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The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


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Ужасы


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34

Lange Zeit, tagelang (wie viele Tage? wer wußte das schon? der Mülleimermann jedenfalls nicht, das stand fest) war Donald Merwin Elbert, der bei den Gefährten seiner düsteren und verwirrenden Grundschulzeit als Mülleimermann bekannt war, in den Straßen von Powtanville, Indiana, auf und abgewandert, hatte sich vor den Stimmen in seinem Kopf geduckt und hatte die Hände hochgerissen, um sich vor Steinen zu schützen, die Gespenster nach ihm warfen.

He, Mülleimer!

He, Mülleimermann, wir haben dich erwischt, Müll! Diese Woche wieder schöne Feuer angezündet?

Was hat Oma Sempel gesagt, als du ihren Rentenscheck verbrannt hast, Müll?

He, Müllbaby, willst du ein bißchen Benzin kaufen? Wie hat dir die Schockbehandlung in Terre Haute gefallen, Mülli? Müll...

– He, Mülleimer -

Manchmal wußte er, daß diese Stimmen nicht real waren, aber manchmal schrie er laut, daß sie aufhören sollten, und merkte dann, daß nur seine eigene Stimme von den Wänden und Schaufenstern der Läden widerhallte, von der Schlackenwand des Scrubba-Dubba Car Wash zurücksprang, wo er früher gearbeitet hatte und heute, am Morgen des 30. Juni, saß und ein matschiges Sandwich mit Erdnußbutter, Sülze, Tomaten und Guldens Teufelssenf aß. Nur seine eigene Stimme prallte gegen die Häuser und die Läden, wurde abgewiesen wie ein ungebetener Gast und kehrte deshalb zu seinen eigenen Ohren zurück. Denn irgendwie war Powtanville leer. Alle waren verschwunden... oder doch nicht? Sie hatten immer gesagt, er sei verrückt, und genauso etwas würde ein Verrückter denken, dass seine Heimatstadt leer war, abgesehen von ihm selbst. Aber sein Blick kehrte immer wieder zu den Öltanks am Horizont zurück, riesig und weiß und rund wie tiefhängende Wolken. Sie standen zwischen Powtanville und der Straße nach Gary und Chicago, und er wußte, was er tun wollte, und das war kein Traum. Es war böse, aber kein Traum, und er würde sich nicht zusammennehmen können.

Die Finger verbrannt, Müll?

He, Mülleimermann, weißt du nicht, daß man Bettnässer wird, wenn man mit Feuer spielt?

Etwas schien an ihm vorbeizufliegen, er schluchzte, hob die Hände, ließ das Sandwich in den Staub fallen und zog den Kopf ein, aber da war nichts, niemand. Hinter der Schlackensteinwand des ScrubbaDubba Car Wash lag nur der Indiana Highway 130, der nach Gary führte, aber vorher an den großen Öltanks der Cheery Oil Company vorbeikam. Er hob leise schluchzend das Sandwich auf und wischte, so gut er konnte, den grauen Staub von dem Weißbrot. Dann aß er weiter.

Waren es Träume? Früher einmal hatte er einen Vater gehabt, und der Sheriff hatte ihn direkt vor der Methodistenkirche niedergeschossen, und damit hatte er selbst sein ganzes Leben lang fertig werden müssen.

He, Mülleimer, Sheriff Greeley hat deinen Alten erschossen wie einen tollen Hund, weißt du das, alter Spinner?

Sein Vater war im O'Toole's gewesen; es gab Streit, Wendell Elbert hatte eine Pistole, damit ermordete er den Barmann; dann ging er nach Hause und ermordete mit derselben Pistole Mülleimers zwei ältere Brüder und seine Schwester – oh, Wendell Elbert war ein komischer Kauz und verdammt jähzornig, und er war schon lange vor diesem Abend wunderlich geworden, das sagten alle in Powtanville, und sie sagten auch: wie der Vater, so der Sohn -, und er hätte auch Mülleimers Mutter ermordet, aber Sally Elbert war schreiend in die Nacht geflüchtet, mit dem fünfjährigen Donald (später als Mülleimermann bekannt) auf dem Arm. Wendell Elbert hatte auf der Treppe gestanden und ihnen nachgeschossen, die Kugeln waren heulend und pfeifend von der Straße abgeprallt, und beim letzten Schuß war die billige Pistole, die Wendell in einer Bar in der State Street in Chicago von einem Nigger gekauft hatte, in seiner Hand explodiert. Die herumfliegenden Splitter hatten ihm einen Großteil des Gesichts weggerissen. Er war die Straße entlanggetorkelt, Blut war ihm in die Augen gelaufen, er hatte geschrien und die Überbleibsel der billigen Pistole, deren Lauf zerfranst war wie eine explodierte Scherzzigarre, in einer Hand geschwenkt, und gerade als er die Methodistenkirche erreicht hatte, kam Sheriff Greeley mit Powtanvilles einzigem Streifenwagen vorgefahren und hatte ihm befohlen, stehenzubleiben und die Pistole fallenzulassen. Statt dessen richtete Wendell Elbert die Überbleibsel seines Saturday Night Special auf den Sheriff, und Greeley bemerkte entweder nicht, daß der Lauf des Saturday Night Special ausgefranst war, oder tat so, als würde er es nicht bemerken; das Ergebnis war so oder so dasselbe. Er verpaßte Wendell Elbert beide Ladungen seiner Doppelläufigen.

He, Müll, haste dir schon' SCHWANZ abgebrannt?

Er drehte sich um, wer das gerufen hatte – es hatte sich angehört wie Carley Yates oder einer der Jungs, mit denen er sich herumtrieb -, aber Carley Yates war kein Junge mehr, ebensowenig wie er selbst. Vielleicht konnte er jetzt wieder nur Don Elbert sein statt der Mülleimermann, so wie Carley Yates jetzt nur Carl Yates war und bei Stout, dem örtlichen Chrysler-Plymouth-Händler, Autos verkaufte. Aber Carl Yates war weg, alle waren weg, und vielleicht war es zu spät für ihn, irgend jemand zu sein.



Und er saß nicht mehr an der Wand des Scrubba-Dubba; er war eine Meile oder mehr nordwestlich der Stadt, ging die 130 entlang, und die Stadt Powtanville lag unter ihm wie das maßstabgetreue Modell einer Stadt einer Spielzeugeisenbahn. Die Tanks waren nur noch eine halbe Meile entfernt, und er hatte einen Werkzeugkasten in der einen und einen 20-Liter-Kanister Benzin in der anderen Hand. Oh, es war so böse, aber...



Als Wendell Elbert unter der Erde war, hatte Sally Elbert eine Stelle im Powtanville Cafe angenommen, und irgendwann, in der ersten oder zweiten Klasse, hatte ihr letztes überlebendes Kücken, Donald Merwin Elbert, damit angefangen, Feuer in den Mülleimern anderer Leute anzuzünden und wegzulaufen.

Aufgepaßt, Mädchen, da kommt der Mülleimermann, der zündet euch die Kleider an!

Hiiiii! Ein Freeeeeak!

Erst als er in der dritten Klasse war, fanden die Erwachsenen heraus, wer es war, und der Sheriff kam vorbei, der gute alte Sheriff Greeley, und Don schätzte, so war es gekommen, daß der Mann, der seinen Vater direkt vor der Methodistenkirche niedergestreckt hatte, sein Stiefvater wurde.

Hey, Carley, hab 'n Rätsel für dich: Wie kann dein Vater deinen Vater abknallen?

Keine Ahnung, Petey, wie?

Weiß auch nicht, aber es geht, wenn man der Mülleimermann ist!

HihihahabaHarrHarrHarr!

Jetzt stand er am Anfang der gekiesten Zufahrt, und die Schultern taten ihm weh, weil er Werkzeugkasten und Benzin geschleppt hatte. Auf dem Schild am Tor stand: CHEERY PETROLEUM COMPANY, INC. ALLE BESUCHER BITTE IM BÜRO ANMELDEN! VIELEN DANK!




Ein paar Autos parkten auf dem Platz, nicht viele. Eine ganze Menge hatten platte Reifen. Mülleimermann schritt die Zufahrt entlang und durch das Tor, das nur angelehnt war. Seine blauen, seltsam fremden Augen waren starr auf die spinnwebgleiche Treppe gerichtet, die sich spiralförmig um den ersten Tank schlang, bis ganz zur Spitze. Unten vor dieser Treppe hing eine Kette, und an der Kette baumelte noch ein Schild. Darauf stand: BETRETEN VERBOTEN! PUMPSTATION GESCHLOSSEN. Er kletterte über die Kette und ging die Treppe hinauf.



Es war nicht richtig, daß seine Mutter diesen Sheriff Greeley geheiratet hatte. In dem Jahr, als er in die vierte Klasse kam, legte er Feuer in Briefkästen – das war das Jahr, in dem er den Rentenscheck der alten Mrs. Semple verbrannt hatte – und wurde wieder erwischt. Sally Elbert Greeley wurde hysterisch, als ihr zweiter Mann einmal vorschlug, den Jungen in die Anstalt in Terre Haute zu schicken. ( Du glaubst, er ist verrückt! Wie kann ein zehnjähriger Junge verrückt sein? Ich glaube, du willst ihn nur loswerden! Seinen Vater hast du aus dem Weg geräumt, und jetzt willst du ihn loswerden!) Greeleys einzige andere Möglichkeit wäre gewesen, den Jungen anzuklagen, und man schickte keinen Zehnjährigen in die Jugendstrafanstalt, wenn man nicht wollte, dass er mit einem Arschloch Größe elf wieder rauskam, wenn man nicht wollte, daß die neue Frau sich von einem scheiden ließ.

Die Treppe hinauf, die Treppe hinauf. Seine Füße erzeugten ein leises Klingen auf dem Stahl. Er hatte die Stimmen unten zurückgelassen, und so hoch konnte niemand einen Stein werfen. Die Autos auf dem Parkplatz sahen wie glänzende CorgiSpielsachen aus. Er hörte nur die Stimme des Windes, die ihm leise ins Ohr flüsterte und irgendwo durch eine Öffnung heulte; das, und den fernen Ruf eines Vogels. Ringsum erstreckten sich Bäume und freies Feld in allen Schattierungen von Grün, dem verträumter Morgendunst einen ganz leichten bläulichen Schimmer verlieh. Er lächelte jetzt glücklich, während er der Stahlspirale höher und höher folgte, immer rundherum.

Als er die flache runde Haube des Tanks erreicht hatte, kam es ihm so vor, als würde er direkt unter dem Dach der Welt stehen und könnte, wenn er nach oben griff, mit den Fingernägeln blaue Kreide vom Grund des Himmels kratzen. Er setzte Benzinkanister und Werkzeugkasten ab und sah sich einfach nur um. Man konnte tatsächlich von hier aus Gary sehen, weil der Industriequalm, den die hohen Schornsteine gewöhnlich ausstießen, fehlte und die Luft dort oben genauso klar war wie hier. Chicago war ein in Sommerdunst gehüllter Traum, und fern im Norden sah er ein schwaches blaues Glitzern, das entweder der Michigan-See oder ein Wunschbild war. Die Luft hatte ein sanftes, goldenes Aroma, das ihn an ein beschauliches Frühstück in einer hellen Küche denken ließ. Und bald würde der Tag brennen.

Er ließ das Benzin stehen, wo es war, trug den Werkzeugkasten zur Pumpanlage und machte sich Gedanken. Er hatte ein intuitives Verständnis für Maschinen; er konnte damit ähnlich umgehen, wie gewisse Geisteskranke mit siebenstelligen Zahlen im Kopf multiplizieren und dividieren können. Es hatte nichts mit Wissen oder Erkennen zu tun; er ließ einfach eine Zeitlang seine Blicke schweifen, dann bewegten sich seine Hände rasch und mühelos.



» He, Mülleimer, warum hast'n 'ne Kirche angesteckt? Warum nicht die SCHULE?«

Als er in der fünften Klasse war, hatte er in der Nachbarstadt Sedley im Wohnzimmer eines verlassenen Hauses Feuer gelegt, und das Haus war bis auf die Grundmauern abgebrannt. Sein Stiefvater Sheriff Greeley hatte ihn in den Bau gesteckt, weil ihn eine Bande Jugendlicher verprügelt hatte, und jetzt wollten die Erwachsenen ran ( Wenn es nicht geregnet hätte, wäre wegen diesem verdammten Feuerteufel vielleicht die halbe Stadt abgebrannt!). Greeley sagte Sally, daß Donald in die Anstalt in Terre Haute gebracht werden und den Test machen müßte. Sally sagte, sie würde ihn verlassen, wenn er ihrem Baby, ihrem ein und alles, das antun würde, aber Greeley ließ den Richter die Einweisungsverfügung unterschreiben, und so verschwand der Mülleimermann eine Weile, zwei Jahre, aus Powtanville, seine Mutter ließ sich von dem Sheriff scheiden, der Sheriff wurde in dem Jahr nicht wiedergewählt und endete als Fließbandarbeiter in einer Automobilfabrik in Gary. Sally besuchte Müll jede Woche und weinte immer dabei.



Mülleimermann flüsterte: »Los geht's, du Scheißhaufen«, und sah sich verstohlen um, ob jemand das schlimme Schimpfwort gehört hatte. Natürlich hatte es niemand gehört, denn er stand oben auf dem Öltank Nummer 1 der Cheery Oil, und selbst wenn er unten auf dem Boden gewesen wäre – es war niemand mehr da. Nur die Gespenster. Über ihm zogen dicke weiße Wolken vorbei. Aus dem Wirrwarr der Pumpanlage ragte ein dickes Rohr hervor, das einen Durchmesser von mehr als zwanzig Zentimetern und am Ende ein Gewinde hatte, um einen, wie es im Öljargon hieß, Kupplungsschlauch anzubringen. Es war ausschließlich für Abfluss oder Überlauf gedacht, aber jetzt war der Tank mit bleifreiem Benzin gefüllt, und etwas davon, vielleicht ein halber Liter, war ausgelaufen und bildete irisierende Spuren auf dem staubigen Metall. Mülleimer trat mit leuchtenden Augen einen Schritt zurück, einen schweren Schraubenschlüssel in der einen und einen Hammer in der anderen Hand. Er ließ sie fallen, und sie schepperten.

Also brauchte er das Benzin, das er mitgebracht hatte, doch nicht. Er hob den Kanister, schrie: »Bomben los!« und ließ ihn über die Seite fallen. Der Kanister drehte sich blinkend im Fallen; Müll verfolgte den Absturz mit Interesse. Nach einem Drittel des Weges schlug er auf der Metalltreppe auf, prallte ab und fiel dann ganz nach unten, wobei er sich immer wieder überschlug und bernsteinfarbenes Benzin aus der Seite spritzte, die beim Aufprall aufgeplatzt war. Er wandte sich wieder dem Überlaufrohr zu. Er betrachtete die irisierenden Benzinpfützen. Er holte eine Schachtel Streichhölzer aus der Brusttasche und betrachtete sie schuldbewußt, fasziniert und aufgeregt. Auf der Vorderseite war eine Anzeige, wonach man durch die La Salle University in Chicago im Fernunterricht jedwede Ausbildung erhalten konnte.  Ich stehe auf einer Bombe, dachte er. Er machte die Augen zu, zitterte vor Angst und Ekstase, und die vertraute kalte Erregung packte ihn und machte Finger und Zehen taub.

He, Müll, du alter Feuerteufel!



Als er dreizehn war, wurde er aus Terre Haute entlassen. Sie wußten nicht, ob er geheilt war oder nicht, aber sie behaupteten es. Sie brauchten sein Zimmer, damit sie ein anderes verrücktes Kind ein paar Jahre einsperren konnten. Mülleimer ging nach Hause. Er war jetzt in der Schule weit zurück und kam auch nicht mehr richtig mit. In Terre Haute hatte man ihm Elektroschocks verpaßt, und als er wieder in Powtanville war, konnte er nichts mehr im Kopf behalten. Er lernte für eine Prüfung, vergaß dann die Hälfte und bekam bestenfalls eine 4 oder 5.

Eine Zeitlang zündete er wenigstens keine Feuer mehr an. Es schien, als sei alles so, wie es sein sollte. Der vatermordende Sheriff war weg; er war oben in Gary und machte Scheinwerfer an Dodges fest (»Macht das Zeug ans Fahrzeug«, sagte Dons Mutter manchmal). Seine Mutter arbeitete im Powtanville Cafe. Alles war in Ordnung. Natürlich war da CHEERY OIL, weiße Tanks, die sich am Horizont erhoben wie riesige weißgetünchte Blechdosen, und dahinter der Industriequalm von Gary – wo der vatermordende Sheriff lebte -, als würde Gary schon in Flammen stehen. Er fragte sich oft, wie die Tanks von Cheery Oil wohl hochgehen würden. Drei einzelne Explosionen, so laut, daß einem die Trommelfelle platzten, und so hell, daß einem die Augen in den Höhlen geröstet wurden? Drei Feuersäulen (Vater, Sohn und der heilige vatermordende Sheriff), die monatelang Tag und Nacht brannten? Oder würden sie vielleicht überhaupt nicht brennen?

Er würde es herausfinden. Der leichte Sommerwind blies die ersten zwei Streichhölzer aus, und er ließ die verkohlten Enden auf den genieteten Stahl fallen. Zu seiner Rechten, in der Nähe des kniehohen Geländers, das um den Tank herumlief, sah er einen Käfer, der in einer Benzinpfütze strampelte. Ich bin wie dieser Käfer, dachte er giftig, und was ist das für eine Welt, in der Gott einen nicht nur in klebriger Pampe stecken läßt wie einen Käfer in einer Benzinpfütze, sondern einen auch noch am Leben und stundenlang zappeln läßt, tagelang... oder, in seinem Fall, jahrelang. So eine Welt verdient nichts anderes, als zu verbrennen. Er stand mit gesenktem Kopf da und wollte gerade das dritte Streichholz anzünden, als der Wind nachließ.



Als er zurückgekommen war, wurde er eine Weile Irrer und Schwachkopf und Feurio genannt, aber Carley Yates, der ihm inzwischen drei Klassen voraus war, erinnerte sich an die Mülleimer, und Carleys Name blieb an ihm haften. Als er sechzehn wurde, ging er mit Erlaubnis seiner Mutter von der Schule ab. ( Was soll man denn erwarten? Die haben ihn da unten in Terre Haute fertichgemacht, ich würd' sie verklagen, wenn ich das Geld hätte. Elektroschockbehandlung sagen sie dazu. Ich sag dazu elektrischer Stuhl!) und fing bei Scrubba-Dubba Car Wash an: Scheinwerfer abseifen / Scheibenwischer prüfen / Stoßstangen abseifen / Spiegel abwischen / he, Mister, wollen Sie auch Heißwachs? Und eine Weile ging noch alles seinen geregelten Gang. Leute schrien ihn an Straßenecken und aus fahrenden Autos an, wollten wissen, was die alte Mrs. Semple (die schon vier Jahre im Grab lag) gesagt hatte, als er ihren Rentenscheck verbrannt hatte, oder ob er ins Bett gemacht hatte, nachdem er das Haus in Sedley angesteckt hatte; sie pfiffen einander zu, wenn sie vor der Milchbar lungerten oder im Eingang von O'Toole's lehnten; sie rieten einander laut, Streichhölzer zu verstecken und Zigaretten auszumachen, weil der Mülleimermann unterwegs war. Die Stimmen wurden alle zu Phantomstimmen, aber die Steine, die aus dunklen Toreinfahrten oder von der anderen Straßenseite auf ihn zugesaust kamen, konnte er nicht einfach mißachten. Einmal hatte jemand aus einem vorbeifahrenden Auto eine halbvolle Bierdose nach ihm geworfen, und die Bierdose hatte ihn an der Stirn getroffen, so daß er in die Knie ging. Das war das Leben: Stimmen, ab und zu geworfene Steine, das Scrubba-Dubba. Und in der Frühstückspause saß er da, wo er auch heute gesessen hatte, aß die Vesper, die seine Mutter ihm mitgegeben hatte, sah zu den Öltanks von Cheery Oil und fragte sich, wie es sein würde.

Das war jedenfalls das Leben, bis er sich eines Tages mit einem 20Liter-Kanister Benzin im Vorraum der Methodistenkirche wiederfand und es überall verspritzte – besonders auf die Gesangbücher, die in einer Ecke lagen, dann hatte er sich besonnen und gedacht:  Das ist böse, und vielleicht noch schlimmer, es ist DUMM, sie werden wissen, wer es getan hat, sie würden auch wissen, wer es getan hat, wenn es ein anderer gewesen wäre, und sie werden dich »fortbringen«; er dachte darüber nach und roch Benzin, während die Stimmen in seinem Kopf flatterten wie Fledermäuse in einem Glockenturm, in dem es spukt. Dann erhellte ein Lächeln sein Gesicht, er drehte den Benzinkanister um, lief damit durch das Mittelschiff und verspritzte Benzin vom Vorraum bis zum Altar, wie ein Bräutigam, der zu seiner eigenen Hochzeit zu spät kommt und so ungeduldig ist, daß er schon die heiße Flüssigkeit verspritzt, die dem künftigen Ehebett vorbehalten bleiben sollte.

Dann war er in den Vorraum zurückgerannt, hatte ein einziges Streichholz aus der Brusttasche gezogen, es am Reißverschluss seiner Jeans angerissen und auf den Stapel benzindurchtränkter Gesangbücher geworfen, Volltreffer, kablamm! und am nächsten Tag fuhr er an den schwarzen Trümmern der Methodistenkirche vorbei in die Jugendstrafanstalt von Northern Indiana.

Und gegenüber von Scrubba-Dubba stand Carley Yates an den Laternenpfahl gelehnt, eine Lucky Strike im Mundwinkel, und Carley hatte ihm seinen Abschiedsgruß, seinen Epitaph, seine letzten Worte nachgerufen:  He, Müll, warum hast'n 'ne Kirche angesteckt? Warum nicht die SCHULE?

Er war siebzehn, als er in die Jugendstrafanstalt kam, und als er achtzehn wurde, schickten sie ihn ins Staatsgefängnis, und wie lange war er da? Wer wollte das wissen? Der Mülleimermann nicht, soviel stand fest. Im Knast war es den Leuten egal, daß er die Methodistenkirche niedergebrannt hatte. Im Knast waren Leute, die viel Schlimmeres getan hatten. Mord. Vergewaltigung. Älteren Bibliothekarinnen den Schädel eingeschlagen. Manche Zellengenossen wollten mit ihm etwas machen, manche wollten, dass er mit ihnen etwas machte. Ihm war es gleichgültig. Es passierte, wenn das Licht aus war. Ein Mann mit Kahlkopf hatte ihm gesagt, daß er ihn liebe – Ich liebe dich, Donald-, und das war bestimmt besser, als mit Steinen beworfen zu werden. Manchmal dachte er, wenn ich nur für immer hier bleiben könnte. Aber manchmal träumte er nachts von CHEERY OIL, und in den Träumen gab es immer eine einzige donnernde Explosion, der zwei weitere folgten, und es hörte sich an wie WAMM!... WAMM! WAMM! Gewaltige tonlose Explosionen, die sich ins helle Tageslicht hämmerten, die das Tageslicht formten wie Hammerschläge dünnes Kupfer. Und die Leute in der Stadt würden alles stehen– und liegenlassen und nach Norden in Richtung Gary schauen, wo die drei Tanks sich gegen den Horizont abhoben wie riesige weißgetünchte Blechdosen. Carley Yates würde gerade versuchen, einem jungen Paar mit Baby einen zwei Jahre alten Plymouth Fury zu verkaufen und mitten im Gespräch innehalten und aufblicken. Die Müßiggänger im O'Toole's und dem Süßwarenladen würden Bier und Schokomalz stehenlassen und sich nach draußen drängen. Im Cafe würde seine Mutter sich vor der Kasse umdrehen. Der neue Gehilfe im Scrubba-Dubba, der gerade einen Scheinwerfer einseifte, würde sich aufrichten, den Schwammhandschuh noch an der Hand, und nach Norden sehen, wo der gewaltige, ungeheure Lärm wie ein Vorschlaghammer das dünne Kupferblech der täglichen Routine zerschlug: WAMM! Das war sein Traum.

Irgendwann wurde er Vertrauensmann, und als die seltsame Krankheit kam, mußte er in der Krankenstation helfen, aber vor einigen Tagen waren keine Kranken mehr da gewesen, denn alle, die krank gewesen waren, waren nun tot. Alle waren tot oder abgehauen, mit Ausnahme von einem jungen Wärter namens Jason Debbins, der sich am Steuer im Wagen der Gefängniswäscherei erschossen hatte.

Und wohin hätte er selber schon gehen sollen, wenn nicht nach Hause?

Der Wind strich ihm sanft über die Wange und erstarb dann. Er zündete noch ein Streichholz an und ließ es fallen. Es landete in einer kleinen Benzinpfütze, und das Benzin fing Feuer. Die Flammen waren blau. Sie breiteten sich anmutig aus, eine Art Korona mit dem brennenden Streichholz als Mittelpunkt. Vor Faszination wie gelähmt sah Mülleimer einen Augenblick zu, dann trat er rasch zur Treppe, die um den Tank herum nach unten führte und blickte noch einmal über die Schulter zurück. Er sah die Pumpanlage jetzt durch Hitzeflimmern hindurch, so zitternd und verschwommen wie ein Trugbild. Die blauen, nur fünf Zentimeter hohen Flammen wanderten zur Anlage und dem offenen Rohr hin, ein ständig wachsender Halbkreis. Der Käfer hatte aufgehört zu zappeln. Er war nur noch eine verkohlte Hülle.

Das könnte ich auch mit mir geschehen lassen.

Aber das wollte er nicht. Ihm schien auf unbestimmte Weise, als könnte sein Leben jetzt noch einen anderen Sinn haben, einen großen und gewaltigen. Daher empfand er einen Hauch von Angst und begann im Laufschritt die Treppe hinabzusteigen, daß seine Schritte dröhnten und seine Hände rasch über das steile, rostzerfressene Geländer rutschten.

Abwärts, abwärts, im Kreis, und er fragte sich, wie lange es dauern würde, bis die Dämpfe über dem offenen Überlaufrohr anfingen zu brennen, bis die Hitze groß genug war, daß sie den Hals des Rohrs in den Bauch des Tanks hinabraste.

Mit fliegenden Haaren und einem verkrampften entsetzten Grinsen im Gesicht, dem Rauschen von Wind in den Ohren, lief er nach unten. Jetzt hatte er den halben Weg geschafft und rannte an den sechs Meter hohen Buchstaben CH vorbei, die sich in leuchtendem Grün vom Weiß des Tanks abhoben. Abwärts, abwärts, und wenn seine rasenden Füße ausrutschten oder über etwas stolperten, würde er abstürzen wie der Kanister, und seine Knochen würden wie tote Äste brechen.

Der Boden kam näher, die Kreise aus weißem Kies um den Tank herum, das grüne Gras jenseits des Kieses. Die Autos auf dem Parkplatz hatten fast schon wieder ihre normale Größe. Und immer noch schien er zu schweben, zu schweben wie in einem Traum, und er würde nie unten ankommen, immer nur laufen und laufen und nirgends hingelangen. Er befand sich neben einer Bombe, deren Zündschnur schon brannte.

Von weit oben hörte er plötzlich einen lauten Knall, wie von einem Fünf-Zoll-Kanonenschlag am 4. Juli. Ein metallisches Klingen, dann sauste etwas an ihm vorbei. Er sah, daß es ein Teil des Überlaufrohrs war, und er sah es mit einer stechenden, beinahe lustvollen Angst. Es war ganz schwarz und durch die Hitze in eine völlig neue und aufregend sinnlose Form verbogen.

Er legte die Hand aufs Geländer, setzte hinüber und hörte dabei ein Knacken im Handgelenk. Übelkeit erregender Schmerz breitete sich bis zum Ellenbogen aus. Müll stürzte die letzten sieben Meter, landete im Kies und fiel hin. Die Kieselsteine hatten ihm die Unterarme aufgeschürft, aber er spürte es kaum. Er war von einer stöhnenden, grinsenden Panik erfüllt, und der Tag schien sehr hell zu sein.

Mülleimermann rappelte sich auf, drehte den Kopf herum und sah, noch während er zu laufen anfing, nach oben. Auf der Spitze des mittleren Tanks waren gelbe Haare gewachsen, und diese Haare wuchsen mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Das ganze Ding konnte jede Sekunde hochgehen.

Er rannte; die rechte Hand baumelte am gebrochenen Gelenk. Er sprang über die Parkplatzeinfassung, und seine Füße traten auf Asphalt. Jetzt hatte er den Parkplatz hinter sich, sein Schatten folgte ihm auf dem Fuß, während er die Einfahrt entlanglief, sich durch das angelehnte Tor stürzte und den Highway 130 erreichte. Er lief schnurstracks auf die andere Seite, warf sich dort in den Graben, landete weich in einem Haufen welker Blätter und nassem Moos, schlang die Arme um den Kopf, und sein Atem schnitt in die Lungen wie brutale Messerstiche.

Der Öltank ging hoch. Nicht WAMM! sondern KA-WAPP!, ein so gewaltiges Geräusch, und doch so kurz und kehlig, daß er spürte, wie seine Trommelfelle nach innen, seine Augen nach außen gedrückt wurden, als die Luft sich irgendwie änderte. Eine zweite Explosion folgte, dann eine dritte, und Mülleimer warf sich auf das Laub und grinste und stieß stumme Schreie aus. Er richtete sich auf, hielt die Hände auf die Ohren, und ein plötzlicher Wind erfaßte ihn und stieß ihn mit solcher Gewalt zu Boden, als wäre er nur ein Stück Abfall.

Die jungen Bäume hinter ihm bogen sich zurück, und ihre Blätter erzeugten ein schrilles, sirrendes Geräusch, wie Wimpel, die an einem stürmischen Tag über dem Platz des Gebrauchtwagenhändlers flatterten. Einer oder zwei brachen mit einem knackenden Geräusch, als würde jemand eine Pistole abfeuern. Brennende Stücke des Tanks stürzten auf der anderen Straßenseite zu Boden, einige sogar auf die Straße. Beim Auftreffen dröhnten sie metallisch, in den Stücken hingen teilweise noch Nieten, und sie waren verbogen und schwarz, genau wie das Teil vom Überlaufrohr.

KA-WAMM!

Mülleimer richtete sich wieder auf und sah hinter dem Parkplatz der CHEERY OIL eine riesige Feuersäule aufsteigen. Schwarzer Rauch wirbelte aus ihrer Spitze erstaunlich hoch gerade in die Luft, bevor der Wind ihn auseinandertrieb. Man konnte nicht hinsehen, ohne die Augen zusammenzukneifen, und jetzt wehte sengende Hitze über die Straße zu ihm herüber und straffte ihm die Haut, bis sie glänzend wirkte. Seine Augen tränten protestierend. Ein weiteres Stück brennenden Metalls, das einen Durchmesser von mindestens zwei Metern hatte und wie ein Diamant geformt war, fiel vom Himmel, landete sechs Meter links von ihm im Graben, und die trockenen Blätter auf dem nassen Moos standen sofort in Flammen.

KA-WAMM-KA-WAMM!

Wenn er noch länger hier blieb, würde er in einem Akt spontaner Verbrennung in Flammen aufgehen. Er kroch aus dem Graben, lief auf der Böschung neben der Straße in Richtung Gary, und der Atem wurde immer heißer und heißer in seinen Lungen. Die Luft schmeckte mit einem Mal wie Schwermetall. Er griff sich in die Haare, um zu prüfen, ob sie schon brannten. Der süße Gestank von Benzin erfüllte die Luft und schien ihn ganz einzuhüllen. Heißer Wind zerrte an seiner Kleidung. Er kam sich vor wie jemand, der aus einem Mikrowellenherd fliehen will. Vor seinen tränenden Augen sah er die Straße doppelt, dann dreifach.

Er hörte ein weiteres hustendes Donnern, als der steigende Luftdruck das Bürogebäude der CHEERY OIL implodieren ließ. Glasscherben sirrten durch die Luft. Betonbrocken und Teile der Schlackenwand regneten aus dem Himmel und hagelten auf die Straße. Ein Stück Stahl mit einem Durchmesser von einem Vierteldollar und so lang wie ein Mars-Schokoriegel fuhr zischend durch Mülleimers Ärmel und riß ihm einen dünnen Kratzer in die Haut. Ein Stück, das so groß war, daß es seinen Kopf in Guajavenmarmelade verwandelt hätte, schlug vor seinen Füßen auf die Straße, riß einen Krater und prallte ab. Dann hatte er die Gefahrenzone hinter sich, lief aber weiter, und das Blut pulsierte in seinem Kopf, als wäre sein Gehirn mit Heizöl überschüttet und dann angezündet worden.

KA-WAMM!

Das war der nächste Tank, und der Luftwiderstand vor ihm schien zu verschwinden, eine große warme Hand stieß ihn fest von hinten, eine Hand, die sich von Kopf bis Fuß den Konturen seines Körpers anzupassen schien; sie schob ihn vorwärts, so daß seine Zehen kaum noch die Straße berührten, und in seinem Gesicht zeigte sich das entsetzte, bettnässerische Grinsen eines Mannes, den man an den größten Drachen der Welt angebunden und fliegen gelassen hat, fly, fly, up into the sky, und der jetzt im Aufwind hoch in den Himmel schwebt, bis der Wind plötzlich weg ist und er schreiend in die Tiefe stürzen muß.

Hinter einer perfekten Salve von Explosionen ging Gottes Munitionslager in den Flammen der Gerechtigkeit auf, Satan erstürmte den Himmel, sein Artilleriehauptmann war ein wild grinsender Narr mit rotem abgeschälten Gesicht und dem Namen Mülleimermann und nie wieder Donald Merwin Elbert. Bilder zitterten vorbei: Autowracks am Straßenrand, Mr. Strangs blauer Briefkasten mit seiner Flagge, ein toter Hund mit hochgereckten Beinen, eine in ein Maisfeld gestürzte Überlandleitung.

Die Hand schob ihn jetzt nicht mehr so heftig. Vor sich spürte er wieder Luftwiderstand. Müll riskierte einen Blick zurück, und er sah, daß die Anhöhe, auf der die Tanks gestanden hatten, eine einzige Flammenwand war. Alles brannte. Dort hinten schien selbst die Straße zu lodern, und er sah, daß auch die sommergrünen Bäume wie Fackeln brannten.

Er rannte noch eine Viertelmeile und verfiel dann in ein schnaufendes, keuchendes und stöhnendes Gehen. Nach einer weiteren Meile gönnte er sich eine Pause, sah zurück und nahm den frohen Brandgeruch wahr. Ohne Löschwagen und Feuerwehrleute würde sich das Feuer dorthin ausbreiten, wohin der Wind wehte. Vielleicht würde es noch monatelang brennen. Powtanville würde verbrennen, und das Feuer würde sich nach Süden wenden und Häuser, Dörfer, Farmen, Ernten, Wiesen und Wälder zerstören. Vielleicht lief es so weit nach Süden, daß es Terre Haute erreichte und die Anstalt verbrannte, in der er gelebt hatte. Vielleicht brannte es noch weiter. Es könnte sogar...


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