355 500 произведений, 25 200 авторов.

Электронная библиотека книг » Stephen Edwin King » Schlaflos » Текст книги (страница 18)
Schlaflos
  • Текст добавлен: 12 октября 2016, 02:36

Текст книги "Schlaflos"


Автор книги: Stephen Edwin King


Жанры:

   

Ужасы

,

сообщить о нарушении

Текущая страница: 18 (всего у книги 50 страниц)

»Treffer. Natürlich wird auch die Staatspolizei anwesend sein, aber in solchen Situationen beschränken die sich weitgehend auf die Verkehrskontrolle. Möglicherweise kommt auch das FBI, aber die halten sich meistens im Hintergrund, machen Bilder und begrüßen einander mit dem geheimen Clubzeichen.«

»Sie hat ihre eigenen Leibwächter, oder nicht?« »Ja, aber ich weiß nicht wie viele, und wie gut sie sind. Ich habe heute morgen mit ihrem Chef gesprochen, und der kann immerhin zusammenhängend reden, aber wir müssen unsere eigenen Leute einsetzen. Fünf laut den Befehlen, die ich am Freitag bekommen habe. Das sind außer mir vier Jungs, die sich freiwillig melden, sobald ich es ihnen sage. Unsere Aufgabe ist es… warten Sie… das wird Ihnen gefallen…« – Leydecker suchte zwischen den Papieren auf seinem Schreibtisch, fand, was er suchte, und hielt es hoch -, »>… deutliche Präsenz zu beweisen und stets gut sichtbar zu sein<.«

Er ließ das Blatt Papier wieder sinken und sah Ralph grinsend an. Das Grinsen war nicht sehr humorvoll.

»Mit anderen Worten, wenn jemand versucht, das Miststück zu erschießen oder ihr ein Säureshampoo zu verpassen, wollen Lisette Benson und die anderen Vidioten wenigstens die Tatsache aufzeichnen lassen, daß wir da waren.« Leydecker betrachtete das zusammengerollte Plakat in seinem Mülleimer und zeigte ihm den Vogel.

»Wieso verabscheuen Sie sie so sehr, wo Sie sie doch gar nicht kennen?« fragte Ralph.

»Ich verabscheue sie nicht, Ralph; ich hasse sie. Hören Sie, ich bin katholisch, mein liebendes Weib ist katholisch, meine Kinder sind Meßdiener in St. Joe’s. Großartig. Es ist großartig, Katholik zu sein. Sie lassen einen heutzutage sogar freitags Fleisch essen. Aber wenn Sie denken, nur weil ich katholisch bin, bin ich dafür, die Abtreibung wieder zu verbieten, haben Sie sich getäuscht. Sehen Sie, ich bin der Katholik, der die Typen verhören muß, die ihre Kinder mit dem Gummischlauch verprügelt oder die Treppe hinuntergestoßen haben, nachdem sie sich die ganze Nacht guten irischen Whiskey hinter die Binde gekippt haben und wegen ihren Müttern ganz sentimental geworden sind.«

Leydecker griff in sein Hemd und zog ein kleines Goldmedaillon heraus. Er legte es auf die Finger und reichte es Ralph hinüber.

»Maria, Mutter Gottes. Das trage ich, seit ich dreizehn bin. Vor fünf Jahren habe ich einen Mann verhaftet, der genau dasselbe trug. Er hatte gerade seinen zweijährigen Stiefsohn gekocht. Ich sage Ihnen die Wahrheit. Er hat einen Riesentopf Wasser aufgestellt, und als das Wasser gekocht hat, hat er das Kind an den Knöcheln hochgehoben und in den Topf geworfen wie einen Hummer. Warum? Weil das Kind nicht aufhörte, ins Bett zu machen, sagte er uns. Ich habe den Leichnam gesehen, und ich kann Ihnen sagen, danach sehen die Bilder von abgesaugten Embryos, die diese Recht-auf-Leben-Arschlöcher zeigen, nicht mehr so schlimm aus.«

Leydeckers Stimme hatte leicht zu zittern angefangen.

»Am deutlichsten kann ich mich daran erinnern, wie der Kerl geweint hat, wie er das Marienmedaillon um seinen Hals gehalten und beteuert hat, daß er zur Beichte gehen wollte. Da war ich echt stolz darauf, Katholik zu sein, das kann ich Ihnen sagen, Ralph… und was den Papst angeht, ich bin der Meinung, er dürfte keine Meinung zu dem Thema haben, solange er nicht selbst Kinder hat oder sich zumindest einmal ein Jahr um Heroinbabys kümmern mußte.«

»Okay«, sagte Ralph. »Was haben Sie dann für ein Problem mit Susan Day?«

»Sie ist eine verdammte Aufwieglerin!« brüllte Leydecker. »Sie kommt in meine Stadt, und ich muß sie beschützen. Gut. Ich habe gute Männer, und mit etwas Glück wird ihr Kopf noch an der richtigen Stelle sitzen und ihre Titten in die richtige Richtung zeigen, wenn sie die Stadt verläßt, aber was passiert davor? Und danach? Glauben Sie, das interessiert die auch nur im geringsten? Und was das betrifft, glauben Sie, die Leute von Woman-Care kümmern sich einen Scheißdreck um die Folgen?«

»Ich weiß nicht.«

»Die Befürworter von Woman-Care neigen nicht ganz so sehr zu Gewalttaten wie die Friends of Life, aber was den entscheidenden Faktor betrifft, nämlich wieviel Scheiße sie bauen, die wir ausbaden müssen, ist kein großer Unterschied zwischen ihnen. Wissen Sie, worum es hier ging, als das alles angefangen hat?«

Ralph versuchte, sich an seine erste Unterhaltung über Susan Day zu erinnern, die er mit Ham Davenport geführt hatte. Einen Moment wäre er fast darauf gekommen, aber dann entwischte es ihm wieder. Die Schlaflosigkeit hatte wieder gewonnen. Er schüttelte den Kopf.

»Bebauungspläne«, sagte Leydecker und lachte voll mißfälligem Staunen. »Stinknormale Bebauungspläne. Klasse, was? Im Frühsommer kamen George Tandy und Emma Wheaton, zwei der konservativeren Stadträte, auf die Idee, beim Bauausschuß einen Antrag zu stellen, ob man den Bebauungsplan des Viertels mit Woman-Care nicht ändern könnte; der Hintergedanke war, die Klinik einfach wegzumanipulieren. Ich bezweifle, daß das der richtige Ausdruck ist, aber Sie verstehen, worum es geht, oder?«

»Klar.«

»Hm-hmm. Also haben die Befürworter Susan Day eingeladen, damit sie in die Stadt kommt und eine Rede hält, ihnen hilft, gegen die Abtreibungsgegner Front zu machen. Das Problem ist nur, die Gegner hatten nie die geringste Chance, den Bebauungsplan für Bezirk 7 zu ändern, und das wußten die Leute von Woman-Care! Verdammt, eine ihrer Direktorinnen, June Halliday, sitzt im Stadtrat. Sie und die Wheaton spucken einander fast an, wenn sie auf dem Flur aneinander vorbeigehen.

Die Änderung des Bebauungsplans für Bezirk 7 war von vorneherein nichts weiter als ein Hirngespinst, denn rechtlich gesehen ist Woman-Care ein Krankenhaus, genau wie das Derry Home, das nur einen Steinwurf entfernt liegt. Wenn man den Bebauungsplan ändert und Woman-Care illegal macht, dann gilt das auch für eines von nur drei Krankenhäusern in Derry County – dem drittgrößten County im Bundesstaat Maine. Deshalb wird es nie dazu kommen, aber das macht nichts, denn darum ging es gar nicht in erster Linie. Es ging darum, aufmüpfig und dreist zu sein. Ein Ärgernis zu sein. Und für die meisten Befürworter geht es darum, recht zu haben.«

»Recht? Ich verstehe Sie nicht.«

»Es ist nicht genug, daß eine Frau jederzeit da reingehen und sich das ärgerliche kleine Fischchen, das in ihr wächst, wegmachen lassen kann, wenn sie will; die Befürworter wollen den Streit bis zum Ende ausgetragen wissen. Tief in ihrem Innersten wollen sie, daß Leute wie Dan Dalton zugeben, sie haben recht, und dazu wird es nie kommen. Eher werden die Araber und die Juden beschließen, daß alles nur ein Irrtum war, und die Waffen niederlegen. Ich bin für das Recht einer Frau, eine Abtreibung durchführen zu lassen, wenn sie wirklich eine braucht, aber das Katholischer-als-der-Papst-Gehabe der Befürworter finde ich zum Kotzen. Was mich betrifft, sind sie die neuen Puritaner, sie denken, wenn man nicht so denkt, wie sie selbst, kommt man in die Hölle… nur ist ihre Version davon ein Ort, wo man nur Hillbilly-Musik im Radio hören kann und Putenschnitzel zu essen bekommt.«

»Sie klingen ziemlich verbittert.«

»Sitzen Sie einmal drei Monate auf dem Pulverfaß, dann wollen wir sehen, wie Ihnen zumute ist. Sagen Sie mir eines glauben Sie, Pickering hätte Ihnen gestern ein Messer in die Achselhöhle gebohrt, wenn Woman-Care, die Friends of Life und Susan-Laß-meine-heilige-Pflaume-in-Ruhe-Day nicht wären?«

Ralph tat so, als würde er ernsthaft über die Frage nachdenken, aber in Wirklichkeit betrachtete er John Leydeckers Aura. Sie war von einer gesunden, dunkelblaue Farbe, aber die Ränder wallten in einem rasch wechselnden grünen Licht. Dieses Phänomen interessierte Ralph; er hatte eine Ahnung, als ob er wußte, was es bedeutete.

Schließlich sagte er: »Nein, ich glaube nicht.«

»Ich auch nicht. Sie sind in einem Krieg verwundet worden, der eigentlich schon entschieden ist, Ralph, und Sie werden nicht der letzte sein. Aber wenn Sie zu den Woman-Care Leuten -oder zu Susan Day – gehen und Ihr Hemd aufmachen, auf die Verletzung zeigen und sagen würden: >Das ist teilweise eure Schuld, also steht für den Teil gerade, der auf euer Konto geht<, würden sie die Hände hochheben und antworten: >O nein, großer Gott, nein, es tut uns leid, daß Sie verletzt worden sind, Ralph, wir verabscheuen Gewalt, aber es war nicht unsere Schuld, wir müssen Woman-Care geöffnet halten, wir müssen die Barrikaden mit Kämpferinnen besetzen, und wenn ein wenig Blut vergossen werden muß, so sei es.< Aber es geht gar nicht um Woman-Care, und das ist es, was mich so fuchsteufelswild macht. Es geht um -«

»-Abtreibung.«

»Scheiße, nein! Das Recht auf Abtreibung in Maine und in Derry ist sicher, was Susan Day Freitag abend im Bürgerhaus auch immer sagen mag. Es geht darum, wessen Mannschaft die bessere ist, um mehr nicht. Es geht darum, auf wessen Seite Gott ist. Es geht darum, wer recht hat. Ich wünschte mir, sie würden alle einfach nur >We Are the Champions< singen und sich betrinken.«

Ralph warf den Kopf zurück und lachte. Leydecker lachte mit ihm.

»Sie sind Arschlöcher«, kam er achselzuckend zum Ende. »Aber sie sind unsere Arschlöcher. Hört sich das an, als würde ich Witze machen? Keineswegs. Woman-Care, Friends of Life, Body Watch, Daily Bread… sie sind alle unsere Arschlöcher, Arschlöcher von Derry, und es macht mir wirklich nichts aus, auf die unseren aufzupassen. Darum habe ich diesen Job angenommen, und darum bleibe ich dabei. Aber Sie müssen mir schon verzeihen, wenn ich nicht ganz so verrückt darauf bin, wenn ich dazu verknackt zu werden, auf eine langbeinige amerikanische Schönheit aus New York aufzupassen, die hierher fliegt, eine aufrührerische Rede hält und mit einigen weiteren Zeitungsberichten und Kapitel fünf ihres neuen Buchs wieder nach Hause fliegt.

In die Gesichter wird sie uns sagen, was für eine wunderschöne ländliche Gemeinde wir sind, und wenn sie wieder in ihrer Maisonette-Wohnung in der Park Avenue South sitzt, wird sie ihren Freundinnen erzählen, daß sie es bis jetzt noch nicht geschafft hat, den Gestank der Papierfabriken aus den Haaren zu shampoonieren. Sie ist eine Frau, wir werden ihr Geschrei anhören… und mit etwas Glück wird sich die ganze Sache wieder beruhigen, ohne daß jemand getötet oder verstümmelt wird.«

Ralph war inzwischen überzeugt, was das grüne Flackern zu bedeuten hatte. »Aber Sie haben Angst, oder nicht?« fragte er.

Leydecker sah ihn überrascht an. »Sieht man das, ja?«

»Nur ein bißchen«, sagte Ralph und dachte: Nur in Ihrer Aura, John, sonst nicht. Nur in Ihrer Aura.

»Ja, ich habe Angst. Auf persönlicher Ebene habe ich Angst davor, daß ich meinen Auftrag versaue, der überhaupt nichts Positives hat, das kompensieren könnte, was alles schiefgehen kann. Auf beruflicher Ebene habe ich Angst, daß ihr etwas passiert, solange sie unter meinem Schutz steht. Auf Gemeindeebene habe ich Todesangst davor, was passieren könnte, sollte es zu einer Art Konfrontation kommen und der Geist aus der Flasche befreit werden… noch Kaffee, Ralph?«

»Ich passe. Ich sollte sowieso bald gehen. Was wird aus Pickering werden?«

Eigentlich lag ihm nicht viel an Charlie Pickerings Schicksal, aber der große Polizist würde sich wahrscheinlich wundern, wenn er nach May Locher fragte, bevor er sich nach Pickering erkundigt hatte. Vielleicht sogar argwöhnisch werden.

»Steve Offenbach – der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt, der Sie verhört hat – und Pickerings Pflichtverteidiger machen wahrscheinlich, während wir uns hier unterhalten, einen Kuhhandel. Pickerings Typ wird sagen, daß er seinen Klienten -übrigens, macht mich der Gedanke völlig fertig, Charlie Pickering könnte irgend jemandes Klient sein, egal weswegen -dazu überreden könnte, einen tätlichen Angriff zweiten Grades zu gestehen. Offenbach wird sagen, es wäre an der Zeit, Pickering ein für allemal aus dem Verkehr zu ziehen, daher würde er auf versuchten Mord plädieren. Pickerings Verteidiger wird so tun, als wäre er schockiert, und morgen wird unser Freund wegen tätlichen Angriffs ersten Grades mit einer tödlichen Waffe unter Anklage gestellt und in Untersuchungshaft genommen werden. Und im Dezember, oder eher nächstes Jahr, werden Sie dann als Kronzeuge auftreten.«

»Kaution?«

»Wird wahrscheinlich im Bereich von vierzigtausend Dollar festgesetzt. Man kommt mit zehn Prozent davon raus, wenn der Rest für den Fall einer Flucht in Form von Sicherheiten hinterlegt werden kann, aber Charlie Pickering besitzt kein Haus, kein Auto, nicht einmal eine Timex. Wahrscheinlich wird er letztendlich nach Juniper Hill zurückkehren müssen, aber das ist eigentlich nicht der Sinn des Spiels. Diesmal werden wir ihn eine ganze Weile hinter schwedischen Gardinen behalten können, und bei Leuten wie Charlie ist das der Sinn des Spiels.«

»Besteht die Möglichkeit, daß die Friends of Life die Kaution bezahlen?«

»Nee. Ed Deepneau hat letzte Woche eine Menge Zeit mit ihm verbracht, die beiden haben zusammen Kaffee im Bagel Shop getrunken. Ich könnte mir vorstellen, Ed hat Charlie über Zenturionen und den Karokönig informiert -«

»Den Scharlachroten König hat Ed -«

»Egal«, stimmte Leydecker mit einer wegwerfenden Handbewegung zu. »Aber ich denke, den größten Teil der Zeit hat er darauf verwendet, ihm zu erklären, daß Sie der Handlanger des Teufels sind und nur ein kluger, tapferer, entschlossener Mann wie Charlie Pickering Sie von der Bildfläche verschwinden lassen könnte.«

»Sie stellen ihn wie ein Arschloch hin«, sagte Ralph. Er erinnerte sich an den Ed Deepneau, mit dem er Schach gespielt hatte, bevor Carolyn krank geworden war. Der Ed war ein intelligenter, wortgewandter, zivilisierter Mann von großer Güte gewesen. Für Ralph war es immer noch unmöglich, diesen Ed mit dem in Einklang zu bringen, den er zum erstenmal im Juli 1992 erlebt hatte. Die neue Version bezeichnete er im Geiste immer als »Kampfhahn Ed.«

»Nicht nur wie ein Arschloch, sondern wie ein gemeingefährliches Arschloch«, sagte Leydecker. »Für ihn war Charlie nur ein Werkzeug, wie ein Obstmesser, mit dem man einen Apfel schält. Wenn die Klinge eines Obstmessers abbricht, geht man nicht zum Scherenschleifer und läßt sich eine neue dranmachen; das wäre zuviel Aufwand. Man wirft es in den Mülleimer und kauft sich statt dessen ein neues. So behandeln Leute wie Ed Leute wie Charlie, und da Ed zumindest im Augenblick die Friends of Life ist, glaube ich nicht, daß wir uns Gedanken machen müßten, Charlie könnte gegen Kaution rauskommen. In den nächsten paar Tagen wird er einsamer als der Reparaturmann von Maytag sein. Okay?«

»Okay«, sagte Ralph. Er stellte ein wenig entsetzt fest, daß er Mitleid mit Pickering empfand. »Ich möchte Ihnen auch dafür danken, daß Sie meinen Namen nicht in die Zeitung gebracht haben… das heißt, falls Sie es waren.«

Der Vorfall war kurz in der Polizei-Rubrik der Derry News erwähnt worden, aber da stand nur, daß Charles H. Pickering wegen »bewaffneten Überfalls« in der öffentlichen Bibliothek von Derry festgenommen worden war.

»Manchmal bitten wir sie um einen Gefallen, manchmal bitten sie uns um einen Gefallen«, sagte Leydecker und stand auf. »So läuft das in der wirklichen Welt. Und wenn die Irren bei den Friends of Life und die selbstgerechten Pedanten bei Woman-Care das einmal begreifen würden, wäre meine Aufgabe viel leichter.«

Ralph zog das zusammengerollte Dumbo-Plakat aus dem Papierkorb, dann stand er auf seiner Seite von Leydeckers Schreibtisch auf. »Könnte ich das haben? Ich kenne ein kleines Mädchen, dem würde das in etwa einem Jahr bestimmt gefallen.«

Leydecker breitete übertrieben die Arme aus. »Jederzeit betrachten Sie es als eine Art Prämie, weil Sie so ein guter Mitbürger sind. Bitten Sie mich nur nicht um meinen Satz Höschen mit offenem Schritt.«

Ralph lachte. »Würde mir nicht im Traum einfallen.«

»Im Ernst, es freut mich, daß Sie gekommen sind. Danke, Ralph.«

»Kein Problem.« Er streckte die Hand über den Schreibtisch aus, schüttelte Leydecker die Hand und ging zur Tür. Er kam sich auf absurde Weise wie Inspektor Columbo im Fernsehen vor – nur die Zigarre und der schäbige Trenchcoat fehlten. Er legte die Hand auf den Türknauf, dann wartete er noch einen Moment und drehte sich um. »Dürfte ich Sie etwas fragen, das überhaupt nichts mit Charlie Pickering zu tun hat?«

»Schießen Sie los.«

»Heute morgen habe ich im Red Apple gehört, daß Mrs. Locher von gegenüber in der Nacht gestorben ist. Das ist nicht überraschend, sie hatte ein Emphysem. Aber zwischen dem Bürgersteig und ihrem Vorgarten sind Absperrungen, auf denen steht, daß das Haus von der Polizei von Derry abgeriegelt wurde. Wissen Sie etwas darüber?«

Leydecker sah ihn so lang und fest an, daß Ralph sich unbehaglich gefühlt hätte… hätte er die Aura des Mannes nicht sehen können. Nichts daran verriet ein Gefühl von Argwohn.

Großer Gott, Ralph, du nimmst das ein bißchen zu ernst, oder nicht?

Nun, vielleicht ja, vielleicht nein. Wie auch immer, er war froh, daß sich das grüne Flackern an den Rändern von Leydeckers Aura nicht wieder eingestellt hatte.

»Warum sehen Sie mich so an?« fragte Ralph. »Tut mir leid, wenn ich mich erdreistet habe, etwas Ungebührliches zu fragen.«

»Ganz und gar nicht«, sagte Leydecker. »Es ist nur ein bißchen unheimlich, das ist alles. Können Sie es für sich behalten, wenn ich es Ihnen erzähle?«

»Ja.«

»Ich mache mir hauptsächlich wegen Ihrem Untermieter Gedanken. Wenn das Wort >Diskretion< genannt wird, denke ich nicht unbedingt an den Prof.«

Ralph lachte herzlich. »Ich werde kein Wort zu ihm sagen Pfadfinderehrenwort -, aber es ist interessant, daß Sie ihn erwähnen; Bill war damals mit Mrs. Locher in der Schule. In der Grundschule.«

»Mann, ich kann mir den Prof überhaupt nicht in der Grundschule vorstellen«, sagte Leydecker. »Sie?«

»Irgendwie schon«, sagte Ralph, aber das Bild, das ihm in den Sinn kam, war ausgesprochen eigentümlich: Bill McGovern, der wie eine Kreuzung zwischen dem kleinen Lord Fauntleroy und Tom Sawyer aussah – mit Knickerbockern, langen weißen Socken… und einem Panamahut.

»Wir sind nicht sicher, was mit Mrs. Locher passiert ist«, sagte Leydecker. »Wir wissen nur, daß kurz nach drei Uhr nachts 911 einen anonymen Anruf von jemandem – einem Mann -bekommen hat, der behauptete, er habe gesehen, wie zwei Männer, einer mit einer Schere bewaffnet, aus Mrs. Lochers Haus gekommen seien.«

»Sie wurde ermordet?« rief er aus und stellte zweierlei gleichzeitig fest: daß er sich glaubwürdiger anhörte, als er je für möglich gehalten hätte, und daß er gerade eine Brücke überquert hatte. Er hatte sie nicht hinter sich verbrannt – noch nicht jedenfalls -, aber er würde nicht mehr auf die andere Seite zurückkehren können, ohne eine Menge Erklärungen abzugeben.

Leydecker kehrte die Handflächen nach oben und zuckte die Achseln. »Wenn, dann jedenfalls nicht mit einer Schere oder einem anderen scharfen Gegenstand. Sie wies keinerlei Verletzungen auf.«

Das zumindest war eine Erleichterung.

»Andererseits ist es möglich, bei der Ausführung eines Verbrechens jemanden zu Tode zu erschrecken – besonders jemanden, der alt und krank ist«, sagte Leydecker. »Wie auch immer, es wird einfacher zu erklären sein, wenn Sie mich einfach erzählen lassen, was ich weiß. Es wird nicht lange dauern, glauben Sie mir.«

»Natürlich. Entschuldigen Sie.«

»Möchten Sie etwas Komisches hören? Als ich den Meldebogen der Notrufannahme 911 gelesen habe, mußte ich zuerst an Sie denken.«

»Wegen der Schlaflosigkeit, richtig?« fragte Ralph. Seine Stimme klang gelassen.

»Und weil der Anrufer behauptete, er hätte diese Männer aus seinem Wohnzimmerfenster gesehen. Ihr Wohnzimmer geht doch auf die Harris Avenue hinaus, oder nicht?«

»Ja.«

»Hm-hmm. Ich wollte mir sogar das Band anhören, aber dann fiel mir ein, daß Sie heute vorbeikommen wollten… und daß Sie wieder durchschlafen. Das stimmt doch, oder nicht?«

Ohne einen Augenblick zu zögern oder zu überlegen, setzte Ralph die Brücke in Brand, die er gerade überquert hatte. »Nun, ich schlafe nicht so gut wie mit sechzehn, als ich nach der Schule zwei Jobs hatte, da will ich Ihnen nichts vormachen, aber wenn ich der Mann war, der gestern nacht 911 angerufen hat, dann muß ich es im Schlaf getan haben.«

»Das habe ich mir auch gedacht. Und außerdem, wenn Sie auf der Straße etwas Ungewöhnliches gesehen hätten, weshalb hätten Sie den Anruf anonym machen sollen?«

»Ich weiß nicht«, sagte Ralph und dachte: Aber angenommen, es war etwas mehr als ungewöhnlich, John? Angenommen, es war vollkommen unmöglich? Ich meine, wir reden hier von kleinen kahlköpfigen Ärzten aus dem Weltraum und leuchtenden Fußabdrücken und Auren, die nur ich sehen kann. Beziehungsweise die nur Ed Deepneau und ich sehen können.

»Ich auch nicht«, sagte Leydecker. »Ihr Haus hat Fenster zur Harris Avenue raus, richtig, aber das haben rund drei Dutzend andere auch… und daß der Anrufer gesagt hat, er hätte sich drinnen aufgehalten, heißt ja noch lange nicht, daß es so war, oder?«

»Wohl nicht. Vor dem Red Apple steht eine Telefonzelle, von der er angerufen haben könnte, und beim Spirituosenladen ist auch eine. Und zwei im Strawford Park, wenn sie funktionieren.«

»Tatsächlich sind es vier im Park, und die funktionieren alle. Wir haben es überprüft.«

»Warum sollte er nicht sagen, von wo er angerufen hat?«

»Höchstwahrscheinlich weil alles andere auch gelogen war. Wie auch immer, Donna Hagen sagte, der Mann hätte sich sehr jung und selbstsicher angehört.« Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, zuckte er zusammen und schlug sich mit der Hand auf die Stirn. »Das war nicht so gemeint, Ralph. Bitte entschuldigen Sie.«

»Schon gut – der Gedanke, daß ich mich wie ein pensionierter alter Furz anhöre, ist nicht gerade neu für mich. Ich bin ein pensionierter alter Furz. Nur weiter.«

»Chris Nell kümmerte sich um den Anruf – er war der erste am Tatort. Sie erinnern sich, er war auch dabei, als wir Ed festgenommen haben.«

»Ich erinnere mich an den Namen.«

»Hm-hmm. Steve Utterback nahm den Notruf als diensthabender Detective entgegen. Er ist ein guter Mann.«

Der mit der Strickmütze, dachte Ralph.

»Die Dame lag tot im Bett, aber Spuren von Gewaltanwendung waren nicht zu sehen. Und es war offensichtlich auch nichts mitgenommen worden, obwohl alte Damen wie May Locher normalerweise nicht viel besitzen, was sich mitzunehmen lohnt

– keinen Videorecorder, keine große teure Stereoanlage, nichts dergleichen. Aber sie hatte einen dieser Böse Waves und zwei oder drei hübsche Schmuckstücke. Was nicht heißen soll, daß es keinen Schmuck gegeben hat, der nicht genauso hübsch oder hübscher gewesen wäre, aber -«

»Aber warum sollte ein Einbrecher einiges und nicht alles nehmen?«

»Genau. Interessanter ist, daß die Eingangstür – wo die beiden Männer laut dem Anrufer angeblich herausgekommen sind -von innen verschlossen war. Und nicht nur mit einem Türschloß, sondern mit Riegel und Kette. Dasselbe übrigens an der Hintertür. Wenn also der Anrufer nicht gelogen hat und May Locher tot war, als die beiden Männer gegangen sind, wer hat dann die Türen abgesperrt?«

Vielleicht war es der Scharlachrote König, dachte Ralph… und hätte es zu seinem Entsetzen fast laut ausgesprochen.

»Ich weiß nicht, was ist mit den Fenstern?«

»Geschlossen. Riegel nach unten. Und falls sich das für Sie noch nicht genug nach Agatha Christie anhört, Steve sagt, daß die Sturmläden geschlossen waren. Ein Nachbar hat gesagt, sie hat erst letzte Woche einen Jungen dafür bezahlt, daß er sie anbringt.«

»Klar, das ha., öie«, sagte Ralph. »Pat Monroe, der auch die Zeitung austrägt. Jetzt fällt mir wieder ein, ich habe ihn dabei gesehen.«

»Kriminalroman-Quatsch«, sagte Leydecker, aber Ralph glaubte, er hätte Susan Day in Null Komma nichts gegen May Locher getauscht. »Der vorläufige Autopsiebericht kam, kurz bevor ich ins Gerichtsgebäude aufgebrochen bin, um Sie in Empfang zu nehmen. Ich konnte einen Blick darauf werfen. Myocardial hier, Thrombose da… letztlich läuft es auf Herzstillstand hinaus. Wir behandeln den Anruf bei 911 im Augenblick als schlechten Scherz – wir bekommen andauernd welche, wie andere Städte auch – und die Todesursache der Dame als durch das Emphysem ausgelösten Herzanfall.«

»Mit anderen Worten, ein bloßer Zufall.« Diese Schlußfolgerung ersparte ihm vielleicht eine Menge Ärger – das heißt, wenn sie akzeptiert wurde -, aber Ralph konnte in seiner eigenen Stimme Zweifel hören.

»Ja, mir gefällt es auch nicht. Und Steve ebensowenig, darum wurde das Haus abgeriegelt. Die staatliche Spurensicherung wird es von unten bis oben durchsuchen, wahrscheinlich fangen sie morgen früh schon an. Derweil ist Mrs. Locher zu einer gründlicheren pathologischen Untersuchung nach Augusta gereist. Wer weiß, was dabei rauskommt? Manchmal kommt nämlich etwas dabei heraus. Sie würden staunen.«

»Kann schon sein«, sagte Ralph.

Leydecker warf den Zahnstocher in den Müll, schien einen Augenblick finster zu brüten, dann strahlte er. »He, vielleicht bringe ich einen von den Bürohengsten dazu, daß er den Anruf als Scherz zu den Akten nimmt. Oder ich könnte ihn vorbeibringen und Ihnen vorspielen. Vielleicht erkennen Sie die Stimme. Wer weiß? Man hat schon Pferde kotzen sehen.«

»Das ist wohl wahr«, sagte Ralph mit nervösem Lächeln.

»Wie auch immer, es ist Utterbacks Fall. Kommen Sie, ich bringe Sie hinaus.«

Auf dem Flur betrachtete Leydecker Ralph noch einmal mit einem abschätzenden Blick. Dabei fühlte sich Ralph wesentlich unbehaglicher, weil er keine Ahnung hatte, was der Blick bedeuten sollte. Die Aura war wieder verschwunden.

Er versuchte ein Lächeln, das einen gekünstelten Eindruck hinterließ. »Hängt mir etwas aus der Nase, das nicht hingehört?«

»Nee. Ich staune nur, wie gut Sie aussehen, wenn man bedenkt, was Sie gestern durchgemacht haben. Und verglichen damit, wie Sie vergangenen Sommer ausgesehen haben… wenn Honigwaben das fertigbringen, werde ich mir einen ganzen Bienenstock zulegen.«

Ralph lachte, als wäre das das Komischste, das er je gehört hatte.

1:42 Uhr, Dienstagmorgen.

Ralph saß in seinem Ohrensessel und sah zu, wie Ringe aus feinem Dunst um die Straßenlaternen kreisten. Weiter oben in der Straße hingen die Absperrbänder der Polizei niedergeschlagen vor May Lochers Haus.

Kaum zwei Stunden Schlaf heute nacht, und wieder einmal dachte er sich, daß es besser wäre, tot zu sein. Keine Schlaflosigkeit mehr. Kein langes Warten auf die Dämmerung in diesem verhaßten Sessel. Keine Tage mehr, an denen er die Welt durch den unsichtbaren Schutzschirm zu sehen schien, von dem sie immer in der Werbung für Gardol-Zahnpasta sprachen. Damals war das Fernsehen fast brandneu gewesen, zu der Zeit hatte er noch keine graue Strähne in seinem Haar gefunden und war stets fünf Minuten nachdem er und Carol sich geliebt hatten, eingeschlafen.

Und die Leute sagen mir immer, wie gut ich aussehe. Das ist das Unheimlichste daran.

Aber das stimmte nicht. Wenn man einiges von dem bedachte, was er in letzter Zeit gesehen hatte, stand die Tatsache, daß einige Leute bemerkten, er würde wie ein neuer Mensch aussehen, ganz weit unten auf seiner Liste unheimlicher Vorkommnisse.

Ralph drehte sich zu May Lochers Haus um. Laut Leydecker war das Haus versperrt gewesen, aber Ralph hatte die beiden kleinen kahlköpfigen Ärzte zur Vordertür herauskommen gesehen, er hatte sie gesehen, gottverdammt…

Hatte er sie gesehen?

Wirklich?

Ralph dachte an den vergangenen Morgen zurück. Er hatte sich mit einer Tasse Tee in eben diesem Sessel niedergelassen und gedacht: Das Stück kann beginnen. Und dann hatte er diese beiden kleinen kahlköpfigen Mistkerle herauskommen sehen, verdammt, er hatte sie aus May Lochers Haus kommen sehen!

Aber vielleicht stimmte das gar nicht, denn er hatte eigentlich gar nicht Mrs. Lochers Haus beobachtet; er hatte mehr in Richtung des Red Apple gesessen. Er hatte die Bewegung, die er aus den Augenwinkeln wahrnahm, für Rosalie gehalten und den Kopf gedreht, um nachzusehen. Da hatte er die kleinen kahlköpfigen Ärzte auf der Veranda von May Lochers Haus gesehen. Er war nicht mehr sicher, ob er die offene Haustür gesehen hatte; vielleicht hatte er das einfach vorausgesetzt, warum auch nicht? Sie waren auf jeden Fall nicht Mrs. Lochers Einfahrt entlanggekommen.

Das kannst du nicht mit Sicherheit sagen, Ralph.

Aber er konnte es. Um drei Uhr morgens war die Harris Avenue so ausgestorben wie die Mondoberfläche – die kleinste Bewegung innerhalb seines Gesichtsfelds hatte er registriert.

Waren Doc Nr. 1 und Doc Nr. 2 zur Eingangstür herausgekommen? Je länger Ralph darüber nachdachte, desto mehr bezweifelte er es.

Was ist dann passiert, Ralph? Sind Sie möglicherweise hinter dem unsichtbaren Schutzschild von Gardol hervorgekommen? Oder-wie wäre es damit? – vielleicht sind sie durch die Tür gelaufen, wie die Geister, die Cosmo Topper in dem alten Fernsehfilm heimgesucht haben!

Und das Verrückteste war, genau das schien zuzutreffen.

Was? Daß sie durch die ScheißTÜR spaziert sind? O Ralph, du brauchst Hilfe. Du mußt mit jemandem darüber reden, was mit dir los ist.

Ja. Dessen war er ganz sicher: Er mußte mit jemandem darüber reden, bevor er verrückt wurde. Aber mit wem? Carolyn wäre die Beste gewesen, aber die war tot. Leydecker? Das Problem hier war, Ralph hatte ihn schon wegen des Anrufs bei 911 belogen. Warum? Weil sich die Wahrheit verrückt angehört hätte. Sie hätte sich sogar so angehört, als hätte er sich mit Ed Deepneaus Paranoia angesteckt wie mit einer Erkältung. Und wenn man die Situation ganz unvoreingenommen betrachtete, war das nicht die wahrscheinlichste Erklärung?

»Aber so ist es nicht«, flüsterte er. »Sie waren da. Und die Auren auch.«

Es ist ein langer Weg zurück ins Paradies, Liebling… und wenn du schon dabei bist, gib auch auf diese grüngoldenen Spuren des weißen Mannes acht.

Jemanden einweihen. Sich alles von der Seele reden. Ja. Und das sollte er tun, bevor sich John Leydecker das Band von 911 anhörte und eine Erklärung haben wollte. Wissen wollte, warum Ralph gelogen hatte und wieso er vom Tod von May Locher wußte.

Jemanden einweihen. Sich alles von der Seele reden.

Aber Carolyn war tot, Leydecker war noch zu neu, Helen versteckte sich irgendwo da draußen im Unterschlupf von Woman-Care, und Lois Chasse tratschte vielleicht bei ihren Freundinnen. Wer blieb dann noch?


    Ваша оценка произведения:

Популярные книги за неделю