Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"
Автор книги: Stephen Edwin King
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Ужасы
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Rachel besaß wenigstens soviel Anstand, daraufhin zu erröten; sie hatte sich sogar ein bißchen entschuldigt. Aber danach hatte Nadine das Mädchen kaum noch zu Gesicht bekommen; dabei war Rachel Timms eines der wenigen Mädchen gewesen, denen sich Nadine in den ersten drei Semestern am College wirklich verbunden gefühlt hatte.
Bis heute hatte sie niemals mehr eine dieser dreieckigen Spinnen aus Hartfaser angefaßt.
Aber die Zeit war... nun, die Zeit war endlich gekommen, oder nicht? Ja, wahrhaftig.
Nadine setzte sich mit klopfendem Herzen auf die Picknickbank und drückte die Finger leicht gegen zwei der drei Seiten des Bretts. Sie spürte fast auf der Stelle, wie es sich unter ihren Fingerspitzen zu bewegen anfing, und mußte an ein Auto mit Motor im Leerlauf denken. Aber wer war der Fahrer? Wer war er wirklich? Wer würde einsteigen, die Tür zuschlagen, die braungebrannten Hände um das Lenkrad klammern? Wessen Fuß würde brutal und gewichtig, mit einem alten, zerschlissenen Cowboystiefel angetan, aufs Gaspedal treten und sie fortbringen... wohin?
Fahrer, wohin bringst du uns?
Nadine, die weder auf Hilfe noch auf Erlösung hoffte, saß aufrecht auf der Bank am Fuß des Flagstaff Mountain in der schwarzen Senke des frühen Morgens, riß die Augen auf und empfand das Gefühl, an der Grenze zu stehen, stärker denn je. Sie sah nach Osten, spürte seine Präsenz aber hinter sich, wie sie sich heftig an sie drängte, sie hinabzog wie an den Füßen einer toten Frau festgebundene Gewichte: Flaggs dunkle Präsenz, die in konstanten, unentrinnbaren Wogen übermittelt wurde.
Irgendwo war der dunkle Mann in der Nacht unterwegs, und sie sprach die drei Worte wie eine Beschwörung aller bösen Geister aus, die jemals existierten – Beschwörung und Aufforderung zugleich:
»Sag es mir.«
Unter ihren Fingern fing das Brett an zu zucken.
54
Auszüge aus dem Protokoll der
Sitzung des ständigen Komitees der Freien Zone
19. August 1990
Diese Sitzung fand in Stu Redmans und Fran Goldsmiths Wohnung statt. Alle Mitglieder des Komitees der Freien Zone waren anwesend. Stu Redman gratulierte uns allen, einschließlich sich selbst, zu unserer Wahl in das ständige Komitee. Er stellte den Antrag, einen Dankesbrief an Harold Lauder abzufassen und von jedem Mitglied des Komitees unterzeichnen zu lassen. Dieser wurde einstimmig angenommen.
Stu: »Wenn wir die alten Sachen erledigt haben, hat Glen Bateman ein paar neue Themen. Ich weiß ebensowenig, worum es sich handelt, wie ihr, aber ich nehme an, eines davon hat mit der nächsten öffentlichen Versammlung zu tun. Richtig, Glen?«
Glen: »Ich warte ab, bis ich dran bin.«
Stu: »Typisch Platte. Der Hauptunterschied zwischen einem Betrunkenen und einem alten glatzköpfigen Collegeprofessor ist der, daß der Professor wartet, bis er an der Reihe ist, bevor er einem das Ohr vollschwätzt.«
Glen: »Danke für diese Perlen der Weisheit, Ost-Texaner.«
Fran sagte, sie würde sehen, daß Stu und Glen sich prächtig amüsierten, aber ob sie nicht vielleicht doch zur Sache kommen konnten, da ihre Lieblingssendungen im Fernsehen alle um neun anfingen. Diese Bemerkung erntete mehr Gelächter, als sie wahrscheinlich verdient hatte.
Der erste richtige Tagesordnungspunkt waren unsere Kundschafter im Westen. Zur Erinnerung, das Komitee hat entschieden, Richter Farris, Tom Cullen und Dayna Jürgens zu schicken. Stu schlug vor, wer den jeweiligen Kandidaten nominiert habe, solle ihm auch den Vorschlag unterbreiten – will heißen, Larry Underwood fragt den Richter, Nick wird mit Tom reden müssen – mit Ralph Brentners Hilfe – und Sue wird mit Dayna reden.
Nick sagte, es könnte ein paar Tage erfordern, mit Tom zu arbeiten, und Stu sagte, damit wäre wohl das Thema angeschnitten, wann man sie schicken sollte. Larry sagte, man könnte sie nicht zusammen schicken, sonst würden sie möglicherweise alle zusammen erwischt werden. Er führte weiter aus, daß sowohl der Richter wie auch Dayna sicher vermuten würden, daß wir mehr als einen Spion geschickt hätten, aber wenn sie keine Namen wüßten, könnten sie auch nichts ausplaudern. Fran meinte, plaudern wäre kaum das richtige Wort, wenn man überlegte, was der Mann im Westen mit ihnen anstellen konnte – wenn es ein Mann war. Glen: »Ich an deiner Stelle würde nicht alles so schwarz sehen, Fran. Wenn wir unserem Gegenspieler auch nur ein Minimum an Intelligenz unterstellen, wird er wissen, daß wir unseren Agenten – so könnte man sie wohl nennen – keine Informationen mitgeben, die wir als seinen Interessen dienlich betrachten. Er wird wissen, daß ihm Folter wenig nützen wird.«
Fran: »Du meinst, er wird ihnen wahrscheinlich die Köpfe streicheln und sie ermahnen, es nicht noch mal zu tun? Ich könnte mir denken, er foltert sie einfach aus dem Grund, weil ihm Folter gefällt. Was sagst du dazu?«
Glen: »Ich glaube, dazu kannich nicht viel sagen.«
Stu: »Die Entscheidung wurde getroffen, Frannie. Wir waren uns alle einig, daß wir unsere Leute in eine gefährliche Situation schicken, und wir wissen auch alle, daß uns die Entscheidung nicht leichtgefallen ist.«
Glen schlug vor, daß wir uns vorbehaltlich auf folgenden Zeitplan einigen: Der Richter bricht am 26. August auf, Dayna am 27. und Tom am 28.; keiner weiß von den anderen, jeder benützt eine andere Straße. Damit bliebe auch genügend Zeit, mit Tom zu arbeiten, fügte er hinzu.
Nick sagte, mit Ausnahme von Tom Cullen, der durch posthypnotische Suggestion gesagt bekommen würde, wann er zurückkommen mußte, würden die anderen sich auf ihren gesunden Menschenverstand verlassen und den Zeitpunkt für ihre Rückkehr selbst bestimmen müssen, aber das Wetter könnte zu einem Faktor werden – in der ersten Oktoberwoche kann es in den Bergen schon heftig schneien. Nick schlug vor, ihnen zu raten, sich nicht länger als drei Wochen im Westen aufzuhalten.
Fran meinte, sie könnten nach Süden ausweichen, wenn in den Bergen früh Schnee fiel, aber Larry widersprach und gab zu bedenken, daß die Sangre-deCristo-Kette im Wege war, wenn sie nicht bis runter nach Mexiko auswichen. Wenn sie das machten, würden wir sie wahrscheinlich erst im Frühjahr wiedersehen. Larry sagte, wenn das der Fall war, sollte man dem Richter lieber einen Vorsprung geben. Er schlug den 21. August vor, übermorgen. Damit war das Thema Kundschafter – oder Spione, wenn man so will – abgehandelt.
Dann wurde Glen das Wort erteilt; ich zitiere jetzt die Tonbandaufzeichnung:
Glen: »Ich möchte beantragen, daß wir eine weitere öffentliche Versammlung für den 25. August einberufen und schlage einige Punkte vor, die auf dieser Versammlung angesprochen werden sollten.
Zu Anfang möchte ich auf etwas hinweisen, das euch vielleicht überraschen wird. Wir haben angenommen, daß sich etwa sechshundert Leute in der Zone aufhalten; Ralph hat über die größeren Gruppen, die eingetroffen sind, bewundernswert genau Buch geführt, und auf diesen Zahlen basieren unsere Schätzungen der Bevölkerungszahl. Aber es sind auch Leute tröpfchenweise eingetrudelt, manchmal bis zu zehn pro Tag. Ich bin darum heute mit Leo Rockway zum Chautauqua-Auditorium gegangen, und wir haben die Stühle gezählt. Es sind sechshundertsieben Stück. Sagt euch das etwas?«
Sue Stern meinte, das könnte nicht stimmen, denn viele, die keinen Sitzplatz bekamen, hätten in den Gängen gesessen oder hinten gestanden. Dann verstanden wir alle, worauf Glen hinaus wollte, und man könnte sagen, das Komitee war wie vom Donner gerührt. Glen: »Wir können nicht abschätzen, wie viele Stehplätze und Sitzplätze in den Gängen belegt waren, aber ich kann mich noch gut an die Versammlung erinnern und würde sagen, hundert wäre eine ziemlich zurückhaltende Schätzung. Ihr seht also, wir haben schon über siebenhundert Menschen hier in der Zone. Als Folge der Entdeckung, die Leo und ich heute gemacht haben, würde ich beantragen, daß wir als einen Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung ein Volkszählungskomitee setzen.«
Ralph: »Hol's der Teufel! Das hat aber gesessen!«
Glen: »Es ist nicht deine Schuld. Du hast schätzungsweise ein halbes Dutzend Eisen im Feuer, und wir sind uns alle einig, daß du sie hervorragend geschmiedet hast...«
Larry: »Das kann man wohl sagen.«, Glen: »...aber selbst wenn nur vier Vereinzelte täglich eingetroffen sind, macht das fast dreißig pro Woche. Meiner Schätzung nach sind es aber eher zwölf bis vierzehn. Wißt ihr, sie kommen nicht einfach zu einem von uns und stellen sich vor, und da Mutter Abagail nicht da ist, haben sie keinen Anlaufpunkt nach ihrem Eintreffen.«
Daraufhin unterstützte Fran Goldsmith Glens Antrag, daß das Komitee ein Volkszählungskomitee auf die Tagesordnung der Sitzung am 25. August setzen sollte. Besagtes Komitee sollte dafür verantwortlich sein, jeden Einwohner der Freien Zone zu erfassen. Larry: »Ich bin auch dafür, wenn es einen stichhaltigen, praktischen Grund dafür gibt. Aber...«
Nick: »Aber was, Larry?«
Larry: »Nun, haben wir nicht genügend anderes, um das wir uns Sorgen machen müssen, auch ohne Korinthenkackerei und kleinkarierte Bürokratie?«
Fran: »Mir fällt gleich ein stichhaltiger Grund ein, Larry.«
Larry: »Was für einer?«
Fran: »Nun, wenn Glen recht hat, bedeutet das, wir brauchen für die nächste Versammlung einen größeren Saal. Das ist eines. Wenn wir bis zum fünfundzwanzigsten achthundert Menschen hier haben, bekommen wir die nie alle ins Chautauqua Auditorium gequetscht.«
Ralph: »Herrgott, daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht. Ich habe euch ja gesagt, daß ich für diese Arbeit nicht geeignet bin.«
Stu: »Ruhig, Ralph, du machst das großartig.«
Sue: »Und wo sollen wir die verdammte Versammlung abhalten?«
Glen: »Moment mal, Moment mal. Eins nach dem anderen. Es ist ein Antrag eingebracht worden!«
Es wurde 7:0 beschlossen, das Volkszählungskomitee auf die Tagesordnung der nächsten öffentlichen Versammlung zu setzen. Stu schlug daraufhin vor, wir sollten die Versammlung am 25. August im Munzinger Auditorium der C.U. abhalten, das eine größere Kapazität hat – wahrscheinlich über tausend.
Dann bat Glen wieder ums Wort, das ihm erteilt wurde. Glen: »Bevor wir fortfahren, möchte ich noch darauf hinweisen, dass es noch einen guten Grund für das Volkszählungskomitee gibt, und der ist wichtiger als die Frage, wieviel Snacks und Chipstüten wir zu den Versammlungen mitbringen müssen. Wir sollten wissen, wer kommt, aber wir sollten auch wissen, wer geht. Ich glaube nämlich, daß auch welche gehen, wißt ihr. Vielleicht ist es nur Paranoia, aber ich könnte schwören, daß es Gesichter gibt, an die ich mich gewöhnt habe, die einfach nicht mehr da sind. Wie auch immer, als wir im Chautauqua Auditorium fertig waren, sind Leo und ich zu Charlie Impenings Haus gefahren. Und wißt ihr was? Das Haus ist leer, Charlies Sachen sind fort, und Charlies BSA auch.«
Aufruhr des Komitees, auch Schimpfworte, die zwar durchaus phantasievoll waren, aber in diesem Protokoll nichts zu suchen haben.
Daraufhin fragte Ralph, was es uns nützen würde, zu wissen, wer geht. Er sagte, wenn Leute wie Impening sich auf die Seite des dunklen Mannes schlagen wollten, sollten wir doch froh sein, daß wir sie los sind. Mehrere Mitglieder des Komitees spendeten Ralph Beifall, der wie ein Schuljunge errötete, wie ich hinzufügen möchte. Sue: »Nein, ich verstehe Glen. Es wäre wie ein konstanter Informationsabfluß.«
Ralph: »Und was können wir machen? Sie ins Gefängnis stecken?«
Glen: »So häßlich es sich anhören mag, ich glaube, wir sollten ernsthaft darüber nachdenken.«
Fran: »Nein, Sir. Spione schicken... damit werde ich fertig. Aber Leute, die hierhergekommen sind, einsperren, weil ihnen nicht gefällt, was wir machen? Himmel, Glen! Das sind Polizeistaatmethoden!«
Glen: »Ja, genau darauf läuft es hinaus. Aber unsere Situation hier ist äußerst prekär. Du bringst mich in eine Position, wo ich Repressionen befürworten muß, und das ist ziemlich unfair. Ich habe nur gefragt, ob ihr es angesichts unseres Gegenspielers dulden wollt, daß Informationen abfließen.«
Fran: »Es gefällt mir trotzdem nicht. In den fünfziger Jahren hatte Joe McCarthy den Kommunismus. Wir haben den dunklen Mann. Wie schön für uns.«
Glen: »Fran, möchtest du das Risiko eingehen, daß jemand mit einer Information von entscheidender Wichtigkeit von hier verschwindet? Zum Beispiel, daß Mutter Abagail fort ist.«
Fran: »Das kann Charlie Impening ihm sagen. Was haben wir sonst für Informationen von entscheidender Wichtigkeit, Glen? Wandern wir nicht größtenteils ahnungslos und unbedarft durch die Gegend?«
Glen: »Soll er unsere zahlenmäßige Stärke erfahren? Wie wir im technischen Bereich vorankommen? Daß wir nicht einmal einen Arzt haben?«
Fran sagte, das wäre ihr lieber, als Leute einzusperren, weil ihnen nicht gefällt, wie wir die Angelegenheiten in die Hand nehmen. Stu beantragte, daß wir die Diskussion darüber, Leute wegen andersartiger Meinungen einzusperren, vertagen sollten. Der Antrag wurde mit Glens Gegenstimme verabschiedet.
Glen: »Ihr solltet euch lieber damit abfinden, daß ihr euch früher oder später damit auseinandersetzen müßt, wahrscheinlich früher. Schlimm genug, daß Charlie Impening Flagg sein Herz ausschütten kann. Ihr müßt euch fragen, ob ihr das, was Impening weiß, mit einem theoretischen Faktor X multiplizieren wollt. Gut, vergeßt es, ihr habt abgestimmt, die Sache ist vom Tisch. Aber noch etwas... wir sind ohne zeitliche Begrenzung gewählt, ist das schon jemandem aufgefallen? Wir wissen nicht, ob wir sechs Wochen, sechs Monate oder sechs Jahre im Amt sind. Mein Vorschlag wäre ein Jahr... damit dürfte das Ende vom Anfang erreicht sein, um Harolds Ausdruck zu gebrauchen. Ich würde den Zeitraum von einem Jahr auch gerne auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung sehen.
Jetzt noch ein Punkt, dann bin ich fertig. Regierung durch Stadtversammlungen – das haben wir grundsätzlich momentan hier, mit uns als gewählten Repräsentanten der Stadt – wird noch eine Weile prima funktionieren, bis wir dreitausend Leute oder so hier haben, aber wenn die Sache zu groß wird, werden sich hauptsächlich Cliquen und Leute einfinden, die ein Anliegen haben... Trinkwasserfluoridierung macht unfruchtbar, Leute, die eine bestimmte Flagge wollen, und so weiter. Mein Vorschlag wäre, dass wir uns alle die Köpfe darüber zerbrechen, wie wir Boulder bis Winter, spätestens nächsten Frühling, in eine Republik verwandeln können.«
Glens letzter Vorschlag wurde formlos diskutiert, aber während dieser Versammlung wurde noch nichts unternommen. Nick bat ums Wort und gab Ralph etwas zum Lesen.
Nick: »Ich schreibe das am Morgen des 19. und möchte es Ralph heute abend geben, damit er es als letzten Punkt vorliest. Manchmal ist es schwer, stumm zu sein, aber ich habe versucht, alle möglichen Folgen meines Vorschlags durchzudenken. Ich möchte auf die Tagesordnung unserer nächsten öffentlichen Versammlung gerne folgende Anfrage setzen: Ob die Freie Zone ein Ministerium für Recht und Ordnung mit Stu Redman als Chef einberufen soll.«
Stu: »Wie kannst du mich mit so was überfallen, Nick?«
Glen: »Interessant. Geht auf das zurück, was wir gerade besprochen haben. Laß ihn zu Ende lesen – Stuart, du bekommst noch Gelegenheit zu sprechen. «
Nick: »Sitz dieses Ministeriums für Recht und Ordnung sollte das County-Gerichtsgebäude von Boulder sein. Stu bekommt die Macht, bis zu dreißig Mann als Ordnungshüter zu ernennen, bei mehr als dreißig muß die Mehrheit des Komitees der Freien Zone die Zustimmung erteilen, bei mehr als siebzig muß die Mehrheit der Freien Zone in einer öffentlichen Sitzung zustimmen. Das ist eine Resolution, die ich auf der nächsten Tagesordnung sehen möchte. Wir können selbstverständlich zustimmen, bis wir schwarz im Gesicht sind, wenn Stu nicht mitmacht.«
Stu: »Stimmt genau!«
Nick: »Wir sind so groß geworden, daß wir ein Gesetz brauchen. Ohne geht es nicht mehr. Wir hatten den Fall des jungen Gehringer, der mit seinem Fastcar die Pearl Street auf und ab gerast ist. Zuletzt hat er einen geparkten Wagen gerammt und Glück gehabt, daß er mit einer Stirnwunde davongekommen ist. Er hätte sich oder andere umbringen können. Jeder, der ihn gesehen hat, wußte genau, dass es nur Ärger geben wird, M-O-N-D, und das buchstabiert man Ärger, wie Tom sagen würde. Aber keiner hat ihn aufgehalten, weil keiner sich dazu befugt glaubte. Das war nur ein Fall. Dann Rieh Moffat. Wahrscheinlich wissen einige von euch, wer Rieh ist, aber für diejenigen, die es nicht wissen, er ist wahrscheinlich der einzige schwere Alkoholiker der Zone. Wenn er nüchtern ist, ist er ein passabler Kerl, aber wenn er getrunken hat, wird er völlig unberechenbar, und er ist oft betrunken. Vor drei oder vier Tagen hat er sich vollaufen lassen und beschlossen, jede Schaufensterscheibe in der Arapahoe einzuschlagen. Als er ein bißchen nüchtern geworden war, habe ich mit ihm darüber gesprochen – natürlich auf meine Art, ihr wißt schon, schriftlich -, und er hat sich ziemlich geschämt. Er deutete hinter sich und sagte: >Sieh dir das an. Das war ich. Überall Glas auf dem Gehweg. Und wenn sich nun ein Kind verletzt? Dann bin ich schuld.<«
Ralph: »Dafür habe ich kein Verständnis. Gar keins.«
Fran: »Komm schon, Ralph. Jeder weiß, daß Alkoholismus eine Krankheit ist.«
Ralph: »Daß ich nicht lache, Krankheit! Mangel an Selbstbeherrschung, das ist es.«
Stu: »Und ich rufe euch beide zur Ordnung. Regt euch wieder ab.«
Ralph: »Tut mir leid, Stu. Ich werde mich damit begnügen, Nicks Brief hier vorzulesen.«
Fran: »Und ich bin mindestens zwei Minuten still, Herr Vorsitzender. Ich verspreche es.«
Nick: »Langer Rede kurzer Sinn, ich habe Rieh einen Besen besorgt, und er hat das meiste zusammengefegt. Sogar recht ordentlich. Aber er hatte recht zu fragen, warum ihn keiner daran gehindert hat. Früher konnte ein Mann wie Rieh hochprozentiges Zeug gar nicht bekommen; Leute wie Rieh waren Wermutbrüder. Aber heute warten unglaubliche Mengen Schnaps in den Läden nur darauf, daß sie von den Regalen geholt werden. Im übrigen bin ich der Meinung, daß er spätestens nach dem zweiten Fenster hätte aufgehalten werden müssen, aber er hat auf der Südseite der Straße über drei Blocks hinweg sämtliche Fenster eingeschlagen. Er hat nur aufgehört, weil er müde wurde. Und noch ein Beispiel: Wir hatten einen Fall, wo ein Mann, dessen Namen ich nicht nennen will, herausgefunden hat, daß seine Frau, deren Namen ich ebenfalls nicht nenne, ihr Mittagsschläfchen mit einer dritten Partei verbracht hat. Ich glaube, ihr wißt alle, wen ich meine.«
Sue: »Ja, ich glaube auch. Groß mit den Fäusten.«
Nick: »Jedenfalls hat der fragliche Mann die dritte Partei zusammengeschlagen, und danach die Frau. Ich denke, es kommt uns nicht so sehr darauf an, wer recht oder unrecht hatte...«
Glen: »Da täuschst du dich, Nick.«
Stu: »Laß den Mann ausreden, Glen.«
Glen: »Das werde ich, aber auf den Punkt möchte ich noch einmal zurückkommen.«
Stu: »Gern. Weiter, Ralph.«
Ralph: »Jawoll – ist sowieso bald zu Ende.«
Nick: »... entscheidend ist, der fragliche Mann hat ein Verbrechen begangen, Tätlichkeiten und Prügel, und er läuft frei herum. Von den drei Fällen machen sich Normalbürger deswegen am meisten Sorgen. Wir haben eine Schmelztiegelgesellschaft, einen regelrechten Eintopf; es wird zu allen möglichen Konflikten und Unstimmigkeiten kommen. Ich glaube, keiner von uns möchte eine Situation wie in einem Grenzposten hier. Stellt euch einmal vor, der Mann hätte sich einen Fünfundvierziger aus der Pfandleihe geholt und die beiden nicht zusammengeschlagen, sondern erschossen. Dann hätten wir einen Mörder, der frei herumläuft.«
Sue: »Mein Gott, Nicky, was soll das sein? Das Wort zum Sonntag?«
Larry: »Klar, klingt nicht schön, aber er hat recht. Es gibt in der Armee ein altes Sprichwort, das lautet: >Was schiefgehen kann, geht auch schief.<«
Nick: »Stu ist unser privater und öffentlicher Sprecher, was bedeutet, die meisten sehen ihn schon als Autoritätsfigur. Und ich persönlich finde, Stu ist ein guter Mann.«
Stu: »Danke für die netten Worte, Nick. Ich glaube, dir ist nie aufgefallen, daß ich Plateausohlen trage. Aber im Ernst – ich nehme die Nominierung an, wenn ihr es wollt. Ich will den elenden Job eigentlich nicht – soweit ich mich an Texas erinnern kann, besteht Polizeiarbeit hauptsächlich darin, sich die Kotze vom Hemd zu wischen, wenn ein Typ wie Rieh Moffat einen vollgereihert hat, oder Dummköpfe wie den kleinen Gehringer von der Straße abzukratzen. Ich möchte nur, daß wir, wenn es in der öffentlichen Versammlung angesprochen wird, ebenfalls einen Zeitraum von einem Jahr festlegen, wie beim Komitee. Und ich möchte klarstellen, daß ich nach Ablauf dieses Jahres abtrete. Wenn das akzeptabel ist, okay.«
Glen: »Ich glaube, ich spreche für uns alle, wenn ich sage, daß es das ist. Ich möchte Nick für seinen Antrag danken und fürs Protokoll festhalten, daß ich dies für einen Geniestreich halte. Ich unterstütze den Antrag.«
Stu: »Okay, der Antrag wurde gestellt. Eine Diskussion?«
Fran: »Ja, ich wünsche eine Diskussion. Ich hab' eine Frage. Was ist, wenn dir jemand den Kopf wegpustet?«
Stu: »Ich glaube nicht...«
Fran: »Nein, du glaubst nicht. Du glaubst es nicht. Aber was wird Nick mir erzählen, wenn es sich herausstellt, daß ihr alle falschdenkt? Oh, tut mir leid, Fran. Wird er das sagen? Dein Mann liegt mit einem Einschußloch im Kopf unten im Gerichtsgebäude; wir haben wohl einen Fehlergemacht. Heilige Maria und Josef, ich bekomme ein Baby, und ihr wollt, daß er Pat Garettspielt!«
Es folgte eine Diskussion von zehn Minuten, die teilweise irrelevant war, und eure pflichtbewußte Protokollführerin Fran fing an zu weinen, hatte sich aber bald wieder in der Gewalt. Die Abstimmung, Stu zum Marshal der Freien Zone zu machen, ging 6:1 aus, und diesmal änderte Fran ihre Meinung nicht. Glen bat noch einmal ums Wort, bevor die Sitzung geschlossen wurde.
Glen: »Dies sind wieder ein paar Gedanken, über die wir nicht abstimmen müssen, aber nachdenken sollten. Ich möchte den letzten der drei Fälle aufgreifen, die Nick beschrieben hat. Er beschrieb den Fall und sagte abschließend, es ginge nicht darum, wer recht oder unrecht hat. Ich finde, da irrt er sich. Stu ist einer der gerechtesten Männer, die ich je kennengelernt habe. Aber die Einhaltung von Gesetzen ohne Gerichte ist keine Gerechtigkeit.Es wäre Volksjustiz, Faustrecht. Nehmen wir an, der Mann, den wir alle kennen, hätteeinen Fünfundvierziger gehabt und seine Frau und ihren Geliebten erschossen. Und nehmen wir weiter an, Stu als unser Marshal hätte ihn am Schlafittchen gepackt und in den Bunker gesteckt. Was dann? Wie lange könnten wir ihn eingesperrt lassen? Von Rechts wegen könnten wir ihn überhaupt nicht einsperren, denn in der Verfassung, die wir gestern abend angenommen haben, steht ausdrücklich, daß ein Mann als unschuldig zu gelten hat, bis seine Schuld vor einem ordentlichen Gericht erwiesen wurde. Nun wissenwir natürlich alle, daß wir ihn einsperren würden, wenn er frei herumläuft! Wir würden es also tun, obwohl es gegen die Verfassung wäre, denn wenn Sicherheit und Verfassungsmäßigkeit nicht zu vereinbaren sind, muß Sicherheit den Vorrang haben. Wir müssen also Sicherheit und Verfassungsmäßigkeit so schnell wie möglich in Übereinstimmung bringen. Wir müssen über eine Gerichtsbarkeit nachdenken.«
Fran: »Das ist sehr interessant, und ich stimme zu, daß wir darüber nachdenken sollten, aber ich möchte an dieser Stelle den Antrag einbringen, daß wir die Sitzung beenden. Es ist spät, und ich bin sehr müde.«
Ralph: »Mann, den Antrag unterstütze ich. Sprechen wir nächstesmal über Gerichte. Ich habe momentan soviel im Kopf, dass mir ganz schwindlig ist. Den Staat neu zu erfinden ist viel schwieriger, als es am Anfang ausgesehen hat.«
Larry: »Amen.«
Stu: »Der Antrag, die Sitzung zu beenden, wurde gestellt. Seid ihr einverstanden, Leute?«
Der Antrag wurde mit 7:0 Stimmen angenommen.
Frances Goldsmith, Protokollführerin
Fran und Stu hatten die anderen zur Tür gebracht und standen noch beisammen in der lauen Sommernacht. Frans Augen waren noch rot vom Weinen während der Versammlung, und Stu fand, daß sie noch nie so müde ausgesehen hatte.
»Diese Sache mit dem Marshal...« fing er an.
»Stu, darüber möchte ich nicht reden.«
»Jemand muß es machen, Liebes. Und Nick hat recht. Ich bin die logische Wahl.«'
»Scheiß auf die Logik. Was ist mit mir und dem Kind? Siehst du in uns keine Logik, Stu?«
»Ich weiß genau, was du dir für dein Kind wünschst«, sagte er leise.
»Hast du es mir nicht oft genug gesagt? Du willst, daß es in eine Welt geboren wird, die nicht total verrückt ist. Du willst, daß er – oder sie – in Sicherheit aufwächst. Das will ich auch. Aber darüber wollte ich vor den anderen nicht sprechen. Das geht nur dich und mich etwas an. Du und das Baby seid der Hauptgrund, weshalb ich okay gesagt habe.«
»Das weiß ich«, sagte sie mit leiser, erstickter Stimme. Er legte ihr die Finger unters Kinn und hob ihr Gesicht hoch. Er lächelte sie an, und auch sie versuchte zu lächeln. Es war ein müdes Lächeln, Tränen liefen ihr über die Wangen, aber es war besser als gar kein Lächeln.
»Es wird schon alles gut werden«, sagte er.
Sie schüttelte langsam den Kopf, und ein paar Tränen flogen in die warme Dunkelheit.
»Das glaube ich nicht«, sagte sie. »Nein, das kann ich nicht glauben.«
Sie lag bis tief in die Nacht wach und dachte, daß Wärme nur durch Feuer entsteht – Prometheus wurde dafür die Leber ausgehackt – und Liebe immer Blutzoll fordert.
Eine seltsame Gewißheit, daß sie eines Tages in Blut waten würden, stahl sich über sie wie eine schleichende Betäubung. Bei diesem Gedanken legte sie schützend die Hände auf den Bauch und mußte zum ersten Mal seit Wochen wieder an ihre Träume denken: an den dunklen Mann mit seinem Grinsen... und dem verbogenen Kleiderbügel.
Harold Lauder beteiligte sich nicht nur in seiner Freizeit mit einer Gruppe von ausgesuchten Freiwilligen an der Suche nach Mutter Abagail, er arbeitete auch im Beerdigungskomitee mit, und am 21. August saß er mit fünf anderen Männern, die alle Gummistiefel und Schutzkleidung und dicke Latexhandschuhe trugen, hinten auf einem Kipplastwagen. Der Leiter des Beerdigungskomitees, Chad Nords, war draußen auf dem Beerdigungsplatz Nr. 1, wie er ihn mit fast schauerlicher Gelassenheit nannte. Dieser lag zehn Meilen südwestlich von Boulder in einem Gebiet, wo früher Kohle im Tagebau gewonnen wurde. Der Platz lag so kahl und öde wie Mondgebirge unter der glühenden Augustsonne. Chad hatte den Posten widerwillig angenommen, weil er früher Assistent eines Bestattungsinstituts in Morristown, New Jersey, gewesen war.
»Dies hat nichts mit einem Beerdigungsunternehmen zu tun«, hatte er heute morgen im Greyhound-Busbahnhof zwischen Arapahoe und Walnut Street gesagt, wo das Komitee seine Operationsbasis hatte. Er zündete sich mit einem Streichholz eine Winston an und grinste den zwanzig Männern zu, die um ihn saßen. »Das heißt, es ist ein Unternehmen, aber kein Geschäft, wenn ihr versteht, was ich meine.«
Das erntete gequältes Lächeln, und das von Harold Lauder war das breiteste. Sein Magen knurrte ständig, denn er hatte nicht gewagt zu frühstücken. Er war nicht sicher gewesen, daß er nicht alles wieder von sich geben würde, wenn er an die vor ihm liegende Arbeit dachte. Er hätte sich auch an der Suche nach Mutter Abagail beteiligen können, und kein Mensch hätte ein Widerwort gemurmelt, obwohl jeder denkende Mensch in der Zone (falls es außer ihm denkende Menschen in der Freien Zone gab, was fraglich war) es natürlich für eine recht komische Freizeitbeschäftigung hielt, in den Tausenden von Quadratmeilen großen Wäldern und Ebenen um Boulder nach ihr zu suchen. Und es war sehr gut möglich, daß sie Boulder überhaupt nicht verlassenhatte; daran schien niemand gedacht zu haben (aber das überraschte Harold überhaupt nicht). Sie hätte sich in einem Haus in den Randbezirken einrichten können, und sie würden sie nie finden, wenn sie nicht jedes Haus einzeln durchsuchten. Weder Redman noch Andres hatten protestiert, als Harold vorschlug, nur abends und an Wochenenden nach ihr zu suchen, was Harold verriet, daß auch sie den Fall für abgeschlossen hielten.
Er hätte sich damit begnügen können, aber wer macht sich in einer Gemeinschaft am schnellsten beliebt? Wem traut man am meisten? Natürlich dem Mann, der die Dreckarbeit macht, und das auch noch lächelnd. Der Mann, der die Arbeit tut, vor der man sich selbst gern drückt.
»Es ist, als würde man Klafterholz vergraben«, hatte Chad zu ihnen gesagt. »Wenn es euch gelingt, es so zu sehen, ist alles okay. Manche werden vielleicht gleich am Anfang kotzen müssen. Das ist keine Schande; aber versucht, es irgendwo zu machen, wo die anderen euch nicht dabei zusehen müssen. Wenn ihr gekotzt habt, fällt es auch leichter, so zu denken: Klafterholz. Nur Klafterholz.«
Die Männer sahen einander unbehaglich an.
Chad teilte sie in drei Gruppen zu sechs Mann auf. Er und die beiden überzähligen Männer bereiteten die Plätze für die Leichen vor. Jeder der drei Gruppen wurde ein bestimmter Stadtteil zugeteilt. Harolds Gruppe sollte den Tag in Table Mesa verbringen, wo sie sich von der Abfahrt Denver-Boulder langsam nach Westen vorarbeiteten. Martin Drive hinauf zur Kreuzung Broadway. Thirty-ninth Street hinunter, Fortieth Street wieder hinauf, an Reihenhäusern entlang, die vor dreißig Jahren zur Zeit von Boulders Bevölkerungsboom gebaut worden waren, einstöckige Häuser mit Souterrain.
Chad hatte aus dem hiesigen Arsenal der Nationalgarde Gasmasken besorgt, aber die benötigten sie erst nach dem Mittagessen (Mittagessen? Was für ein Mittagessen? Das von Harold bestand aus einer Dose Berry's Apfelkuchenfüllung; mehr brachte er nicht hinunter), als sie die Kirche der Heiligen der letzten Tage am unteren Table Mesa Drive betraten. Dorthin waren sie von der Seuche gezeichnet gekommen, dort waren sie gestorben, über siebzig, und der Gestank war grauenhaft.
»Klafterholz«, hatte einer der Männer aus Harolds Gruppe mit hoher, angewiderter, pieksender Stimme gesagt, und Harold drehte sich um und stolperte an ihm vorbei nach draußen. Er lief hinter ein hübsches Ziegelgebäude, das in Wahljahren als Wahllokal gedient hatte, dort kam ihm Berry's Apfelkuchenfüllung wieder hoch, und er stellte fest, daß Norris recht gehabt hatte: ohne sie ging es ihm besser.