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The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


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Ужасы


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Es gibt für die seelisch Geschlagenen oder Geschundenen wirklich keinen besseren Trost als eine gute, kräftige Dosis von »Dein Wille geschehe«.



Am 7. August kam Lloyd Henreid in das Zimmer, das der ausgetrocknete und halb im Delirium befindliche Mülleimermann tags zuvor zugewiesen bekommen hatte. Es war ein schönes Zimmer im dreißigsten Stock des MGM Grand. Es hatte ein rundes Bett mit Seidenlaken und an der Decke einen runden Spiegel, der genauso groß wie das Bett zu sein schien.

Mülleimer sah Lloyd an.

»Wie geht es dir, Müll?« fragte Lloyd und sah ihn auch an.

»Gut«, sagte der Mülleimermann. »Besser.«

»Essen, Wasser und Ruhe, mehr hast du nicht gebraucht«, sagte Lloyd. »Ich hab' dir saubere Kleidung gebracht. Die Größe mußte ich schätzen.«

»Sieht gut aus.« Müll hatte sich seine Kleidergröße nie merken können. Er nahm die Jeans und das Baumwollhemd, die Lloyd ihm anbot.

»Komm runter frühstücken, wenn du angezogen bist«, sagte Lloyd. Er redete fast unterwürfig mit ihm. »Wir essen fast alle im Speisesaal.«

»Okay. Klar.«

Im Speisesaal war das Summen der Unterhaltungen zu hören, und er blieb draußen um die Ecke stehen, weil er es plötzlich mit der Angst bekam. Wenn er eintrat, würden sie ihn ansehen. Sie würden ihn ansehen und lachen. Jemand würde im hinteren Teil des Saals anfangen zu kichern, jemand anders würde einstimmen, und dann würde der ganze Saal ein Aufruhr prustenden Gelächters und deutender Finger sein.

He, versteckt die Streichhölzer, der Mülleimermann kommt!

He, Müll! Was hat die alte Oma Semple gesagt, als du ihren Rentenscheck verbrannt hast?

Pinkelst du oft ins Bett, Müll?

Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus, und er fühlte sich schmutzig, obwohl er geduscht hatte, nachdem Lloyd gegangen war. Er erinnerte sich an sein Gesicht im Badezimmerspiegel, das mit langsam heilendem Schorf bedeckt war, den zu hageren Körper, die für die gähnenden Höhlen zu kleinen Augen. Ja, sie würden lachen. Er lauschte dem Summen der Gespräche, dem Klirren vo n Silberbesteck und dachte, daß er sich einfach davonschleichen sollte.

Dann dachte er daran, wie der Wolf so behutsam seine Hand genommen und ihn von der Metallgruft des Kid weggeführt hatte, und er reckte die Schultern und trat ein.

Ein paar Leute sahen kurz auf und wandten sich dann wieder dem Essen und ihren Gesprächen zu. Lloyd saß an einem großen Tisch mitten im Saal, hob einen Arm und winkte ihm zu. Müll bahnte sich unter einer erloschenen Keno-Anzeigentafel den Weg zwischen den Tischen hindurch. Drei weitere Männer saßen an dem Tisch. Sie aßen alle Rührei mit Schinken.

»Bedien dich«, sagte Lloyd. »Es ist eine Art Wasserbad.«

Der Mülleimermann nahm ein Tablett und bediente sich. Der Mann hinter dem Tresen, der groß war und das schmutzige Weiß eines Kochs trug, beobachtete ihn.

»Sind Sie Mr. Horgan?« fragte der Mülleimermann schüchtern. Horgan grinste und entblößte lückenhafte Zähne. »Ja, aber wir kommen nicht weiter, wenn du mich so nennst, Junge. Nenn mich Whitey. Geht's dir etwas besser? Als du hergekommen bist, haste wie der Zorn Gottes ausgesehen.«

»Ja, viel besser.«

»Greif bei den Eiern zu. Soviel du willst. Aber paß mit den Fritten auf. Die Dinger sind alt und zäh. Schön, daß du da bist, Junge.«

»Danke«, sagte Müll.

Er ging wieder zu Lloyds Tisch.

»Müll, das hier ist Ken DeMott. Der Junge mit der kahlen Stelle ist Hector Drogan. Und der Bengel hier, der im Gesicht züchten will, was ihm ums Arschloch herum wild wächst, nennt sich Ace High.«

Alle nickten ihm zu.

»Das ist unser neuer Junge«, sagte Lloyd. »Sein Name ist Mülleimermann.«

Ringsum wurden Hände geschüttelt. Müll machte sich über die Eier her. Er sah den jungen Mann mit dem flaumigen Bart an und sagte mit leiser, höflicher Stimme: »Würden Sie mir bitte das Salz reichen, Mr. High?«

Sie sahen einander einen Moment überrascht an, dann prusteten sie alle vor Lachen. Müll sah sie an und spürte Panik in der Brust aufsteigen, und dann hörte er das Lachen, hörte es wirklich, mit dem Herzen wie mit den Ohren, und begriff, daß nichts Böses dabei war. Hier würde ihn niemand fragen, warum er statt der Kirche lieber die Schule niedergebrannt hatte. Niemand würde ihn wegen dem Rentenscheck der alten Oma Semple aufziehen. Er konnte auch lächeln, wenn er wollte. Und er lächelte.

»Mr. High«, kicherte Hector Drogan. »O Ace, eben bist du aber drangekriegt worden. Mr. High. Ich lach' mich tot. Minister Haaaaiii. Mann, das ist vielleicht ein Knüller.«

Ace High gab Mülleimer das Salz. »Nur Ace, Mann. Darauf hör' ich immer. Du nennst mich nicht Mr. High und ich nenn' dich nicht Mr. Mann, abgemacht?«

»Okay«, sagte Mülleimermann immer noch lächelnd. »Prima.«

»Oh, Mr. Hiiiigh!« sagte Heck Drogan mit schriller Falsettstimme. Dann fing er wieder an zu lachen. »Ace, das wird dir ewig anhängen. Ich schwor's dir.«

»Vielleicht, aber ich werd' auf jeden Fall das Beste draus machen«, sagte Ace High und stand mit seinem Teller auf, um sich noch Eier zu holen. Dabei legte er Müll einen Moment die Hand auf die Schulter. Die Hand war warm und fest. Es war eine freundliche Hand, die nicht drückte oder kniff.

Der Mülleimermann verschlang die Eier und fühlte sich innerlich gut und warm. Dieses warme Hochgefühl war seiner Natur so fremd, daß es ihm fast wie eine Krankheit vorkam. Er versuchte beim Essen, es zu isolieren und zu verstehen. Er sah auf, betrachtete die Gesichter ringsum und glaubte zu verstehen, was es war. Glücklichsein.

Was für gute Menschen, dachte er.

Und dem dicht auf den Fersen: Ich bin daheim.



An diesem Tag durfte er sich noch ungestört ausschlafen, aber am nächsten wurde er zusammen mit zahlreichen anderen mit einem Bus zum Damm von Boulder gefahren. Dort verbrachten sie den Tag damit, Kupferdraht um die Spulen ausgebrannter Motoren zu wickeln. Er arbeitete an einer Bank mit Blick aufs Wasser – Lake Mead – und niemand überwachte ihn. Der Mülleimermann vermutete, daß es keine Vorarbeiter oder so jemanden gab, weil alle ihre Arbeit so sehr liebten wie er auch.

Am nächsten Tag erfuhr er, daß es anders war.



Es war Viertel nach zehn am Morgen. Der Mülleimermann saß auf seiner Bank und wickelte Kupferdraht, aber sein Verstand war eine Million Meilen entfernt, während die Finger ihre Arbeit machten. Er komponierte im Geiste einen Lobespsalm für den dunklen Mann. Er hatte sich überlegt, daß er ein großes Buch besorgen wollte (wahrhaftig ein BUCH), in das er alle Gedanken über ihneintrug. Vielleicht wollten die Leute so ein Buch einmal lesen. Leute, die so für ihnempfanden wie der Mülleimermann.

Ken DeMott kam zu seiner Bank, und Ken sah unter der Wüstenbräune blaß und ängstlich aus. »Komm mit«, sagte er.

»Feierabend. Wir fahren nach Vegas zurück. Alle. Die Busse warten draußen.«

»Hm? Warum?« Der Mülleimermann blinzelte zu ihm hoch.

»Ich weiß nicht. Es ist seinBefehl. Lloyd hat ihn durchgegeben. Setz deinen Arsch in Bewegung, Mülli. Man stellt besser keine Fragen, wenn es um den Hartgesottenen geht.«

Also stellte er auch keine. Draußen parkten drei Schulbusse der Stadt Las Vegas mit laufenden Motoren auf dem Hoover Drive. Männer und Frauen stiegen ein. Es wurde wenig gesprochen; die vormittägliche Fahrt zurück nach Las Vegas stand in krassem Widerspruch zu den sonstigen Arbeitsgepflogenheiten. Keine Geplänkel, kaum Unterhaltungen und keine Anzüglichkeiten, wie sie zwischen den etwa zwanzig Frauen und dreißig Männern üblich geworden waren. Alle waren in sich selbst versunken. Als sie sich der Stadt näherten, hörte Mülleimermann einen der Männer, der auf der anderen Seite des Mittelgangs gegenüber saß, leise zu seinem Nachbarn flüstern: »Es ist Heck. Heck Drogan. Herrgott, wie kommt diese Spukgestalt nur immer wieder auf alles?«

»Sei still«, sagte der andere und warf dem Mülleimermann einen mißtrauischen Blick zu.

Müll wich seinem Blick aus und betrachtete die Wüstenlandschaft, die vor dem Fenster vorbeizog. Erstmals wieder verspürte er einen Hauch von Angst.



»Mein Gott«, sagte eine Frau, als sie aus dem Bus ausstiegen, aber sie war die einzige, die eine Bemerkung machte.

Mülleimermann sah sich verwirrt um. Es sah aus, als wären alle versammelt, alle in Cibola. Alle waren zurückbeordert worden, mit Ausnahme einiger Kundschafter, die von der mexikanischen Halbinsel bis West-Texas überall sein konnten. Sie hatten sich um den Springbrunnen herum im Halbkreis versammelt, sechs oder sieben Reihen hintereinander, alles in allem etwa vierhundert Personen. Manche der hinteren standen auf Hotelstühlen, damit sie besser sehen konnten, und bis der Mülleimermann nahe genug war, dachte er, sie würden den Springbrunnen betrachten. Aber als er den Hals streckte, konnte er sehen, daß etwas auf dem Rasen vor dem Springbrunnen lag; freilich nicht, was es war. Eine Hand ergriff ihn am Ellbogen. Es war Lloyd. Sein Gesicht sah blaß und angespannt aus. »Ich hab' nach dir gesucht. Er will dich später sehen. Aber vorher haben wir das. Herrgott, wie ich das hasse. Komm mit. Ich brauche Hilfe, und du bist auserwählt.«

Der Kopf des Mülleimermanns kreiste. Erwollte ihn sehen! Ihn! Aber vorher kam noch dieses... was auch immer.

»Was, Lloyd? Was ist es?«

Lloyd antwortete nicht. Er hielt den Mülleimermann immer noch sanft am Arm und führte ihn zum Springbrunnen. Die Menge teilte sich vor ihnen, schrak beinahe vor ihnen zurück. Die schmale Gasse, durch die sie schritten, schien mit einer stummen, kalten Schicht Abscheu und Angst isoliert zu sein.

In vorderster Front stand Whitey Horgan. Er rauchte eine Zigarette. Er stand mit einem seiner Hush Puppies auf dem Gegenstand, den Müll vorher nicht richtig sehen konnte. Es war ein Kreuz aus Holz. Der vertikale Balken war etwa dreieinhalb Meter lang. Es sah wie ein linkisches kleines t aus.

»Alle da?« fragte Lloyd.

»Ja«, sagte Whitey. »Sieht so aus. Winky hat den Rundruf gestartet. Neun Leute sind nicht im Bundesstaat. Flagg hat gesagt, um die sollen wir uns nicht kümmern. Wie kommst du klar, Lloyd?«

»Mir geht's gut«, sagte Lloyd. »Na ja... gut nicht, aber ich werd's überstehen – du weißt schon.«

Whitey nickte in Richtung Mülleimermann. »Wieviel weiß der Junge?«

»Ich weiß gar nichts«, sagte der Mülleimermann verwirrter denn je. Hoffnung, Ehrfurcht und Grauen fochten einen dubiosen Kampf in ihm aus. »Was soll das? Jemand hat etwas über Heck gesagt...«

»Ja, es ist Heck«, sagte Lloyd. »Er hat Koks geschnüffelt. Scheißschlag, wie ich diese Scheißschläge hasse. Los doch, Whitey, sag ihnen, sie sollen ihn rausbringen.«

Whitey entfernte sich von Lloyd und Müll und trat dabei über ein rechteckiges Loch im Boden. Das Loch war mit Beton ausgeschalt. Es hatte gerade die richtige Größe und Tiefe, um das untere Ende des Kreuzes aufzunehmen. Als Whitney »Whitey« Horgan die breiten Stufen zwischen den Goldpyramiden hinaufging, spürte Müll, wie die ganze Spucke in seinem Mund austrocknete. Er drehte sich plötzlich um, zuerst zu der schweigenden Menge, die sichelförmig unter dem blauen Himmel wartete, dann zu Lloyd, der blaß und stumm dastand, das Kreuz betrachtete und an einem Pickel am Kinn klaubte.

»Du... wir... nageln ihn da dran?« brachte Mülleimermann schließlich heraus. »Geht es darum?«

Plötzlich griff Lloyd in die Tasche seines verblichenen Hemdes.

»Weißt du, ich hab' was für dich. Er hat es mir gegeben, damit ich es dir gebe. Ich kann dich nicht zwingen, es zu nehmen, aber es ist mein Glück, daß mir noch eingefallen ist, es dir überhaupt anzubieten. Möchtest du es?«

Er zog eine feine Goldkette aus der Brusttasche, an deren Ende ein schwarzer Gagat hing. Der Stein hatte einen roten Makel, wie der von Lloyd. Er ließ ihn vor den Augen des Mülleimermanns baumeln wie ein Hypnotiseur sein Amulett.

Die Wahrheit stand in Lloyds Augen zu lesen und war zu deutlich, als daß man sie nicht erkennen konnte; der Mülleimermann wußte, er konnte niemals weinen und hadern – nicht vor  ihm, nicht vor sonstwem, aber besonders nicht vor ihm – und behaupten, er hätte es nicht begriffen gehabt.  Nimm das und du nimmst alles, sagten Lloyds Augen. Und was gehört zu allem? Nun, selbstverständlich Heck Drogan. Heck und das betonierte Loch im Boden, das Loch, das gerade groß genug ist, daß der Stamm von Hecks Kreuz hineinpaßt.

Er griff langsam danach. Seine Hand verharrte, gerade bevor die ausgestreckten Finger die Goldkette berühren konnten.

Das ist meine letzte Chance. Meine letzte Chance, Donald Merwin Elbert zu sein.

Aber eine andere Stimme, die mit größerer Autorität sprach (aber mit einer gewissen Sanftheit, gleich einer kühlenden Hand auf einer fiebrigen Stirn), sagte ihm, daß die Entscheidung schon längst gefallen war. Wenn er sich jetzt für Donald Merwin Elbert entschied, würde er sterben. Er hatte den dunklen Mann aus freiem Willen gesucht (wenn es so etwas für die Mülleimermänner dieser Welt überhaupt gibt) und seine Hilfe angenommen. Der dunkle Mann hatte ihn davor bewahrt, von Kid ermordet zu werden (daß der dunkle Mann Kid eigens zu diesem Zweck  geschickt haben könnte, daran dachte der Mülleimermann gar nicht), und das bedeutete sicher, daß sein Leben jetzt dem dunklen Mann geschuldet war... dem Mann, den manche hier den Wandelnden Geck nannten. Sein Leben! Hatte er selbst es nicht immer wieder angeboten?

Aber  deine Seele...  hast du auch deine Seele angeboten?

Mitgefangen, mitgehangen, dachte der Mülleimermann und legte behutsam eine Hand um die Goldkette und die andere um den dunklen Stein. Der Stein war kalt und glatt. Er hielt ihn einen Moment in der Faust, um festzustellen, ob er warm werden würde. Aber Müll glaubte nicht, daß ihm das gelingen würde, und damit hatte er recht. Also legte er ihn um den Hals, wo er auf der Haut lag wie eine winzige Eiskugel.

Aber das eiskalte Gefühl machte ihm nichts aus.

Das eiskalte Gefühl war Ausgleich für das Feuer, das unablässig in seinem Innern loderte.

»Sag dir einfach, daß du ihn nicht kennst«, sagte Lloyd. »Heck, meine ich. So mache ich es immer. Das macht es leichter. Es...«

Zwei der breiten Hoteltüren gingen auf. Panische, entsetzte Schreie drangen zu ihnen herüber. Die Menge seufzte.

Neun kamen die Stufen herunter. Hector Drogan war in der Mitte. Er kämpfte wie ein Tiger im Netz. Sein Gesicht war totenbleich, abgesehen von den zwei hektischen roten Flecken auf den Wangenknochen. Schweiß floß ihm in Strömen von jedem Zentimeter Haut. Er war splitternackt. Fünf Männer hielten ihn. Einer war Ace High, der Junge, den Heck wegen seines Namens gehänselt hatte.

»Ace!« brabbelte Hector. »He, Ace, was meinst du? Der Junge braucht nur ein bißchen Hilfe, ja? Sag ihnen, sie sollen damit aufhören, Mann – ich kann  clean werden, ich schwöre bei Gott, ich kann es bleibenlassen. Was meinst du? Ein bißchen Hilfe! Bitte, Ace!«

Ace High sagte nichts; sein Griff um Hecks fuchtelnden Arm wurde nur noch fester. Das reichte als Antwort aus. Hector Drogan fing wieder an zu schreien. Er wurde unbarmherzig über den Vorplatz zum Springbrunnen gezogen.

Hinter ihm gingen drei Männer in einer Reihe wie bei einer feierlichen Unternehmerbeerdigung: Whitey Horgan, der eine große Reisetasche trug; ein Mann namens Roy Hoopes mit einer Leiter; und Winky Winks, ein kahler Mann, dessen Augen ständig zuckten. Winky trug ein Klemmbrett mit einem maschinenbeschriebenen Blatt Papier darauf.

Heck wurde zum Fuß des Kreuzes gezerrt. Ein schrecklicher gelber Angstgestank ging von ihm aus; seine Augen waren verdreht, so dass das schmutzige Weiß zu sehen war – wie die Augen eines Pferdes, das bei Gewitter im Freien gelassen wurde.

»He, Mülli«, sagte er heiser, während Roy Hoopes hinter ihm die Leiter aufstellte. »Mülleimermann. Sag ihnen, sie sollen es abblasen, Kumpel. Sag ihnen, ich kann  clean werden. Sag ihnen, so ein Schrecken ist besser als alle Rehabilitation der Welt. Sag es ihnen, Mann.«

Der Mülleimermann sah auf seine Füße. Als er den Hals beugte, fiel der schwarze Stein nach vorne und baumelte in seinem Gesichtsfeld. Der rote Makel, das Auge, schien ihn starr anzusehen.

»Ich kenne dich nicht«, murmelte er.

Aus dem Augenwinkel sah er Whitey auf einem Knie, eine Zigarette im Mundwinkel, das linke Auge wegen des Rauchs zugekniffen. Er machte die Reisetasche auf. Er holte spitze Holznägel heraus. Mülleimer stellte entsetzt fest, daß sie fast so groß wie Zeltheringe wirkten. Whitey legte sie ins Gras und holte einen großen Holzhammer aus der Reisetasche.

Trotz der murmelnden Stimmen ringsum schienen die Worte des Mülleimermanns den panischen Nebel in Hector Drogans Verstand durchdrungen zu haben. »Was meinst du damit, du kennst mich nicht?« schrie er wild. »Wir haben vor zwei Tagen zusammen gefrühstückt! Du hast den Bengel hier Mr. High genannt!  Was soll das heißen, du kennst mich nicht, du feiger kleiner Lügner?«

»Ich kenne dich überhaupt nicht«, wiederholte der Mülleimermann, diesmal etwas deutlicher. Und er empfand fast so etwas wie Erleichterung. Vor ihm stand tatsächlich nur ein Fremder, ein Fremder, der ein wenig wie Carley Yates aussah. Er griff mit der Hand nach dem Stein und hielt ihn fest umklammert. Die Kälte beruhigte ihn noch mehr.

»Lügner!« schrie Heck. Er wehrte sich wieder, seine Muskeln spannten und wölbten sich, Schweiß rann ihm über die Arme und die nackte Brust. » Lügner! Du kennst mich! Du kennst mich doch, du Lügner!«

»Nein, ich kenne dich nicht. Ich kenne dich nicht und will dich auch nicht kennen.«

Heck fing wieder an zu schreien. Die vier Männer, die ihn hielten, keuchten außer Atem.

»Los«, sagte Lloyd.

Heck wurde nach hinten gezogen. Einer der Männer, die ihn hielten, stellte ihm ein Bein und brachte ihn zu Fall. Er landete halb auf dem Kreuz und halb daneben. Derweil hatte Winky angefangen, mit schriller Stimme, die wie eine Kreissäge durch Hecks Heulen schnitt, den maschinengeschriebenen Text vom Klemmbrett abzulesen.

»Achtung Achtung Achtung! Auf Befehl von Randall Flagg, dem Führer des Volkes und Obersten Staatsbürger, wird dieser Mann mit Namen Hector Alonzo Drogan durch Kreuzigung hingerichtet; die Strafe wird wegen Drogenkonsums verhängt.«

» Nein! Nein! Nein!« schrie Heck als panische Kontrapunkte. Sein schweißnasser, schlüpfriger linker Arm entglitt dem Griff von Ace, und Müll kniete sich instinktiv darauf und klemmte den Arm wieder fest, so daß das Handgelenk gegen den Balken des Kreuzes gedrückt wurde. Einen Moment später kniete Whitey neben Mülleimer und hatte den Hammer und zwei grobe Holznägel in der Hand. Die Zigarette hing ihm immer noch im Mundwinkel. Er sah wie ein Mann aus, der kleinere Zimmermannsarbeiten in seinem Garten ausführt.

»Ja, gut, halt ihn genau so fest, Müll. Ich nagle ihn an. Dauert nicht lange.«

»Drogenmißbrauch ist in der Gesellschaft des Volkes nicht gestattet, weil er verhindert, daß der Benutzer seine Kraft voll und ganz in den Dienst der Gesellschaft stellt«, deklamierte Winky. Er redete schnell, wie ein Auktionator; seine Augen blinzelten und zuckten und flatterten. »In diesem speziellen Fall wurde der Angeklagte Hector Drogan mit Drogengeschirr und einem großen Vorrat Kokain erwischt.«

Mittlerweile hatten Hecks Schreie eine Tonlage erreicht, bei der Kristall zerschellen konnte, wäre Kristall in der Nähe gewesen. Er warf den Kopf von einer Seite auf die andere. Schaum stand ihm vor dem Mund. Blutrinnsale liefen an seinen Armen herab, als sie zu sechst, einschließlich des Mülleimermanns, das Kreuz in die Betongrube hoben. Jetzt zeichnete sich die Silhouette von Hector Drogan gegen den Himmel ab; er hatte den Kopf schmerzverzerrt nach hinten gebeugt.

»...geschieht zum Besten dieser Gesellschaft des Volkes«, schrie Winky unablässig. »Diese Botschaft endet mit einer ernsten Warnung und Grüße an die Menschen in Las Vegas. Diese Auflistung wahrer Tatsachen soll über dem Kopf des Missetäters angenagelt und mit dem Siegel des Obersten Staatsbürgers mit Namen RANDALL FLAGG versehen werden.«

» Großer Gott, das tut WEH!« schrie Hector Drogan über ihnen. » Mein Gott mein Gott mein Gott Gott Gott!«

Die Menge blieb fast eine Stunde, weil jeder Angst hatte, er könnte als derjenige in Erinnerung bleiben, der zuerst gegangen war. Viele Gesichter drückten Mißfallen aus, viele andere eine dumpfe Art von Erregung... aber wenn es eine gemeinsame Empfindung gab, dann Angst.

Aber der Mülleimermann hatte keine Angst. Weshalb auch? Er hatte den Mann ja nicht gekannt.

Er hatte ihn nie gekannt.



Es war Viertel nach zehn an diesem Abend, als Lloyd ins Zimmer des Mülleimermanns kam. Er sah Müll an und sagte: »Du bist angezogen. Gut. Ich dachte mir, du wärst vielleicht schon zu Bett gegangen.«

»Nein«, sagte der Mülleimermann. »Ich bin noch auf. Warum?«

Lloyd sprach mit gedämpfter Stimme weiter. »Es ist soweit, Mülli. Er will dich sehen. Flagg.«

»Er...?«

»Ja.«

Der Mülleimermann war gebannt. »Wo ist er ? Mein Leben für ihn, o ja...«

»Oberster Stock«, sagte Lloyd. »Er kam rein, als wir gerade Drogans Leichnam verbrannt hatten. Von der Küste. Er war da, als Whitey und ich vom Steinbruch zurückgekommen sind. Niemand sieht ihn je kommen oder gehen, Müll, aber man weiß immer, wenn er wieder fort ist. Oder wenn er zurückkommt. Los, gehen wir.«



Vier Minuten später kam der Fahrstuhl im obersten Stockwerk an, und der Mülleimermann stieg mit strahlendem Gesicht und rollenden Augen aus. Lloyd nicht.

Müll drehte sich zu ihm um. »Kommst du nicht...?«

»Nein, er will dich allein sprechen. Viel Glück, Müll.«

Und bevor er noch etwas sagen konnte, glitten die Fahrstuhltüren zu und Lloyd war weg.

Der Mülleimermann drehte sich um. Er stand in einer geräumigen, prächtigen Halle. Es gab nur zwei Türen... und die am Ende ging langsam auf. Drinnen war es dunkel. Aber Müll sah eine Gestalt in der Tür stehen. Und Augen. Rote Augen.

Mit langsam in der Brust klopfendem Herzen und einem trockenen Gefühl im Mund ging der Mülleimermann dieser Gestalt entgegen. Dabei schien die Luft immer kälter und kälter zu werden. Gänsehaut bildete sich auf seinen von der Sonne verbrannten Armen. Irgendwo tief in seinem Innern drehte sich der Leichnam von Donald Merwin Elbert in seinem Grab herum und schien zu schreien. Dann war es wieder still.

»Der Mülleimermann«, sagte eine tiefe und angenehme Stimme.

»Wie gut, daß du gekommen bist. Sehr gut.«

Die Worte fielen ihm wie Staub aus dem Mund: »Mein... mein Leben für dich.«

»Ja«, sagte die Gestalt in der Tür begütigend. Die Lippen öffneten sich, das Grinsen entblößte weiße Zähne. »Aber ich glaube nicht, daß es so weit kommen wird. Komm rein. Laß dich ansehen.«

Mit leuchtenden Augen und einem Gesicht so schlaff wie das eines Schlafwandlers trat der Mülleimermann ein. Die Tür ging zu; sie standen im Halbdunkel. Eine schrecklich heiße Hand schloß sich um Mülleimers eiskalte... und plötzlich fühlte er sich ganz ruhig. Flagg sagte: »In der Wüste gibt es Arbeit für dich, Müll. Großartige Arbeit. Wenn du willst.«

»Alles«, flüsterte der Mülleimermann. »Alles.«

Randall Flagg lehnte einen Arm um Mülls abgemagerte Schultern.

»Ich werde dich Feuer legen lassen«, sagte er. »Komm, wir trinken etwas und unterhalten uns darüber.«



Und am Ende wurde es ein gewaltiges Feuer.


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