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The Stand. Das letze Gefecht
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 05:37

Текст книги "The Stand. Das letze Gefecht"


Автор книги: Stephen Edwin King


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Ужасы


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21

Stu Redman hatte Angst.

Er blickte durch das vergitterte Fenster seines neuen Zimmers in Stovington, Vermont, und sah tief unten eine kleine Stadt, Tankstellenschilder im Miniaturmaßstab, eine Art Fabrikgebäude, einen Schlagbaum und hinter dem Schlagbaum die Granitwirbelsäule des westlichen Neu England – die Green Mountains.

Er hatte Angst, weil dieses Zimmer nicht wie ein Krankenzimmer, sondern wie eine Gefängniszelle aussah. Er hatte Angst, weil Denninger weg war. Er hatte Denninger nicht mehr gesehen, seit dieser ganze verrückte Drei-Manegen-Zirkus von Atlanta nach hier verlegt worden war. Auch Deitz war nicht mehr da. Stu dachte, dass Denninger und Deitz vielleicht krank waren, möglicherweise schon tot.

Jemand hatte Scheiße gebaut. Entweder das, oder die Krankheit, die Charles D. Campion nach Arnette gebracht hatte, war viel leichter übertragbar, als alle vermutet hatten. Auf jeden Fall war das Seuchenzentrum in Atlanta verseucht worden, und Stu vermutete, daß alle, die dort gewesen waren, jetzt die Möglichkeit hatten, am eigenen Leibe Erkenntnisse über den Virus zu sammeln, den sie Eins-A oder Supergrippe nannten.

Sie führten immer noch Tests mit ihm durch, aber diese wirkten ziellos. Der Zeitplan war völlig willkürlich. Sie schrieben die Befunde auf, aber er hatte den Verdacht, daß irgend jemand die Unterlagen nur überflog, den Kopf schüttelte und sie in den nächsten Reißwolf warf.

Das war noch nicht einmal das Schlimmste. Das Schlimmste waren die Waffen. Die Schwestern, die hereinkamen, um ihm Blut oder Speichel oder Urin abzunehmen, wurden jetzt immer von einem Soldaten in weißem Anzug begleitet, und der Soldat trug einen Revolver in einem Plastikbeutel. Dieser Plastikbeutel war über dem Handschuh am rechten Handgelenk befestigt. Der Revolver war ein Fünfundvierziger in Armeeausführung, und Stu zweifelte nicht daran, daß der Fünfundvierziger das Ende des Plastikbeutels in rauchende, brennende Fetzen verwandeln und Stu Redman zu einem Golden Oldie machen würde, wenn er ein Spielchen versuchen sollte wie bei Deitz.

Wenn dies nur noch Routine war, dann war er entbehrlich geworden. Unter Arrest zu stehen war schlimm. Unter Arrest zu stehen und entbehrlich zu sein... das war ganz schlimm.

Er verfolgte die Sechs-Uhr-Nachrichten jetzt jeden Abend. Die Männer, die in Indien einen Staatsstreich versucht hatten, waren als ausländische Agitatoren bezeichnet und erschossen worden. Die Polizei suchte immer noch die Person oder Personen, die in Laramie, Wyoming, gestern ein Kraftwerk in die Luft gesprengt hatten. Das Oberste Bundesgericht hatte mit sechs zu drei Stimmen beschlossen, daß Homosexuelle nicht aus dem Staatsdienst entlassen werden durften. Und zum ersten Mal wurden auch andere Dinge angedeutet.

Beamte der Atomenergiekommission in Miller County, Arkansas, hatten bestritten, daß es zu einer Reaktorkatastrophe kommen könnte. Das Atomkraftwerk in Fouke, einer kleinen Stadt, etwa dreißig Meilen von der Grenze nach Texas entfernt, habe zwar Probleme mit dem Kühlsystem, aber zu besonderer Sorge bestünde kein Anlaß. Die Entsendung von Armee-Einheiten in die Gegend sei lediglich eine Vorsichtsmaßnahme. Stu fragte sich, welche Vorsichtsmaßnahmen die Armee wohl ergreifen könnte, sollte es im Reaktor in Fouke tatsächlich zum China-Syndrom kommen. Er glaubte, daß die Armee aus ganz anderen Gründen im Südwesten von Arkansas war. Fouke war nicht weit von Arnette entfernt. Eine andere Meldung besagte, daß sich an der Ostküste eine Grippe-Epidemie abzeichnete – die sogenannte russische Grippe, die allenfalls sehr alten und sehr jungen Menschen gefährlich werden konnte. Ein erschöpfter Arzt aus New York City wurde auf dem Korridor des Mercy Hospital in Brooklyn interviewt. Er sagte, die Grippe sei für den russischen A-Virus außergewöhnlich hartnäckig und ermahnte die Zuschauer, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Dann sagte er plötzlich etwas anderes, aber der Ton wurde abgedreht, und man sah nur noch, wie er die Lippen bewegte. Schnitt zum Nachrichtensprecher im Studio, der sagte: »Aus New York wurden im Zusammenhang mit der jüngsten Grippewelle einige Todesfälle gemeldet, aber bei den meisten waren zusätzliche Ursachen wie Luftverschmutzung und möglicherweise der AIDS Virus mitverantwortlich. Beamte der Gesundheitsbehörden weisen darauf hin, daß es sich um die russische A-Grippe und nicht um die viel gefährlichere Schweinegrippe handelt. Einstweilen ist alter Rat guter Rat, sagen die Ärzte. Bleiben Sie im Bett, gönnen Sie sich viel Ruhe, trinken Sie reichlich Flüssigkeit, und nehmen Sie Aspirin gegen das Fieber.«

Der Nachrichtensprecher lächelte beruhigend, und außerhalb der Kamera nieste jemand.

Die Sonne berührte jetzt den Horizont und tauchte ihn in ein Gold, das bald zu Rot und schwachen Orangetönen verblassen würde. Das Schlimmste waren die Wächter. Sie hatten ihn in eine Gegend des Landes geflogen, die ihm fremd war, und nachts wirkte sie irgendwie noch fremder. Jetzt, im Frühsommer, kam ihm das viele Grün, das er von seinem Fenster aus sehen konnte, abnormal vor, überreichlich und ein wenig beängstigend. Er hatte keine Freunde mehr; soweit er wußte, waren alle Leute, die mit ihm zusammen von Braintree nach Atlanta geflogen waren, inzwischen tot. Er war von unfreundlichen Automaten umgeben, die ihm Blut abnahmen und dabei Revolver auf ihn richteten. Er fürchtete um sein Leben, obwohl er sich immer noch wohl fühlte und nicht mehr glaubte, daß er Es bekommen würde, was immer Es auch sein mochte.

Nachdenklich überlegte Stu, ob es möglich wäre, von hier zu fliehen.

22

Als Creighton am 24. Juni kam, stand Starkey mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor den Monitoren. Creighton sah den Ring von West Point an der Hand des alten Mannes blitzen und empfand Mitleid mit ihm. Starkey war schon seit zehn Tagen auf Tabletten und dem unvermeidlichen Zusammenbruch sehr nahe. Aber, dachte Creighton, wenn sein Verdacht im Zusammenhang mit diesem Telefongespräch zutraf, dann hatte der Zusammenbruch schon stattgefunden.

»Len«, sagte Starkey, als sei er überrascht. »Schön, daß du gekommen bist.«

»De nada«, sagte Creighton und lächelte ein wenig.

»Du weißt, wer am Apparat war.«

»Er war es also tatsächlich?«

»Der Präsident, ja. Ich bin abgelöst. Der alte Herr hat mich gefeuert, Len. Natürlich wußte ich, daß es so kommen würde. Aber es tut trotzdem weh. Verdammt weh. Es tut besonders weh, weil es von diesem grinsenden, katzbuckelnden Lahmarsch kommt.«

Len Creighton nickte.

»Nun«, sagte Starkey und wischte sich mit der Hand übers Gesicht.

»Es ist passiert. Kann nicht zurückgenommen werden. Du hast jetzt das Sagen. Du sollst auf dem schnellsten Wege nach Washington kommen. Er wird dich zu Bücklingen zwingen und dir den Arsch aufreißen, bis du blutest, aber du wirst nur dastehen und >Ja, Sir< sagen und alles über dich ergehen lassen. Wir haben gerettet, was wir konnten. Das ist genug. Ich bin überzeugt, daß es genug ist.«

»In dem Fall müßte dir dieses Land auf den Knien danken.«

»Das Ventil hat mir die Hand verbrannt, aber ich... ich habe es gehalten, so lange ich konnte, Len. Ich habe es gehalten.« Er sprach mit verhaltener Vehemenz, aber seine Augen wanderten immer wieder zum Monitor, und einen Moment zitterte sein Mund unsicher.

»Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.«

»Nun... wir ziehen uns eine Meile oder drei zurück, Billy, oder nicht?«

»Das kannst du laut sagen, Soldat. Und jetzt hör zu. Eines hat höchste Priorität: Du mußt bei erster sich bietender Gelegenheit Jack Cleveland sprechen. Er weiß, wen wir hinter beiden Vorhängen haben, dem eisernen und dem aus Bambus. Er weiß, wie man mit diesen Leuten Verbindung aufnimmt, und er wird nicht zögern, zu tun, was zu tun ist. Er weiß, daß es schnell geschehen muß.«

»Ich verstehe nicht, Billy.«

»Wir müssen das Schlimmste annehmen«, sagte Starkey, und ein seltsames Grinsen kroch über sein Gesicht . Er hob die Oberlippe und runzelte sie wie die Schnauze eines Hundes, der einen Hof bewacht. Er deutete mit dem Finger auf die gelben Kopien, die auf dem Tisch lagen. »Es ist außer Kontrolle. Es ist in Oregon, Nebraska, Louisiana und Florida aufgetaucht. Möglicherweise Fälle in Mexiko und Chile, aber das ist noch nicht bestätigt. Als wir Atlanta aufgeben mußten, haben wir drei Männer verloren; die am besten geeignet waren, das Problem zu lösen. Mit Mr. Stuart >Prinz< Redman kommen wir absolut keinen Schritt weiter. Weißt du, daß sie ihm Virus Blau sogar injiziert haben? Er dachte, es sei ein Beruhigungsmittel. Sein Körper hat es abgemurkst, und kein Mensch hat auch nur die geringste Ahnung, wie. Wenn wir sechs Wochen Zeit hätten, würden wir vielleicht dahinterkommen, aber die haben wir nicht. Die Grippe-Version ist noch die beste, aber es ist dringend geboten – dringend-, daß die andere Seite dies nie als eine... als eine in Amerika künstlich hervorgerufene Situation betrachtet. Sonst könnten sie auf dumme Gedanken kommen.

Cleveland hat zwischen acht und zwanzig Männer und Frauen in der UdSSR und zwischen fünf und zehn in jedem europäischen Satellitenstaat. Nicht einmal ich weiß, wie viele er in Rotchina hat.«

Starkeys Mund zitterte wieder. »Wenn du Cleveland heute nachmittag triffst, mußt du ihm nur sagen: Rom fällt. Das vergißt du doch nicht?«

»Nein«, sagte Len. Seine Lippen fühlten sich seltsam kalt an. »Aber glaubst du wirklich, daß sie es tun werden? Diese Männer und Frauen?«

»Unsere Leute haben die Phiolen vor einer Woche erhalten. Sie glauben, es handelt sich um radioaktive Teilchen, die von unseren Sky-Satelliten registriert werden. Und mehr müssen sie nicht wissen, oder, Len?«

»Ja, Billy.«

»Und wenn es... zum Schlimmsten kommt, wird niemand es je erfahren. Projekt Blau war bis zuletzt nicht infiltriert, das wissen wir genau. Ein neuer Virus, eine Mutation... die Gegenseite kann Vermutungen anstellen, aber sie werden nicht genug Zeit haben. Gleiches mit Gleichem, Len.«

»Ja.«

Starkey sah wieder auf die Monitoren. »Meine Tochter hat mir vor Jahren einen Gedichtband geschenkt. Von einem Mann namens Yeets. Sie sagte, alle Militärs müßten Yeets lesen. Ich glaube, das war ihre Art von Humor. Hast du schon mal was von Yeets gehört, Len?«

»Ich glaube schon«r sagte Creighton und überlegte, ob er Starkey sagen sollte, daß der Name wie >Yates< ausgesprochen wurde, liess es aber bleiben.

»Ich habe jede Zeile gelesen«, sagte Starkey und sah in das ewige Schweigen der Kantine. »Hauptsächlich weil sie glaubte, daß ich es nie lesen würde. Man macht einen Fehler, wenn man allzu berechenbar ist. Ich habe nicht viel verstanden – ich glaube, der Mann muß verrückt gewesen sein -, aber ich habe es gelesen. Komische Gedichte. Reimen sich nicht einmal immer. Aber in dem Buch stand ein Gedicht, das mir nicht mehr aus dem Kopf will. Es kam mir vor, als hätte der Mann all das beschrieben, dem ich mein Leben gewidmet habe, seine Hoffnungslosigkeit, seine verdammte Größe. Er sagte, daß alles auseinanderfällt. Er sagte, daß das Zentrum nicht hält. Ich glaube, er wollte sagen, daß die Lage verworren wird, Len. Ich glaube, daß er das sagen wollte. Yeets wußte, früher oder später franst der Rand aus, auch wenn er sonst nichts wußte.«

»Ja, Sir«, sagte Creighton leise.

»Beim Ende bekam ich eine Gänsehaut, als ich es zum ersten Mal las. Den Teil kenne ich auswendig. >Welch gefährliche Bestie, deren Stunde endlich gekommen ist, schleicht sich nach Bethlehem, um geboren zu werden?<«

Creighton stand schweigend da. Er wußte nichts zu sagen.

»Die Bestie ist auf dem Weg«, sagte Starkey und drehte sich um. Er weinte und grinste gleichzeitig. »Sie ist unterwegs, und sie ist viel gefährlicher als dieser Bursche Yeets sich je hätte vorstellen können. Alles bricht auseinander. Unsere Aufgabe ist es, so lange wir können soviel wie möglich zusammenzuhalten.«

»Ja, Sir«, sagte Creighton und verspürte zum ersten Mal selbst Tränen in den Augen. »Ja, Billy.«

Starkey streckte die Rechte aus, und Creighton ergriff sie mit beiden Händen. Starkeys Hand war alt und kalt, wie die abgestreifte Haut einer Schlange, in der ein kleines Prärietier verendet ist, dessen eigenes zerbrechliches Skelett in der Hülle des Reptils verblieben war. Tränen quollen über Starkeys untere Lider und liefen an den makellos rasierten Wangen hinab.

»Ich muß mich um meine Aufgaben kümmern«, sagte Starkey.

»Ja, Sir.«

Starkey zog den West-Point-Ring von der rechten und den Ehering von der linken Hand. »Für Cindy«, sagte er. »Für meine Tochter. Sieh zu, daß sie sie bekommt, Len.«

»In Ordnung.«

Starkey ging zur Tür.

»Billy?« rief Len Creighton ihm nach.

Starkey drehte sich um.

Creighton stand starr wie ein Pfahl; auch ihm liefen Tränen über die Wangen. Er salutierte.

Starkey erwiderte den Gruß und ging zur Tür hinaus.



Der Fahrstuhl summte leistungsstark und zeigte das jeweilige Stockwerk an. Eine Sirene begann zu heulen – kläglich, als wüßte sie bereits, daß sie vor einer Situation warnte, die längst nicht mehr zu retten war -, als er den Fahrstuhl mit seinem Spezialschlüssel oben aufmachte, damit er den Fahrzeugpark betreten konnte. Starkey stellte sich vor, wie Len Creighton ihn auf einer Kette von Monitoren beobachtete: wie er sich erst einen Jeep aussuchte und dann über das ausgedehnte Wüstenareal des Testgeländes und durch das Tor mit dem Schild HOCHSICHERHEITSZONE – ZUTRITT NUR MIT SONDERERLAUBNIS fuhr. Die Wachkabinen sahen wie die Mauthäuschen auf den Autobahnen aus. Sie waren immer noch bemannt, aber die Soldaten hinter dem gelben Glas waren tot und mumifizierten in der trockenen Wüstenluft rasch. Die Kabinen waren kugelsicher, aber virensicher waren sie nicht gewesen. Glasige, eingesunkene Augen starrten Starkey beim Vorbeifahren an – sein Jeep war das einzige, das sich auf dem Wirrwarr der Feldwege zwischen den Baracken und flachen Gebäuden bewegte. Vor einem klobigen Blockhaus mit der Aufschrift KEIN ZUTRITT OHNE BEFUGNIS an der Tür hielt er an. Er verschaffte sich mit einem Schlüssel Zutritt und rief mit einem anderen den Fahrstuhl. Ein Wachsoldat, so tot wie ein Türnagel und so steif wie eine Fahnenstange, glotzte ihn aus der verglasten Sicherheitskabine links von den Fahrstuhltüren an. Als der Fahrstuhl kam und die Tür aufging, trat Starkey hastig ein. Er schien den Blick des toten Wachsoldaten auf sich zu spüren, das schwache Gewicht von zwei Augen, gleich staubigen Steinen.

Der Fahrstuhl sank so schnell, daß sich ihm der Magen umdrehte. Als der Lift zum Stillstand kam, ertönte eine leise Glocke. Die Tür ging auf; süßlicher Verwesungsgeruch traf ihn wie ein leichter Schlag. Allzu penetrant war er nicht, da die Luftreinigungsanlage noch funktionierte, aber nicht einmal die Lüftung konnte den Geruch völlig beseitigen. Wenn ein Mensch gestorben ist, dann will er, dass man es erfährt, dachte Starkey.

Fast ein Dutzend Leichen lagen vor der Fahrstuhltür. Starkey trippelte zwischen ihnen hindurch, da er nicht auf eine verwesende, wachsweiche Hand treten oder über ein ausgestrecktes Bein stolpern wollte. Dann müßte er vielleicht schreien, und das wollte er auf gar keinen Fall. In einer Gruft wollte man nicht schreien, weil einen das Geräusch vielleicht wahnsinnig machen konnte, und genau da befand er sich momentan – in einer Gruft. Sah vielleicht wie ein bestens ausgestattetes Forschungsprojekt aus, aber in Wahrheit war es eine Gruft.

Die Tür des Fahrstuhls glitt hinter ihm zu; der Lift fuhr summend automatisch wieder hoch. Starkey wußte, er würde nicht wieder automatisch herunterkommen, wenn nicht jemand anders den Schlüssel hineinsteckte; kaum waren die Anlagen der Station kontaminiert worden, hatte der Computer sämtliche Fahrstühle auf Sicherheitsprogramm geschaltet. Warum lagen diese armen Männer und Frauen hier? Sie hatten offenbar gedacht, die Computer würden das Umschalten auf Gefahrensituation versauen. Warum nicht? Das schien nicht einmal unlogisch. Immerhin war praktisch alles andere versaut worden.

Starkey schritt mit klickenden Absätzen den Flur Richtung Kantine entlang. Die Neonröhren oben in ihren langen Halterungen, die langen Eiswürfelbehältern glichen, warfen ein grelles, schattenloses Licht. Hier lagen weitere Leichen. Ein Mann und eine Frau, nackt und mit Löchern im Kopf. Sie haben gevögelt, dachte Starkey, dann hat er sie erschossen und anschließend sich selbst. Liebe unter Viren. Die Pistole, eine Armeewaffe Kaliber 45, hielt er noch in der Hand. Der Fliesenboden war mit Blut und einer grauen Masse bespritzt, die wie Weizenkleie aussah. Er verspürte den gräßlichen und glücklicherweise rasch überstandenen Impuls, sich zu bücken und die Brüste der toten Frau zu berühren, ob sie fest oder schlaff waren. Ein Stück weiter im Flur saß ein Mann mit dem Rücken an einer geschlossenen Tür; er hatte sich mit einem Schnürsenkel ein Schild um den Hals gehängt. Sein Kinn war auf die Brust gesunken und verdeckte das Geschriebene. Starkey schob die Finger unter das Kinn des Mannes und hob den Kopf. Als er das tat, kippten die Augäpfel des Toten mit einem fleischigen leisen Plopp in den Schädel hinein. Die Worte auf dem Schild waren mit einem roten Markierstift geschrieben.

JETZT WISST IHR, DASS ES FUNKTIONIERT, stand auf dem Schild: NOCH FRAGEN?

Starkey ließ das Kinn des Mannes los. Der Kopf blieb in dem starren Winkel, die leeren Augenhöhlen glotzten fasziniert nach oben. Starkey wich zurück. Er weinte wieder. Er vermutete, daß er weinte, weil er keine Fragen hatte.

Die Türen der Kantine waren offen. Davor befand sich eine große Pinnwand aus Kork. Starkey sah, daß am 20. Juni ein Bowlingturnier stattfinden sollte. Die Grimmigen Kugler gegen die ErstschlagTruppe für das Projekt Champion. Darüber hinaus suchte Anna Floss für den 9. Juli eine Mitfahrgelegenheit nach Denver. Sie würde sich an Fahrt und Unkosten beteiligen. Richard Betts wollte ein paar liebe Welpen abgeben, halb Collie und halb Bernhardiner. Daneben fanden wöchentliche Gottesdienste in der Kantine statt. Starkey las jede Notiz an der Pinnwand, dann trat er ein. Hier drinnen war der Geruch noch schlimmer – verdorbenes Essen und Leichen. Starkey sah sich voll dumpfem Entsetzen um. Ein paar schienen ihn anzustarren.

»Männer...«, sagte Starkey, doch dann verstummte er. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte.

Er ging langsam zu der Stelle, wo Frank D. Bruce mit dem Gesicht im Suppenteller lag. Er sah mehrere Augenblicke auf Frank D. Bruce hinab. Dann zog er den Kopf von Frank D. Bruce an den Haaren hoch. Der Suppenteller folgte, er klebte am Gesicht, weil die Suppe schon längst geronnen war, und Starkey schlug voller Entsetzen danach und brach ihn schließlich los. Der Teller polterte verkehrt herum auf den Boden. Der größte Teil der Suppe klebte imrner noch am Gesicht von Frank D. Bruce wie schimmlige Götterspeise. Starkey holte das Taschentuch heraus und wischte, soviel er konnte, ab. Die Augen von Frank D. Bruce schienen von Suppe zugeklebt zu sein, aber Starkey unterließ es, die Lider abzuwischen. Er hatte Angst, die Augen von Frank D. Bruce würden ebenso in den Schädel hineinfallen wie die des Mannes mit dem Schild. Noch mehr Angst hatte er davor, die von der Klebe befreiten Augen könnten wie Jalousien hochschnellen und flattern. Aber am allermeisten fürchtete er sich vor dem möglichen Ausdruck in den Augen von Frank D. Bruce.

»Gefreiter Bruce«, sagte Starkey leise, »rühren.«

Er legte das Taschentuch behutsam aufs Gesicht von Frank D. Bruce. Es blieb kleben. Starkey drehte sich um und verließ die Kantine mit langen, gleichmäßigen Schritten, wie auf dem Exerzierplatz.

Auf halbem Weg zum Fahrstuhl kam er an dem Mann mit dem Schild um den Hals vorbei. Starkey setzte sich neben ihn, löste den Haltegurt der Pistole im Halfter und schob sich den Lauf in den Mund.

Der Schuß war gedämpft und undramatisch. Keine der Leichen merkte auch nur im mindesten auf. Die Lüftung kümmerte sich um das Rauchwölkchen. In den Eingeweiden von Projekt Blau herrschte Schweigen. In der Kantine löste sich Starkeys Taschentuch vom Gesicht des Gefreiten Frank D. Bruce und schwebte zu Boden. Frank D. Bruce schien es nichts weiter auszumachen, aber Len Creighton sah immer öfter auf den Monitor, der Bruce zeigte, und fragte sich, warum zum Teufel Billy dem Mann nicht auch die Suppe aus den Augenbrauen hatte wischen können, so er schon einmal dabei war. Len würde bald, sehr bald, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten gegenüberstehen, aber die Suppe, die im Gesicht von Frank D. Bruce gerann, machte ihm mehr Kopfzerbrechen. Viel mehr.


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