Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"
Автор книги: Stephen Edwin King
Жанр:
Ужасы
сообщить о нарушении
Текущая страница: 63 (всего у книги 100 страниц)
Sue: »Ich hätte mir nie träumen lassen, daß ich mal Politikerin werde.«
Larry: »Willkommen im Club.«
Glens Antrag, daß niemand vom Ad-hoc-Komitee als Kundschafter geschickt werden sollte, wurde – mißvergnügt – mit 7:0 angenommen. Daraufhin fragte Fran Goldsmith Nick, welche Qualifikationen mögliche Geheimagenten haben und was sie herausfinden sollten. Nick: »Wir wissen erst, was es herauszufinden gibt, wenn sie zurückkommen. Wenn sie zurückkommen. Tatsache ist, wir haben keine Ahnung, was er da drüben vorhat. Wir sind mehr oder weniger Angler mit menschlichen Ködern.«
Stu sagte, seiner Meinung nach sollte das Komitee die Leute aussuchen, denen der Vorschlag unterbreitet werden soll, was sofort allgemeine Zustimmung fand. Gemäß Abstimmung des Komitees wurde die Diskussion von diesem Punkt an weitgehend wortwörtlich von den Tonbandaufzeichnungen niedergeschrieben. Es schien allen wichtig, dauerhafte Aufzeichnungen über ihre Betrachtungen zum Thema Kundschafter (oder Spione) zu haben, weil das Thema nicht nur kompliziert, sondern zugleich höchst beunruhigend war. Larry: »Ich wüßte jemanden, den ich in die engere Wahl ziehen würde, wenn ich könnte. Es mag sich für alle, die ihn nicht kennen, weit hergeholt anhören, aber ich finde es eine gute Idee. Ich würde gern Richter Farris schicken.«
Sue: » Was, den alten Mann ? Larry, du mußt den Verstand verloren haben!«
Larry: »Er ist der klügste alte Mann, den ich je getroffen habe. Und fürs Protokoll, er ist erst siebzig. Vergeßt nicht, Ronald Reagan war als Präsident noch älter.«
Fran: »Das würde ich nicht als besonders gute Empfehlung betrachten.«
Larry: »Aber er ist rüstig und gesund. Und ich denke, der dunkle Mann geht nicht davon aus, daß wir einen alten Tattergreis wie Farris schicken, um ihn auszuspionieren... und wir dürfen seinen Argwohn nicht außer acht lassen, wißt ihr. Er muß mit so einem Schachzug rechnen, und es würde mich nicht wundern, wenn er da drüben Grenzposten hat, die Neuankömmlinge auf mögliche Spione abklopfen. Und – es wird sich brutal anhören, ich weiß, besonders für Fran – wenn wir ihn verlieren, haben wir nicht jemanden verloren, der noch gute fünfzig Jahre vor sich hat.«
Fran: »Du hast recht. Das hört sich brutal an.«
Larry: »Ich möchte nur noch anfügen, ich weiß, der Richter würde ja sagen. Er will wirklich helfen. Und ich glaube felsenfest, daß er es bringen würde.«
Glen: »Gut vorgetragen. Was meinen die anderen?«
Ralph: »Ich schließe mich beiden an, weil ich den Herrn nicht kenne. Aber ich bin der Meinung, wir sollten den Mann nicht grundsätzlich außen vor lassen, weil er alt ist. Überlegt mal, wer hier das Sagen hat – eine alte Frau mit über hundert.«
Glen: »Ebenfalls gut gesagt.«
Stu: »Du hörst dich wie ein Tennisschiedsrichter an, Platte.«
Sue: »Hör mal, Larry. Was ist, wenn er den dunklen Mann überlistet und dann an einem Herzanfall stirbt, während er sich die Beine aus dem Bauch läuft, um zurückzukommen?«
Stu: »Das könnte jedem passieren. Oder ein Unfall.«
Sue: »Zugegeben... aber bei einem alten Mann ist das Risiko größer.«
Larry: »Stimmt, aber du kennst den Richter nicht, Sue. Wenn, dann würdest du einsehen, daß die Vorteile die Nachteile überwiegen. Er ist echt klug. Die Verteidigung ruht.«
Stu: »Ich finde, Larry hat recht. Mit so etwas rechnet Flagg vielleicht nicht. Ich unterstütze den Antrag. Wer ist noch dafür?«
Das Komitee stimmte dafür, 7:0.
Sue: »Nun, ich habe deinen Vorschlag unterstützt, Larry – vielleicht unterstützt du meinen.«
Larry: »Na klar, so ist das in der Politik. [Allgemeines Gelächter.] Wer ist es?«
Sue: »Dayna.«
Ralph: »Welche Dayna?«
Sue: »Dayna Jürgens. Sie hat mehr Mumm als jede Frau, die ich sonst kenne. Ich weiß, sie ist keine siebzig, aber wenn wir ihr den Vorschlag unterbreiten, wird sie zustimmen.«
Fran: »Ja – ich glaube, wenn es wirklich sein muß, wäre sie geeignet. Ich unterstütze den Vorschlag.«
Stu: »Okay – es wurde beantragt und unterstützt, daß wir Dayna Jürgens bitten. Wer ist dafür?«
Das Komitee stimmte mit ja, 7:0.
Glen: »Okay – wer ist Nummer drei?«
Nick (von Ralph vorgelesen): »Wenn Fran Larrys Vorschlag nicht gefallen hat, dann wird ihr, fürchte ich, meiner überhauptnicht gefallen. Ich nominiere ...«
Ralph: »Nick, du bist verrückt! Das ist doch nicht dein Ernst!«
Stu: »Komm schon, Ralph, lies einfach vor.«
Ralph: »Nun... hier steht, wen er nominieren möchte... Tom Cullen.«
Aufruhr des Komitees.
Stu: »Okay: Nick hat das Wort. Er hat geschrieben wie ein Irrer, also solltest du es auch vorlesen, Ralph.«
Nick: »Zunächst einmal kenne ich Tom so gut, wie Larry den Richter kennt, wahrscheinlich besser. Er liebt Mutter Abagail. Er würde alles für sie tun, sich sogar über kleiner Flamme rösten lassen. Das ist mein Ernst – keine Übertreibung. Er würde sich selbst für sie anzünden, wenn sie es von ihm verlangen würde.«
Fran: »O Nick, das bestreitet ja niemand, aber Tom ist...«
Stu: »Laß – Nick hat das Wort.«
Nick: »Als zweites Argument kann ich nur dasselbe bringen wie Larry beim Richter. Unser Gegenspieler wird mit allem rechnen, aber ganz sicher nicht damit, daß wir einen Zurückgebliebenen als Spion zu ihm schicken. Eure Reaktionen auf diesen Vorschlag sind wahrscheinlich das beste Argument dafür. So einen Schritt kann er nicht einkalkulieren.
Mein drittes – und letztes – Argument ist, Tom mag zwar zurückgeblieben sein, aber er ist keinSchwachkopf. Er hat mir einmal das Leben gerettet, als ein Tornado gekommen ist, und er hat viel schneller reagiert als sonst jemand, den ich kenne. Tom ist kindisch, aber selbst einem Kind kann man bestimmte Sachen beibringen, wenn man sie ihm einbleut. Ich sehe kein Problem, Tom eine einfache Geschichte zu geben, die er sich einprägen kann. Letztendlich werden sie alle davon ausgehen, daß wir ihn weggeschickt haben, weil...«
Sue: »Weil wir nicht wollen, daß er unser Genreservoir befleckt? Ja, das ist gut.«
Nick: »... weil er zurückgeblieben ist. Er kann sogar sagen, er ist böse auf die Leute, die ihn weggeschickt haben, und will es ihnen heimzahlen. Man müßte ihm nur eines einschärfen, daß er nie von seiner Geschichte abweicht, was auch immer geschieht.«
Fran: »Oh, ich kann mir nicht vorstellen...«
Stu: »Hör zu, Nick hat das Wort. Wir wollen uns an die Regeln halten.«
Fran: »Ja – tut mir leid.«
Nick: »Manche von euch denken vielleicht, weil Tom zurückgeblieben ist, dürfte es leichter sein, ihm die Wahrheit zu entlocken als einem intelligenteren Menschen, aber...«
Larry: »Ja.«
Nick: »...aber in Wirklichkeit ist es umgekehrt. Wenn ich Tom sage, er muß sich an die Geschichte halten, die ich ihm gebe, was auch immer passiert, dann wird er das tun. Ein sogenannter normaler Mensch kann nur soundsoviel Stunden Wasserfolter aushaken, oder soundsoviel Elektroschocks und Splitter unter den Fingernägeln...«
Fran: »Dazu wird es doch nicht kommen, oder? Oder? Ich meine, es glaubt doch niemand ernsthaft, daß es dazukommen würde, nicht?«
Nick: »...bis er sagt: >Okay, ich gebe auf. Ich sage alles, was ich weiß.< Das wird Tom niemals machen. Wenn er seine Geschichte lange genug übt, kennt er sie nicht nur auswendig, er wird fast glauben, daß sie wahr ist. Niemand wird ihn erschüttern können. Ich möchte nur klarstellen, daß Toms Behinderung bei einem solchen Unternehmen sogar ein Plus sein kann. >Unternehmen< hört sich vielleicht wichtigtuerisch an, aber genau das ist es.«
Stu: »Ist das alles, Ralph?«
Ralph: »Noch eine Kleinigkeit.«
Sue: »Wenn er seine Geschichte tatsächlich glaubt, Nick, wie soll er dann wissen, wann er zurückkommen muß?«
Ralph: »Bitte um Entschuldigung, aber es sieht so aus, als würde es genau darum gehen.«
Sue: »Oh.«
Nick (von Ralph vorgelesen): »Wir können Tom einen posthypnotischen Befehl geben, bevor wir ihn losschicken. Auch das sage ich nicht einfach ins Blaue hinein; als ich den Einfall gehabt habe, habe ich Stan Nogotny gefragt, ob er versuchen würde, Tom zu hypnotisieren. Stan hat das manchmal als Trick bei Partys gemacht, habe ich ihn sagen hören. Nun, Stan dachte nicht, daß es funktionieren würde... aber Tom war binnen sechs Sekunden weg.«
Stu: »Wäre ich auch. Das beherrscht der olle Stan, hm?«
Nick: »Der Grund dafür, weshalb ich Tom für ultraempfänglich halte, reicht zu der Zeit zurück, als ich ihn in Oklahoma kennengelernt habe. Er hat sich offenbar im Lauf der Jahre den Trick angeeignet, sich selbst zu hypnotisieren – bis zu einem gewissen Grad. Dadurch kann er leichter Schlüsse ziehen. Am Tag, als ich ihn kennenlernte, wußte er nicht, was ich wollte – warum ich nicht mit ihm redete oder seine Fragen beantwortete. Ich habe dauernd die Hand auf den Mund und dann den Hals gelegt, um ihm zu zeigen, daß ich stumm bin, aber er hat es nicht begriffen. Dann hat er auf einmal einfach abgeschaltet. Besser kann ich es nicht erklären. Er stand vollkommen reglos da. Seine Augen sahen in die Ferne. Dann kam er zu sich wie ein Hypnotisierter zu sich kommt, wenn ihm der Hypnotiseur sagt, daß es vorbei ist. Und er wußte es. Einfach so. Er hat sich in sich selbst verkrochen und die Lösung gefunden.«
Glen: »Wirklich erstaunlich.«
Stu: »Unbedingt.«
Nick: »Als wir das versucht haben, vor etwa fünf Tagen, habe ich ihm von Stan einen posthypnotischen Befehl geben lassen. Der Vorschlag war, wenn Stan sagt: >Ich würde gerne einen Elefanten sehen<, sollte Tom den Drang verspüren, in die Ecke zu gehen und einen Kopfstand zu machen. Stan hat es eine halbe Stunde, nachdem er Tom geweckt hatte, gesagt, und Tom lief sofort in die Ecke und hat den Kopfstand gemacht. Sämtliche Spielsachen und Murmeln sind ihm aus den Taschen gefallen. Dann setzte er sich, grinste uns an und sagte: Jetzt frag' ich mich, warum Tom Cullen das gemacht hat?<«
Glen: »Das kann ich förmlich hören.«
Nick: »Diese weitschweifige Erklärung der Hypnose dient nur dazu, zwei einfache Punkte klarzumachen. Erstens, wir können einen posthypnotischen Befehl einsetzen, daß Tom zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückkehrt. Logisch wäre der Mond. Vollmond. Zweitens, wir versetzen ihn in tiefe Hypnose, und wenn er zurückkommt, wird er sich perfekt an alles erinnern, was er gesehen hat.«
Ralph: »Hier endet das, was Nick aufgeschrieben hat. Mann.«
Larry: »Klingt mir nach diesem alten Film, The Manchurian Candidate.«
Stu: »Was?«
Larry: »Nichts.«
Sue: »Ich habe eine Frage, Nick. Würdest du Tom auch programmieren – ich glaube, das ist das richtige Wort -, nichts zu verraten, was wir hier machen?«
Glen: »Nick, laß mich das beantworten, und wenn du andere Argumente hast, schüttle einfach den Kopf. Ich würde sagen, Tom muß überhaupt nicht programmiert werden. Soll er alles über uns ausplaudern, was er weiß. Was Flagg betrifft, halten wir uns ohnehin bedeckt, und sonst machen wir nicht viel, was er sich nicht selbst zusammenreimen könnte... auch wenn seine Kristallkugel trüb ist.«
Nick: »Genau.«
Glen: »Okay – ich unterstütze Nicks Antrag rückhaltlos. Ich finde, wir haben alles zu gewinnen und nichts zu verlieren. Es ist eine überaus originelle und herausfordernde Idee.«
Stu: »Gestellt und unterstützt. Wir können uns noch einen Moment darüber unterhalten, wenn ihr wollt, aber nur einen Moment. Wenn wir uns nicht sputen, sitzen wir die ganze Nacht hier. Hat noch jemand was zu sagen?«
Fran: »Und ob. Du hast gesagt, wir haben alles zu gewinnen und nichts zu verlieren, Glen. Und was ist mit Tom? Was ist mit unseren eigenen Seelen? Euch macht es vielleicht nichts aus, daran zu denken, jemand könnte Tom... etwas... unter die Fingernägel schieben oder ihm Elektroschocks verpassen, aber mich beschäftigt das. Wie könnt ihr nur so kaltblütig sein? Und Nick, der hypnotisiert ihn, so daß er sich benimmt wie ein Huhn, dem man einen Beutel über den Kopf gezogen hat! Ihr solltet euch schämen! Ich habe gedacht, er wäre euer Freund!«
Stu: »Fran...«
Fran: »Nein, jetzt rede ich. Ich trete nicht aus dem Komitee aus oder zieh' mich in den Schmollwinkel zurück, wenn ich überstimmt werde, aber ich kann nicht schweigen. Möchtet ihr wirklich aus diesem süßen, umnebelten Jungen ein lebendes U2-Flugzeug machen? Ist euch nicht klar, daß das gleichbedeutend damit ist, die alte Scheiße wieder anzufangen? Begreiftihr das nicht? Was machen wir, wenn sie ihn umbringen, Nick? Was machen wir, wenn sie alleumbringen? Irgendeinen neuen Erreger züchten? Eine verbesserte Version von Captain Trips?«
Eine Pause, während Nick eine Antwort schrieb.
Nick (von Ralph vorgelesen): »Was Fran gesagt hat, macht mich zutiefst betroffen, aber ich bleibe bei meiner Nominierung. Nein, es macht mir keinen Spaß, Tom einen Kopfstand machen zu lassen oder ihn in eine Situation zu schicken, wo er gefoltert und getötet werden könnte. Ich weise nur noch einmal darauf hin, daß er es für Mutter Abagailund deren Ideale machen würde und für ihren Gott, nicht für uns. Ich bin auch der tiefen Überzeugung, daß wir jedes uns zur Verfügung stehende Mittel nützen müssen, um die Bedrohung durch dieses Wesen auszuschalten. Er kreuzigt Menschen da drüben. Das weiß ich sicher aus meinen Träumen, und ich weiß, manche von euch haben ähnliche Träume gehabt. Mutter Abagail selbst hat ihn gehabt. Und ich weiß, Flagg ist böse. Wenn jemand eine neue Abart von Captain Trips züchtet, Frannie, dann er, damit er sie gegen uns einsetzen kann. Ich möchte ihn nur aufhalten, solange wir es noch können.«
Fran: »Das stimmt alles, Nick. Ich kann nicht widersprechen. Ich weiß, daß er böse ist. Soviel ichweiß, könnte er der Dämon Satans sein, wie Mutter Abagail sagt. Aber wir legen den Finger auf denselben Knopf, um ihn aufzuhalten. Erinnert ihr euch noch an Farm der Tiere? >Sie sahen von den Schweinen zu den Menschen und konnten keinen Unterschied erkennen.< Ich glaube, ich will von dir hören – auch wenn es Ralph vorliest -, daß wir, wenn wir schon so handeln müssen, um ihn aufzuhalten... wennes sein muß... daß wir damit aufhören, wenn es vorbei ist. Kannst du das sagen?«
Nick: »Nicht mit Bestimmtheit, glaube ich. Nicht mit Bestimmtheit.«
Fran: »Dann stimme ich mit nein. Wenn wir schon Menschen nach Westen schicken müssen, dann wenigstens Menschen, die wissen, worum es geht.«
Stu: »Noch jemand?«
Sue: »Ich bin auch dagegen, aus praktischeren Gründen. Wenn wir unser Vorhaben in die Tat umsetzen, dann nicht mit einem alten Mann und einem Debilen. Entschuldigt den Ausdruck, ich mag ihn ja auch gern, aber das ist er nun mal. Ich bin dagegen, und jetzt halte ich den Mund.«
Glen: »Stell die Frage, Stu.«
Stu: »Okay. Reihum. Ich stimme mit ja. Frannie?«
Fran: »Nein.«
Stu: »Glen?«
Glen: »Ja.«
Stu: »Sue?«
Sue: »Nein.«
Stu: »Nick?«
Nick: »Ja.«
Stu: »Ralph?«
Ralph: »Nun – mir gefällt es auch nicht, aber wenn Nick dafür ist, bin ich dabei. Ja.«
Stu: »Larry?«
Larry: »Soll ich ehrlich sein? Ich finde, der Vorschlag ist so beschissen, daß ich mir wie eine öffentliche Toilette vorkomme. Ich schätze, mit so was bekommt man es zu tun, wenn man ganz oben ist. Eine Scheißlage. Ich stimme mit ja.«
Stu: »Antrag 5:2. angenommen.«
Fran: »Stu?«
Stu: »Ja?«
Fran: »Ich würde meine Stimme gerne ändern. Wenn wir Tom wirklich losschicken, dann sollten wir es gemeinsam machen. Tut mir leid, daß ich so ein Aufhebens gemacht habe, Nick. Ich weiß, es tut dir weh – ich sehe es deinem Gesicht an. Es ist so dumm! Wie konnte es so weit kommen? Eins kann ich euch sagen, wie das Komitee für den Schulabschlußball ist das hier nicht. Frannie stimmt ja.«
Sue: »Dann ich auch. Einheitsfront. Nixon bleibt standfest und sagt: Ich bin kein Schurke. Ja.«
Stu: »Abstimmungsergebnis ist 7:0. Hier, ein Taschentuch, Fran. Ich möchte für das Protokoll festhalten, daß ich dich liebe.«
Larry: »Ich glaube, mit dieser Bemerkung sollten wir die Sitzung beenden.«
Sue: »Ich unterstütze die Idee.«
Stu: »Zippy und Zippys Mom sind sich einig, daß wir aufhören. Wer dafür ist, hebt die Hand. Wer dagegen ist, soll damit rechnen, daß er eine Bierdose aufs Haupt bekommt.«
Das Abstimmungsergebnis war 7:0.
»Kommst du ins Bett, Stu?«
»Ja. Ist es schon spät?«
»Fast Mitternacht. Spät genug.«
Stu kam vom Balkon herein. Er trüg nur Boxershorts, die sich weiss von seiner sonnengebräunten Haut abhoben. Frannie, die sich mit einer Coleman-Gaslampe auf dem Nachttisch im Bett aufgestützt hatte, war wieder erstaunt, wie tief und voller Vertrauen ihre Liebe zu ihm war.
»Hast du über die Sitzung nachgedacht?« fragte sie ihn.
»Ja.« Er goß sich aus dem Krug auf dem Nachttisch ein Glas Wasser ein und verzog das Gesicht, so schal und abgekocht schmeckte es.
»Ich finde, du warst ein guter Leiter. Hat Glen dich nicht gebeten, auch die öffentliche Versammlung zu leiten? Machst du dir darüber Gedanken? Hast du abgelehnt?«
»Nein. Ich habe ja gesagt. Ich habe an die drei Leute gedacht, die wir über die Berge schicken wollen. Spione zu schicken ist ein dreckiges Geschäft. Du hattest recht, Frannie. Das Dumme ist, dass Nick auch recht hatte. Was soll man in so einem Fall tun?«
»Sein Gewissen prüfen und schlafen, so gut man kann, würde ich sagen«, sagte Frannie. Sie griff nach dem Schalter der ColemanLampe. »Bist du soweit?«
»Ja.« Sie machte das Licht aus, und er legte sich neben sie ins Bett.
»Gute Nacht, Frannie«, sagte er. »Ich liebe dich.«
Sie sah zur Decke. Sie hatte ihren Frieden mit Tom Cullen gemacht, aber den Gedanken an den schmierigen Daumenabdruck wurde sie nicht los.
Jeder Hund hat seinen Tag, Fran.
Vielleicht sollte ich es sofort Stu sagen, dachte sie. Aber wenn es ein Problem war, dann ihres. Sie würde abwarten müssen... aufpassen... sehen, ob etwas geschah.
Es dauerte lange, bis sie einschlief.
52
In den frühen Morgenstunden lag Mutter Abagail schlaflos im Bett. Sie versuchte zu beten.
Sie stand auf, ohne Licht zu machen, und kniete in ihrem weißen Baumwollnachthemd nieder. Sie legte ihre Stirn auf die Bibel, in der sie die Apostelgeschichte aufgeschlagen hatte. Die Wandlung des störrischen alten Saulus auf der Straße nach Damaskus. Er war vom Licht geblendet worden, und auf der Straße war es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen. Die Apostelgeschichte war das letzte Buch in der Bibel, wo die Lehre noch von Wundern untermauert wurde, und was waren Wunder anderes als das Wirken der göttlichen Hand auf Erden?
Und oh, auch sie hatte Schuppen vor den Augen. Würden sie je abfallen?
Die einzigen Geräusche im Raum waren das Zischen der Öllampe, das Ticken der mechanischen Westclox und ihre leise, murmelnde Stimme.
»Zeig mir meine Sünde, Herr. Ich kenne sie nicht. Ich weiß, mir ist etwas entgangen, das Du mich sehen lassen wolltest. Ich kann nicht schlafen, ich kann nicht kacken, und ich fühle Dich nicht, Herr. Es ist, als würde ich in ein totes Telefon beten, und das geschieht zu einer ungünstigen Zeit. Womit habe ich Dich beleidigt, Herr? Ich lausche, Herr. Ich lausche der leisen, kleinen Stimme in meinem Herzen.«
Und sie lauschte. Sie legte die arthritisgekrümmten Finger vor die Augen, beugte sich noch weiter nach vorne und versuchte, ihren Verstand zu klären. Aber dort war alles dunkel, so dunkel wie ihre Haut, so dunkel wie die fruchtbare Erde, die auf das gute Saatgut wartet.
»Bitte, Herr, bitte, Herr -«
Aber das Bild, das in ihr aufstieg, war das eines Sandweges in einem Meer von Mais. Dort stand eine Frau mit einem Sack voll frisch geschlachteter Hühner. Und die Wiesel kamen. Sie schossen vor und zerrten an dem Sack. Sie rochen das Blut – das alte Blut der Sünde und das frische Opferblut. Sie hörte die alte Frau die Stimme zu Gott erheben, aber ihre Stimme war schwach und kläglich, eine mürrische Stimme, die nicht demütig bat, daß Gottes Wille geschehe, welchen Platz sie auch immer in seinem Plan einnahm, sondern forderte, daß Gott sie rettete, damit sie ihre Arbeit vollenden konnte... ihre Arbeit... als würde sie Gottes Gedanken kennen und könnte seinen Willen dem ihren unterordnen. Die Wiesel wurden immer frecher; der Sack riß auf, wo sie an ihm zerrten und nagten. Ihre Finger waren zu alt, zu schwach. Und wenn sie die Hühner erst hatten, würden die Wiesel immer noch Hunger haben und sie anfallen. Sie würden...
Und dann stoben die Wiesel auseinander, rannten quiekend in die Nacht, ließen den halb verschlungenen Inhalt des Sacks zurück, und sie dachte voll Freude: Gott hat mich dennoch errettet! Gelobt sei sein Name! Gott hat seine gute und treue Dienerin errettet.
Nicht Gott, alte Frau. Ich.
In ihrer Vision wandte sie sich um; Angst fuhr ihr wie der Geschmack von Kupfer in die Kehle. Und aus dem Mais trat wie ein gezacktes silbernes Gespenst ein riesiger Bergwolf, höhnisch grinsend und mit aufgerissenem Rachen; um den Hals trug er einen Ring aus getriebenem Silber, ein Stück von barbarischer Schönheit, und an diesem Ring hing ein kleiner tiefschwarzer Gagat... in der Mitte hatte der Stein einen kleinen roten Fleck, wie ein Auge. Oder ein Schlüssel.
Sie bekreuzigte sich und hielt der gräßlichen Erscheinung das Zeichen gegen den bösen Blick entgegen, aber der Rachen grinste um so breiter, und zwischen den Kiefern bewegte sich der nackte rosa Muskel der Zunge.
Ich hole dich, Mutter. Nicht jetzt, aber bald. Wir werden dich jagen wie die Hunde das Wild. Ich bin alles, was du denkst, aber ich bin mehr. Ich bin der Magier. Ich bin der Mann, der für das letzte Zeitalter spricht. Deine eigenen Leute kennen mich am besten, Mutter. Sie nennen mich Johannes den Eroberer.
Geh! Laß ab von mir, im Namen Gottes des Allmächtigen!
Aber sie hatte entsetzliche Angst! Nicht um die Leute in ihrer Nähe, die in dem Traum durch die Hühner im Sack versinnbildlicht wurden, sondern um sich selbst. Die Angst saß tief in ihrer Seele, und sie hatte Angst umihre Seele.
Dein Gott hat keine Macht über mich, Mutter. Sein Gefäß ist schwach.
Nein! Das ist nicht wahr! Meine Stärke ist wie die von zehn Männern, und ich werde mich erheben mit Adlerschwingen -
Aber der Wolf grinste nur und kam näher. Sie schrak vor seinem Atem zurück, der schwer und wild war. Dies war der Schrecken am Nachmittag, der Schrecken, der um Mitternacht flieht. Und sie hatte Angst. Eine extreme Angst. Und immer noch grinsend, fing der Wolf an, mit zwei Stimmen zu reden, fragte und antwortete sich selbst.
»Wer schlug das Wasser aus dem Fels, als uns dürstete?«
» Ich war es«, sagte der Wolf mit mürrischer, halb quäkender Stimme.
» Wer rettete uns, als wir schwach waren?« fragte der grinsende Wolf, dessen Schnauze nur noch Zentimeter von ihr entfernt war und dessen Atem den Gestank der Schlachthöfe trug.
» Ich war es«, winselte der Wolf, der immer noch näher kam; seine grinsende Schnauze war voll des spitzen Todes, die Augen rot und haßerfüllt. » Sinkt nieder und preist meinen Namen, denn in der Wüste bringe ich euch das Wasser, preiset meinen Namen, ich bin der gute und getreue Diener, der euch in der Wüste das Wasser bringt, und mein Name ist auch der Name meines Herrn...«
Das Maul des Wolfs öffnete sich weit, um sie zu verschlingen.
»... mein Name«, murmelte sie. »Preiset meinen Namen, lobet Gott, von dem aller Segen kommt, lobet ihn, ihr Kreaturen hier auf Erden...«
Sie hob den Kopf und sah sich wie betäubt im Zimmer um. Ihre Bibel war zu Boden gefallen. Im Fenster nach Osten zeigte sich das Licht der Dämmerung.
»O Herr!« schrie sie mit lauter und zitternder Stimme.
Wer schlug das Wasser aus dem Fels, als uns dürstete?
War es das? Lieber Gott, war es das? War das der Grund, warum sie Schuppen vor den Augen gehabt hatte und blind war für das, was sie wissen sollte?
Aus ihren Augen flössen bittere Tränen; sie stand langsam und unter Schmerzen auf und ging zum Fenster. Die Arthritis stach mit stumpfen Nadeln durch die Gelenke ihrer Hüften und Knie. Sie sah hinaus und wußte jetzt, was sie zu tun hatte. Sie ging zum Schrank zurück und zog das weiße Baumwollnachthemd über den Kopf, ließ es auf den Boden fallen. Jetzt stand sie nackt da und zeigte einen so faltigen und zerfurchten Leib, daß er das Bett des großen Stromes der Zeit hätte sein können.
»Dein Wille geschehe«, sagte sie und kleidete sich an. Eine Stunde später ging sie langsam durch die Mapletown Avenue nach Westen zu den waldigen Hängen der engen Schluchten jenseits der Stadt.
Stu war mit Nick im Kraftwerk, als Glen hereinstürzte. Ohne Vorrede sagte er: »Mutter Abagail. Sie ist weg.«
Nick sah ihn stechend an.
»Was redest du da?« fragte Stu und zog Glen gleichzeitig von den Leuten weg, die damit beschäftigt waren, Kupferdraht um eine der durchgeschmorten Turbinen zu wickeln.
Glen nickte. Er war mit dem Fahrrad die fünf Meilen hierher gefahren und immer noch ein wenig außer Atem.
»Ich wollte zu ihr, um ihr ein wenig von der Versammlung zu erzählen und ihr das Band vorzuspielen, falls sie es hören wollte. Sie sollte das mit Tom erfahren, weil mir die ganze Sache nicht gefällt... was Frannie gesagt hat, hat mich in der Nacht nicht losgelassen, glaube ich. Ich wollte es früh tun, denn Ralph hatte mir gesagt, dass heute zwei weitere Gruppen eintreffen, und du weißt ja, daß sie Wert darauf legt, die Leute zu begrüßen. Ich ging gegen halb neun zu ihr. Sie antwortete nicht auf mein Klopfen, und ich ging hinein. Wenn sie geschlafen hätte, wäre ich wieder gegangen... aber ich wollte nachsehen, ob sie nicht tot war oder so... sie ist so alt.«
Nick ließ keinen Blick von Glens Lippen.
»Aber sie war überhaupt nicht da. Und ich habe das auf ihrem Kopfkissen gefunden.« Er reichte ihnen ein Papierhandtuch. Sie hatte mit großen, zittrigen Buchstaben folgendes darauf geschrieben:
Ich werde eine Weile fort sein. Ich habe gesündigt und mir angemaßt, die Gedanken des Herrn zu kennen. Meine Sünde war STOLZ, und er will, daß ich meinen Platz in seiner Arbeit neu suche. Ich werde bald wieder bei Euch sein, wenn es Gottes Wille ist.
Abby Freemantle
»Also da soll doch gleich«, sagte Stu. »Was machen wir jetzt? Was meinst du, Nick?«
Nick nahm den Zettel und las ihn noch einmal. Er gab ihn Glen zurück. Sein Gesicht war nicht mehr böse, nur traurig.
»Ich glaube, wir müssen die Versammlung heute abend verschieben«, sagte Glen.
Nick schüttelte den Kopf. Er nahm seinen Block, schrieb, riß den Zettel ab und gab ihn Glen. Stu sah ihm über die Schulter.
»Der Mensch denkt, Gott lenkt. Der Spruch gefiel Mutter A., sie hat ihn oft zitiert. Glen, du hast selbst gesagt, sie sei fremdbestimmt; von Gott oder ihren eigenen Gedanken oder ihren Selbsttäuschungen oder was es auch sei. Was können wir machen? Sie ist weg. Wir können es nicht ändern.«
»Aber der Aufruhr...« fing Stu an.
»Natürlich wird es einen Aufruhr geben«, sagte Glen. »Nick, sollten wir nicht wenigstens eine Sitzung des Komitees einberufen und die Sache diskutieren?«
Nick schrieb: »Wozu? Was nützt uns eine Sitzung, wenn wir nichts bewerkstelligen können?«
»Wir könnten einen Suchtrupp auf die Beine stellen. Sie kann noch nicht weit sein.«
Nick malte einen doppelten Kreis um die Worte Der Mensch denkt, Gott lenkt. Darunter schrieb er: »Wenn ihr sie findet, wie wollt ihr sie zurückbringen? In Ketten?«
»Mein Gott, nein!« rief Stu. »Aber wir können sie doch nicht herumirren lassen, Nick! Sie hat die verrückte Idee, daß sie Gott beleidigt hat. Wenn sie nun denkt, daß sie dafür in die Wüste gehen muß wie jemand aus dem Alten Testament?«
Nick schrieb: »Ich bin sicher, daß sie genau das getan hat.«
»Da haben wir's!«
Glen legte Stu eine Hand auf den Arm. »Nun mal langsam, OstTexaner. Wir müssen uns über den Sinn der Sache klarwerden.«
»Zum Teufel mit dem Sinn! Ich sehe keinen Sinn darin, eine alte Frau Tag und Nacht in der Wildnis herumirren zu lassen, bis sie an Unterkühlung stirbt!«
»Sie ist nicht nureine alte Frau. Sie ist Mutter Abagail, und hier ist sie der Papst. Wenn der Papst beschließt, nach Jerusalem zu wandern, würdest du dann als guter Katholik mit ihm darüber streiten?«
»Verdammt, das ist etwas anderes, das weißt du genau!«
»Es ist nichtsanderes. Nein. Jedenfalls werden die Leute in der Freien Zone es so sehen. Stu, würdest du darauf schwören, dass Gott ihr nicht gesagt hat, sie soll in die Wildnis gehen?«
»Nein... aber...«
Nick hatte geschrieben und zeigte den Zettel Stu, der nicht gleich alle Worte entziffern konnte. Nick hatte sonst eine gestochene Handschrift, aber dies hatte er eilig, vielleicht ungeduldig geschrieben.
»Stu, das ändert nichts, außer daß es möglicherweise die Moral der Leute in der Freien Zone beeinträchtigen könnte. Aber auch das ist nicht sicher. Die Leute werden nicht gleich auseinanderlaufen, bloss weil sie weg ist. Es bedeutet nur, daß wir sie nicht gleich in unsere Pläne einweihen müssen. Das ist vielleicht ganz gut.«
»Ich werde noch verrückt«, sagte Stu. »Manchmal reden wir von ihr wie von einem Hindernis, das wir überwinden müssen, wie eine Straßensperre oder so was. Dann wieder tut ihr so, als wäre sie der Papst und könnte keinen Fehler machen, selbst wenn sie wollte. Und zufällig mag ich sie. Was willst du, Nicky? Daß im Herbst jemand in einer der Schluchten westlich der Stadt über ihre Leiche stolpert? Willst du sie dort draußen lassen, damit sie... eine heilige Mahlzeit für die Krähen abgibt?«
»Stu«, sagte Glen leise. »Es war ihre Entscheidung zu gehen.«
» Verdammt, was für ein Mist«, sagte Stu.
Um die Mittagszeit hatte sich die Nachricht von Mutter Abagails Verschwinden schon überall herumgesprochen. Wie Nick vorausgesagt hatte, herrschte eher betrübte Resignation als Entsetzen vor. Die Leute hatten das Empfinden, sie sei hinausgegangen, um zu beten und Gott um Rat zu bitten, damit sie ihnen auf der Massenversammlung am achtzehnten helfen konnte, den rechten Weg zu finden.
»Ich will sie nicht Gott nennen, denn das wäre Lästerung«, sagte Glen, als sie im Park eine Kleinigkeit aßen, » aber sie ist eine Art Stellvertreterin Gottes. Die Stärke des Glaubens einer Gemeinschaft läßt sich daran messen, wieviel schwächer der Glaube wird, wenn ihm sein empirisches Objekt entzogen wird.«
»Sag das noch mal.«
»Als Moses das goldene Kalb zertrümmert hat, haben die Israeliten es nicht mehr angebetet. Als eine Flutwelle den Tempel von Baal vernichtet hat, sind die Malachiten zu dem Ergebnis gekommen, dass er doch kein so toller Gott ist. Aber Jesus macht schon seit zweitausend Jahren Mittagspause, und die Leute folgen nicht nur immer noch seiner Lehre, sondern sie leben und sterben in dem Glauben, daß er eines Tages zurückkehren und damit wieder alles beim alten sein wird. So empfindet die Freie Zone gegenüber Mutter Abagail. Die Leute sind völlig sicher, daß sie zurückkommen wird. Hast du mit ihnen gesprochen?«