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The Stand. Das letze Gefecht
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Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


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Ужасы


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46

Es war der späte Abend des 27. Juli. Sie lagerten auf einem Platz, den ein von Sommerstürmen halb demoliertes Schild als das Messegelände von Kunkle auswies. Kunkle selbst, Kunkle, Ohio, lag südlich von ihnen. Dort hatte es offenbar gebrannt, der größte Teil von Kunkle war zerstört. Stu sagte, es wäre wahrscheinlich ein Blitz gewesen. Harold hatte naturlich widersprochen. Wenn Stu sagte, daß ein Löschwagen der Feuerwehr rot war, dann führte Harold Lauder Fakten und Zahlen an, die bewiesen, daß die meisten heutzutage grün waren.

Sie seufzte und drehte sich um. Sie konnte nicht schlafen. Sie hatte Angst vor dem Traum.

Links von ihr standen die fünf Motorräder in einer Reihe auf den Kickständern, das Mondlicht spiegelte sich in Chrornteilen und Auspuffrohren. Als hätte sich eine Gruppe Hell's Angels heute abend diesen Platz für ein Treffen ausgesucht. Nicht, daß die Angels so harmlose Maschinen wie diese Hondas und Yamahas fahren würden, überlegte sie. Sie fuhren »Hogs«... oder war das etwas, das nur sie in alten Motorradepen von American-International aufgeschnappt hatte? The Wild Angels. The Devil's Angels. Hell's Angels on Wheels.Als sie noch die High School besuchte, waren Motorradfilme in den Drive-lns – den Autokinos – das Schärfste gewesen: Wells Drive-In, Sanford Drive-In, South Portland Twin, du zahlst dein Geld und hast die Wahl. Jetzt waren sie kaputt, alle Drive-lns waren kaputt, ganz zu schweigen von den Hell's Angels und den guten alten American-International-Pictures. Schreib es in dein Tagebuch, Frannie, sagte sie sich und drehte sich auf die andere Seite. Nicht heute abend. Heute abend wollte sie schlafen, Träume oder nicht.

Zwanzig Schritte von ihr entfernt konnte sie die anderen sehen, die in ihren Schlafsäcken knackten wie Hell's Angels nach einer riesigen Bier-Party, der Party, bei der alle im Film vögelten, außer Peter Fonda und Nancy Sinatra. Harold, Stu, Glen Bateman, Mark Braddock, Perion McCarthy. Nehmen Sie heute abend Sominex und schlaaaaafen Sie...

Sie waren nicht auf Sominex, sondern jeder bekam eine halbe Tablette Veronal. Stu war auf den Gedanken gekommen, als die Träume richtig schlimm und alle schlecht gelaunt wurden und einander auf die Nerven gingen. Bevor er es den anderen gegenüber erwähnte, hatte er Harold beiseite genommen, denn die beste Methode, Harold zu schmeicheln, war, ihn um seine Meinung zu fragen, und außerdem wußteHarold einfach gewisse Dinge. Das war sehr gut, aber andererseits war es auch ein wenig unheimlich, als würde ein fünftklassiger Gott mit ihnen reisen – mehr oder weniger allwissend, aber seelisch labil und möglicherweise jederzeit kurz vor dem Durchdrehen. Harold hatte sich in Albany, wo sie Mark und Perion getroffen hatten, eine zweite Waffe besorgt, und jetzt trug er beide Pistolen überkreuzt an den Hüften wie ein neuer Johnny Ringo. Harold tat ihr leid, aber allmählich bekam sie Angst vor ihm. Sie fragte sich immer öfter, ob Harold nicht eines Nachts ausrasten und anfangen würde, mit seinen Pistolen herumzuballern. Sie mußte oft an den Tag zurückdenken, als sie Harold im Garten angetroffen hatte, wo er seelisch völlig zusammengebrochen in der Badehose den Rasen gemäht und dabei geweint hatte.

Sie wußte genau, wie Stu mit ihm darüber geredet hatte, sehr ruhig, beinahe verschwörerisch: Harold, diese Träume sind ein Problem. Ich habe da eine Idee, aber ich weiß nicht genau, wie ich sie verwirklichen kann... ein leichtes Beruhigungsmittel... aber es müßte genau die richtige Dosis sein. Zu viel, und wir würden nicht aufwachen, wenn es Ärger gibt. Was schlägst du vor? 

Harold hatte vorgeschlagen, es mit einer Tablette Veronal zu versuchen, das man in jedem Drugstore bekommen konnte, und wenn diese den Traumzyklus unterbrach, konnte man es mit einer Dreivierteltablette probieren, dann mit einer halben. Stu hatte auch heimlich mit Glen Bateman gesprochen, um einen anderen Standpunkt zu hören, und das Experiment war gemacht worden. Bei einer Vierteltablette kamen die Träume wieder, und so blieb es bei einer halben.

Jedenfalls für die anderen.

Frannie nahm jeden Abend ihre halbe Tablette in Empfang, schluckte sie aber nicht. Sie wußte nicht, ob Veronal dem Baby schaden konnte oder nicht, wollte aber kein Risiko eingehen. Es hieß, daß selbst Aspirin den Chromosomen gefährlich werden konnte. So mußte sie die Träume erleiden – erleiden, das war das richtige Wort. Einer der Träume war vorherrschend; wenn die übrigen anders waren, gingen sie doch früher oder später in diesen über. Sie war in ihrem Haus in Ogunquit, und der dunkle Mann verfolgte sie. Durch schattige Flure hin und her, durch den Salon ihrer Mutter, wo die Uhr unablässig Jahreszeiten in einem Zeitalter der Dürre tickte... sie wußte, daß sie ihm entkommen könnte, wenn sie nicht die Leiche tragen müßte. Es war die in ein Bettlaken gehüllte Leiche ihres Vaters, und wenn sie sie fallen ließ, würde der dunkle Mann ihr etwas antun, sie vielleicht schrecklich schänden. Deshalb lief sie und merkte, daß er immer näher kam, bis er zuletzt seine Hand auf ihre Schulter legen würde, seine heiße, widerliche Hand. Sie verlor das Rückgrat und alle Kraft, und die Leiche ihres Vaters glitt ihr aus den Armen, sie drehte sich um und wollte rufen: Nehmen Sie ihn, machen Sie, was Sie wollen, es ist mir gleich, nur verfolgen Sie mich nicht mehr.

Und dann stand er vor ihr, in etwas Dunkles gehüllt, das aussah wie eine Mönchskutte mit Kapuze, und von seinen Zügen war nichts zu sehen außer seinem breiten Grinsen. Und in einer Hand hielt er den verbogenen Kleiderbügel. Da traf das Grauen sie wie eine Faust, und sie versuchte aufzuwachen, schweißgebadet und mit klopfendem Herzen, und sie wollte niemals wieder schlafen. Denn er wollte nicht die Leiche ihres Vaters; er wollte das lebende Kind in ihrem Leib.

Sie drehte sich wieder um. Wenn sie nicht bald einschlief, würde sie ihr Tagebuch nehmen und etwas hineinschreiben. Sie führte seit dem 5. Juli Tagebuch. In gewisser Weise führte sie es für das Baby. Es war ein Akt des Glaubens – des Glaubens, daß das Baby leben würde. Es sollte später erfahren, wie es gewesen war, wie die Seuche in einen Ort namens Ogunquit gekommen war, wie sie und Harold ihr entgangen waren und was dann aus ihnen wurde. Das Kind sollte wissen, wie das alles gewesen war.

Der Mond schien so hell, daß man schreiben konnte, und zwei oder drei Seiten Tagebuch reichten immer aus, sie müde zu machen. Sie nahm an, daß das nicht unbedingt für ihre schriftstellerische Begabung sprach. Aber vorher wollte sie dem Schlaf noch einmal eine faire Chance geben.

Sie machte die Augen zu.

Und dachte weiter über Harold nach.

Die Situation hätte sich entspannen können, als Mark und Perion zu ihnen gestoßen waren, wären die beiden nicht von vorneherein miteinander liiert gewesen. Perion war dreiunddreißig, elf Jahre älter als Mark, aber in dieser neuen Welt spielten derlei Dinge keine Rolle mehr. Sie hatten einander gesucht und gefunden und wollten zusammenbleiben. Perion hatte Frannie gestanden, daß sie versuchten, ein Baby zu machen. Gott sei Dank habe ich die Pille genommen und keine Spirale gehabt, sagte Peri. Wie in Gottes Namen hätte ich die je rausbekommen sollen?

Frannie hätte ihr beinahe von dem Baby erzählt, das sie selbst im Leib trug (mittlerweile war sie schon im vierten Monat), aber irgend etwas hatte sie zurückgehalten. Sie hatte Angst, es könnte eine gespannte Situation noch schlimmer machen.

So kam es, daß sie jetzt zu sechst waren, nicht mehr zu viert (Glen weigerte sich standhaft, ein Motorrad zu fahren, und fuhr stets als Beifahrer bei Stu oder Harold mit), aber die Situation hatte sich durch das Auftauchen einer weiteren Frau nicht verändert.

Was ist mit dir, Frannie? Was willst du?

Wenn sie in so einer Welt leben mußteund eine Art biologische Uhr in sich trug, die in knapp sechs Monaten ablaufen würde, dann wollte sie einen Mann wie Stu Redman zum Gefährten – nein, keinen Mann wieihn. Sie wollte ihn. Jetzt war es heraus, offen eingestanden.

Da es keine Zivilisation mehr gab, war das Auto der menschlichen Gesellschaft Chrom und Zierleisten losgeworden. Über dieses Thema ließ sich Glen Bateman oft aus, und es schien Harold immer ungewöhnlich gut zu gefallen.

Women's Lib, fand Frannie (die dachte, wenn sie schon offen war, konnte sie auch rückhaltlos offen sein), war nicht mehr und nicht weniger als ein Auswuchs der technologischen Gesellschaft. Frauen waren der Gnade ihrer Körper ausgeliefert. Sie waren kleiner. Sie waren gewöhnlich schwächer. Ein Mann konnte keine Kinder bekommen, das konnte nur eine Frau – jeder Vierjährige wußte das. Und eine schwangere Frau ist ein verwundbares Menschenwesen. Die Zivilisation hatte einen Schirm der Vernunft errichtet, unter dem beide Geschlechter Platz fanden. Liberation– Befreiung – das eine Wort sagte alles. Vor der Zivilisation mit ihrem behutsamen und barmherzigen System von Schutzvorrichtungen waren Frauen Sklaven gewesen. Da half keine Schönfärberei; wir waren Sklaven, dachte Fran. Dann gingen die bösen Tage zu Ende. Und das Credo der Frauen, das man in den Büros des Magazins Ms. aufhängen sollte, vorzugsweise in Großbuchstaben, lautete ganz einfach: Vielen Dank, Männer, für die Eisenbahn. Vielen Dank, daß ihr das Automobil erfunden und die Indianer massakriert habt, die glaubten, es wäre schön, noch eine Weile in Amerika zu bleiben, zumal sie zuerst da waren. Vielen Dank, Männer, für die Krankenhäuser, die Polizei, die Schulen. Aber jetzt würde ich gerne wählen, bitte, und ich beanspruche das Recht, meinen Weg selbst zu bestimmen und mein Schicksal selbst zu gestalten. Früher habe ich gekuscht, aber das ist jetzt überflüssig. Meine Tage der Sklaverei sind gezählt; ich muss ebensowenig Sklavin sein, wie ich den Atlantik in einem winzigen Segelboot überqueren muß. Flugzeuge sind schneller und sicherer als kleine Segelboote, und Freiheit ist vernünftiger als Sklaverei. Ich habe keine Angst vorm Fliegen. Vielen Dank, Männer. 

Was war noch zu sagen? Nichts. Die Spießer mochten stöhnen, wenn Büstenhalter verbrannt wurden, die Reaktionäre ihre kleinen intellektuellen Spiele trieben, aber die Wahrheit lächelt nur. Jetzt hatte sich das alles geändert, in wenigen Wochen hatte es sich geändert – wie sehr, konnte nur die Zeit lehren. Aber jetzt lag sie hier in der Nacht und wußte, daß sie einen Mann brauchte. O Gott, sie brauchte so sehr einen Mann.

Und es ging ihr nicht darum, sich und ihr Kind durchzubringen, nach der Nummer eins zu suchen (und Nummer zwei, vermutete sie). Sie mochte Stu, besonders nach Jess Rider. Stu war ruhig, tüchtig und vor allem nicht das, was ihr Vater »zwanzig Pfund Scheiße in einem Zehnpfundsack« genannt haben würde.

Er mochte sie auch. Das wußte sie ganz genau, seit sie am 4. Juli in diesem verlassenen Restaurant zum ersten Mal gemeinsam gegessen hatten. Einen Moment – nur einen Moment hatten sich ihre Blicke getroffen, und der Funke war übergesprungen, wie bei einem plötzlichen Stromstoß, bei dem sämtliche Nadeln in den roten Bereich sausen. Stu wußte vermutlich, wie es stand, aber er wartete auf sie, überließ es ihr, sich zu gegebener Zeit zu entscheiden. Sie war zuerst in Harolds Begleitung gewesen, deshalb war sie Harolds Sklavin. Eine stinkende Macho-Vorstellung, aber sie fürchtete, dass es wieder eine stinkende Macho-Welt werden würde, wenigstens für eine gewisse Zeit.

Wenn nur jemand für Harold da wäre, aber es war niemand da, und sie fürchtete, sie konnte nicht mehr lange warten. Sie dachte an den Tag, an dem Harold auf seine tolpatschige Art versucht hatte, mit ihr zu schlafen, um seinen Besitzanspruch deutlich zu machen. Wie lange war das her? Zwei Wochen? Es kam ihr länger vor. Die ganze Vergangenheit schien jetzt ausgedehnt zu sein. Sie war zerlaufen wie ein warmgewordener Sahnekaramellbonbon. Hin und her gerissen zwischen den Sorgen, was sie Harolds wegen unternehmen sollte, und der Angst, was er anstellen konnte, wenn sie zu Stuart ging, und ihrer Angst vor den Träumen, würde sie nie zum Schlafen kommen. Mit diesem Gedanken döste sie ein.

Als sie aufwachte, war es noch dunkel. Jemand schüttelte sie. Sie murmelte protestierend – ihr Schlaf war zum ersten Mal seit einer Woche ruhig und ohne Träume -, aber dann kam sie doch widerwillig zu sich und dachte, es müßte Morgen und Zeit zum Aufbruch sein. Aber warum sollten sie in der Dunkelheit aufbrechen? Als sie sich aufrichtete, sah sie, daß sogar der Mond untergegangen war. Harold schüttelte sie, und Harold sah verängstigt aus.

»Harold? Was ist denn los?«

Sie sah, daß Stu auch auf war. Und Glen Bateman. Perion kniete auf der anderen Seite ihrer kleinen Feuerstelle.

»Mark«, sagte Harold. »Er ist krank.«

»Krank?« sagte sie, dann ertönte das leise Stöhnen von der anderen Seite der Asche des Lagerfeuers, wo Perion kniete und die beiden Männer standen. Frannie spürte, wie das Grauen gleich einer schwarzen Säule in ihr emporstieg. Vor Krankheiten hatten sie alle am meisten Angst.

»Doch nicht... die Grippe, oder, Harold?« Wenn Mark jetzt mit Verspätung an Captain Trips erkrankte, bedeutete das, daß sie es alle bekommen konnten. Vielleicht lag der Erreger immer noch in der Luft. Vielleicht war er sogar mutiert. Damit ich dich besser fressen kann.

»Nein, nicht die Grippe. Ganz und gar nicht. Fran, hast du heute abend Austern aus der Dose gegessen ? Oder vielleicht, als wir Rast gemacht haben ?«

Sie versuchte nachzudenken, aber ihr Verstand war immer noch verschlafen. »Ja, beide Male«, sagte sie. »Haben gut geschmeckt. Ich mag Austern. Ist es eine Lebensmittelvergiftung? Ist es das?«

»Fran, ich frage ja nur. Keiner weiß, was es ist. Wir haben keinen Arzt im Haus. Wie geht es dir? Alles in Ordnung?«

»Prima, nur müde.« Aber das war sie nicht. Nicht mehr. Von der anderen Seite des Lagers drang wieder ein Stöhnen herüber, als würde Mark ihr Vorwürfe machen, weil es ihr gut ging und ihm nicht. Harold sagte: »Glen glaubt, es könnte der Blinddarm sein.«

»Was?«

Harold grinste nur düster und nickte.

Fran stand auf und ging zu den anderen. Harold folgte ihr wie ein unglücklicher Schatten.

»Wir müssen ihm helfen«, sagte Perion. Sie sprach mechanisch, als hätte sie es schon oft gesagt. Ihre Augen sahen unablässig von einem zum anderen – Augen, die so voll Entsetzen und Hilflosigkeit waren, daß sich Frannie wieder einmal schuldig fühlte. Ihre Gedanken kreisten egoistisch um das Baby, und sie versuchte, sie zu verdrängen. Unangemessen oder nicht, sie wollten nicht weichen. Geh weg von ihm, schrie ein Teil von ihr dem anderen Teil zu. Geh sofort weg, er könnte ansteckend sein. Sie sah Glen an, der im Licht der Coleman-Laterne blaß und alt aussah.

»Harold sagt, ihr denkt, es ist der Blinddarm?« fragte sie.

»Ich weiß nicht«, sagte Glen, der unbehaglich und ängstlich dreinsah. »Die Symptome hat er auf jeden Fall; Fieber, der Unterleib ist geschwollen und fühlt sich hart an, schmerzt bei Berührung...«

»Wir müssen ihm helfen«, sagte Perion wieder und brach in Tränen aus.

Glen berührte Marks Bauch, und Mark riß die Augen, die halb geschlossen und glasig waren, weit auf. Er schrie. Glen riß die Hand weg, als hätte er in einen heißen Ofen gefaßt, und sah mit kaum verhohlener Panik von Stu zu Harold und wieder zu Stu zurück.

»Was schlagen die beiden Herren vor?«

Harold stand da, sein Hals arbeitete konvulsivisch, als wäre etwas darin steckengeblieben, das ihn würgte. Schließlich stieß er hervor:

»Gebt ihm etwas Aspirin.«

Perion, die durch Tränen auf Mark hinabgesehen hatte, wirbelte zu Harold herum. »Aspirin?« fragte sie. Ihre Stimme klang wütend und fassungslos. » Aspirin?« diesmal kreischte sie es. » Mehrfällt euch nicht ein, wo ihr doch sonst solche Klugscheißer seid? Aspirin

Harold steckte die Hände in die Taschen, sah sie kläglich an und nahm den Verweis hin.

Stu sagte ganz leise: »Aber Harold hat recht, Perion. Momentan können wir nichts Besseres tun, als ihm Aspirin zu geben. Wie spät ist es?«

»Ihr wißtnicht, was ihr machen sollt!« schrie Perion sie an. »Warum gebt ihr es nicht einfach zu?«

»Es ist Viertel vor drei«, sagte Frannie.

»Und wenn er stirbt?« Peri strich sich eine Strähne kastanienfarbenes Haar aus dem vom Weinen verquollenen Gesicht.

»Laß sie in Ruhe, Peri«, sagte Mark mit dumpfer, müder Stimme. Sie schraken alle auf. »Sie tun, was sie können. Wenn es weiterhin so weh tut, wäre ich sowieso lieber tot. Gebt mir Aspirin. Irgendwas.«

»Ich hole es«, sagte Harold, der sich liebend gern entfernte. »In meinem Rucksack ist welches. Exedrin extra stark«, fügte er hinzu, als wartete er auf ihre Zustimmung, dann ging er, stolperte beinahe in seiner Hast.

»Wir müssen ihm helfen«, sagte Perion, die zu ihrer alten Litanei zurückkehrte.

Stu zog Glen und Frannie beiseite.

»Habt ihr eine Ahnung, was wir machen sollen?« fragte er leise. »Ich weiß es jedenfalls nicht, soviel kann ich sagen. Peri war wütend auf Harold, aber sein Einfall mit dem Aspirin war doppelt so gut wie jeder von mir.«

»Sie ist durcheinander, das ist alles«, sagte Fran. Glen seufzte. »Vielleicht ist es nur der Magen. Zuviel Aufregungen. Vielleicht hat er guten Stuhlgang, und es geht wieder weg.«

Frannie schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Wenn es der Magen wäre, hätte er kein Fieber. Und ich glaube auch nicht, dass der Bauch so aufgebläht wäre.« Es sah fast so aus, als wäre über Nacht ein Tumor dort entstanden. Sie wurde ganz krank, wenn sie nur daran dachte. Sie konnte sich nicht erinnern (außer in ihren Träumen), wann sie zuletzt solche Angst gehabt hatte. Was hatte Harold gesagt: Wir haben keinen Arzt im Haus. Wie zutreffend das war. Wie schrecklich zutreffend. Herrgott, mit einem Mal wurde ihr alles bewußt, brach förmlich über sie herein. Wie schrecklich allein sie waren. Wie schrecklich weit draußen auf dem Hochseil, und jemand hatte vergessen, das Sicherheitsnetz zu spannen. Sie sah von Glens verkrampftem Gesicht in das von Stu. In beiden sah sie größte Besorgnis, aber in keinem eine Lösung.

Hinter ihnen schrie Mark erneut, und Perion wiederholte seinen Schrei, als würde sie seine Schmerzen empfinden. In gewisser Weise war das auch so, vermutete Frannie.

»Was sollen wir nur tun?« fragte Frannie hilflos.

Sie dachte an das Baby, und die Frage, die ihr immer und immer wieder in den Sinn kam, lautete: Was ist, wenn ein Kaiserschnitt gemacht werden muß? Was ist, wenn ein Kaiserschnitt gemacht werden muß? Was ist...

Hinter ihr schrie Mark wieder wie ein gräßlicher Prophet, und sie haßte ihn. Sie sahen einander in der zitternden Dunkelheit an.

Aus Fran Goldsmiths Tagebuch 

6.Juli 1990

Nach einigem Überreden hat Mr. Bateman eingewilligt, mit uns zu kommen. Er sagt, nach seinen vielen Artikeln (»Ich schreibe sie in großen Worten, damit niemand merkt, wie einfältig sie in Wirklichkeit sind«, sagt er) und nachdem er zwanzig Jahre lang Studenten in SY-1 und SY-2 zu Tode gelangweilt hat, ganz zu schweigen von »Soziologie des Trotzverhaltens« und »Ländliche Soziologie«, ist er zu dem Ergebnis gekommen, daß er diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen kann.

Stu wollte wissen, was für eine Gelegenheit er meinte.

»Das ist doch wohl eindeutig«, sagte Harold auf seine UNERTRÄGLICH ROTZNÄSIGE Weise (manchmal kann Harold lieb sein, aber manchmal ist er auch eine Rotznase, und heute abend war er letzteres). »Mr. Bateman...«

»Bitte nenn mich Glen«, sagte er ganz leise, aber Harold sieht ihn an, daß man meinen könnte, er hätte Harold vorgeworfen, er habe eine Geschlechtskrankheit.

» Glensieht das als Soziologe, die Entstehung einer Gesellschaftsordnung aus erster Hand mitzuerleben, glaube ich. Er möchte wissen, wie sich Theorie und Praxis zueinander verhalten.«

Langer Rede kurzer Sinn, Glen (wie ich ihn von nun an nennen möchte, weil es ihm so gefällt) stimmte zu, daß es hauptsächlich das war, fügte aber hinzu: »Darüber hinaus habe ich bestimmte Theorien aufgestellt, deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit ich beweisen möchte. Ich glaube nicht, daß der Mensch, der sich aus der Asche der Supergrippe erhebt, derselbe sein wird wie der Mensch, der aus der Wiege des Nil entstand, mit einem Knochen in der Nase und einer Frau an den Haaren. Das ist eine der Theorien.«

Stu sagte auf seine stille Weise: »Weil alles herumliegt und nur daraufwartet, wieder benützt zu werden.« Er sah so grimmig drein, als er das sagte, daß ich überrascht war und sogar Harold ihn irgendwie komisch angesehen hat.

Aber Glen nickte nur und sagte: »Stimmt. Die technologische Gesellschaft hat das Spielfeld sozusagen geräumt, aber sie hat sämtliche Basketbälle zurückgelassen. Es wird jemand kommen, der sich an das Spiel erinnert und es den anderen wieder beibringt. Hübsch, nicht? Sollte ich später aufschreiben.«

[Aber ich habe es selbst aufgeschrieben, falls er es vergißt. Who knowswer weiß! The Shadow– hi-hi.]

Darauf sagt also Harold: »Hört sich an, als würdest du glauben, dass alles wieder von vorne anfängt – das Wettrüsten, Umweltverschmutzung und so weiter. Ist das auch eine Theorie? Die Folge der ersten?«

»Nicht genau«, fing Glen an, aber bevor er weitersprechen konnte, platzte Harold mit seiner eigenen Theorie dazwischen. Ich kann nicht alles Wort für Wort wiedergeben, denn wenn Harold aufgeregt ist, plappert er zu schnell, aber was er sagte, lief darauf hinaus, daß er zwar eine generell schlechte Meinung von den Menschen hat, aber s o dumm könnten sie wohl kaum sein. Er sagte, seiner Meinung nach würden diesmal bestimmte Gesetze erlassen werden. Eines würde die Bestimmung enthalten, daß keiner mit schlimmen Sachen wie Kernfusion und Florkohlenwasserstoffen herumspielt (das habe ich wahrscheinlich falsch buchstabiert), mit Sprays und solchen Sachen. Aber eines kann ich mich erinnern, weil es ein so zutreffender Vergleich war. »Daß der gordische Knoten für uns durchgeschlagen worden ist, heißt ja nicht zwangsläufig, daß wir jetzt wieder anfangen, ihn zusammenzuknüpfen.«

Mir war klar, daß es ihm nur auf ein Streitgespräch ankam – daß man Harold so schwer leiden kann, liegt teilweise daran, daß er immer zeigen will, wie schlau er ist (und er ist wirklich schlau, das muß ich ihm lassen, Harold weiß eine Menge) – aber Glen sagte nur: »Die Zeit wird es zeigen, richtig?«

Das alles ging vor einer Stunde zu Ende, und jetzt bin ich in einem Schlafzimmer im Obergeschoß, und Kojak liegt neben mir auf dem Boden. Guter Hund! Es ist alles ziemlich schnuckelig und erinnert mich an zu Hause, aber ich versuche, nicht zu sehr an zu Hause zu denken, weil ich dann immer weinen muß. Ich weiß, es klingt schrecklich, aber ich wünschte mir wirklich jemanden, der mir helfen würde, dieses Bett zu wärmen. Mir schwebt sogar schon ein Kandidat vor.

Vergiß es, Frannie!

Morgen brechen wir also nach Stovington auf, und ich weiß, das gefällt Stu ganz und gar nicht. Er hat Angst vor dem Zentrum. Ich mag Stu sehr und wünschte, Harold könnte ihn besser leiden. Harold kompliziert alles nur, aber ich glaube, er kann eben nicht aus seiner Haut.

Glen hat sich entschlossen, Kojak zurückzulassen. Das tut ihm leid, wenn Kojak auch keine Schwierigkeiten haben wird, Futter zu finden. Es bleibt aber nichts anderes übrig, es sei denn, wir könnten ein Motorrad mit Beiwagen finden, aber selbst dann wäre es schwierig, denn Kojak könnte Angst bekommen und rausspringen. Sich verletzen und sterben.

Auf jeden Fall fahren wir morgen los.

Zur Erinnerung: Die Texas Rangers (eine Baseballmannschaft) hatten einen Werfer namens Nolan Ryan, der mit seinem berühmten Fastball alle möglichen Nicht -Treffer und dergleichen machte, und ein Nicht-Treffer ist sehr gut. Es gab Fernsehkomödien mit einer Lachspur (eine Lachspur ist ein Tonband, auf dem die Leute an den lustigen Stellen lachen), die einen aufheitern sollen. Im Supermarkt konnte man tiefgekühlte Kuchen und Pasteten kaufen, die man einfach auftaute und aß. Am liebsten mochte ich den Erdbeerkäsekuchen von Sara Lee.



7. Juli 1990

Ich kann nicht lange schreiben. Sind den ganzen Tag gefahren. Mein Hintern fühlt sich an wie Hackfleisch, und ich habe ein Gefühl, als hätte ich einen Stein im Rücken. Letzte Nacht hatte ich wieder diesen schrecklichen Traum. Auch Harold hat von diesem Mann? geträumt und ist sehr beunruhigt, denn er kann sich nicht erklären, wieso wir beide im wesentlichen denselben Traum haben. Stu sagt, er träumt immer noch von Nebraska und der alten schwarzen Frau dort. Sie sagt immer noch, daß er sie jederzeit besuchen kann. Stu sagt, sie wohnt in einer Stadt namens Holland Home oder Hometown oder so ähnlich. Sagt, er könnte sie finden. Harold hat ihn ausgelacht und lange darüber geschwatzt, dass Träume psycho-freudianische Manifestationen der Dinge sind, an die wir im wachen Zustand nicht zu denken wagen. Ich glaube, Stu war wütend, hat sich aber beherrscht. Ich habe immer Angst, daß die Spannung zwischen den beiden sich einmal entlädt. ICH WOLLTE, ES WÄRE ANDERS!

Stu sagte jedenfalls: »Wie kommt es dann, daß Frannie und du denselben Traum habt?« Harold murmelte etwas von Zufall und ging einfach weg.

Stu hat Glen und mir gesagt, daß er von Stovington aus gern mit uns nach Nebraska fahren würde. Glen zuckte die Achseln und sagte:

»Warum nicht? Irgendwo müssen wir ja hin.«

Harold wird selbstverständlich aus Prinzip widersprechen. Der Teufel soll dich holen, Harold, werd endlich erwachsen!

Zur Erinnerung: Es gab eine Benzinknappheit, weil jeder Amerikaner ein Fahrzeug hatte, wir den größten Teil unserer Ölvorräte verbraucht und die Araber uns in der Hand hatten. Die Araber hatten so viel Geld, daß sie es buchstäblich nicht ausgeben konnten. Es gab eine Rock-'n'-Roll-Gruppe namens The Who, die ihre LiveAuftritte gelegentlich damit beendete, daß sie Gitarren und Verstärker zertrümmerte. So etwas nannte man »sichtbaren Konsum«.



8.Juli 1990

Es ist spät, ich bin schon wieder müde, aber ich sollte versuchen, soviel wie möglich aufzuschreiben, bevor mir die Augen einfach ZUFALLEN. Harold hat sein Schild vor einer Stunde fertigbekommen (reichlich mißmutig, muß ich sagen) und stellte es auf den Rasen des Seuchenzentrums von Stovington. Stu half ihm dabei und liess sich auch von Harolds gemeinen Sticheleien nicht aus der Ruhe bringen.

Ich hatte mich schon auf eine Enttäuschung eingerichtet. Ich habe nie geglaubt, daß Stu lügt, und Harold wahrscheinlich auch nicht. Darum war ich sicher, daß alle tot waren, aber es war trotzdem ein beunruhigendes Erlebnis, und ich mußte weinen. Ich konnte nichts dafür.

Aber ich war nicht die einzige, die beunruhigt war. Als Stu die Anlage sah, wurde er totenblaß. Er hatte ein kurzärmeliges Hemd an, und ich konnte sehen, daß er Gänsehaut an den Armen hatte. Seine Augen sind normalerweise blau, aber sie waren schieferfarben geworden, wie das Meer an einem grauen Tag.

Er deutete in den dritten Stock und sagte: »Das war mein Zimmer.«

Harold drehte sich zu ihm um, ich konnte sehen, wie er sich darauf vorbereitete, eine seiner patentierten Harold-LauderKlugscheißereien von sich zu geben, aber dann sah er Stus Gesicht und blieb still. Ich glaube, das war ausgesprochen klug von ihm. Nach einer Weile sagt Harold: »Gehen wir rein und sehen uns um.«

»Wozu das?« antwortet Stu fast hysterisch, beherrscht sich aber eisern. Das hat mir Angst gemacht, denn normalerweise ist er so kühl wie Eiswasser. Man muß nur dafür sorgen, daß Harold es nicht schafft, ihn auf die Palme zu bringen.

»Stuart...«, fängt Glen an, aber Stu unterbricht ihn mit:

» Wozu? Seht ihr denn nicht, daß alle tot sind? Keine Lamettaträger, kein Fußvolk, niemand. Glaubt mir«, sagte er, »wenn sie hier wären, hätten sie uns schon in Empfang genommen. Wir wären in den weißen Zimmern eingesperrt wie beschissene Meerschweinchen.« Dann sieht er mich an und sagt: »Tut mir leid, Fran – ich wollte das nicht sagen. Ich bin wohl durcheinander.« »Also, ich geh' rein«, sagt Harold. »Wer kommt mit?« Aber ich konnte sehen, daß Harold zwar versuchte, KÜHN & STARK zu sein, aber selbst Angst hatte. Glen wollte mit ihm gehen, aber Stu sagte: »Geh auch rein, Fran. Überzeug dich selbst.«

Ich wollte sagen, daß ich draußen bei ihm bleiben würde, weil er so nervös ausgesehen hat (und weil ich eigentlich gar nicht rein wollte), aber das hätte wieder Ärger mit Harold gegeben, daher sagte ich okay.

Wenn wir, Glen und ich, Zweifel an Stus Geschichte gehabt hätten – wir hätten sie verwerfen können, sobald wir das Tor aufgemacht hatten. Es war der Geruch. Dasselbe kann man in allen größeren Städten riechen, durch die wir kommen, ein Geruch wie verfaulte Tomaten, Herrgott, ich weine  schon wieder, aber es ist nicht recht, daß Menschen nicht nur sterben, sondern dann auch noch stinken wie

Warte

(später)

Also, ich habe mein zweites GROSSES WEINEN des Tages hinter mir, was ist nur mit der putzigen Fran Goldsmith los, dem kleinen Sonnenscheinchen, das Stahlnägel kauen und Teppichklammern ausspucken konnte, wie das Sprichwort sagte, ha-ha. Keine Tränen mehr heute nacht, das ist ein Versprechen.

Ich ging trotzdem rein, morbide Neugier, schätze ich. Ich weiß nicht, wie es den anderen ging, aber ich wollte das Zimmer sehen, in dem man Stu gefangengehalten hatte. Und nicht nur der Geruch war erschreckend, sondern auch die Tatsache, daß es nach der Hitze draußen so kühl hier drin war. Jede Menge Granit und Marmor, wahrscheinlich perfekt isoliert. Im zweiten Stock war es wärmer, aber unten war der Geruch... und die Kühle... wie eine Gruft. IGITT.

Und es war gruselig, wie in einem Spukhaus – wir drei drängten uns aneinander wie Schafe, und ich war froh, daß ich mein Gewehr hatte, auch wenn es nur Kaliber .22 war. Unsere Schritten hallten zu uns zurück, als würde uns jemand folgen, ja, und ich mußte wieder an den Traum denken, in dem der Mann im schwarzen Umhang erscheint. Kein Wunder, daß Stu nicht mit uns kommen wollte. Schließlich kamen wir zu den Fahrstühlen und fuhren in den zweiten Stock hinauf. Dort waren nur Büros... und mehrere Leichen. Der dritte Stock war wie in einem Krankenhaus, aber alle Zimmer hatten luftdichte Türen (Luftschleusen haben Glen und Harold sie genannt) und spezielle Sichtfenster. Da oben waren viele Leichen, in den Zimmern und auch auf den Fluren. Kaum Frauen. Ich frage mich, ob man am Ende versucht hat, die Frauen zu evakuieren. So vieles werden wir nie erfahren. Aber wozu auch?


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