Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"
Автор книги: Stephen Edwin King
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Ужасы
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Was?
Flagg betrachtete stirnrunzelnd Sein Eßbesteck. Hatten sie den alten Boo mit diesen umwickelten Stöcken in den Boden geprügelt? Hatten sie ihn erwürgt? Er glaubte sich an etwas mit Benzin zu erinnern. Aber was?
Er wurde wütend und hätte fast das Kaninchen ins Feuer geworfen.
Er müßte sich daran erinnern können, gottverdammt!
»Hunde, wollt ihr ewig leben«, flüsterte er, aber wieder war es nur ein vager Schemen auf der Straße der Erinnerung.
Früher hatte er die sechziger und siebziger Jahre überblicken können wie ein Mann, der eine Treppe in einen abgedunkelten Raum hinuntersieht.
Heute konnte er sich nur noch an die Ereignisse nach der Supergrippe deutlich erinnern. Davor lag alles hinter einem Nebel, der sich nur gelegentlich so weit hob, daß gerade ein rätselhafter Gegenstand oder eine Erinnerung sichtbar wurde (Boo Dinkway, zum Beispiel... wenn es ihn je gegeben hatte), bevor er sich wieder senkte.
Die früheste genaue Erinnerung, die er hatte, war sein Marsch auf der US 51 nach Mountain City, zum Haus von Kit Bradenton. Wo er geboren wurde. Wiedergeboren.
Er war genaugenommen kein Mensch mehr, wenn er überhaupt je einer gewesen war. Er war wie eine Zwiebel, von der sich eine Schicht nach der anderen abschält, nur schälten sich bei ihm die menschlichen Eigenschaften ab: organisiertes Denken, Erinnerungsvermögen, möglicherweise sogar der freie Wille... wenn es so etwas je gegeben hatte.
Er fing an, das Kaninchen zu essen.
Früher, davon war er überzeugt, hätte er sich rasch davongemacht, wenn die Lage brenzlig wurde. Diesmal nicht. Dies war sein Ort, seine Zeit, hier würde er sein letztes Gefecht austragen. Es spielte keine Rolle, daß er den dritten Spion nicht entdeckt hatte und dass Harold zum Schluß außer Kontrolle geraten war und die kolossale Unverschämtheit besessen hatte zu versuchen, die ihm versprochene Braut zu ermorden, die Mutter seines Sohnes. Irgendwo in der Wüste war dieser seltsame Mülleimermann und suchte die Waffen zusammen, mit denen die lästige Freie Zone endgültig ausgelöscht werden würde. Auch den Mülleimermann konnte sein Auge nicht sehen, und in gewisser Weise fand Flagg Müll, eine Art menschlicher Bluthund, der Kordit und Napalm und Dynamit mit tödlicher, radarähnlicher Genauigkeit wittern konnte, noch seltsamer als sich selbst.
In einem Monat oder früher würden die Jets der Nationalgarde mit einem vollen Satz Shrike-Raketen unter den Flügeln in der Luft sein. Und sobald er sicher war, daß seine Braut empfangen hatte, würden sie nach Osten fliegen.
Er sah verträumt zum Basketball-Mond hinauf und lächelte. Es gab noch eine weitere Möglichkeit. Er dachte, das Auge würde sie ihm zeigen, wenn die Zeit gekommen war. Er ging vielleicht dorthin, möglicherweise als Krähe, möglicherweise als Wolf, möglicherweise als Insekt – eine Gottesanbeterin vielleicht, etwas, das klein genug war, durch eine sorgfältig getarnte Belüftungsklappe in der Mitte eines dornigen Büschels Wüstengras zu kriechen. Er würde durch dunkle Rohrleitungen hüpfen oder krabbeln und schließlich durch das Gitter einer Klimaanlage oder einen stillstehenden Ventilator kriechen.
Der fragliche Ort war unterirdisch. Gleich jenseits der Grenze nach Kalifornien.
Dort standen Retorten, lange Reihen Retorten, und auf jeder war ein Klebestreifen angebracht, der den Inhalt beschrieb: Eine SuperCholera, ein Super-Anthrax, eine neue und verbesserte Version der Beulenpest, und alle basierten auf der Fähigkeit der Krankheitserreger, durch ständige Veränderung die Bildung von Antikörpern zu verhindern, eine Fähigkeit, die die Supergrippe fast universell tödlich gemacht hatte. Es gab Hunderte solcher Erreger; in jeder Geschmacksrichtung, wie es in den Werbespots für Life Savers zu hören war.
Wie wäre es mit ein wenig in eurem Wasser, Freie Zone? Oder einer Luftverschmutzung?
Eine hübsche Legionärskrankheit zu Weihnachten, oder wäre euch die neue und weiterentwickelte Schweinegrippe lieber? Randall Flagg, der dunkle Weihnachtsmann, auf seinem Schlitten der Nationalgarde, mit einem kleinen Virus, den er in jeden Kamin werfen konnte.
Er würde warten, und er würde die richtige Stunde erkennen, wenn sie endlich gekommen war.
Etwas würde sie ihm verraten.
Alles würde gut werden. Kein rasches Ausblenden diesmal. Er war ganz oben, und dort würde er auch bleiben.
Das Kaninchen war verzehrt. Voll heißer Nahrung, fühlte er sich wieder wie er selbst. Er stand mit dem Blechteller in der Hand da und warf die Knochen in die Nacht. Die Wölfe jagten danach, balgten sich darum, heulten und knurrten und bissen sich; ihre Augen rollten leer im Mondlicht.
Flagg stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und lachte brüllend zum Mond hinauf.
Früh am nächsten Morgen verließ Nadine die Stadt Gemdale und fuhr auf ihrer Vespa die I-15 entlang. Ihr schneeweißes offenes Haar flatterte im Wind und sah aus wie ein Brautschleier.
Ihr tat die Vespa leid, die ihr so lange treu gedient hatte und jetzt am Ende war. Die vielen Meilen und die Gluthitze in der Wüste, die anstrengende Fahrt über die Rockies und die mangelhafte Wartung hatten ihren Tribut gefordert. Der Motor klang jetzt heiser und angestrengt. Der Drehzahlmesser blieb nicht mehr brav bei 5 x 1000 stehen, sondern zitterte hin und her. Es machte nichts. Wenn die Maschine den Geist aufgab, bevor sie ihr Ziel erreicht hatte, würde sie zu Fuß weitergehen. Niemand jagte sie. Harold war tot. Und wenn sie zu Fuß gehen mußte, würde eres wissen und jemanden schicken, der sie abholte.
Harold hatte auf sie geschossen! Harold hatte versucht, sie umzubringen!
Immer wieder mußte sie daran denken, so gern sie es auch verdrängt hätte. Ihr Verstand spielte damit wie ein Hund mit einem Knochen. So hätte es nicht sein dürfen. In der ersten Nacht nach der Explosion war ihr Flagg im Traum erschienen, als Harold endlich bereit war, eine Weile zu rasten. Flagg hatte ihr im Traum gesagt, daß er Harold bei ihr lassen wolle, bis sie auf dem Western Slope waren, fast in Utah. Dann wolle er ihn schnell und schmerzlos durch einen Unfall beseitigen. Eine Ölspur. Über die Böschung. Kein Ärger, kein Schlamassel, keine Plage.
Aber es war nicht schnell und schmerzlos gewesen, und Harold hätte sie fast umgebracht. Die Kugel war zwei Zentimeter an ihrer Wange vorbeigesaust, und dennoch hatte sie sich nicht bewegen können. Sie war starr vor Schreck gewesen und hatte sich gefragt, wie er so etwas tun konnte, wie zugelassen werden konnte, daß er so etwas auch nur versuchte.
Sie hatte versucht, eine Begründung dafür zu finden, indem sie sich einredete, daß Flagg ihr nur Angst machen und sie daran erinnern wollte, zu wem sie gehörte. Aber das ergab keinen Sinn! Es war verrückt. Und selbst wenn es einen Sinn gehabt hätte... eine überzeugte, wissende innere Stimme sagte ihr, daß Flagg auf diesen Zwischenfall einfach nicht vorbereitet gewesen war. Sie versuchte, diese innere Stimme von sich zu weisen, wie man eine Tür verrammelt, wenn jemand Unerwünschter mit Mordlust in den Augen draußen steht. Aber es gelang ihr nicht. Die Stimme sagte ihr, daß sie nur durch blinden Zufall noch lebte. Daß Harolds Kugel sie genausogut zwischen den Augen hätte treffen können, und es wäre so oder so nicht Randall Flaggs Tun gewesen. Sie nannte die innere Stimme eine Lügnerin. Flagg wußte alles, wo der kleinste Sperling vom Himmel gefallen war...
Nein, das ist Gott, antwortete die Stimme unerbittlich. Gott, er ist nicht Gott. Du lebst nur durch blinden Zufall, und das bedeutet, es ist alles offen. Du schuldest ihm nichts. Wenn du willst, kannst du umkehren und zurückfahren.
Zurückfahren, das war ein Lachschlager. Wohinzurückfahren?
Zu diesem Thema hatte die Stimme wenig zu sagen; es hätte sie auch überrascht. Wenn der dunkle Mann auf tönernen Füßen stand, hatte sie diese Tatsache ein wenig zu spät herausgefunden.
Sie versuchte, sich statt auf die Stimme auf die kühle Schönheit des Wüstenmorgens zu konzentrieren. Aber die Stimme blieb, so leise und beharrlich, daß sie sie kaum wahrnahm:
Wenn er nicht gewußt hat, daß Harold ihm trotzen und versuchen würde, dich zu töten, was weiß er sonst noch alles nicht? Und wird es beim nächsten Mal auch wieder ein Fehlschuß sein?
Aber, o Gott, es war zu spät. Um Tage, Wochen, vielleicht sogar Jahre zu spät. Warum hatte die innere Stimme gewartet, bis es nutzlos war, die Stimme zu erheben?
Und wie zur Bestätigung verstummte die Stimme, und der Morgen gehörte wieder ihr. Sie fuhr, ohne an etwas zu denken, die Augen auf die Straße vor ihr gerichtet. Die Straße, die nach Las Vegas führte. Die Straße, die zu ihmführte.
Am Nachmittag gab die Vespa den Geist auf. In ihren Eingeweiden klapperte und knirschte es, und der Motor blieb stehen. Nadine roch etwas Heißes, Abnormales, wie brennendes Gummi, aus dem Motorgehäuse. Die Geschwindigkeit sank von konstanten vierzig auf Schrittempo. Sie schob die Vespa auf die Standspur und trat den Starter ein paarmal, wußte aber, daß es keinen Zweck hatte. Sie hatte die Vespa gekillt. Sie hatte auf dem Weg zu ihrem Gatten vieles getötet. Sie war dafür verantwortlich, daß das ganze Komitee der Freien Zone samt allen geladenen Gästen bei der letzten explosiven Versammlung ausgelöscht worden war. Und da war Harold. Und, bin so frei nebenbei, Frannie Goldsmiths ungeborenes Kind.
Ihr wurde übel. Sie taumelte zur Leitplanke und erbrach ihr Frühstück. Sie fühlte sich heiß, wie im Delirium, und sehr elend, das einzige lebende Wesen in diesem Wüstenalptraum. Es war heiß... so heiß.
Sie drehte sich um und wischte sich den Mund. Die Vespa lag auf der Seite wie ein totes Tier. Nadine betrachtete sie noch ein paar Augenblicke, dann ging sie weiter. An Dry Lake war sie schon vorbei. Das bedeutete, daß sie am Straßenrand schlafen mußte, wenn niemand sie abholen kam. Mit Glück konnte sie am nächsten Morgen in Las Vegas sein. Und plötzlich wußte sie, daß der dunkle Mann sie zu Fuß gehen lassen würde. Hungrig und durstig und von der Sonne verbrannt sollte sie in Las Vegas ankommen, jede Erinnerung an ihr früheres Leben sollte erloschen sein. Die Frau, die an einer Privatschule in New England kleine Kinder unterrichtet hatte, würde fort sein, so tot wie Napoleon. Mit etwas Glück würde die leise Stimme, die in ihr nagte und quälte, als letzter Teil der alten Nadine sterben. Aber letztendlich würde natürlich auch der Teil erlöschen.
Sie ging weiter; der Nachmittag verrann. Schweiß lief ihr übers Gesicht. Wo die Straße und der verblichene Jeans -Himmel zusammenstießen, schimmerte Quecksilber. Sie knöpfte die Bluse auf, zog sie aus und ging nur im Büstenhalter weiter. Sonnenbrand? Na und? Offen gesagt, meine Liebe, das ist mir scheißegal.
Als es dämmerte, war ihre Haut so stark gerötet, daß sie um die Knochenwülste des Schlüsselbeins fast purpurfarben aussah. Die Abendkühle kam plötzlich, und sie zitterte. Jetzt fiel ihr ein, daß sie ihre Campingausrüstung bei der Vespa liegen gelassen hatte.
Sie sah sich suchend um, erblickte hier und da Autos, manche bis an die Kühlerfiguren zugeweht. Der Gedanke, in einem dieser Särge Schutz zu suchen, machte sie elend – schlimmer als der schreckliche Sonnenbrand.
Ich bin im Delirium, dachte sie.
Nicht, daß es eine Rolle gespielt hätte.
Sie beschloß, lieber die ganze Nacht nach Westen zu marschieren, als in einem dieser Autos zu schlafen. Wenn dies nur der Mittlere Westen wäre! Sie hätte dann eine Scheune, einen Heuschober oder ein Kleefeld finden können. Etwas Sauberes und Weiches. Hier draußen gab es nur die Straße, den Sand, die ausgedörrte Wüste. Sie strich das lange weiße Haar aus dem Gesicht und stellte betroffen fest, daß sie wünschte, sie wäre tot.
Jetzt war die Sonne hinter dem Horizont, der Tag genau zwischen Licht und Dunkelheit. Der Wind, der nun über sie strich, war tödlich kalt. Sie sah sich um und hatte plötzlich Angst.
Er war zu kalt.
Die Spitzkuppen waren zu dunklen Monolithen geworden. Die Sanddünen wirkten wie unheimliche umgestürzte Kolosse. Selbst die Kandelaberkakteen sahen aus wie die Skelettfinger von anklagenden Toten, die sich aus flachen Gräbern durch den Sand emporreckten.
Oben das kosmische Rad des Himmels.
Eine Songzeile fiel ihr ein, aus einem Stück von Dylan, kalt und trostlos: Hunted like a crocodile... ravaged in the corn...
Und dem dicht auf den Fersen ein anderer Song, von den Eagles, plötzlich furchterregend: I want to sleep in the desert tonight... with a million stars all around...
Plötzlich wußte sie, er war da.
Noch bevor er etwas gesagt hatte, wußte sie es.
»Nadine.« Seineleise Stimme kam aus zunehmender Dunkelheit. Unendlich sanft, das letzte allumfassende Grauen, das wie eine Heimkehr war.
»Nadine, Nadine... wie ich es liebe zu lieben, Nadine.«
Sie drehte sich um, und da war er, wie sie immer gewußt hatte, dass es eines Tages geschehen würde; so einfach war das. Er saß auf der Haube einer alten Chevrolet-Limousine (war diese vor einem Augenblick schon da gewesen? Sie wußte es nicht mit Sicherheit, glaubte es aber nicht), hatte die Beine überkreuzt, die Hände locker auf den Knien der verblichenen Jeans liegen. Er sah sie an und lächelte sanft. Aber seine Augen waren überhaupt nicht sanft. Sie straften die Vorstellung Lügen, daß dieser Mann etwas Sanftes empfinden konnte. Sie sah schwarzes Vergnügen darin, das endlos tanzte, wie die Beine eines Mannes, der gerade durch die Plattform des Galgens gefallen ist.
»Hallo«, sagte sie. »Ich bin hier.«
»Ja. Endlich bist du hier. Wie versprochen.« Sein Lächeln wurde breiter, er streckte ihr die Hände entgegen. Sie nahm sie, und als sie ihm nahe war, spürte sie seine kochende Hitze. Er strahlte sie ab wie ein geheizter Kachelofen. Seine glatten Hände ohne Linien schlössen sich um ihre... und legten sich dann so fest wie Handschellen darum.
»Oh, Nadine«, flüsterte er und beugte sich vor, um sie zu küssen. Sie drehte den Kopf nur ein klein wenig und sah zum kalten Feuer der Sterne empor, und sein Kuß ging auf die Vertiefung oberhalb des Kinns, nicht auf die Lippen. Er ließ sich nicht täuschen. Sie spürte die spöttische Kurve seines Grinsens an ihrem Fleisch.
Er stößt mich ab, dachte sie.
Aber Abscheu war nur die schuppige Kruste über etwas Schlimmerem – einer verklebten, lange verborgenen Lust, einem zeitlosen Pickel, der reif war und bald eine widerliche Flüssigkeit absondern würde, einer Süße, die längst vergoren war. Seine Hände, die über ihren Rücken glitten, waren viel heißer als ihr Sonnenbrand. Sie drängte sich an ihn, und der schlanke Sattel zwischen ihren Beinen schien plötzlich dicker, voller, zärtlicher und bewußter zu sein. Der Saum ihrer Hose rieb zärtlich und obszön an ihr, bis sie sich selbst reiben wollte, um das Jucken loszuwerden, sich ein für allemal davon zu befreien.
»Sag mir eines«, bat sie.
»Alles.«
»Du hast gesagt >wie versprochen< Wer hat mich dir versprochen? Warum ich? Und wie soll ich dich nennen? Nicht einmal das weiss ich. Ich habe dich fast mein ganzes Leben lang gekannt und weiss nicht, wie ich dich nennen soll.«
»Nenn mich Richard. Das ist mein richtiger Name. Nenn mich so.«
»Das ist dein richtiger Name?« fragte sie zweifelnd, und er kicherte gegen ihren Hals, so daß sie vor Abscheu und Lust eine Gänsehaut bekam. »Und wer hat mich dir versprochen?«
»Nadine«, sagte er, »das habe ich vergessen. Komm.«
Er hielt immer noch ihre Hände, als er von der Motorhaube sprang, und sie hätte sich fast losgerissen und wäre weggelaufen... aber welchen Sinn hätte das gehabt? Er hätte sie verfolgt, gefangen und vergewaltigt.
»Der Mond«, sagte er. »Er ist voll. Wie ich.« Er schob ihre Hand auf den verblichenen und glatten Schritt seiner Jeans, und dort war etwas Schreckliches, das unter den kalten Noppen des Reißverschlusses ein pulsierendes Eigenleben führte.
»Nein«, murmelte sie und versuchte, ihre Hand wegzuziehen, und dachte daran, wie sehr sich dies von jener mondhellen Nacht unterschied, wie anders es war. Dies war das andere Ende des Regenbogens der Zeit.
Er zog ihre Hände zu sich. »Komm mit in die Wüste und sei meine Frau«, sagte er.
»Nein!«
»Es ist viel zu spät, nein zu sagen, Liebste.«
Sie ging mit ihm. Sie sah einen Schlafsack und die verkohlten Gebeine eines Lagerfeuers unter den silbernen Gebeinen des Mondes.
Er legte sie hin.
»Nun gut«, keuchte er. »Nun gut.« Seine Finger machten die Gürtelschnalle auf und dann den Knopf, dann den Reißverschluß. Sie sah, was er für sie hatte und begann zu kreischen. Bei diesem Laut schnellte das Grinsen des dunklen Mannes förmlich vorwärts, riesig und glitzernd und obszön in der Nacht, und der aufgeblähte und käsige Mond starrte mit leerem Blick auf sie beide herunter.
Nadine entrang sich ein Schrei nach dem anderen, und sie versuchte, von ihm fortzukriechen, und er packte sie; sie preßte die Beine, so fest sie konnte, zusammen, und als er eine seiner glatten Hände dazwischenschob, spreizte sie sie willenlos und dachte: Ich werde nach oben sehen... ich werde zum Mond sehen... ich werde nichts spüren, und es wird vorbei sein ...es wird vorbei sein... ich werde nichts spüren...
Und als seine tödliche Kälte in sie eindrang, wurde ihr Schreien schriller und brach sich Bahn, explodierte aus ihrer Kehle, und sie wehrte sich, aber die Gegenwehr war vergebens. Er rammte in sie, Eroberer, Zerstörer, und kaltes Blut rann an ihren Schenkeln hinab, und er war in ihr, bis zur Gebärmutter, und der Mond schien ihr in die Augen, kaltes und silbernes Feuer, und als er kam, war es wie geschmolzenes Eisen, geschmolzenes Roheisen, geschmolzenes Messing, und sie kam selbst, kam schreiend vor unermeßlicher Lust, vor Entsetzen, vor Grauen, wandelte durch die Pforten aus Eisen und Messing in die Wüste des Wahnsinns, wurde hindurch gejagt, hindurchgeiveht wie ein Blatt vom Bellen seines Gelächters, sah sein Gesicht schmelzen, und nun war es das zottelige Gesicht eines Dämons dicht über ihrem, eines Dämons mit grellen gelben Lampen als Augen, Fenster in eine nie für möglich gehaltene Hölle, und trotzdem war noch diese gräßliche Heiterkeit in ihnen, in diesen Augen, welche in die verwinkelten Gassen von tausend finsteren nächtlichen Städten gesehen hatten; diese Augen waren leuchtend und funkelnd und schließlich stumpf. Er fing noch einmal an... und noch einmal ... und noch einmal. Es schien, als wären seine Reserven nie verbraucht. Kalt. Er war tödlich kalt. Und alt. Älter als die Menschheit, älter als die Erde. Immer und immer wieder füllte er sie mit seiner nächtlichen Flüssigkeit und lachte brüllend. Erde. Licht. Und kam. Und kam noch einmal. Der letzte Schrei entrang sich ihr und wurde vom Wüstenwind aufgegriffen und in die entferntesten Kammern der Nacht geweht, hinaus, wo tausend Waffen daraufwartet en, daß ihr neuer Besitzer kam und sie für sich beanspruchte. Zotteliger Dämonenkopf, aus dem eine tief gegabelte Zunge hing. Sein toter Atem streifte über ihr Gesicht. Sie war jetzt im Land des Wahnsinns. Die eisernen Pforten waren geschlossen.
Der Mond...!
Der Mond war fast untergegangen.
Er hatte noch ein Kaninchen gefangen, hatte das zitternde kleine Ding mit bloßen Händen gehalten und ihm das Genick gebrochen. Er hatte ein neues Feuer auf den Gebeinen des ersten gemacht, und jetzt grillte das Kaninchen und ließ Duftschleier emporsteigen. Jetzt waren keine Wölfe mehr da. Heute nacht waren sie ferngeblieben – und das war nur mehr als recht und billig. Immerhin war dies seine Hochzeitsnacht, und das verwirrte und apathische Ding, das zusammengesunken auf der anderen Seite des Feuers saß, war seine errötende Braut.
Er griff hinüber und hob ihre Hand aus ihrem Schoß. Als er sie losließ, verharrte die Hand an Ort und Stelle, auf der Höhe des Mundes. Er studierte dieses Phänomen einen Augenblick, dann legte er die Hand wieder in ihren Schoß. Dort bewegten sich die Hände träge wie sterbende Schlangen. Er stieß zwei Finger vor ihre Augen, aber sie blinzelte nicht. Sie sah einfach nur ins Leere. Er war aufrichtig verwirrt.
Was hatte er mit ihr gemacht?
Er konnte sich nicht erinnern.
Es spielte auch keine Rolle. Sie war schwanger. Wenn sie darüber hinaus noch katatonisch war, was machte das? Sie war der perfekte Brutkasten. Sie würde seinen Sohn austragen, gebären, und dann hatte sie ihren Zweck erfüllt und konnte sterben. Schließlich war sie nur dazu da.
Das Kaninchen war fertig. Er brach es in zwei Hälften. Er riß ihre Hälfte in kleine Stückchen, wie Babynahrung. Er fütterte ihr ein Stück nach dem anderen. Manche Stückchen fielen ihr halb gekaut aus dem Mund in den Schoß, aber den größten Teil aß sie. Wenn sie so blieb, brauchte sie eine Krankenschwester. Vielleicht Jenny Engstrom.
»Es war sehr gut, Liebste«, sagte er leise.
Sie sah mit leeren Augen zum Mond hinauf. Flagg lächelte ihr zärtlich zu und verschlang sein Hochzeitsmahl.
Guter Sex machte ihn immer hungrig.
Er erwachte in der zweiten Nachthälfte und richtete sich verwirrt und voller Angst in seinem Schlaf sack auf... es war die instinktive, unwissende Angst eines Tieres – eines Raubtiers, das spürt, daß es vielleicht selbst gejagt wird.
War es ein Traum gewesen? Eine Vision...?
Sie kommen.
Erschrocken versuchte er, diesen Gedanken zu begreifen, ihn in einen Zusammenhang zu bringen. Aber es gelang ihm nicht. Er schwebte wie ein böser Zauber im Raum.
Sie sind schon näher.
Wer? Wer war schon näher?
Der Nachtwind flüsterte und schien ihm eine Witterung zuzutragen. Jemand kam und...
Jemand ging.
Während er schlief, war jemand in östlicher Richtung an seinem Lager vorbeigegangen. Der unbekannte Dritte? Er wußte es nicht. Es war Vollmondnacht. War der Dritte entkommen? Dieser Gedanke versetzte ihn in Panik.
Ja, aber wer kommt?
Er betrachtete Nadine. Sie schlief in Embryohaltung zusammengerollt, die Haltung, die sein Sohn in wenigen Monaten in ihrem Bauch einnehmen würde.
Sind es Monate?
Wieder hatte er das Gefühl, daß die Dinge an den Rändern unscharf wurden. Er legte sich wieder hin und glaubte, in dieser Nacht nicht mehr schlafen zu können. Aber er schlief doch. Und als er am nächsten Morgen nach Las Vegas fuhr, lächelte er wieder und hatte die nächtliche Panik fast vergessen. Nadine saß fügsam neben ihm auf dem Sitz, eine große Puppe mit einem sorgfältig in ihrem Leib verborgenen Samen.
Er fuhr zum Grand; dort erfuhr er, was geschehen war, während er schlief. Er sah den neuen Ausdruck in ihren Augen, argwöhnisch und fragend, und spürte wieder, wie ihn die Angst mit ihren leichten Mottenflügeln berührte.