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The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


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Ужасы


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Wasne Scheiße, dachte sie.

Sie landete auf der Schulter, landete hart, hatte aber immer noch keine Schmerzen. Sie lag in dem Graben, der vor Ralphs Grundstück von Norden nach Süden verlief.

Vor ihr landete ein Stuhl, ganz korrekt auf seinen vier Beinen. Sein Bezug war eine schwelende Masse.

Wasne SCHEISSE?

Etwas flog auf die Sitzfläche des Stuhls und rollte zu Boden. Etwas, das tropfte. Mit schwachem und klinischem Entsetzen sah sie, dass es ein Arm war.

Stu? Stu! Was ist passiert?

Konstanter, dröhnender, brüllender Lärm hüllte sie ein, und allerorten regneten Sachen herunter. Steine. Zerborstene Balken. Ziegel. Ein spinnwebartig zersplitterter Glasblock (war der Bücherschrank in Ralphs Wohnzimmer nicht aus solchen Blöcken zusammengesetzt gewesen?). Ein Motorradhelm, der hinten ein schreckliches, tödliches Loch hatte. Sie sah alles ganz klar... Viel zuklar. Vor ein paar Sekunden war es draußen noch dunkel gewesen ...

Oh, Stu, mein Gott, wo bist du? Was ist passiert? Nick? Larry? 

Leute schrien. Der dröhnende Lärm hörte nicht auf. Es war jetzt heller als um die Mittagszeit. Jeder Kieselstein warf einen Schatten. Immer noch regneten Sachen ringsum hernieder. Vor ihrer Nase schlug ein Brett, aus dem ein Sechs -Zoll-Nagel ragte, auf dem Rasen auf.

– das Baby! -

Und dann auf den Fersen ein anderer Gedanke, eine Wiederholung ihrer bösen Vorahnung: Harold hat es getan, Harold hat es getan, Harold...

Etwas traf sie an den Kopf, Hals und Rücken. Ein riesiges Ding stürzte auf sie wie ein gepolsterter Sarg.

O MEIN GOTT O MEIN BABY...

Dann zog die Dunkelheit sie in ein Nirgendwo, in das nicht einmal der dunkle Mann ihr folgen konnte.

59

Vögel.

Sie konnte Vögel hören.

Lange Zeit lag Fran in der Dunkelheit und lauschte den Vögeln, bis sie merkte, daß die Dunkelheit gar nicht dunkel war. Sie war rötlich, beweglich, friedlich. Sie rief Fran ihre Kindheit ins Gedächtnis zurück. Ein Samstagmorgen ohne Schule und Kirche, ein Tag, an dem man lange schlafen durfte. An einem solchen Tag konnte man ganz gemächlich und nach eigenem Belieben aufwachen. Man lag mit geschlossenen Augen da und sah nichts als die rote Dunkelheit, die entstand, wenn die Sonne durch das zarte Geflecht der Kapillaren in den Augenlidern drang. Man lauschte den Vögeln draußen in den alten Eichen und vielleicht roch man die salzige Meeresluft, denn man hieß Frances Goldsmith und war elf Jahre alt an einem Samstagmorgen in Ogunquit...

Vögel. Sie konnte Vögel hören.

Aber dies war nicht Ogunquit; es war

( Boulder).

Sie dachte in der roten Dunkelheit lange Zeit darüber nach, und plötzlich erinnerte sie sich an die Explosion.

(? Explosion?)

(! Stu!)

Sie riß die Augen auf. Plötzliches Entsetzen. » Stu

Und Stu saß neben ihrem Bett. Stu mit einem sauberen weißen Verband am Unterarm und einer häßlichen Schramme auf der Wange, an der das Blut schon getrocknet war, und mit teilweise verbranntem Haar, aber es war Stu, er lebteund war bei ihr, und als sie die Augen aufschlug, drückte sein Gesicht große Erleichterung aus, und er sagte: »Frannie. Gott sei Dank.«

»Das Baby«, sagte sie. Ihr Hals war trocken. Es kam nur als Flüstern heraus.

Sein Gesicht war unbewegt, und blinde Angst stahl sich in ihren Körper, kalt und lähmend.

»Das Baby«, sagte sie und zwang die Worte durch den Hals, der rauh wie Sandpapier war. »Habe ich das Baby verloren?«

Begreifen erhellte sein Gesicht. Er hielt sie ungeschickt mit dem gesunden Arm. »Nein, Frannie, nein. Du hast das Baby nicht verloren.«

Dann fing sie an zu weinen, heiße Tränen, die ihr an den Wangen herabliefen. Sie umarmte ihn wild und achtete nicht darauf, daß alle Muskeln in ihrem Körper vor Schmerz zu schreien schienen. Sie umarmte ihn. Die Zukunft konnte warten. Was sie jetzt am meisten brauchte, war hier in diesem sonnendurchfluteten Raum. Durch das offene Fenster hörte sie Vogelstimmen.



Später fragte sie ihn: »Sag mir. Wie schlimm ist es?«

Sein Gesicht war düster und bekümmert und zurückhaltend.

»Fran...«

»Nick?« flüsterte sie. Sie schluckte, und in ihrem Hals klickte es leise. »Ich sah einen Arm, einen abgerissenen Arm...«

»Vielleicht sollten wir lieber warten...«

»Nein. Ich muß es wissen. Wie schlimm ist es?«

»Sieben Tote«, sagte er mit leiser, rauher Stimme. »Wir haben Glück gehabt. Es hätte viel schlimmer kommen können.«

»Wer, Stuart?«

Er hielt linkisch ihre Hände. »Nick war auch dabei, Liebes. Da war diese Glasscheibe, würde ich sagen – du weißt schon, dieses polarisierte Glas -, und sie... sie...« Er verstummte einen Moment, betrachtete seine Hände, dann sah er sie wieder an. »Er... wir konnten ihn nur anhand... bestimmter Narben identifizieren...« Er wandte sich einen Augenblick von ihr ab. Fran stieß einen schroffen Seufzer aus.

Als Stu weitersprechen konnte, sagte er: »Und Sue. Sue Stern. Sie war noch im Haus, als die Bombe hochging.«

»Das... ist einfach unvorstellbar, was?« sagte Fran. Sie war fassungslos, benommen, bestürzt.

»Es stimmt aber.«

»Wer noch?«

»Chad Norris«, sagte Stu, und Fran stieß wieder diesen harschen Seufzer aus. Eine einzelne Träne lief ihr aus dem Augenwinkel; sie wischte sie fast abwesend weg.

»Die drei waren die einzigen drinnen. Es ist wie ein Wunder. Brad meint, in dem Schrank müssen acht oder neun Stangen Dynamit gewesen sein. Und Nick muß fast... wenn ich mir vorstelle, daß Nick die Hände genau auf diesem Schuhkarton gehabt haben muß...«

»Nicht«, sagte sie. »Das konnte man nicht wissen.«

»Ein schwacher Trost«, sagte er.

Die anderen vier Leute, die mit Motorrädern aus der Stadt gekommen waren – Andrea Terminello, Dean Wykoff, Dale Pedersen und ein junges Mädchen namens Patsy Store. Stu erzählte Fran nicht, daß Patsy, die Leo Flötenunterricht gegeben hatte, von einem Stück von Glen Batemans Wollensak-Tonbandgerät getroffen und fast enthauptet worden war.

Fran nickte, was ihr am Hals weh tat. Als sie den Körper auch nur ein kleines Stück verlagerte, schien ihr gesamter Rücken vor Schmerzen aufzuschreien.

Zwanzig waren bei der Explosion verletzt worden, und einer davon, Teddy Weizak vom Beerdigungskomitee, hatte keine Überlebenschance. Zwei andere waren in kritischem Zustand. Ein Mann namens Lewis Deschamps hatte ein Auge verloren. Ralph Brentner hatte den dritten und vierten Finger der linken Hand eingebüßt.

»Wie schwer bin ich verletzt?« wollte Fran wissen.

»Du hast eine Schürfwunde, einen verstauchten Rücken und einen gebrochenen Fuß«, sagte Stu. »Das hat mir George Richardson gesagt. Die Explosion hat dich über den ganzen Hof geschleudert. Den Fuß gebrochen und den Rücken verrenkt hast du dir, als das Sofa auf dich gefallen ist.«

» Sofa

»Kannst du dich nicht erinnern?«

»Ich erinnere mich an etwas wie einen Sarg... einen gepolsterten Sarg...«

»Das war das Sofa. Ich habe es selbst von dir runtergezogen. Ich war wie von Sinnen... und ziemlich hysterisch, glaube ich. Larry wollte mir helfen, und ich habe ihm eine runtergehauen. So schlimm stand es um mich.« Sie strich ihm über die Wange, und er legte seine Hand auf ihre. »Ich habe gedacht, du wärst tot. Ich weiß noch, daß ich mir überlegt habe, was ich dann tun würde, und ich wußte es nicht. Wahrscheinlich wäre ich verrückt geworden. «

»Ich liebe dich«, sagte sie.

Er umarmte sie – vorsichtig wegen ihres Rückens -, und sie blieben eine Weile so.

»Harold?« fragte sie schließlich.

»Und Nadine Cross«, stimmte er zu. »Sie haben uns weh getan. Sie haben uns schwer zugesetzt. Aber sie haben bei weitem nicht den Schaden angerichtet, den sie wollten. Und wenn wir ihn erwischen, bevor sie zu weit nach Westen gelangen...« Er hielt die zerkratzten und schorfigen Hände vor sich und ballte sie mit solcher Gewalt zu Fäusten, daß die Knöchel knackten. An seinen Handgelenken standen die Sehnen vor. Und plötzlich hatte er ein so kaltes Grinsen im Gesicht, daß Fran erschauerte. Es war ihr nur zu vertraut.

»So darfst du nicht lächeln«, sagte sie. »Nie wieder.«

Das Lächeln erlosch. »Die Leute durchkämmen seit Tagesanbruch die Berge nach ihnen«, sagte er. »Aber sie werden sie wohl nicht finden. Ich habe den Leuten befohlen, fünfzig Meilen westlich von Boulder wieder umzukehren, was auch geschieht, und ich kann mir vorstellen, daß Harold schlau genug war, inzwischen viel weiter zu fahren. Aber wir wissen, wie sie es gemacht haben. Sie haben die Bombe mit einem Walkie-talkie gekoppelt.«

Fran stöhnte, worauf Stu sie besorgt ansah.

»Was ist denn, Baby? Dein Rücken?«

»Nein.« Plötzlich begriff sie, was Stu gemeint hatte, als er sagte, Nick hätte die Hände am Schuhkarton gehabt, als der Sprengstoff detonierte. Plötzlich begriff sie alles. Sie erzählte ihm ganz langsam von den Drahtstückchen und dem Walkie-talkie-Karton unter dem Hockeytisch. »Wenn wir das ganze Haus durchsucht hätten, anstatt nur dieses verdammte B-buch mitzunehmen, hätten wir die Bombe vielleicht gefunden«, sagte sie mit erstickter, brechender Stimme.

»N-Nick und Sue würden noch l-l-leben, und...«

Er hielt sie fest. »Ist Larry deshalb heute morgen so niedergeschlagen? Und ich dachte, weil ich ihn geschlagen habe. Frannie, wie hättest du es wissen können? Wie hättest du es denn wissen können?«

»Wir hätten! Wir hättenes wissen müssen!« Sie legte die Stirn an seine schützende Schulter. Weitere bittere Tränen. Er hielt sie, ungeschickt gebeugt, da sich das Krankenhausbett ohne Strom nicht verstellen ließ.

»Ich will nicht, daß du dir Vorwürfe machst, Frannie. Es ist passiert. Glaub mir, kein Mensch – abgesehen von Sprengstoffspezialisten – hätte aus ein paar Drahtschnipseln und einem leeren Karton auf so etwas schließen können. Wenn sie ein paar Stangen Dynamit oder eine Sprengkapsel dort liegen lassen hätten, wäre das etwas anderes gewesen. Aber das haben sie nicht. Ich mache dir keine Vorwürfe, und kein Mensch in der Freien Zone wird dir welche machen.«

Während er sprach, fanden langsam und mit Verspätung zwei Dinge in ihrem Verstand zusammen.

Die drei waren die einzigen drinnen ...es ist wie ein Wunder. Mutter Abagail... sie ist zurückgekommen... sie ist in einer schrecklichen Verfassung... wir brauchen ein Wunder!

Sie zog sich unter Schmerzen ein Stück hoch, damit sie Stu ins Gesicht sehen konnte. »Mutter Abagail«, sagte sie. »Wir wären alle drinnen gewesen, wenn sie nicht gekommen wären, um uns zu sagen...«

»Es ist wie ein Wunder«, wiederholte Stu. »Sie hat uns das Lebengerettet. Auch wenn sie...« Er verstummte.

»Stu?«

»Sie hat uns durch ihre Rückkehr das Leben gerettet, Frannie. Das Leben gerettet.«

»Ist sie tot?« fragte Fran. Sie packte seine Hand, hielt sie fest. »Stu, ist sie auch tot?«

»Sie ist gegen Viertel nach sieben in die Stadt zurückgekommen. Larry Underwoods Junge führte sie an der Hand. Er konnte nicht sprechen, du weißt ja, daß er stumm wird, wenn er sich aufregt, aber er hat sie zu Lucy gebracht.

Dann ist sie einfach zusammengebrochen.« Stu schüttelte den Kopf. »Mein Gott, wie hat sie es nur geschafft, so weit zu laufen... was hat sie nur gegessen... was hat sie die ganze Zeit gemacht? Ich will dir was sagen, Fran. Es gibt mehr Dinge auf dieser Welt – und außerhalb -, als ich mir in Arnette je habe träumen lassen. Ich glaube, diese Frau ist von Gott. Oder war es.«

Sie machte die Augen zu. »Sie ist gestorben, nicht wahr? In der Nacht. Sie ist zurückgekommen, um zu sterben.«

»Sie ist noch nicht tot. Sie müßte es sein, und George Richardson sagt, daß sie bald sterben wird, aber sie ist noch nicht tot.« Er sah sie offen und unverhohlen an. »Und ich habe Angst. Sie hat uns durch ihre Rückkehr das Leben gerettet, aber ich habe Angst vor ihr, und ich habe Angst davor, warum sie zurückgekommen ist.«

»Was meinst du damit, Stu? Mutter Abagail würde nie jemand ein Leid...«

»Mutter Abagail tut, was ihr ihr Gott befiehlt«, sagte er schroff. »Der Gott, der seinen eigenen Jungen ermordet hat, wie ich gehört habe.«

»Stu!«

Das Feuer in seinen Augen erlosch. »Ich weiß nicht, warum sie zurückgekommen ist oder ob sie uns überhaupt noch etwas zu sagen hat. Ich weiß es einfach nicht. Vielleicht wird sie sogar sterben, ohne das Bewußtsein wiederzuerlangen. George hält das für wahrscheinlich. Aber ich weiß, daß die Explosion... und Nicks Tod... und ihre Rückkehr... das alles hat den Leuten die Augen geöffnet. Sie reden von ihm. Sie wissen, daß Harold die Explosion ausgelöst hat, aber sie glauben, daß er Harold dazu veranlaßt hat. Verdammt, das glaube ich auch. Viele sagen, Flagg ist auch dafür verantwortlich, dass Mutter Abagail in diesem Zustand zurückgekommen ist. Ich weiß es nicht. Mir kommt es vor, als wüßte ich überhaupt nichts. Aber ich habe Angst. Als würde es ein böses Ende nehmen. Die hatte ich vorher nicht, aber jetzt.«

»Aber wir sind noch da«, sagte sie fast flehentlich. »Wir und das Baby. Oder nicht

Er antwortete lange nicht. Sie glaubte nicht, daß er antworten würde. Und dann sagte er: »Ja. Aber wie lange noch?«



An diesem Tag, dem dritten September, kurz vor Sonnenaufgang, machten sich die Leute langsam – fast ziellos – auf den Weg zum Table Mesa Drive zu Larrys und Lucys Haus. Einzeln, zu zweit oder zu dritt. Sie setzten sich auf Treppenstufen der Häuser, auf deren Türen Harold sein X gemalt hatte. Sie saßen auf dem Bordstein oder auf dem Rasen, der am Ende dieses langen Sommers braun und vertrocknet war. Sie unterhielten sich wortkarg und gedämpft. Sie rauchten ihre Zigaretten und ihre Pfeifen. Brad Kitchner war unter ihnen, einen dick verbundenen Arm in der Schlinge. Auch Candy Jones war da, und Rieh Moffat hatte in einer Zeitungstasche zwei Flaschen Black Velvet mitgebracht. Norman Kellogg saß neben Tommy Gehringer, hatte die Ärmel aufgekrempelt und zeigte die kräftigen, sonnengebräunten und mit Sommersprossen übersäten Oberarme. Der junge Gehringer hatte die Ärmel in Nachahmung hochgekrempelt. Harry Dunbarton und Sandy DuChiens saßen auf einer Wolldecke und hielten Händchen. Dick Vollman, Chip Hobart und der sechzehnjährige Tony Donahue saßen in einem überdachten Gang ein wenig von Larrys Haus entfernt und ließen eine Flasche Canadian Club kreisen, den sie mit warmem Seven-Up hinunterspülten. Patty Kroger saß bei Shirley Hammett. Zwischen ihnen stand ein Picknickkorb. Der Korb war gut gefüllt, aber sie aßen kaum etwas. Gegen acht Uhr war die Straße voll von Menschen, die alle zum Haus sahen. Vor dem Haus stand Larrys Fahrrad, daneben George Richardsons schwere Kawasaki 650.

Larry beobachtete sie durch das Schlafzimmerfenster. Hinter ihm, in seinem und Lucys Bett, lag Mutter Abagail, bewußtlos. Der trockene Krankengeruch, der von ihr ausging, stieg ihm in die Nase, und er hätte kotzen mögen – aber er haßte es zu kotzen -, doch er rührte sich nicht. Dies war seine Buße, daß er mit dem Leben davongekommen war, während Nick und Susan sterben mußten. Hinter sich hörte er leise Stimmen, die Totenwache an ihrem Bett. George würde bald ins Krankenhaus fahren, um nach seinen anderen Patienten zu sehen. Es waren nur noch sechzehn. Drei waren entlassen worden. Und Teddy Weizak war gestorben. Larry selbst war völlig unverletzt geblieben.

Der gute alte Larry-behält den Kopf, während alle anderen um ihn herum ihren verlieren. Die Explosion hatte ihn quer über die Einfahrt und in ein Blumenbeet geschleudert, aber er hatte keinen einzigen Kratzer abbekommen. Um ihn herum hatte es zerfetzte Trümmer geregnet, aber er selbst war nicht getroffen worden. Nick war gestorben, Susan war gestorben, aber er war unverletzt. Ja, der gute alte Larry Underwood.

Totenwache drinnen. Totenwache draußen. Den ganzen Block entlang. Mindestens sechshundert Leute. Harold, du solltest mit ein paar Handgranaten kommen und den Rest erledigen. I. Er war Harold durch das ganze Land gefolgt; er war einer Spur von leeren Payday-Packungen und klugen Improvisationen gefolgt. In Wells hätte Larry um ein Haar seine Finger verloren, als er sich Benzin verschaffen wollte. Harold hatte einfach das Entlüftungs ventil gesucht und einen Siphon benutzt. Es war Harold gewesen, der vorgeschlagen hatte, die Besetzung der Komitees mit wachsender Bevölkerungszahl zu verstärken. Harold, der vorgeschlagen hatte, das Ad-hoc-Komitee als Ganzes zu akzeptieren. Der kluge Harold. Harold und sein Hauptbuch. Harold und sein Grinsen.

Stu hatte gut reden, daß niemand aus ein paar Drahtschnipseln auf einem Hockeytisch hätte erkennen können, was Harold und Nadine vorhatten. Larry genügte diese Argumentation einfach nicht. Er hatte Harolds brillantes Improvisationstalent ja selbst erlebt. Ein Beispiel davon stand mit Riesenbuchstaben fast sechs Meter hoch auf einem Scheunendach geschrieben, um Himmels willen! Er hätte es erkennen müssen. Inspektor Underwood war großartig, wenn es galt, einer Spur von Payday-Packungen zu folgen, aber wenn es um Dynamit ging, ließ er gewaltig nach. Mehr noch: Inspektor Underwood war ein ausgesprochenes Arschloch.

Larry, wenn du wüßtest...

Nadines Stimme.

Wenn es sein muß, falle ich auf die Knie und flehe dich an.

Das wäre eine weitere Chance gewesen, Mord und Zerstörung zu verhindern ... eine, von der er nie einem Menschen erzählen konnte. Hatten sie es schon damals ins Auge gefaßt? Wahrscheinlich. Sie mochten noch nicht an das mit einem Walkie-talkie gekoppelte Dynamit gedacht haben, aber einen Plan hatten sie auf jeden Fall gehabt.

Flaggs Plan.

Ja – im Hintergrund stand immer Flagg, der dunkle Marionettenspieler, der bei Harold und Nadine und Charlie Impening die Fäden zog, vielleicht auch bei vielen anderen. Die Leute in der Zone würden Harold auf der Stelle lynchen, aber es war Flaggs Werk... und Nadines. Und wer hatte sie zu Harold geschickt, wenn nicht Flagg? Aber bevor sie zu ihm gegangen war, hatte sie sich an Larry gewandt. Und er hatte sie fortgeschickt.

Wie hätte er ja sagen können? Er hatte eine Verantwortung Lucy gegenüber. Das war wichtiger als alles andere gewesen, nicht nur Lucys, auch seinetwegen – er hatte nur zu genau gewußt, dass höchstens noch zwei oder drei Ausrutscher nötig waren, und er wäre als Mensch endgültig erledigt gewesen. Deshalb hatte er sie fortgeschickt, und er vermutete, daß Flagg mit der Arbeit von gestern abend zufrieden war... wenn er überhaupt Flagg hieß. Oh, Stu lebte noch und sprach für das Komitee – er war der Mund, den Nick nie benutzen konnte. Auch Glen lebte, und Larry hielt ihn für den Kopf des Komitees. Aber Nick war das Herz des Komitees und Sue zusammen mit Frannie dessen moralisches Gewissen gewesen. Ja, dachte er verbittert, alles in allem hat der Drecksack gute Arbeit geleistet. Wenn sie je nach drüben gelangen sollten, müßte er Harold und Nadine ihren verdienten Lohn zukommen lassen.

Er wandte sich vom Fenster ab und spürte ein dumpfes Klopfen in den Schläfen. Richardson fühlte Mutter Abagails Puls. Laurie beschäftigte sich mit den IV-Flaschen an ihrem T-förmigen Ständer. Dick Ellis stand daneben. Lucy saß an der Tür und sah Larry an.

»Wie geht es ihr?« fragte Larry George.

»Unverändert«, sagte Richardson.

»Wird sie die Nacht überleben?«

»Kann ich nicht sagen, Larry.«

Die Frau auf dem Bett war ein mit dünner, aschgrauer Haut überzogenes Skelett. Sie wirkte geschlechtslos. Fast alle Haare waren ausgefallen. Ihre Brüste waren verschwunden. Sie hatte den Mund geöffnet und atmete röchelnd. Sie kam Larry vor wie eine der Mumien von Yucatän, die er auf Bildern gesehen hatte – nicht verwest, sondern geschrumpft; konserviert; trocken; ohne Alter. Ja, das war sie jetzt, keine Mutter, sondern eine Mumie. Abgesehen vom rasselnden Seufzen ihrer Atmung, die Wind glich, der durch Strohstoppeln wehte. Wie konnte sie noch am Leben sein, fragte sich Larry... und welcher Gott konnte ihr das auferlegen? Zu welchem Zweck? Es mußte ein Witz sein, ein großer kosmischer Lachschlager. George sagte, er habe von ähnlichen Fällen gehört, aber noch nie von einem so extremen, und er hätte nie geglaubt, einen zu Gesicht zu bekommen. Irgendwie... verzehrte sie sich selbst. Lange nachdem sie an Unterernährung hätte sterben müssen, hatte ihr Körper noch funktioniert. Er hatte eigene Substanz aufgezehrt, die nie hätte aufgezehrt werden dürfen. Lucy hatte sie auf das Bett gehoben und erstaunt berichtet, sie habe kaum mehr als ein Kastendrachen gewogen, ein Kinderspielzeug, das der leiseste Windhauch fortwehen konnte.

Und jetzt meldete sich Lucy aus ihrer Ecke an der Tür und erschreckte sie alle: »Sie will uns etwas sagen.«

Laurie sagte unsicher: »Sie liegt in einem tiefen Koma, Lucy. Vielleicht erlangt sie nicht einmal mehr das Bewußtsein...«

»Sie ist zurückgekommen, um uns etwas zu sagen. Und Gott wird sie nicht sterben lassen, bevor sie es gesagt hat.«

»Aber was könnte das sein, Lucy?« fragte Dick sie.

»Ich weiß nicht«, sagte Lucy. »Aber ich habe Angst davor, es zu hören. Das weiß ich. Das Sterben ist nicht vorbei. Es hat erst angefangen. Zumindest fürchte ich das.«

Es folgte ein längeres Schweigen, das George Richardson schließlich brach. »Ich muß ins Krankenhaus. Laurie, Dick, ich brauche euch beide.«

Du willst uns doch nicht mit dieser Mumie alleinlassen?hätte Larry beinahe gefragt, und er biß sich auf die Lippen, damit er es nicht aussprach.

Die drei gingen zur Tür, und Lucy holte ihnen die Mäntel. Heute abend hatte es unter fünfzehn Grad, eine Motorradfahrt in Hemdsärmeln wäre unangenehm gewesen.

»Können wir etwas für sie tun?«, fragte Larry George leise.

»Lucy kennt sich mit dem IV-Tropf aus«, sagte George. »Sonst könnt ihr nichts tun. Weißt du...« Er sprach nicht zu Ende. Natürlich wußten es alle. Es lag ja auf dem Bett, oder?

»Gute Nacht, Larry, Lucy«, sagte Dick.

Sie gingen. Larry trat wieder ans Fenster. Draußen waren alle aufgestanden und sahen her. Lebte sie noch? War sie tot? Lag sie im Sterben? War sie womöglich von der Kraft Gottes genesen. Hatte sie etwas gesagt?

Lucy legte ihm einen Arm um die Hüfte, und er zuckte zusammen.

»Ich liebe dich«, sagte sie.

Er tastete nach ihr, hielt sie fest. Er senkte den Kopf und zitterte hilflos.

»Ich liebe dich«, sagte sie ruhig. »Schon gut. Versuch nicht, es zurückzuhalten.«

Er weinte. Seine Tränen waren so heiß und hart wie Gewehrkugeln.

»Lucy...«

»Pssst.« Ihre Hände um seinen Nacken, ihre tröstenden Hände.

» Oh, Lucy, mein Gott, was hat das alles nur zu bedeuten?« rief er, und sie hielt ihn so fest sie konnte, sie wußte es nicht, noch nicht, und Mutter Abagail atmete noch immer schwer hinter ihnen aus ihrem tiefen Koma heraus.

George fuhr im Schrittempo die Staße entlang und verkündete immer wieder dieselbe Botschaft: Ja, sie lebt noch. Aber die Prognose ist ungünstig. Nein, sie hat nichts gesagt und wird es wahrscheinlich auch nicht mehr. Ihr solltet nach Hause gehen. Wenn etwas geschieht, erfahrt ihr es.

Als sie zur Ecke kamen, beschleunigten sie und bogen in Richtung Krankenhaus ab. Der Auspufflärm der Motorräder knatterte und hallte zurück, prallte auf Häuser und davon ab und verschwand schließlich im Nichts.

Die Leute gingen nicht nach Hause. Sie blieben noch eine Weile stehen, nahmen ihre Gespräche wieder auf und prüften jedes Wort, das George gesagt hatte. Prognose? Was konnte das bedeuten? Koma. Gehirntod. Wenn ihr Gehirn tot war, konnte man nichts mehr machen. Man könnte genausogut versuchen, mit einer Dose Erbsen zu sprechen wie mit einem Menschen, dessen Gehirn tot ist. Nun, jedenfalls wenn es sich um eine natürlicheSituation handelte, aber hier war kaum noch etwas natürlich, oder?

Sie setzten sich wieder. Es wurde dunkel. Im Haus, in dem die alte Frau lag, wurde eine Coleman-Lampe angezündet. Sie würden später nach Hause gehen und lange schlaflos liegen.

Zögernd kamen die Gespräche auf den dunklen Mann. Wenn Mutter Abagail starb, bedeutete das, daß er stärker war? Was meinst du damit, »nicht unbedingt«?

Nun, ich halte ihn ganz einfach für den Satan.

Ich glaube, er ist ein Antichrist. Wir leben jetzt schon wie im Buch der Offenbarung... wie könnt ihr daran zweifeln? »Und die sieben Schalen des Zorns wurden ausgegossen...« Das hört sich ganz nach der Supergrippe an.

Ach, Quatsch, die Leute haben gesagt, Hitler war der Antichrist. Wenn diese Träume wiederkommen, bringe ich mich um. In meinem war ich in einer U-Bahn-Station und er war der Fahrscheinverkäufer, aber ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Ich hatte Angst. Ich lief in den U-Bahn-Tunnel. Dann konnte ich hören, wie er mich verfolgte. Und näherkam.

In meinem bin ich in den Keller gegangen, um ein Glas eingemachte Melonenscheiben zu holen, und sah ihn beim Heizofen stehen... nur ein Schemen. Und ich wußte, daß er es war.

Die Grillen fingen an zu zirpen. Sterne erschienen am Himmel. Man sprach pflichtschuldig darüber, wie kühl es geworden war. Es wurde getrunken. Pfeifen und Zigaretten glommen in der Dunkelheit. Ich habe gehört, daß die Leute vom Kraftwerk überall die elektrischen Geräte ausschalten.

Das wird auch Zeit. Wenn wir nicht bald Licht und Heizung haben, geht es uns schlecht.

Leises Stimmengewirr, in der Dunkelheit ohne Gesichter. Ich denke, diesen Winter sind wir in Sicherheit. Bestimmt. Er kann nicht über die Pässe kommen. Zuviel Schnee und Fahrzeuge. Aber im Frühling...

Und wenn er ein paar A-Bomben hat?

Scheiß auf die A-Bomben, was ist, wenn er ein paar von diesen schmutzigen Neutronenbomben hat? Oder die anderen sechs von Sandys sieben Schalen des Zorns?

Oder Flugzeuge?

Was können wir tun?

Ich weiß es nicht.

Ich genausowenig.

Ich hab' nicht die geringste Ahnung.

Ein Loch graben, reinspringen und zuschütten.

Und gegen zehn Uhr mischten sich Stu Redman, Glen Bateman und Ralph Brentner unter sie, sprachen leise mit den Leuten, verteilten Flugblätter und baten sie, diejenigen zu informieren, die heute nicht gekommen waren. Glen hinkte leicht, denn ein durch die Luft wirbelnder Herdschalter hatte ihm ein Stück Fleisch aus der rechten Wade gerissen. Auf den hektographierten Blättern stand:

VERSAMMLUNG DER FREIEN ZONE * MUNZINGER AUDITORIUM * 4. SEPTEMBER * 8 UHR ABENDS.

Das schien das Signal zum Aufbruch zu sein. Die Leute verschwanden in der Dunkelheit. Die meisten nahmen die Flugblätter, aber eine ganze Menge wurden zusammengeknüllt und weggeworfen. Sie gingen alle nach Hause, um noch ein wenig Schlaf zu bekommen.

Schlafen, vielleicht träumen.



Als Stu am nächsten Abend die Versammlung eröffnete, war das Auditorium brechend voll, aber äußerst still. Hinter ihm saßen Larry, Ralph und Glen. Fran hatte versucht aufzustehen, aber ihr Rücken schmerzte noch zu sehr. Ohne sich durch die grausige Ironie davon abhalten zu lassen, hatte Ralph dafür gesorgt, daß sie über Walkietalkie mit dem Komitee in Verbindung stand.

»Es gibt ein paar Dinge, über die wir reden müssen«, sagte Stu gelassen und bemüht untertrieben. Seine Stimme wurde nur schwach verstärkt, aber in der Stille, die im Saal herrschte, war jedes Wort zu verstehen. »Ich gehe davon aus, es ist niemand hier, der nicht von der Explosion gehört hat, der Nick, Sue und die anderen zum Opfer gefallen sind, und niemand, der nicht weiß, daß Mutter Abagail zurückgekommen ist. Darüber müssen wir reden, aber zuerst haben wir eine gute Nachricht für Sie. Ich möchte, daß Sie Brad Kitchner einen Augenblick zuhören. Brad?«

Brad, der längst nicht so nervös wie in der vorgestrigen Nacht war, betrat das Podium und wurde von halbherzigem Applaus begrüßt. Als er dort war, wandte er sich ihnen zu, hielt sich mit beiden Händen am Pult fest und sagte nur schlicht: »Morgen schalten wir wieder ein.«

Diesmal war der Applaus schon viel lauter. Brad hob die Hände, aber der Applaus wogte über ihn hinweg. Es dauerte dreißig Sekunden oder länger. Wenn die traurigen Ereignisse der letzten zwei Tage nicht gewesen wären, sagte Stu später zu Frannie, hätten die Leute Brad wahrscheinlich auf den Schultern durch das Auditorium getragen, wie einen Football-Halfback, der in einem Meisterschaftsspiel in den letzten dreißig Sekunden den entscheidenden Touchdown gemacht hat. Der Sommer ging schon so sehr dem Ende entgegen, daß dieser Vergleich gar nicht so weit hergeholt war.

Aber schließlich verstummte der Beifall.

»Wir werden um zwölf Uhr mittags einschalten, und ich bitte Sie alle, sich um die Zeit zu Hause aufzuhalten und bereit zu sein. Bereit wofür? Vier Dinge. Hören Sie gut zu, es ist wichtig. Erstens, schalten Sie in Ihrem Haus das Licht und alle elektrischen Geräte aus, die Sie gerade nicht benutzen. Zweitens, machen Sie dasselbe in unbewohnten Nachbarhäusern. Drittens, wenn Sie Gas riechen, verfolgen Sie den Geruch zu seiner Quelle und schalten Sie das entsprechende Gerät ab. Viertens, wenn Sie eine Feuersirene hören, gehen Sie dem Lärm nach... aber vorsichtig und vernünftig. Wir wollen nicht, daß sich jemand bei einem Motorradunfall das Genick bricht. Noch Fragen?«

Es gab mehrere, die ausnahmslos noch einmal Brads Aussagen bestätigt haben wollten. Er beantwortete alle Fragen geduldig, und man sah seine Nervosität nur daran, wie er unablässig das kleine schwarze Notizbuch in den Händen hin und her drehte. Als der Strom der Fragen versiegte, sagte Brad: »Ich möchte den Leuten danken, die sich den Allerwertesten aufgerissen haben, damit wir wieder auf die Beine kommen. Im übrigen möchte ich das Kraftwerk-Komitee daran erinnern, daß es keineswegs aufgelöst wird. Es müssen Leitungen wiederhergestellt, Stromausfälle behoben, Ölreserven in Denver aufgespürt und hierher gebracht werden. Hoffentlich bleiben Sie alle bei der Stange. Mr. Glen Bateman meint, daß wir vielleicht zehntausend Menschen hier haben, wenn die Schneefälle einsetzen, und nächstes Frühjahr noch mehr. Die Kraftwerke in Longmont und Denver müssen ans Netz angeschlossen werden, ehe das nächste Jahr vorbei ist...«

»Wenn uns dieser Typ keinen Strich durch die Rechnung macht!« schrie eine heisere Stimme im hinteren Teil der Halle.

Es folgte einen Augenblick Totenstille. Brads Hände krampften sich mit Todesgriff am Rednerpult fest; er war leichenblaß geworden.  Er wird nicht weitersprechen können, dachte Stu, aber Brad setzte seinen Vortrag fort, und seine Stimme klang erstaunlich gelassen:

»Wer immer das gesagt hat – ich habe nur mit der Energieversorgung zu tun. Aber ich bin überzeugt, daß wir noch hier sind, wenn dieser andere Mann schon lange tot und vergessen ist. Wenn ich das nicht wäre, würde ich wahrscheinlich bei ihm Kraftwerke in Gang setzen. Wen interessiert der schon?«


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