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The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


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Ужасы


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In Williamson waren sie um eine Kurve gefahren und hatten einen großen Mülltransporter gesehen, der mitten auf der Straße auf der Seite lag. Daneben parkten ein Kombi und ein Abschleppwagen.

»Wir sind davon ausgegangen, daß es nur ein Unfall von vielen war«, sagte Dayna, die nervös einen Grahamcracker zwischen den Fingern zerkrümelte, »und genau das solltenwir natürlich auch denken.«

Sie stiegen von den Motorrädern ab, um sie um den Laster herumzuschieben, und da eröffneten die vier Hartgesottenen – um Richs Ausdruck zu verwenden – das Feuer aus dem Straßengraben. Sie hatten Rieh und Dämon getötet und sie, Dayna, ihrer Gruppe einverleibt, die sie manchmal den »Zoo« und manchmal den »Harem« nannten. Dayna war bereits die vierte Frau im »Harem«. Einer der drei anderen war Shirley Hammett, die damals noch fast normal gewesen war, obwohl sie wiederholt vergewaltigt worden war, auch anal, und man gezwungen hatte, bei allen vier Fellatio auszuführen. »Einmal«, sagte Dayne, »als sie sich mal in die Hosen geschissen hat, weil sich keiner der Kerle bequemte, mit ihr in die Büsche zu gehen, hat Ronnie ihr den Hintern mit einem Stück Stacheldraht abgewischt. Sie hat drei Tage lang aus dem After geblutet.«

»Jesus Christus«, sagte Stu. »Welcher war das?«

»Der Mann mit der Schrotflinte«, sagte Patty Kroger. »Dem ich den Schädel eingeschlagen habe. Ich wünschte, er würde hier vor mir liegen, damit ich es noch einmal machen kann.«

Den Mann mit dem sandfarbenen Bart und der Sonnenbrille hatten sie nur als »Doc« gekannt. Er und Virge gehörten zu einer Armeeinheit, die nach Akron geschickt worden war, als die Grippe ausbrach. Ihre Aufgabe war »Medienkontakt« gewesen, bei der Armee ein anderes Wort für »Medienunterdrückung«. Als sie diese Aufgabe einigermaßen im Griff hatten, waren sie der »Massenkontrolle« zugeteilt worden, ein Armeeausdruck für die Erschließung fliehender und das Hängen gefaßter Plünderer. Am 2.7. Juni, hatte Doc ihnen gesagt, wies die Befehlskette mehr Löcher als Glieder auf. Viele der eigenen Männer waren so krank, daß sie keinen Dienst mehr tun konnten, aber das spielte zu diesem Zeitpunkt schon keine Rolle mehr, da die Einwohner von Akron zu schwach waren, Nachrichten zu lesen oder zu schreiben, ganz zu schweigen davon, Banken und Juweliere zu überfallen. Am 30. Juni gab es die Einheit nicht mehr – ihre Mitglieder waren tot, lagen im Sterben oder waren in alle Winde zerstreut. Doc und Virge waren gewissermaßen die einzigen in alle Winde Zerstreuten, und da hatten sie ihr neues Leben als Zoowärter angefangen. Garvey war am 1. Juli dazugestoßen, Ronnie am 3. An diesem Punkt hatten sie keine neuen Mitglieder mehr in ihrem seltsamen kleinen Klub aufgenommen.

»Aber nach einer Weile müssen sie, die Gefangenen, doch in der Überzahl gewesen sein«, sagte Glen.

Unerwarteterweise antwortete Shirley Hammett darauf.

»Tabletten«, sagte sie und sah die anderen mit ihren ängstlichen Mausaugen unter den grauen Brauen hervor an. »Jeden Morgen Tabletten zum Aufstehen und jeden Abend Tabletten zum Hinlegen. Rauf und runter.« Ihre Stimme wurde immer leiser, das letzte war kaum zu hören. Sie machte eine Pause, dann fing sie wieder an zu murmeln.

Susan Stern nahm den Faden der Geschichte auf. Sie und eine der toten Frauen, Kachel Carmody, waren am 17. Juni außerhalb von Columbus aufgegriffen worden. Da reiste die Gruppe schon in einem Konvoi, der aus zwei Kombis und dem Abschleppwagen bestand. Mit dem Abschleppwagen räumten die Männer liegengebliebene Fahrzeuge aus dem Weg oder sperrten den Highway ab, je nachdem, was für Gelegenheiten sich boten. Doc führte die Hausapotheke in einem übergroßen Beutel am Gürtel mit sich. Starke Betäubungsmittel zum Schlafen; Beruhigungsmittel für die Reise; rote Pillen zum Aufmuntern.

»Ich stand morgens auf, wurde zwei– oder dreimal vergewaltigt und wartete nur darauf, daß Doc die Pillen verteilte«, sagte Susan nüchtern. »Die Tagespillen meine ich. Am dritten Tag hatte ich Abschürfungen an der... nun, Sie wissen schon, an der Vagina, und jede Art von normalem Verkehr war äußerst schmerzhaft. Ich hoffte auf Ronnie, denn Ronnie wollte immer nur einen geblasen bekommen. Aber nach den Pillen wurde man ganz ruhig. Nicht schläfrig, nur ruhig. Wenn man ein paar von diesen blauen Pillen geschmissen hatte, war einem alles scheißegal. Man wollte nur noch mit den Händen im Schoß dasitzen und zusehen, wie sie mit dem Abschleppwagen ein Hindernis aus dem Weg räumten. Eines Tages wurde Garvey wütend, weil ein Mädchen, sie konnte nicht älter als zwölf gewesen sein, sie wollte nicht... ich werde es Ihnen nicht erzählen. So schlimm war es. Garvey hat ihr einfach den Kopf weggepustet. Es war mir einerlei. Ich war nur... ruhig. Nach einer Weile dachte man fast nicht mehr an Flucht. Diese blauen Tabletten waren wichtiger als die Flucht.«

Dayna und Patty Kroger nickten.

Aber den Kerlen schien klarzusein, daß zwölf Frauen ihre Leistungsgrenze waren, sagte Patty. Als sie Patty am 22. Juli in ihren »Zoo« nahmen, nachdem sie den etwa fünfzigjährigen Mann, mit dem sie reiste, ermordet hatten, töteten sie eine sehr alte Frau, die etwa eine Woche Mitglied des »Zoo« gewesen war. Als das namenlose Mädchen in der Nähe von Archbold aufgegriffen wurde, hatten sie ein sechzehnjähriges Mädchen erschossen und im Straßengraben liegenlassen, weil es schielte. »Doc hat Witze darüber gemacht«, sagte Patty. »Er sagte immer: >Ich gehe nicht unter Leitern durch, ich laufe keiner schwarzen Katze über den Weg, und ich dulde keine dreizehn Frauen in meinem Zoo.<«

Am 29. hatten sie Stu und die anderen zum ersten Mal gesehen. Der Zoo hatte an einem Rastplatz an der Interstate gelagert, als die vier vorbeigefahren waren.



»Garvey war sehr angetan von Ihnen«, sagte Susan und nickte Frannie zu. Frannie erschauerte.

Dayna beugte sich näher zu ihnen und sagte: »Und die Kerle haben uns deutlich zu verstehen gegeben, wessen Platz Sie einnehmen sollten.« Sie nickte fast unmerklich zu Shirley Hammett, die immer noch murmelte und Grahamcracker aß.

»Die arme Frau«, sagte Frannie.

»Dayna kam zur Überzeugung, daß ihr unsere Chance sein könntet«, sagte Patty. »Oder vielleicht unsere letzte Chance. Es waren drei Männer in eurer Gruppe – das hatten sie und Heien Roget gesehen. Drei bewaffneteMänner. Und Doc war ein wenig zu selbstsicher geworden, was den Trick mit dem umgestürzten Wohnwagen auf der Straße anbelangt. Doc benahm sich einfach wie ein Beamter, und die Männer der Gruppen, denen sie begegneten – sofern überhaupt Männer dabeiwaren -, fügten sich einfach. Und wurden erschossen. Das funktionierte wie Zauberei.«

»Dayna hat uns gebeten zu versuchen, die Tabletten heute morgen nicht zu nehmen«, fuhr Susan fort. »Doc und die anderen achteten nicht mehr so genau darauf, ob wir sie wirklich nahmen, und wir wußten, heute morgen würden sie damit beschäftigt sein, den großen Wohnwagen auf die Straße zu schleppen und umzukippen. Wir haben es nicht allen gesagt. Nur Dayna und Patty und Heien Roget waren eingeweiht... eins der Mädchen, das Ronnie erschossen hat. Und natürlich ich. Heien sagte: >Wenn sie uns dabei erwischen, wie wir die Tabletten in die Handflächen spucken, bringen sie uns um.< Und Dayna sagte, früher oder später würden sie uns sowieso umbringen. Wenn wir Glück hatten, früher. Das war uns allen klar. Also haben wir es gemacht.«

»Ich mußte meine Tablette eine ganze Weile im Mund behalten«, sagte Patty. »Als ich sie endlich ausspucken konnte, hatte sie schon angefangen, sich aufzulösen.« Sie sah Dayna an. »Ich glaube, Helen mußte ihre sogar tatsächlich schlucken. Darum war sie so langsam.«

Dayna nickte. Sie betrachtete Stu mit einer Zuneigung, die Frannie unbehaglich stimmte. »Es hätte trotzdem nicht funktioniert, wenn du nicht so schnell geschaltet hättest, Großer.«

»Sieht so aus, als hätte ich längst nicht schnell genug geschaltet«, sagte Stu. »Aber nächstes Mal.« Er stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus. »Wißt ihr, das ist auch etwas, was mir angst macht«, sagte er. »Wie schnell wir alle schalten.«

Fran gefiel noch weniger, wie verständnisvoll Dayna ihm nachsah. Nach allem, was sie durchgemacht hatte, hatte Dayna kein Recht, verständnisvoll dreinzublicken. Und sie ist trotz allem viel hübscher als ich, dachte Fran. Und ich bezweifle, daß sie schwanger ist.

»In dieser Welt muß man schnell schalten, Großer«, sagte Dayna.

»Schnell schalten oder sterben.«

Stu drehte sich zu ihr um und sah sie zum ersten Mal wirklich an, und Frannie verspürte einen Stich unverhohlenster Eifersucht. Ich habe zu lange gewartet,dachte sie. Mein Gott, das habe ich, ich habe dagesessen und zu lange gewartet.

Sie sah zu Harold und stellte fest, daß Harold verhalten lächelte – hinter vorgehaltener Hand, damit man es nicht sah. Es sah wie ein erleichtertes Lächeln aus. Ihr war zumute, als müßte sie aufstehen, ganz beiläufig zu Harold gehen und ihm mit den Fingernägeln die Augen auskratzen.

Niemals, Harold! würde sie schreien, während sie das tat. Niemals!

Niemals?

Aus Fran Goldsmiths Tagebuch

11. Juli 1990

O Gott. Schlimmer hätte es nicht kommen können. In Romanen geschieht etwas, aber dann ist es auch vorbei, oder irgend etwas ändert sich. Aber im wirklichen Leben scheint es immer weiterzugehen, wie bei einer Familienserie, wo es nie zu einem Finale kommt. Vielleicht sollte ich jetzt etwas unternehmen, um die Dinge zu klären, es einfach riskieren, aber ich habe solche Angst, daß zwischen den beiden etwas passieren könnte und. Man kann einen Satz nicht mit »und« beenden, aber ich habe Angst davor, was nach der Konjunktion kommen könnte.

Laß mich dir alles erzählen, liebes Tagebuch, obwohl es wirklich keinen Spaß macht, es aufzuschreiben. Ich denke nicht mal gern daran.

Glen und Stu fuhren kurz vor Anbrach der Dämmerung in die Stadt (es handelt sich um Girard, Ohio) und wollten Lebensmittel besorgen, möglichst Nahrungskonzentrate oder gefriergetrocknete Sachen. Die sind leicht zu transportieren, und einige Konzentrate schmecken echt lecker, aber was mich betrifft, hat das ganze gefriergetrocknete Essen den gleichen Geschmack, nämlich wie getrocknete Truthahnkacke. Und wann hat man schon getrocknete Truthahnkacke gegessen, um mal einen Vergleich zu bringen? Vergiß es, Tagebuch, es gibt Dinge, über die man nie spricht, ha-ha.

Die anderen fragten Harold und mich, ob wir mitkommen wollten, aber ich sagte, ich hätte für heute die Nase voll vom Motorradfahren, und ob sie ohne mich auskommen könnten, und Harold sagte nein, er wolle Wasser holen und es abkochen. Wahrscheinlich heckte er schon einen Plan aus. Es tut mir leid, daß ich ihn so ränkeschmiedend darstelle, aber Tatsache ist, er ist es nun einmal.

Dazu eine Anmerkung: Wir alle haben gekochtes Wasser bis über beide Ohren satt, weil es schal und völlig SAUERSTOFFARM schmeckt, aber Mark und Glen sagen, die Fabriken usw. sind noch nicht lange genug außer Betrieb, daß sich die Bäche und Flüsse von selbst wieder gereinigt hätten, besonders im industrialisierten Norden und dem, wie man so sagt, Rostgürtel, daher kochen wir es ab, weil es sicherer ist. Wir hoffen alle, daß wir früher oder später einen großen Vorrat Mineralwasser in Flaschen finden, was eigentlich schon der Fall hätte sein müssen – sagt Harold -, aber ein Großteil scheint auf geheimnisvolle Weise verschwunden zu sein. Stu glaubt, viele Menschen haben gedacht, daß Leitungswasser sie krank macht, und darum haben sie viel Mineralwasser getrunken, bevor sie gestorben sind.

Nun, Mark und Perion waren irgendwo unterwegs, wahrscheinlich auf der Suche nach wilden Beeren als Abwechslung unseres Speisezettels, aber möglicherweise haben sie auch etwas anderes gemacht – sie sind ziemlich bescheiden deswegen & schüchtern, sage ich -, daher suchte ich zuerst Holz für ein Feuer und zündete dann eins für Harolds Kessel an... und etwas später kam er damit zurück (er war offenbar lange genug am Bach geblieben, ein Bad zu nehmen und sich das Haar zu waschen). Er hängte den Eimer ans Wie-heißt-es-doch-gleich über dem Feuer. Dann kommt er rüber & setzt sich neben mich.

Wir saßen auf einem Baumstamm und sprachen über dies und das, als er plötzlich den Arm um mich legte und versuchte, mich zu küssen. Ich sage versuchte, aber es gelang ihm tatsächlich, zumindest anfangs, weil ich so überrascht war. Dann riß ich mich von ihm los – im Rückblick wirkt es ziemlich komisch, obwohl mir noch alles weh tut – und fiel rückwärts vom Stamm runter. Der Rücken meiner Bluse ist zerrissen, und ich habe mir schätzungsweise einen Quadratmeter Haut abgeschürft. Ich stiess einen Schrei aus. Da wir schon davon gesprochen haben, daß sich die Geschichte wiederholt... das erinnert mich zu sehr an das Gespräch mit Jess auf dem Wellenbrecher, als ich mir auf die Zunge gebissen hatte... so sehr, daß es nicht tröstlich war. Innerhalb eines Augenblicks ist Harold neben mir auf den Knien, fragt, ob alles in Ordnung ist, und wird rot bis unter die frischgewaschenen Haarwurzeln. Harold versucht manchmal, so eiskalt zu sein, so gebildet – er kommt mir immer vor wie ein erschöpfter junger Schriftsteller, der ununterbrochen nach dem speziellen Traurigen Cafe am Westufer sucht, wo er den ganzen Tag sitzen und herumtrödeln, sich über Jean Paul Sartre unterhalten und billigen Fusel kippen kann – aber darunter verbirgt sich, gut versteckt, ein Teenager mit weit weniger reifen Phantasien. Glaube ich wenigstens. Hauptsächlich Phantasien aus Samstagsmatineen: Errol Flynn in Captain from Castile, Humphrey Bogart in Dark Passage, Steve McQueen in Bullitt. In Streßzeiten scheint immer diese Seite von ihm zum Vorschein zu kommen, vielleicht, weil er sie als Kind zu sehr unterdrückt hat, ich weiß nicht. Wie auch immer, wenn er versucht, einen auf Bogie zu machen, dann erinnert er mich immer nur an den Typen, der Bogie in Woody Allans Film Mach's noch einmal, Samgespielt hat.

Als er neben mir kniete und sagte: »Ist dir auch nichts passiert, Baby?«, fing ich an zu kichern. Wiederholt sich die Geschichte nicht tatsächlich? Aber es war nicht nur das Komische an der ganzen Sache, weißt du. Wenn das alles gewesen wäre, hätte ich mir das Kichern verkneifen können. Nein, es war mehr in der Gegend der Hysterie. Die schrecklichen Träume, die Angst um mein Baby, was ich mit meinen Gefühlen für Stu anfangen sollte, das tägliche Fahren, die Krämpfe, das Wundscheuern, der Verlust meiner Eltern, das alles schien plötzlich nicht mehr so schlimm... zuerst machte es sich durch Kichern Luft, dann durch hysterisches Gelächter, mit dem ich einfach nicht mehr aufhören konnte.

»Was ist so komisch?« fragte Harold und stand auf. Er hatte es wohl in seinem gewohnten selbstgerechten Ton sagen wollen, aber in diesem Augenblick dachte ich schon nicht mehr an Harold, sondern hatte dieses verrückte Bild von Donald Duck im Kopf. Donald Duck, der durch die Trümmer der westlichen Zivilisation watschelt und wütend quakt: Was ist so komisch, he? Was ist so verdammt komisch?Ich schlug die Hände vors Gesicht & kicherte & schluchzte & kicherte, bis Harold mich für total verrückt gehalten haben muß. Nach einer Weile konnte ich aufhören. Ich wischte mir die Tränen vom Gesicht und wollte Harold bitten nachzuschauen, wie schlimm ich mich am Rücken aufgeschürft hatte. Aber ich ließ es sein, weil ich fürchtete, er würde sich FREIHEITEN herausnehmen. Leben, Freiheit und das Streben nach Frannie, oh-ho, das ist nicht komisch.

»Fran«, sagte Harold, »es fällt mir schwer, das zu sagen.«

»Dann solltest du es vielleicht nicht sagen«, sagte ich.

»Ich muß«, antwortete er, und ich sah allmählich ein, daß er kein Nein akzeptieren würde, es sei denn, ich hätte ihn angeschrien.

»Frannie«, sagte er, »ich liebe dich.«

Ich hatte wohl die ganze Zeit gewußt, daß es so schwärmerisch war. Es wäre leichter gewesen, wenn er nur mit mir hätte schlafen wollen. Liebe ist gefährlicher als bloßes Bumsen, und ich steckte in der Klemme. Wie sollte ich nein zu Harold sagen? Ich schätze, es gibt nur eine Methode, ganz gleich, wem man es sagen muß.

»Ich liebe dich nicht, Harold«, sagte ich.

Seine Gesichtszüge entgleisten. »Er ist es, nicht wahr?« sagte er, und jetzt wurde sein Gesicht zu einer häßlichen Fratze. »Es ist Stu Redman, nicht wahr?«

»Ich weiß es nicht«, sagte ich. Ich habe ein Temperament, das ich leider nicht immer zügeln kann – das habe ich von meiner Mutter, glaube ich. Bei Harold allerdings habe ich mir bewundernswerte Mühe gegeben. Aber ich merkte, wie es an seinen Zügeln zerrte.

»Ich weiß.« Seine Stimme war schrill und voller Selbstmitleid. »Ich weiß schon. Ich wußte es schon am ersten Tag, als wir ihn trafen. Ich wollte nicht, daß er mitkommt, weil ich es wußte. Und er hat gesagt...«

»Was hat er gesagt?«

»Daß er dich nicht will! Daß du mir gehören kannst!«

»Als hätte er dir ein neues Paar Schuhe geschenkt, richtig, Harold?«

Er antwortete nicht; vielleicht weil ihm klar wurde, daß er zu weit gegangen war. Mit etwas Mühe erinnerte ich mich an den Tag in Fabyan. Harolds erste Reaktion auf Stu war die eines Hundes gewesen, wenn ein neuer Hund, ein fremder Hund, ins Revier des ersten Hundes kommt. In sein Revier. Ich konnte fast sehen, wie sich Harolds Nackenhärchen aufstellten. Mir wurde klar, was Stu gesagt hatte; er hatte es gesagt, um uns aus der Gattung der Hunde herauszuholen und wieder in die Gattung der Menschen zu bringen. Und geht es nicht ganz genau darum? Ich meine, bei diesem unvorstellbaren Kampf, in den wir gerade verwickelt sind? Wenn nicht, warum machen wir uns dann überhaupt erst die Mühe und versuchen, uns zivilisiert zu benehmen?

»Ich gehöre niemandem, Harold«, sagte ich.

Er murmelte etwas.

»Was?«

»Ich sagte, du wirst deine Meinung vielleicht ändern müssen.«

Mir fiel eine scharfe Erwiderung ein, aber ich sprach sie nicht aus. Harolds Augen blickten in die Ferne; sein Gesicht war sehr still und ausdruckslos. Dann sagte er: »Ich kenne den Typ schon lange. Das kannst du mir glauben, Frannie. Der Kerl ist Quarterback der Footballmannschaft, sitzt aber im Unterricht nur da, schießt Krampen und zeigt Leuten den Vogel, weil er weiß, der Lehrer muß ihm mindestens eine 3 geben, damit er in der Schulmannschaft weiterspielen kann. Der Typ geht fest mit der hübschesten Cheerleaderin, und sie hält ihn für Jesus Christus persönlich. Der Typ, der furzt, wenn der Englischlehrer dich bittet, deinen Aufsatz vorzulesen, weil es der beste der ganzen Klasse ist. O ja, ich kenne Pisser wie ihn. Viel Glück, Fran.«

Dann ging er einfach davon. Ich bin ziemlich sicher, es war nicht der GROSSE DONNERNDE ABGANG, den er wollte. Es war mehr so, als hätte er einen geheimen Traum gehabt, in den ich gerade jede Menge Löcher geschossen hatte – den Traum, daß sich alles geändert hatte, aber in Wahrheit hatte sich gar nichts geändert. Bei Gott, er tat mir schrecklich leid, denn als er wegging, da spielte er nicht den ermatteten Zyniker, sondern er empfand ECHTEN Zynismus, und auch nicht ermattet, sondern scharf & verletzend wie eine Messerklinge. Er war geprügelt. Aber Harold wird nie begreifen, daß er zuerst seinen Kopf etwas verändern muß, daß die Welt immer gleichbleiben wird, solange er gleichbleibt. Er hortet Maßregelungen, wie Piraten angeblich Schätze horten...

Nun gut. Jetzt sind alle wieder da, das Essen ist verzehrt, Zigaretten geraucht, Veronal ausgegeben (meins ist in meiner Tasche, statt sich in meinem Magen aufzulösen), alle richten sich für die Nacht ein. Harold und ich haben eine schmerzliche Konfrontation hinter uns, aber ich habe das Gefühl, daß sich nichts wirklich aufgeklärt hat und daß er Stu und mich beobachtet, um zu sehen, was als nächstes passieren wird. Es macht mich krank und unnötig wütend, das zu schreiben. Welches Recht hat er, uns zu beobachten? Welches Recht hat er, diese erbärmliche Situation, in der wir uns befinden, noch zu verkomplizieren ?

Zur Erinnerung:Tut mir leid, Tagebuch. Muß an meiner Verfassung liegen. Ich kann mich an überhaupt nichts mehr erinnern.



Als Frannie ihn fand, saß Stu auf einem Stein und rauchte eine Zigarre. Er hatte mit dem Absatz ein kleines rundes Loch in den Boden gescharrt und benutzte es als Aschenbecher. Er sah nach Westen, in den Sonnenuntergang. Die Wolken waren gerade so weit aufgerissen, daß die rote Sonne den Kopf durchstrecken konnte. Obwohl Frannie und die anderen die vier Frauen erst gestern getroffen und in ihre Gemeinschaft aufgenommen hatten, schien es schon lange zurückzuliegen. Sie hatten einen der Kombiwagen ohne große Mühe aus dem Straßengraben geschoben, und jetzt waren sie mit den Motorrädern schon eine ziemliche Karawane, die auf der Mautstraße langsam nach Westen fuhr.

Der Geruch des Zigarrenrauchs ließ Frannie an ihren Vater und dessen Pfeife denken. Mit dieser Erinnerung kam der Kummer, der schon fast zu Nostalgie abgeschwächt war. Ich komme darüber hinweg, daß ich dich verloren habe, Daddy, dachte sie. Ich glaube, es macht mir nichts aus.

Stu drehte sich um. »Frannie«, sagte er aufrichtig erfreut. »Wie geht es dir?«

Sie zuckte die Achseln. »So einigermaßen.«

»Willst du dich zu mir auf den Stein setzen und den Sonnenuntergang betrachten?«

Sie setzte sich zu ihm, und ihr Herz klopfte ein wenig schneller. Aber warum war sie sonst hergekommen? Sie hatte gewußt, in welcher Richtung er das Lager verlassen hatte, wie sie gewußt hatte, dass Harold und Glen und zwei der Mädchen nach Brighton gefahren waren, um ein CB-Funkgerät aufzutreiben (zur Abwechslung Glens und nicht Harolds Idee). Patty Kroger war im Lager und machte Babysitter bei ihren kampfesmüden Patientinnen. Shirley Hammett schien allmählich aus ihrer Lethargie zu erwachen, aber heute morgen hatte sie alle anderen aufgeweckt, weil sie im Schlaf geschrien und mit den Händen abwehrend in der Luft herumgefuchtelt hatte. Die andere Frau, die ohne Namen, schien sich in die andere Richtung zu entwickeln. Sie saß nur da. Sie aß, wenn sie gefüttert wurde. Sie führte die Ausscheidungsfunktionen aus. Sie beantwortete keine Fragen. Nur im Schlaf wurde sie richtig wach. Selbst mit einer großen Dosis Veronal stöhnte sie häufig und kreischte manchmal. Frannie glaubte ziemlich sicher zu wissen, wovon die arme Frau träumte.

»Es scheint, als hätten wir noch einen langen Weg vor uns, was?«

Stu antwortete eine Weile nicht und sagte dann: »Es ist weiter, als wir dachten. Die alte Frau ist nicht mehr in Nebraska.«

»Ich weiß...«, fing sie an und verschluckte den Rest. Er sah sie resigniert grinsend an. »Sie haben Ihre Medizin nicht genommen, Ma'am.«

»Mein Geheimnis ist enthüllt«, sagte sie mit einem ebenso schwachen Lächeln.

»Wir sind nicht die einzigen«, sagte Stu. »Ich habe heute nachmittag mit Dayna gesprochen« (sie empfand den inneren Stich der Eifersucht – und Angst-, weil er ihren Namen so vertraut aussprach), »und sie sagte mir, daß weder sie noch Susan die Tabletten nehmen wollen.«

Fran nickte. »Warum hast du damit aufgehört? Hat man dich... dort unter Drogen gesetzt?«

Er ließ die Asche in den Erdbodenaschenbecher fallen. »Abends leichte Beruhigungsmittel, mehr nicht. Sie mußten mich nicht unter Drogen setzen. Ich war sicher und wohlbehalten eingesperrt. Nein, ich habe vor drei Tagen damit aufgehört, weil ich... mir abgeschnitten vorkam.« Er überlegte einen Augenblick und führte dann weiter aus:

»Glen und Harold wollen ein CB -Funkgerät holen, das war eine wirklich gute Idee. Wozu braucht man Sender-Empfänger? Damit man nicht abgeschnitten ist. Ein Freund von mir in Arnette, Tony Leominster, hatte eins in seinem Scout. Tolles Spielzeug. Man kann mit Leuten reden, und wenn man in Schwierigkeiten kommt, kann man Hilfe rufen. Diese Träume sind fast so, als hätten wir ein CB im Kopf, aber die Übertragung scheint gestört zu sein, wir können nur empfangen.«

»Vielleicht sendenwir auch«, sagte Fran leise.

Er sah sie verblüfft an.

Sie saßen eine Weile schweigend da. Die Sonne blinzelte durch die Wolken, als wollte sie auf dem Weg zum Horizont rasch Lebewohl sagen. Fran begriff, warum primitive Völker sie anbeteten. Während die gigantische Stille der fast leeren Landschaft sich von Tag zu Tag anhäufte, ihre Wahrhaftigkeit sich durch ihr bloßes Gewicht dem Gehirn einprägte, wirkten die Sonne – und der Mond, was das betraf – viel größer und wichtiger. Persönlicher. Diese großen Himmelsschiffe sah man jetzt wieder wie durch die Augen eines Kindes.

»Jedenfalls habe ich aufgehört«, sagte Stu. »Letzte Nacht habe ich wieder von diesem schwarzen Mann geträumt. Es war bis jetzt der schlimmste Traum. Er ist jetzt irgendwo in der Wüste. In Las Vegas, glaube ich. Und Frannie... ich glaube, er kreuzigt Menschen. Solche, die ihm Schwierigkeiten machen.«

» Wasmacht er?«

»Das habe ich geträumt. Reihenweise Kreuze am Highway 15, die aus Scheunenbalken und Telegrafenmasten gemacht sind. Und daran hängen Menschen.«

»Nur ein Traum«, sagte sie erschaudernd.

»Vielleicht.« Er rauchte und sah nach Westen, den rotgetönten Wolken nach. »Aber in den beiden anderen Nächten, bevor wir diese Wahnsinnigen mit den Frauen getroffen haben, habe ich von ihr geträumt – von der Frau, die sich Mutter Abagail nennt. Sie saß im Fahrerhaus eines alten Kleintransporters, der am Rand des Highway 76 parkte. Ich stand daneben, lehnte mit einem Arm am Fenster und unterhielt mich mit ihr so ungezwungen wie mit dir. Und sie sagt:

>Du mußt noch schneller mit ihnen reisen, Stuart; wenn eine alte Dame wie ich es kann, sollte es ein großer, kräftiger Bursche aus Texas erst recht können !<« Stu lachte, ließ die Zigarre fallen, zertrat sie unter dem Absatz. Auf geistesabwesende Weise, als wüßte er nicht, was er tat, legte er Frannie einen Arm um die Schulter.

»Sie fahren nach Colorado«, sagte sie.

»Äh, ja, das glaube ich auch.«

»Haben... haben Dayna oder Susan von ihr geträumt?«

»Beide. Und letzte Nacht hat Susan von den Kreuzen geträumt. Genau wie ich.«

»Es sind jetzt eine Menge Leute bei der alten Frau.«

Stu stimmte zu. »Zwanzig, vielleicht mehr. Weißt du, wir kommen fast jeden Tag an Menschen vorbei. Sie verstecken sich und warten, bis wir weg sind. Sie haben Angst vor uns, aber zu ihr... zu ihr werden sie gehen, glaube ich. Wenn die Zeit gekommen ist.«

»Oder zu dem anderen«, sagte Frannie.

Stu nickte. »Ja, oder zu ihm, Fran. Warum nimmst du das Veronal nicht mehr?«

Sie stieß einen zitternden Seufzer aus und fragte sich, ob sie es ihm sagen sollte. Sie wollte es, wußte aber nicht, wie er reagieren würde.

»Man weiß nie, was eine Frau tun wird«, sagte sie schließlich.

»Nein«, stimmte er zu. »Aber vielleicht kann man feststellen, was sie denkt.«

»Was...«, fing sie an, aber er verschloß ihr den Mund mit einem Kuß.



Sie lagen im letzten Dämmerschein im Gras. Leuchtendes Rot war kaltem Purpur gewichen, während sie sich liebten, und jetzt konnte Frannie die Sterne durch die letzten Wolken funkeln sehen. Morgen würden sie gutes Reisewetter haben. Mit etwas Glück konnten sie fast ganz Indiana hinter sich bringen.

Stu schlug träge nach einer Stechmücke, die über seiner Brust schwebte. Sein Hemd hing in der Nähe an einem Busch. Fran hatte die Bluse an, aber aufgeknöpft. Ihre Brüste rieben an Stoff, und sie dachte: Ich werde merklich dicker... noch sieht's keiner, nur ich selbst.

»Ich wollte dich schon ziemlich lange«, sagte Stu, ohne sie direkt anzusehen. »Ich glaube, das weißt du.«

»Ich wollte Schwierigkeiten mit Harold vermeiden«, sagte sie. »Und da ist noch etwas, das...»

»Harold muß noch viel lernen«, sagte Stu, »aber er hat das Zeug zu einem prima Kerl in sich, wenn er sich zusammenreißt. Du magst ihn, oder nicht?«

»Das ist nicht das richtige Wort. Es gibt im Englischen kein Wort für das, was ich für Harold empfinde.«

»Und was empfindest du für mich?« fragte er.

Sie sah ihn an und stellte fest, es war ihr unmöglich, ihm zu sagen, daß sie ihn liebte, jedenfalls so direkt, obwohl sie es wollte.

»Nein«, sagte er, als hätte sie ihm widersprochen. »Ich möchte nur klare Verhältnisse. Du willst nicht, daß Harold jetzt schon davon erfährt. Ist es nicht so?«

»Ja«, sagte sie dankbar.

»Ist auch besser so. Wenn wir uns etwas zurückhalten, regelt sich vielleicht alles von selbst. Ich habe gesehen, wie er manchmal Patty anschaut. Sie ist ungefähr in seinem Alter.«

»Ich weiß nicht...«

»Du empfindest ihm gegenüber aus Verpflichtung Dankbarkeit, richtig?«

»Ich glaube schon. Wir waren die einzigen Überlebenden in Ogunquit und...«

»Das war Zufall, Frannie, reines Glück, mehr nicht. Das verpflichtet dich zu gar nichts.«

»Vermutlich.«

»Ich glaube, ich liebe dich«, sagte er. »Es fällt mir nicht leicht, das zu sagen.«

»Ich glaube, ich liebe dich auch. Aber da ist noch etwas...«

»Das wußte ich.«

»Du hast mich gefragt, warum ich die Tabletten nicht mehr nehme.«

Sie zupfte an ihrer Bluse und wagte nicht, ihn anzusehen. Ihre Lippen fühlten sich ungewöhnlich trocken an. »Ich habe gedacht, sie wären schlecht für das Baby«, flüsterte sie.

»Für das...« Er verstummte. Dann nahm er sie und drehte sie zu sich. »Du bist schwanger

Sie nickte.

»Und hast du keinem gesagt?«

»Nein.«

»Harold. Weiß Harold es?«

»Nur du.«

»Gott im Himmel«, sagte er. Er sah ihr auf eine so intensive Weise ins Gesicht, daß sie Angst bekam. Sie hatte sich zwei Möglichkeiten vorgestellt: Er würde sie auf der Stelle verlassen (was Jess zweifellos gemacht hätte, hätte er herausgefunden, daß sie von einem anderen Mann schwanger war), oder er würde sie in den Arm nehmen, ihr sagen, sie solle sich keine grauen Haare wachsen lassen, er würde sich um alles kümmern. Diese verblüffte, eingehende Musterung hatte sie nicht erwartet, und sie mußte an den Abend denken, als sie es ihrem Vater im Garten gesagt hatte. Er hatte sie ganz ähnlich angesehen. Sie wünschte sich, sie hätte Stu ihren Zustand gestanden, bevor er mit ihr geschlafen hatte. Vielleicht hätten sie dann überhaupt nicht miteinander geschlafen, aber wenigstens hätte er dann nicht das Gefühl gehabt, daß er an der Nase herumgeführt worden war, daß sie... wie lautete der alte Ausdruck? Aus zweiter Hand war. Dachte er das? Sie konnte es nicht sagen.

»Stu?« sagte sie mit ängstlicher Stimme.

»Du hast es keinem gesagt«, wiederholte er.

»Ich wußte nicht wie.« Jetzt waren die Tränen dicht unter der Oberfläche.


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