspieler genannt wurde! Er war genau wie Julie. Alle haßten ihn jetzt. Alle hatten die Messer gezückt. Allzu schnelle Tränen verschleierten seinen Blick.

»Komm schon, Mann«, wiederholte Wayne, und sie gingen weiter den Strand entlang.

Sie waren vielleicht noch eine Meile gegangen, als Larry plötzlich einen Krampf in beiden Oberschenkelmuskeln hatte. Er schrie auf und ließ sich in den Sand fallen. Ihm war, als hätte ihm jemand gleichzeitig zwei Dolche ins Fleisch gestoßen.

»Ein Krampf!« brüllte er. »O Mann, ein Krampf!«

Wayne kauerte sich neben ihn und zog ihm die Beine gerade. Die Schmerzen fingen wieder an, aber Wayne klopfte die verkrampften Muskeln und knetete sie durch. Schließlich entspannte sich das zu gering durchblutete Gewebe.

Larry, der den Atem angehalten hatte, stieß jetzt hörbar die Luft aus.

»O Mann«, sagte er. »Danke. Das war... das war schlimm.«

»Klar«, sagte Wayne ohne viel Mitgefühl. »Kann ich mir denken, Larry. Geht's jetzt?«

»Okay. Aber laß uns ausruhen, hm? Und dann gehen wir zurück.«

»Ich will mit dir reden. Ich mußte dich dort wegbringen. Ich wollte, daß du einen klaren Kopf kriegst und kapierst, was ich dir sagen will.«

»Was soll das, Wayne?« Er dachte: Jetzt kommt's. Der Knüller. Aber was Wayne sagte, war so wenig ein Knüller, daß Larry einen Augenblick wieder an den Superboy-Comic denken mußte und versuchte, einen Satz mit fünf Worten zu begreifen.

»Schluß mit der Party, Larry.«

»Hm?«

»Die Party. Wenn du zurückkommst. Du ziehst alle Stecker raus, gibst allen die Autoschlüssel, bedankst dich für den Besuch und bringst sie zur Tür.«

»Das kann ich nicht«, sagte Larry erschrocken.

»Du mußt«, sagte Wayne.

»Aber warum? Mann, die Party fängt gerade erst an.«

»Larry, wieviel hat dir Columbia als Vorschuß gezahlt?«

»Warum willst du das wissen?« fragte Larry argwöhnisch.

»Glaubst du, ich will dich ausnehmen, Larry? Mach dich nicht lächerlich.«

Larry dachte nach, und ihm dämmerte mit wachsender Bestürzung, daß Wayne Stukey nicht den geringsten Grund hatte, ihn auszunehmen. Wayne hatte es noch nicht geschafft, er mußte noch kämpfen wie die anderen, mit denen Larry das Album aufgenommen hatte, aber Wayne stammte aus einer wohlhabenden Familie und verstand sich gut mit seinen Eltern. Waynes Vater gehörte die Hälfte des drittgrößten Herstellers von elektronischen Spielen des Landes, und die Stukeys bewohnten ein palastartiges Haus in Bei Air. Larry überlegte sich bestürzt, daß sein plötzlicher Wohlstand für Wayne wohl eher Kleinkram war.

»Nein, wahrscheinlich nicht«, sagte er mürrisch. »Tut mir leid. Aber mir kommt es so vor, als wollte jeder verarmte Kakerlakenjäger westlich von Las Vegas -«

»Wieviel also?«

Larry dachte einen Augenblick nach. »Sieben Riesen Vorschuß. Alles in allem.«

»Für die Single zahlen sie dir die Tantiemen vierteljährlich und für das Album halbjährlich?«

»Richtig.«

Wayne nickte. »Die Schweine halten das Geld zurück, bis der Adler schreit. Zigarette?«

Larry nahm eine und hielt zum Anzünden die hohlen Hände darum.

»Weißt du, was dich diese Party kostet?«

»Klar«, sagte Larry.

»Du hast das Haus nicht für weniger als tausend gemietet.«

»Stimmt.« Es waren 1200 Dollar gewesen plus 500 Dollar Kaution für eventuelle Schäden. Er hatte die Kaution und die halbe Monatsmiete bezahlt, insgesamt 500 Dollar, 600 schuldete er noch.

»Wieviel für Dope?« fragte Wayne.

»Ach, Mann, das braucht man nun mal. Wie Käse für Ritz Cracker...«

»Hasch und Koks. Wieviel? Raus damit.«

»Scheißdealer«, sagte Larry verdrossen. »Je fünfhundert.«

»Und am zweiten Tag war alles weg.«

»Einen Scheißdreck war es!« sagte Larry. »Als wir heute morgen weggegangen sind, habe ich zwei Typen beim Koksen gesehen, Mann. Gut, das meiste ist weg, aber...«

»Mensch, kannst du dich nicht an The Deck erinnern?« Waynes Stimme parodierte jetzt erstaunlich gut Larrys gedehnte Sprechweise. »Schreib's auf meine Rechnung, Dewey. Versorg sie.«

Larry sah Wayne mit dämmerndem Entsetzen an. Er erinnerte sich wirklich an einen drahtigen kleinen Mann mit einem seltsamen Haarschnitt, den man vor zehn oder fünfzehn Jahren eine Wuschelfrisur genannt hätte, ein kleiner drahtiger Kerl mit einer Wuschelfrisur und einem T-Shirt, auf dem stand: JESUS KOMMT – UND ER IST STINKSAUER. Dem Burschen schien guter Stoff praktisch aus dem Arschloch zu fallen. Er erinnerte sich auch noch daran, daß er dem Typen, Dewey the Deck, gesagt hatte, er solle die Gästekörbchen nachfüllen und ihm alles auf die Rechnung setzen. Aber das war... das war schon vor Tagen gewesen.

Wayne sagte: »Was Besseres als du ist Dewey Deck schon lange nicht mehr über den Weg gelaufen.«

»Wieviel schulde ich ihm?«

»Nicht viel für Hasch. Hasch ist billig. Zwölfhundert. Acht Riesen für Koks.«

Einen Augenblick dachte Larry, er müßte kotzen. Er glotzte Wayne stumm an. Er versuchte zu sprechen und konnte nur stammeln:

»Neuntausendzweihundert?«

»Inflation, Mann«, sagte Wayne. »Willst du den Rest hören?«

Larry wollte den Rest nicht hören, aber er nickte.

»Im Obergeschoß stand ein Fernseher. Jemand hat einen Stuhl reingeschlagen. Dreihundert für die Reparatur, schätze ich. Die Holztäfelung im Erdgeschoß ist völlig versaut. Vierhundert. Wenn du Glück hast. Das große Panoramafenster zum Strand ist vorgestern eingeschlagen worden. Dreihundert. Der Teppich im Wohnzimmer ist total im Arsch – Brandflecken, Bier, Whisky. Vierhundert. Ich habe den Spirituosenladen angerufen, und die freuen sich genauso über ihre Rechnung wie Deck über seine. Sechshundert.«

»Sechshundert für Fusel?« flüsterte Larry. Ihm stand das kalte Grausen bis zum Hals.

»Sei froh, daß die meisten nur Bier und Wein gesoffen haben. Im Supermarkt hast du vierhundert Dollar auf der Latte stehen, hauptsächlich für Pizza, Chips und so leckere Sachen. Aber das Schlimmste ist der Lärm. Bald werden die Bullen aufkreuzen. Les  flies. Ruhestörender Lärm. Und du hast vier oder fünf Jungs auf Heroin. In der Bude liegen mindestens achtzig bis hundert Gramm Mexican Brown rum.«

»Auch auf meine Rechnung? « fragte Larry heiser.

»Nein. The Deck läßt die Finger vom Heroin. Das ist das Geschäft der Organisation, und Deck mag keinen Stiefel aus Beton. Aber wenn die Bullen erst kommen, dann geht die  ganze Scheiße auf Deine Rechnung.«

»Aber ich wußte nicht...«

»Unschuldig wie ein Neugeborenes, klar.«

»Aber...«

»Deine Gesamtrechung für diese kleine Eskapade beläuft sich bisher auf über zwölftausend Dollar«, sagte Wayne. »Du bist losgezogen und hast Dir den Z gekauft... wieviel hast Du hingeblättert?«

»Zweieinhalb«, sagte Larry dumpf. Ihm war zum Heulen.

»Und was hast Du noch bis zum nächsten Tantiemenscheck? Ein paar tausend?«

»Ungefähr«, sagte Larry, der Wayne nicht sagen konnte, dass er weit weniger hatte, etwa achthundert, zu gleichen Teilen Bargeld und Schecks.

«Larry, hör gut zu, weil ich keine Lust habe, es dir zweimal zu sagen. Hier steigt immer wieder eine neue Party. Das einig Konstante hier darußen ist der konstante Irrsinn und die konstante Party. Die TYpen kommen angeströmt wie die Vögel, die auf dem Rücken von Nilpferden Ungeziefer suchen.Jetzt sind sie hier. Pflück sie dir aus dem Pelz und schick sie fort.«

Larry dachte an die Dutzende Leute im Haus. Von drei Gästen kannte er derzeit vielleicht einen. Der Gedanke, diesen fremden Lauten zu sagen, dass sie gehen sollten,schnürte ihm die Kehle zu. Sie würden keine gute Meinung mehr von ihm haben. Gegen diesen Gedanken stand das Bild Dewey Decks, der die Schüsseln wieder auffüllte und dann sein Notizbuch aus der Tasche zog und alles aufschrieb. Er und seine Wuschelfrisur und sein modisches T-Shirt.

Wayne sah in ganz ruhig an, währand Larry zwischen diesen beiden Bildern hin und her schwankte.

«Mann, ich werde aussehen wie das letzte Arschloch«, sagte Larry endlich und hasste diese schwachen und kläglichen Worte schon, während er sie aussprach.

«Ja, sie werden kein gutes Haar an dir lassen. Sie werden sagen, du kommst dir vor wie ein Hollywood-Star. Wirst größenwahnsinnig. Vergißt deine alten Freunde. Aber keiner von ihnen ist dein Freund, Larry. Deine Freunde haben vor drei Tagen gesehen, was hier los ist, und sich verdrückt. Es macht keinen Spaß zu sehen, wie ein Freund sich sozusagen in die Hose pisst und es noch nicht einmal merkt.«

«Warum musst du es mir dann sagen?« fragte Larry plötzlich wütend. Der Grund dafür war die Erkenntnis, dass seine wirklichen Freunde verschwunden waren, und rückblickend kamen ihm ihre Erklärungen fadenscheinig vor. Barry Greig hatte ihn beiseite genommen und versucht, mit ihm zu reden, aber Larrywar einfach zu high gewesenund hatte nur genickt und gelacht und Barry nachsichti angelächelt. Jetzt fragte er sich, on Barry versucht hatte, ihm dasselbe zu erzählen. Dieser Gedanke war ihm peinlich und machte ihn noch wütender.

«Warum musst du es mir sagen?« wiederholte er. «Ich habe das Gefühl, dass du mich gar nicht so gut leiden kannst.«

«Nein... Ich habe auch nichts gegen dich. Darüber hinaus kann ich nichts sagen. Ich hätte auch warten können, bis du eins auf die Nase kriegst. Einmal hätte dir gereicht.«

«Wie meinst du das?«

«Du wirst es ihnen sagen. Hart genug bist du. Du hast etwas an dir, als ob man auf Stannoil beisst. Was immer man zum Erfolg braucht, du hast es. Du wirst eine hübsche kleine Karriere machen. Mittelmäßiger Pop, an den sich in fünf Jahren kein Mensch mehr erinnert. Die Jungs von der Junior High werden deine Platten sammeln. Du wirst Geld machen.«

Larry ballte die Fäuste auf den Beinen. Er hätte gern in dieses unbewegte Gesicht geschlagen. Bei den, was Wayne sagte, kam er sich wie ein Haufen Hundescheiße neben einem Stopschild vor.

«Geh zurück und zieh die Stecker raus«, sagte Waxne leise. «Tauch unter, bis du weißt, daß der nächste Tantiemenscheck auf dich wartet.«

«Aber Dewey...«

«Ich werde einen Mann finden, der mit Dewey redet. Ist mir ein Vergnügen. Der Kerl wird Dewey sagen, daß er auf sein Geld warten soll wie ein kleiner Junge, und Dewey wird mit Freuden gehorchen.« Er schwieg und sah zwei kleinen Kindern nach, die in bunten Badeanzügen über den Strand liefen. Neben ihnen ein Hund, der laut den blauen Himmel anbellte.

Larry stand auf udn sagte danke, wenn es ihm auch schwerfiel. Der Wind fuhr ihm durch die nicht mehr frische Unterhose. Das Wort kam ihm wie ein Backstein aus dem Mund.

«Du fährt irgendwohin und bringst die Scheiße wieder in Ordnung«, sagte Wayne, der neben ihm aufstand udn immer noch die Kinder beobachtete. «Du hast eine Menge Scheiße in Ordnung zu bringen. Wen du als Manager haben willst, wie du dir die Tournee vorstellst, wie der Vertrag aussehen soll, wenn >Pocket Savior< ein Hit geworden ist. Ich glaube, es wird einer; es hat diesen hübschen Beat. Wenn du es ruhig angehst, schaffst du's. TYpe wie du schaffen es immer.«

Typen wie du schaffen es immer.

Typen wie ich schaffen es immer.

Typen wie...



Jemand klopfte mit dem Finger gegen die Scheibe.

Larry schreckte hoch und setzte sich auf. Stechender Schmwerz fuhr ihm durch den Nacken, und er zuckte zusammen, weil sich das Fleisch dort verkrampft und wie tot anfühlt.Er hatte geschlafen, nicht nur gedöst. Von Kalifornien geträumt. Aber hier und jetzt herrschte graues New Yorker Tageslicht, und der Finger klopfte wieder.

Er drehte vorsichtig und unter Schmerzen den Kopf und sah seine Mutter, die ein schwarzes Haarnetz trug und hereinsah.

Für einen Moment blickten sie sich nur durch die Scheiben an, und Larry fühlte sich seltsam nackt, wie ein Tier, das im Zoo angestarrt wird. Aber dann lächelte er und drehte die Scheibe herunter.


    Ваша оценка произведения:

Популярные книги за неделю