Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"
Автор книги: Stephen Edwin King
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Ужасы
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BIS AUF WEITERES GESCHLOSSEN. RANDALL.
Stu ging zurück und spähte um die Ecke in die Richtung, aus der er gekommen war. Der Leichnam im weißen Anzug sah aus der Entfernung winzig aus, wenig mehr als ein Fleck, aber als er ihn dort so unveränderlich und für alle Ewigkeit liegen sah, wollte er nur so schnell wie möglich weglaufen.
Er ging nach rechts und ließ ihn wieder hinter sich liegen. Knapp zwanzig Meter weiter endete der Flur wieder in einer T-förmigen Abzweigung. Stu bog rechts ein und ging an weiteren Büros vorbei. Der Korridor führte zum mikrobiologischen Labor. In einer der Laborkabinen war ein junger Mann in kurzen Hosen am Schreibtisch zusammengesunken. Er war im Koma und blutete aus Nase und Mund. Sein Atem rasselte wie Wind, der durch tote Maishülsen weht. Und dann fing Stu an zu laufen, von einem Korridor in den anderen, und kam immer mehr zu der Überzeugung, daß es keinen Ausgang gab, wenigstens nicht auf dieser Ebene. Das Echo seiner Schritte verfolgte ihn, als hätte entweder Eider oder Vic noch lange genug gelebt, um ihm eine Geisterschwadron MPs auf den Hals zu hetzen. Dann wurde das von einer anderen Vorstellung verdrängt, die er irgendwie mit den seltsamen Träumen der letzten paar Nächte in Verbindung brachte. Diese Vorstellung wurde so übermächtig, dass er Angst davor hatte, sich umzudrehen und eine Gestalt im weißen Anzug zu sehen, die ihn verfolgte, eine weißgekleidete Gestalt ohne Gesicht, hinter deren Plexiglashelmvisier nur Schwärze zu sehen war. Eine entsetzliche Erscheinung, ein Killer von jenseits jeglicher Vernunft in Zeit und...
Keuchend bog Stu um eine Ecke und lief etwa zehn Schritte, bis er merkte, daß der Korridor eine Sackgasse war, und gegen eine Tür prallte, über der ein Schild hing. Auf dem Schild stand AUSGANG. Er drückte gegen den Riegel und war überzeugt, daß dieser sich nicht rühren würde, aber er ließ sich leicht öffnen. Stu ging vier Stufen zu einer weiteren Tür hinunter. Links vom Treppenabsatz führte eine andere Treppe in dichte Dunkelheit hinab. Die obere Hälfte der zweiten Tür hatte eine mit Drahtgitter verstärkte Glasscheibe. Dahinter lag nur die Nacht, die wunderschöne milde Sommernacht, und alle Freiheit, von der ein Mann nur träumen kann. Stu sah gebannt nach draußen, als eine Hand aus der Dunkelheit der Treppe schnellte und ihn am Knöchel packte. Ein Schrei zerkratzte Stus Hals wie ein Dorn. Er drehte sich um – sein Magen war eine treibende Eisscholle – und erblickte ein aus der Dunkelheit heraufstarrendes blutiges und grinsendes Gesicht.
»Komm runter und laß uns zusammen bibbern, schöner Knabe«, flüsterte es mit gebrochener, sterbender Stimme. »Es ist ja soooooo dunkel...«
Stu kreischte und versuchte sich loszureißen. Das grinsende Ding aus der Dunkelheit aber hielt ihn fest und redete und grinste und kicherte. Blut oder Kotze floß ihm aus den Mundwinkeln. Stu trat gegen die Hand, die seinen Knöchel festhielt, dann stampfte er darauf. Das Gesicht, das im Dunkel des Treppenschachts schwebte, verschwand. Eine Reihe polternder Geräusche waren zu hören... dann fingen die Schreie an. Ob Schreie des Schmerzes oder Schreie der Wut, wußte Stu nicht. Es war ihm auch einerlei. Er warf sich mit der Schulter gegen die äußere Tür. Sie flog auf, und er taumelte nach draußen, wild mit den Armen rudernd, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er verlor es trotzdem und stürzte auf den betonierten Weg.
Er richtete sich langsam, fast argwöhnisch auf. Die Schreie hinter ihm waren verstummt. Ein kühler Abendwind strich ihm übers Gesicht und trocknete den Schweiß auf seiner Stirn. Er stellte beinahe erstaunt fest, daß hier Rasen und Blumenbeete angelegt waren. Noch nie hatte eine Nacht so angenehm für ihn geduftet. Eine Mondsichel beherrschte den Himmel. Stu sah dankbar nach oben, dann ging er über den Rasen zur Straße, die in die Stadt Stovington hinunterführte. Das Gras war taubenetzt. Er konnte den Wind in den Fichten flüstern hören.
»Ich lebe«, rief Stu Redman in die Nacht. Er fing an zu weinen. »Ich lebe, Gott sei Dank, ich lebe, ich danke dir, Gott, ich danke dir, Gott, ich danke dir...«
Leicht schwankend machte er sich auf den Weg die Straße hinunter.
30
Staub wehte über das Buschland von Texas, bildete in der Dämmerung einen durchsichtigen Schleier, der die Stadt Arnette wie ein Geisterbild erscheinen ließ. Bill Hapscombs Texaco-Schild war heruntergeweht und lag mitten auf der Straße. Jemand hatte in Norm Bruetts Haus das Gas angelassen, und am Vortag hatte ein Funke aus der Klimaanlage das ganze Domizil in die Luft gejagt. Schindeln und Steine und Kinderspielzeug waren überall auf der Laurel Street verstreut. Auf der Main Street lagen Soldaten und Hunde tot in der Gosse. In Randy's Imbiß hing ein Mann im Pyjama mit herabhängenden Armen tot über dem Fleischtresen. Einer der Hunde, die jetzt tot im Rinnstein lagen, hatte sich mit dem Gesicht des Mannes beschäftigt, bis er den Appetit verloren hatte. Katzen bekamen die Grippe nicht, sie strichen zu Dutzenden wie dunkle, rauchige Schatten durch die Dämmerung. Aus mehreren Häusern war das leere Rauschen von Fernsehern zu hören. Ein Fensterladen klapperte hin und her. Ein roter Lastwagen, alt, verrostet und verblichen, mit dem fast unleserlichen Schriftzug SPEEDWAY EXPRESS auf der Seite, stand mitten auf der Durgin Street vor der Indian Head Tavern. Auf dem Wagen standen kistenweise leere Pfandflaschen von Bier und Sodawasser. An der Logan Lane, Arnettes bester Wohngegend, brachte der Wind das Glockenspiel auf der Veranda von Tony Leominsters Haus zum Erklingen. Tonys Scout stand mit heruntergedrehten Fenstern in der Einfahrt. Auf dem Rücksitz hatte sich eine Eichhörnchenfamilie häuslich eingerichtet. Die Sonne wandte sich von Arnette ab; in der Stadt wurde es dunkel unter den Schwingen der Nacht. Abgesehen vom Zirpen und Flüstern kleiner Tiere und dem Klingeln von Tony Leominsters Windspiel war es in der Stadt still. Still. Still.
31
Christopher Bradenton quälte sich aus dem Delirium wie ein Mann, der versucht, aus Treibsand herauszukommen. Er hatte Schmerzen am ganzen Körper. Sein Gewicht kam ihm fremd vor, als hätte jemand ihm an mehreren Stellen Silikon eingespritzt, so daß es jetzt so groß wie ein Heißluftballon war. Sein Hals war ein einziger Schmerz, und was schlimmer war, die Luftröhre schien von ihrer normalen Größe zum Umfang der Öffnung einer Kinderspritzpistole zugewachsen zu sein. Sein Atem pfiff durch diese schrecklich winzige Verbindung mit der Welt herein und hinaus. Aber er reichte nicht aus, und schlimmer als das Gefühl einer konstant pochenden offenen Wunde dort war der Eindruck, als würde Christopher ertrinken. Und am allerschlimmsten, ihm war heiß. Er konnte sich nicht erinnern, daß ihm jemals so heiß gewesen war, nicht einmal vor zwei Jahren, als er zwei politische Gefangene, (die in Texas auf Kaution freigelassen worden und geflohen waren, nach Los Angeles gebracht hatte. Auf der Route 190 im Death Valley hatte der uralte Pontiac Tempest den Geist aufgegeben, und damals war ihm heiss gewesen, aber das hier war schlimmer. Ihm war innen drin heiß, als hätte er die Sonne verschluckt.
Er stöhnte und versuchte, die Decke wegzustrampeln, hatte aber keine Kraft mehr. Hatte er es alleine ins Bett geschafft? Er glaubte es nicht. Jemand oder etwas war bei ihm im Haus gewesen. Jemand oder etwas... er sollte sich erinnern, konnte es aber nicht. Bradenton konnte sich nur noch erinnern, daß er schon Angst gehabt hatte, bevor er krank geworden war; denn er hatte gewußt, jemand (oder etwas) würde kommen, und er mußte... was?
Er stöhnte wieder und drehte den Kopf auf dem Kissen hin und her. Er konnte sich nur an das Delirium erinnern. Heiße Phantome mit klebrigen Augen. Seine Mutter war in das schlichte, holzgebaute Schlafzimmer gekommen, seine Mutter, die 1969 gestorben war, und sie hatte zu ihm gesagt: »Kit, o Kit, hab' ich's dir nicht gesagt? >Lass dich nicht mit den Leuten ein<, hab' ich gesagt. >Mir liegt gar nix an Politik<, hab' ich gesagt, >aber die Männer, mit denen du dich herumtreibst, sind verrückt wie tolle Hunde, und die Mädchen sind nichts weiter als Huren.< Ich hab's dir gleich gesagt, Kit...« Dann war ihr Gesicht entzweigebrochen, ein Schwärm Grabkäfer war aus den aufgerissenen Pergamentfalten hervorgekrochen, und er hatte geschrien, bis ihn Schwärze verschlang und wirre Schreie ertönten, das Tapsen von Ledersohlen laufender Menschen... Lichter, Taschenlampen, Gasgeruch, und er war wieder in Chicago, es war das Jahr 1968, irgendwo sangen Stimmen: Die ganze Welt schaut zu! Die ganze Welt schaut zu! Die ganze Welt...und da lag ein Mädchen beim Eingang zum Park im Rinnstein, in einen Jeansoverall gekleidet und barfuß, ihr langes Haar voll von Glassplittern, das Gesicht eine glänzende Maske aus Blut, das im herzlosen weißen Schein der Straßenlampen schwarz wirkte, die Maske eines zertretenen Insekts. Er half ihr auf die Füße, und sie schrie und klammerte sich an ihn, denn ein Monster aus dem Weltall kam aus den Gasschwaden auf sie zu, eine Kreatur in blanken schwarzen Stiefeln und einer Fliegerjacke und einer glubschäugigen Gasmaske, die in einer Hand einen Schlagstock und in der anderen eine Sprühdose Tränengas hielt und grinste. Und als das Monster aus dem Weltall die Maske zurückgeschoben und das grinsende, flammende Gesicht enthüllt hatte, schrien sie beide, denn es war der Jemand oder das Etwas, worauf er gewartet, der Mann, vor dem Kit Bradenton immer Todesängste ausgestanden hatte. Es war der Wandelnde Geck gewesen. Bradentons Schreie hatten die Substanz dieses Traums zerschmettert, wie das hohe C feines Kristallglas zerschmettern kann, und er war in Boulder, Colorado, in einem Apartment am Canyon Boulevard, es war Sommer und heiß, so heiß, daß dir selbst in Shorts der Schweiß am ganzen Körper herabtroff, und dir gegenüber steht der wunderschönste Boy der Welt, groß und braungebrannt und muskulös, er trägt ein zitronengelbes Tangahöschen, das sich zärtlich an jede Rundung und Wölbung seiner königlichen Pobacken schmiegt, und du weißt, wenn er sich umdreht, wirst du das Gesicht eines raffaelitischen Engels sehen und er wird bestückt sein wie der Hengst des einsamen Reiters. Hiyo, Silver, und weg. Wo hast du ihn aufgegabelt? Bei einer Diskussion über Rassismus auf dem Campus der CU, oder in der Mensa? Beim Trampen? Spielt das überhaupt eine Rolle? Oh, es ist so heiß, aber da ist Wasser, ein Krug Wasser, eine Urne voll Wasser, die merkwürdige Figuren im Basrelief trägt, und daneben die Pille – nein...! DIE PILLE! Die Pille, die dich in das Reich schicken wird, das der blonde Engel im zitronengelben Tanga »Huxleyland« nennt, das Land, wo der Finger an der Wand schreibt und sich doch nicht bewegt, wo an abgestorbenen Eichen Blumen wachsen, und Mann o Mann, was für eine Erektion ragt aus deinen Shorts heraus! Ist Kit Bradenton schon jemals so geil und so willig gewesen? »Komm ins Bett«, sagst du zu dem glatten braungebrannten Rücken, »komm ins Bett und besorg mir's, und dann besorg' ich dir's. Ganz genau so, wie du es gern hast.« – »Nimm erst deine Pille«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Dann werden wir sehen.« Du nimmst die Pille, das Wasser rinnt kühl deinen Hals hinunter, und ganz allmählich wird dein Sehvermögen seltsam, und jeder Winkel im Zimmer wird auf unheimliche Weise etwas mehr oder etwas weniger als neunzig Grad. Du stellst fest, daß du eine Zeitlang den Ventilator im billigen Grand Rapids Büro anstarrst, und dann siehst du deine eigene Reflexion im wogenden Glas darüber. Dein Gesicht sieht schwarz und geschwollen aus, aber deswegen machst du dir keine Sorgen, denn das ist ja nur die Pille, nur die !!PILLE !! »Trips«, murmelst du. »O Mann, Captain Trips, und ich bin sooo geil...« Er fängt an zu laufen, und du mußt zuerst die glatten Hüften betrachten, wo der Saum des Tangas so tief hängt, und dann wandert dein Blick weiter an dem flachen, braunen Bauch hinauf, verweilt einen Moment auf dem köstlichen Nabel, den deine Zunge erforscht hat und sehnlichst wieder erforschen möchte, dann die herrliche unbehaarte Brust entlang und schließlich über den schlanken, sehnigen Hals zum Gesicht... und es ist sein Gesicht, eingesunken und glücklich und diabolisch grinsend, nicht das Gesicht des Engels von Raffael, sondern eines Teufels von Goya, und aus jeder leeren Augenhöhle glotzt das reptilienhafte Antlitz eines Alligators; er kommt auf dich zu, während du schreist, und flüstert: Trips, Baby, Captain Trips...
Dann Düsternis, Gesichter und Stimmen, an die er sich nicht erinnern kann, und schließlich war er hier zu sich gekommen, in dem kleinen Haus, das er mit eigenen Händen am Stadtrand von Mountain City gebaut hat. Heute war heute, die Woge der Rebellion, die über das Land gekommen war, war längst wieder zurückgeflutet, die jungen Boys von damals waren heute größtenteils alte Fürze mit Grau in den Barten und großen Kokslöchern, wo die Nasenscheidewand gewesen war, und dies waren die Trümmer, Baby, das Treibgut. Der Junge mit dem gelben Tanga, das war schon lange her, und in Bomder war Kit Bradenton selbst kaum mehr als ein Junge gewesen.
Mein Gott, sterbe ich?
Er verdrängte den Gedanken voll quälendem Entsetzen, während die Hitze in seinem Kopf wie ein Sandsturm wehte und wogte. Und plötzlich hörten seine raschen, flachen Atemzüge auf, als draußen vor der geschlossenen Schlafzimmertür ein Geräusch einsetzte. Erst dachte Bradenton, es wäre eine Feuerwehrsirene oder eine Polizeisirene. Sie schwoll an und wurde lauter, je näher sie kam; dazwischen konnte er das abgehackte Pochen von Schritten hören, die unten in die Diele eindrangen, durchs Wohnzimmer stürmten und dann wie eine Stampede die Treppe herauf.
Er drückte sich ins Kissen, und sein Gesicht verzog sich zur Leichenstarre des Entsetzens, während die Augen zu großen Kreisen in dem aufgequollenen schwarzen Gesicht wurden und die Geräusche näher kamen. Keine Sirene mehr, sondern ein Schrei, schrill und trillernd, ein Schrei, den keine menschliche Kehle erzeugen oder ausstoßen konnte, gewiß der Schrei einer Banshee oder eines schwarzen Charon, der gekommen war, um ihn über den Fluß zu bringen, der das Land der Lebenden vom Land der Toten trennte.
Jetzt kamen die polternden Schritte im oberen Flur direkt auf ihn zu, die Dielen ächzten und quietschten und protestierten unter dem Gewicht der gnadenlosen abgetretenen Absätze, und plötzlich wußte Kit Bradenton, wer es war, und fing an zu schreien, als der Mann im verblichenen Jeansjäckchen auch schon hereingeplatzt kam; in seinem Gesicht spielte das mörderische Grinsen wie ein surrender weißer Kreis aus Messern, und dabei war dieses Gesicht so fröhlich wie das eines übergeschnappten Nikolaus, der einen verzinkten Stahleimer hoch über der rechten Schulter trug.
»HIIIIIIAAAAAHHHHHH!«
»Nein!« kreischte Bradenton und schlug entkräftet die Arme vors Gesicht. » Nein! Neiiiin...!«
Der Eimer kippte, und das Wasser strömte heraus, schien einen Moment im gelben Lampenschein zu hängen wie der größte ungeschliffene Diamant im Universum, und er konnte das Gesicht des dunklen Mannes dahinter erkennen, das reflektiert und zur Fratze eines übermütig grinsenden Trolls gebrochen wurde, der gerade aus den tiefsten scheißegefüllten Eingeweiden der Hölle heraufgekommen ist, um die Erde heimzusuchen; dann platschte das Wasser auf ihn, so kalt, daß sein zugeschwollener Hals momentan aufging und dicke Blutströpfchen aus seinen Wänden preßte, Atem wie ein Schock in ihn hineinzwängte und ihn dazu brachte, die Decke mit einem einzigen konvulsivischen Tritt über die Bettkante zu befördern, damit sein ganzer Körper wie ein Taschenmesser zusammenklappen konnte, als teuflische Krämpfe von diesen unwillkürlichen Bewegungen durch ihn hindurchrasten wie beißende Windhunde auf der Flucht.
Er schrie und schrie. Dann lag er zitternd da, sein fiebriger Körper war vom Scheitel bis zur Sohle tropfnaß, in seinem Kopf pochte es, und die Augen quollen ihm aus den Höhlen. Sein Hals wurde wieder zu einem wunden Schlitz, er rang erneut kläglich nach Atem. Er schlotterte am ganzen Körper.
»Ich wußte, daß dich das abkühlen würde«, rief der Mann, den er als Richard Fry kannte, fröhlich. Er stellte den Eimer mit einem Scheppern ab. »Sach bloß, sach bloß, ich hab gewußt, daß das den Trick fettichbringen würrte, Kingfish! Dank wird gern entgegengenommen, mein Bester, Dank von dir an mich. Dankst du mir? Kannst nicht sprechen, hm? Nein? Doch ich weiß, im Grunde deines Herzens bist du mir dankbar.
leee-HAAAA!«
Er sprang in die Luft wie Bruce Lee in einem Kung-Fu-Epos von Run Run Shaw, mit gespreizten Knien, und schien einen Augenblick direkt über Kit Bradenton zu schweben, genau wie das Wasser, sein Schatten war ein Fleck auf Bradentons nassem Pyjama, und Bradenton tat einen kläglichen Schrei. Dann landeten die Knie rechts und links von Bradentons Brustkorb, und Richard Frys Schritt in den Jeans war wie die zwei Zinken einer Gabel, Zentimeter über der Brust, das Gesicht brannte auf Bradenton herunter wie die Fackel im Keller in einem Schauerroman.
»Ich mußte dich aufwecken, Mann«, sagte Fry. »Ich wollte nicht, dass du 'nen Abgang machst, ohne daß wir uns vorher noch mal unterhalten hätten.«
»... runter... runter... runter von mir...«
»Ich bin nicht auf dir, Mann, sachte, sachte. Ich schwebe nur über dir. Wie die große, unsichtbare Welt.«
Bradenton, der Todesängste ausstand, konnte nur keuchen und die gebannten Augen von dem fröhlichen, rauchenden Gesicht abwenden.
»Wir müssen uns über Segelwichs und Bienenwachs unterhalten und ob Hummeln einen Stachel haben. Außerdem über die Papiere, die du angeblich für mich hast, und das Auto, und die Autoschlüssel. Aber in deiner Gay-Rasche sehe ich nur einen Chevvy-Lieferwagen, und ich weiß, Kitekat, daß das deiner ist, also wie sieht's aus?«
»... sie... Papiere... kann nicht... kann nicht sprechen...« Er rang keuchend nach Luft. Seine Zähne flatterten aufeinander wie kleine Vögel in einem Baum.
»Du solltestaber sprechen können«, sagte Fry und streckte die Daumen aus. Sie hatten beide Gummigelenke (wie alle seine Finger), und er bewegte sie in Winkeln, die jeglicher Biologie und Physik zu trotzen schienen. »Wenn du es nämlich nicht machst, muss ich mir deine beiden Babyblauen an den Schlüsselbund hängen, und du wirst mit einem Blindenhund in der Hölle herumspazieren müssen.« Er stieß die Daumen auf Bradentons Augen zu, und Bradenton zuckte hilflos ins Kissen zurück.
»Wenn du es mir sagst, Mann«, sagte Fry, »lasse ich dir die richtigen Pillen da. Ich halte dich sogar hoch, damit du sie schlucken kannst. Dann geht's dir wieder gut, Mann. Pillen, die alles heilen.«
Bradenton, der jetzt nicht nur vor Kälte, sondern auch vor Angst schlotterte, preßte die Worte zwischen klappernden Zähnen hervor.
»Papiere... auf den Namen Randall Flagg. Unten im Sekretär. Unter dem... Blaupapier.«
»Auto?«
Bradenton versuchte verzweifelt nachzudenken. Hatte er dem Mann ein Auto besorgt? Es war so weit weg, die Flammen des Deliriums lagen dazwischen, und das Delirium schien etwas mit seinem Denken angestellt und ganze Datenbänke gelöscht zu haben. Ganze Abschnitte seiner Vergangenheit waren ausgebrannte Fächer voll verschmorter Drähte und rußgeschwärzter Relais. Anstatt des Autos, über das der gräßliche Mann etwas wissen wollte, kam ihm das Bild seines eigenen allerersten Autos in den Sinn, ein Studebaker Baujahr 1953 mit einem Bug, den er rosa angemalt hatte. Fry legte Bradenton sanft eine Hand auf den Mund und drückte ihm mit der anderen die Nasenlöcher zu. Bradenton bäumte sich unter ihm auf. Gedämpftes Stöhnen drang unter Frys Hand hervor. Fry nahm beide Hände weg und sagte: »Bringt das deine Erinnerung auf Trab?«
Seltsamerweise ja.
»Auto...«, sagte er und hechelte dann wie ein Hund. Die Welt kreiste, kam zum Stillstand, und er konnte weitersprechen. »Auto parkt... hinter der Conoco-Tankstelle... gleich außerhalb der Stadt. Route 51.«
»Nördlich oder südlich der Stadt?«
»Söh... söh...«
»Ja, söh! Schon verstanden. Weiter.«
»Unter einer Plane. Buh... Buh... Buick. Fahrzeugschein am Lenkrad. Ausgestellt auf... Randall Flagg.« Er fing wieder an zu keuchen und konnte nicht mehr sagen oder tun, sondern Fry nur voll dumpfer Hoffnung ansehen.
»Schlüssel?«
»Bodenmatte. Unter...«
Frys Kehrseite schnitt alle weiteren Worte ab, indem sie auf Bradentons Brust sank. Dort ließ Fry sich nieder, als würde er sich in der Wohnung eines Freundes auf ein gemütliches Sitzkissen setzen, und plötzlich bekam Bradenton überhaupt keine Luft mehr. Er hauchte seinen allerletzten Atem mit einem einzigen Wort hinaus:
»...bitte...«
»Schönen Dank auch«, sagte Richard Fry/Randall Flagg mit einem breiten Grinsen. »Sag gute Nacht, Kit.«
Kit Bradent on konnte nicht sprechen, sondern nur die Augen in den aufgequollenen Höhlen verdrehen, bis nur noch das Weiße zu sehen war.
»Du sollst nicht denken, daß ich undankbar bin«, sagte der dunkle Mann sanft und sah auf ihn herab. »Es ist nur so, daß wir uns jetzt sputen müssen. Der Jahrmarkt macht früher auf. Alle Fahrten haben schon geöffnet, die Schießbuden und auch das Glücksrad. Und heute ist meine Glücksnacht, Kit. Ich spüre es. Ich spüre es ganz deutlich. Darum müssen wir uns beeilen.«
Es waren eineinhalb Meilen bis zur Conoco-Tankstelle, und als er dort ankam, war es Viertel nach drei Uhr morgens. Der Wind wehte stärker und heulte durch die Straßen; auf dem Weg hierher hatte der Mann drei tote Hunde und einen toten Mann gesehen. Der Mann hatte eine Art Uniform angehabt. Die Sterne hoch droben schienen kalt und hell, Fünkchen, die von der dunklen Haut des Universums schlugen.
Die Plane über dem Buick war straff auf den Boden gespannt, das Segeltuch flatterte im Wind. Als Flagg die Heringe herauszog, flog die Plane wirbelnd in die Nacht wie ein braunes Gespenst auf dem Weg nach Osten. Die Frage war, in welche Richtung ging sein Weg? Er stand neben dem Buick, einem gut erhaltenen Modell Baujahr 1975 (Autos hielten sich gut hier draußen: wenig Feuchtigkeit, so daß der Rost kaum einen Ansatz hatte), und schnupperte die nächtliche Sommerluft wie ein Kojote. Sie brachte das Parfüm der Wüste mit sich, wie man es so deutlich nur nachts riechen kann. Der Buick stand unversehrt inmitten eines Autofriedhofs ausgeschlachteter Teile, Monolithen der Osterinsel gleich in der windigen Stille. Ein Motorblock. Eine Achse, die wie die Hantel eines Bodybuilders aussah. Ein Stapel Reifen, in denen der Wind heulende Geräusche erzeugen konnte. Eine gesprungene Windschutzscheibe. Und vieles mehr.
Inmitten solcher Umgebungen konnte er am besten nachdenken. In solchen Umgebungen konnte jeder Mann Jago sein.
Er ging an dem Buick vorbei und strich mit der Hand über eine verbeulte Motorhaube, die einst zu einem Mustang gehört haben mochte. » Hey, little Cobra, don't ya know ya gonna shut ehm down...«, sang er leise. Er kickte mit einem staubigen Stiefel einen Einbauheizkörper um und legte ein Nest Juwelen frei, deren Feuer düster glomm. Rubine, Smaragde, Perlen so groß wie Gänseeier, Diamanten, Sternen gleich. Schnippte mit den Fingern in ihre Richtung. Weg waren sie. Wohin sollte er gehen?
Der Wind stöhnte durch das Flügelfenster eines alten Plymouth, in dessen Inneren kleine Lebewesen raschelten.
Etwas anderes raschelte hinter ihm. Er drehte sich um; es war Kit Bradenton, der nur eine knallgelbe Unterhose anhatte, wobei sein Dichterwanst über den Bund hing wie ein im Fallen erstarrter Erdrutsch. Bradenton kam über die verstreuten Bruchstücke von fahrbarem Metall aus Detroit auf ihn zu. Ein Grashalm stach durch seinen Fuß wie ein Kreuznagel, aber aus der Wunde floß kein Blut. Bradentons Nabel war ein schwarzes Auge.
Der dunkle Mann schnippte mit den Fingern, und Bradenton war fort. Er grinste und ging zu dem Buick zurück. Legte die Stirn auf di e Dachwölbung der Beifahrerseite. Zeit verging. Nach einer Weile richtete er sich, immer noch grinsend, wieder auf. Jetzt wußte er es. Er glitt hinters Lenkrad des Buick und trat das Gaspedal ein paarmal durch, um den Vergaser bereitzumachen. Der Motor sprang schnurrend an, die Nadel der Benzinanzeige schwenkte auf voll. Er fuhr an und um die Tankstelle herum, und die Scheinwerfer leuchteten einen Moment ein weiteres Paar Smaragde an, Katzenaugen, die argwöhnisch aus dem hohen Gras neben der Damentoilette der Conoco-Tankstelle hervorspähten. Im Maul der Katze hing der winzige, schlaffe Körper einer Maus. Als die Katze das grinsende, mondgleiche Gesicht hinter dem Fenster der Fahrerseite erblickte, ließ sie ihre Beute fallen und lief weg. Flagg lachte laut und aus vollem Herzen, das Lachen eines Mannes, der ausschließlich Gutes im Sinn hat. Als der Asphalt der ConocoTankstelle in den Highway überging, wandte er sich nach rechts und folgte dem Highway nach Süden.