Текст книги "Todesschrein"
Автор книги: Clive Cussler
Соавторы: Graig Dirgo
Жанр:
Триллеры
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12
In Reykjavik hatte Max Hanley an Bord der Oregonalle Hände voll zu tun. Der arabische Friedensgipfel ging dem Ende entgegen, und sobald die Konferenzen am nächsten Tag abgeschlossen wären, stiege der Emir in seine 737 und die Verantwortung für seine Sicherheit ginge wieder auf seine eigenen Leute über.
Bislang war die Operation reibungslos verlaufen. Der Emir hatte sich bei nahezu unsichtbarer Präsenz seines Personenschutzes frei in Island bewegen können. Die verschiedenen Teams der Corporation beherrschten die Fähigkeit, mit der Umgebung zu verschmelzen, geradezu meisterlich. An diesem Tag, nach Beendigung der Konferenzen und Gespräche, hatte der Emir den Wunsch geäußert, die Blaue Lagune zu besuchen, den Teich einer natürlichen heißen Quelle, der angelegt worden war, als ein neues geothermales Elektrizitätswerk gebaut wurde. An diesem Ort ergoss sich Wasser, mit Mineralien stark angereichert, über große Flächen vulkanischen Gesteins und bildete in der herrschenden Kälte unter freiem Himmel eine Oase der Wärme. Dampf, der von dem heiß aus der Erde strömenden Wasser aufstieg, bildete weiße Wolken – wie in einem Dampfbad. Die Menschen, die im Wasser badeten, erschienen und verschwanden wie Geister auf einem nebelverhangenen Friedhof.
Sechs Angehörige des Teams der Corporation hatten sich in der Nähe im Wasser aufgehalten, während sich der Emir in den warmen Fluten aalte.
Ein paar Minuten zuvor hatte Max Hanley die Meldung erhalten, dass der Emir sich im Umkleideraum umzog. Nun war Hanley dabei, die beiden Eskorten zu koordinieren, die die Ausflügler zum Hotel des Emirs bringen sollten.
»Hat der Austausch geklappt?«, wollte Hanley von Eddie Seng per Satellitentelefon wissen.
»Einer rein«, antwortete dieser, »einer raus. Niemand konnte was mitkriegen.«
»Das sollte uns den Gegner vom Hals halten«, sagte Hanley.
»Es ging so glatt wie ein Babypo«, bestätigte Eddie Seng.
»Sorg dafür, dass die beiden Karawanen im Abstand von ein paar Minuten eintreffen«, sagte Hanley, »und benutze den Hintereingang.«
»Du kannst dich drauf verlassen«, sagte Seng, ehe er die Verbindung unterbrach.
»Hast du alle Vorbereitungen getroffen?«, wollte Hanley von Julia Huxley, der Ärztin der Oregon,wissen, während sie den Kontrollraum betrat.
»Die Entgiftungsklinik befindet sich in Estes Park, Colorado«, entgegnete Julia Huxley. »Ich habe eigens eine isländische Krankenschwester engagiert, die hervorragend Englisch spricht und ihn auf dem Flug nach New York und später nach Denver begleiten soll. Ein Transporter der Klinik holt ihn dann in Denver ab. Er braucht lediglich von Kulusuk nach Reykjavik allein zu fliegen. Ich habe dem Piloten Bescheid gesagt und ein paar Libriumtabletten am Flughafen hinterlegen lassen, damit er sie ihm verabreicht. Das sollte unser Baby eigentlich beruhigen und seine Krämpfe lindern, bis die Krankenschwester ihn in ihre Obhut übernimmt.«
»Gute Arbeit«, lobte Hanley. »Wir lassen das Projekt anrollen, sobald uns Juan sein Okay gibt.«
»Was die zweite Angelegenheit betrifft«, sagte Julia Huxley, »soll sich Juan vor Strahlung in Acht nehmen, wenn er sich dem Meteoriten nähert. Ich habe Kaliumjodid an Bord, das wir ihm geben können, wenn wir uns wiedersehen, aber je mehr Distanz er zu dem Objekt einhält, desto besser für ihn.«
»Er hat die Absicht, den Gegenstand in Plastikfolie und in eine alte Decke einzuwickeln und ihn dann in eine Stahlkiste auf der Ladefläche der Schneekatze zu legen.«
»Das ist völlig okay«, sagte Julia Huxley. »Er sollte vor allem aufpassen, nicht irgendwelchen Staub einzuatmen.«
»Wir gehen davon aus, dass es keinen Staub gibt – auf dem Foto sieht das Ding wie eine riesige Kugellagerkugel aus. Was an Staub daran haftete, dürfte beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglüht sein. Daher sollte Cabrillo keinen Schaden nehmen, solange er nicht allzu engen Kontakt zu der Kugel hat und über längere Zeit ihrer Strahlung ausgesetzt ist.«
»Das ist richtig«, pflichtete ihm Julia Huxley bei.
Sie machte Anstalten zu gehen, stoppte jedoch an der Tür.
»Max?«, sagte sie zu Hanley.
»Ja, Julia, was ist?«
»Ich weiß nicht, ob du schon mal jemanden gesehen hast, der Strahlenschäden davontrug«, sagte sie leise. »Der Anblick ist nicht besonders schön. Mach Juan bloß mit allem Nachdruck klar, dass er den Meteoriten so weit wie möglich von sich fern halten soll.«
»Ich werde es ihm ausrichten«, versprach Hanley.
13
Aleimein Al-Khalifa las das Fax ein zweites Mal, dann schob er die Papierblätter in eine Plastikhülle, um das Bild zu schützen. Der Preis, den die Hammadi-Gruppe für diese Information hatte zahlen müssen, bestand aus Gold im Wert von einer Million englischer Pfund. Wie viel Geldgier und Habsucht die Menschen an den Tag legen können, verblüffte Al-Khalifa immer wieder aufs Neue – für den richtigen Preis würden die meisten Menschen ihr Vaterland, ihren zukünftigen Lebensunterhalt, ja, sogar ihren Gott verkaufen. Darin unterschied sich auch der Insider bei Echelon nicht. Eine Masse Spielschulden und schlechte finanzielle Planung hatten ihn in eine Position der Abhängigkeit lanciert, die man leicht ausnutzen konnte. Behutsam platzierte Verlockungen und eine zunehmende großzügigere Entlohnung für seinen Verrat hatten ihn unter die Kontrolle der Hammadi-Gruppe gebracht.
Und jetzt, nach zwei Jahren, hatte der Mann einen Jackpot anzubieten.
Das Problem war lediglich, dass Al-Khalifas Tisch im Augenblick reichlich gedeckt war. Er wandte sich an den anderen Mann in der Kabine seiner Jacht.
»Allah segnet alle Gläubigen.«
Salmain Esky lächelte und nickte zustimmend. »Es scheint, als sei ein Gebet erhört worden«, pflichtete er seinem Gegenüber bei, »obwohl dies ausgerechnet in einer Zeit des Überflusses geschieht.«
Al-Khalifa sah ihn an. Esky war klein, knapp über eins fünfzig groß und dünn wie eine Vogelscheuche. Im Jemen geboren, hatte er dunkle, trockene Haut, ein fliehendes Kinn und einen Mund voller winziger spitzer Zähne, die mit gelben und braunen Flecken übersät waren. Esky war ein typischer Mitläufer, nicht gerade gescheit, aber ein leidenschaftlicher Kämpfer für die jeweilige Sache, für die er sich aus welchen Gründen auch immer einsetzte. Alle Bewegungen und Interessengruppen brauchten Männer wie ihn. Sie waren die Bauern, die auf dem Spielfeld hin– und hergeschoben werden konnten. Oder das Kanonenfutter.
Al-Khalifa hingegen war hoch gewachsen, attraktiv und bewegte sich mit einer Eleganz, die eine generationenlange Führerschaft in seine Seele eingeprägt hatte. Seit Hunderten von Jahren hatten seine Vorfahren als Stammeshäuptlinge auf der Arabischen Halbinsel geherrscht. Es war gerade mal zwanzig Jahre her, seit Al-Khalifas Vater bei der Königsfamilie von Katar in Ungnade gefallen und sein Familienzweig auf einen nur noch gewöhnlichen gesellschaftlichen Status reduziert worden war. Al-Khalifa hatte die Absicht, diese Situation schnellstens zu berichtigen.
Danach würde er den lange geplanten Schlag im Namen des Islam führen.
»Allah hat uns mit den Mitteln ausgestattet, beides zu tun«, sagte Al-Khalifa, »und wir werden es tun.«
»Wollen Sie also, dass der Kapitän auf einen nordöstlichen Kurs geht?«, fragte Esky.
»Ja«, antwortete Al-Khalifa leise. »Den Passagier werde ich später an Bord holen.«
Unter der Flagge von Bahrain segelnd und als Eigentum des Arab Investment and Trading Consortium registriert, war die dreihundertdrei Fuß lange Akbareine der längsten in Privatbesitz befindlichen Jachten der Welt. Nur wenige Fremde hatten sich je an Bord der Jacht aufgehalten, doch diese wenigen berichteten von luxuriös ausgestatteten Salons, von den großen Jacuzzis auf dem Achterdeck und von den mitgeführten zahlreichen kleineren Booten, den Jetskis und Waterbikes und dem Helikopter.
Von außen betrachtet erschien die Akbarwieder schwimmende Palast eines Ultrareichen. Fast niemand wäre auf die Idee gekommen, dass die Jacht einer Terroristenzelle Unterschlupf und Operationsbasis bot. Neben dem Anführer, Al-Khalifa, und seinem Gefolgsmann Esky – beide zur Zeit an Land – gab es noch sechs weitere Männer. Zwei kamen aus Kuwait, zwei waren Saudis, einer stammte aus Libyen und der sechste war Ägypter. Alle Männer waren mit fundamentalistischen Parolen infiziert. Und alle waren bereit, für ihr Anliegen zu sterben.
»Wir haben Erlaubnis, den Hafen zu verlassen«, sprach der Kapitän in sein Walkie-Talkie.
»Sobald Sie den äußeren Hafen hinter sich haben, gehen Sie auf volle Fahrt«, befahl Al-Khalifa vom Land aus. »Ich bin in anderthalb Stunden bei Ihnen.«
»Jawohl, Sir«, antwortete der Kapitän.
Al-Khalifa verstaute das kleine Mobiltelefon in der Brusttasche und konzentrierte sich wieder auf die elektrische Schalttafel im Keller des Hotels. »Bringen Sie die Sprengladung dort an«, sagte er zu Esky und deutete auf die Hauptleitung. »Nachdem der Alarm ertönt und die Lichter erloschen sind, warten Sie wie geplant an der unteren Treppe auf mich.«
Esky nickte und packte den C-6-Sprengstoff um das Aluminiumrohr. Er holte die Zünddrähte und die Zünder aus der Tasche, während Al-Khalifa sich entfernte. Bei seinem Gang durch die Tiefgarage blieb Al-Khalifa an einem Van stehen, öffnete die Heckklappe und schaute prüfend hinein. Dann schloss er die Klappe wieder und setzte den Weg fort.
Er ging durch die Tür, die zur Nottreppe führte, und stieg die Stufen hoch.
Sobald er das Stockwerk direkt unter der Zimmerflucht des Emirs von Katar erreichte, benutzte er seine Schlüsselkarte, um ein Zimmer zu betreten, das von seiner Mantelgesellschaft angemietet worden war. Al-Khalifa streifte mit einem flüchtigen Blick das Bett, das er früher am Tag hochgestellt und gegen die Wand gelehnt hatte. Dann inspizierte er die seltsam aussehende, rot lackierte Maschine, die dort auf dem Fußboden aufgestellt worden war, wo vorher das Bett gestanden hatte. Oben, dicht unter der Zimmerdecke, war eine mit Diamanten besetzte Lochsäge mit einem Durchmesser von knapp anderthalb Metern zu erkennen. Sie wirkte wie die Riesenversion des Werkzeugs, das ein Schreiner gewöhnlich benutzte, um Schlupflöcher in die Seitenwände von Vogelhäusern zu bohren. Das runde Sägeblatt war an einer glänzenden Stahlspindel befestigt, die von einer hydraulischen Pressvorrichtung hochgedrückt wurde. Unter der Spindel und der Teleskophydraulik befand sich ein Blechkasten, in dem der Dieselmotor arbeitete, der die Bohreinrichtung antrieb. Unter dem Motorgehäuse ragte eine Deichsel hervor. Außerdem verfügte die Maschine über Räder, die zuließen, dass sie an jeden beliebigen Ort geschoben werden konnte. Mittels einer tragbaren Handsteuerung am Ende eines knapp zehn Meter langen Kabels ließ sie sich außerdem fernbedienen.
Als Al-Khalifa das Sägeblatt absenkte, entstand zwischen ihm und der Decke eine Lücke von knapp zwei Metern. Neben der Maschine lagen eine quadratische Sperrholzplatte und eine Leiter bereit. Die gesamte Anlage war über einen Zeitraum von zwei Wochen in Einzelteilen ins Zimmer geschmuggelt und dort zusammengebaut worden. Hausangestellte waren fern gehalten worden, indem die Rezeption die ausdrücklich Anweisung erhalten hatte, dafür zu sorgen, dass niemand – auch nicht ein Angehöriger des Personals – zu irgendeinem Zeitpunkt das Zimmer betrat.
Das Gerät wurde auf Baustellen eingesetzt, um Löcher in Betonwände zu bohren, damit Versorgungskabel verlegt werden konnten.
Al-Khalifa war sicher, dass sich die Maschine ohne Probleme auch durch eine Zimmerdecke beziehungsweise einen Fußboden fressen würde.
Der Emir von Katar schlief friedlich im Stockwerk darüber. Sicherheitsteams der Corporation hielten in Zimmern auf der gegenüberliegenden Seite des Korridors und neben der Suite des Emirs die ganze Nacht hindurch Wache. Sie rechnet damit, dass das Kidnapping in dieser Nacht über die Bühne gehen sollte. Im Zimmer auf der anderen Seite des Korridors betrachteten Pete Jones und Bob Meadows aufmerksam das Bild, dass die ferngesteuerte Kamera lieferte. Im Zimmer links neben der Suite des Emirs machte sich Monica Crabtree soeben einige Notizen, während Cliff Hornsby eine Pistole reinigte. Im Zimmer rechts neben der Suite bedienten sich Hali Kasim und Franklin Lincoln von einer Platte mit Sandwiches, während sie warteten.
Nichts deutete auf das hin, was gleich geschehen würde.
Eine Etage tiefer setzte Al-Khalifa ein Nachtsichtgerät auf, dann nahm er die Fernbedienung zur Hand und blickte auf seine Armbanduhr. Die Sekunden vertickten, bis der Zeiger auf 3 Uhr morgens sprang. In diesem Augenblick spürte Al-Khalifa, wie das Gebäude erzitterte und die Lampen kurz flackerten und dann erloschen.
Er betätigte den Anlasserknopf – und die Bohrmaschine erwachte mit lautem Getöse zum Leben. Während er den entsprechenden Knopf drückte, der den Vortrieb des Bohrkopfs steuerte, verfolgte er, wie die rotierende Spindel mitsamt dem Sägeblatt zur Decke hochstieg. Sobald das Sägeblatt die Decke berührte, fraß es sich in die Dämmplatten und die Holzträger und schleuderte Holzsplitter und Staub ins Zimmer. In weniger als zehn Sekunden durchstieß die Säge die Decke, und frische Luft drang von oben herein. Al-Khalifa ließ bei still stehender Säge die Hydraulik herunterfahren, legte die Sperrholzplatte auf die scharfen Sägezähne, dann ergriff er abermals die Fernbedienung, kletterte auf die Platte und ließ die Spindel mit der runden Lochsäge wieder nach oben steigen. Zwei Atemzüge später befand er sich im Zimmer des Emirs.
Dank des Nachtsichtgeräts konnte Al-Khalifa jemanden im Bett sitzen und sich die Augen reiben sehen. Er huschte durchs Zimmer, schnappte sich einen Stuhl und verkeilte ihn mit der Rückenlehne unter dem Türknauf, dann kehrte er schnellstens zum Bett des Emirs zurück.
Er bückte sich, pappte Klebeband auf Mund und Augen des Mannes, dann zerrte er ihn aus dem Bett und schleifte ihn zum Loch im Fußboden. Sobald er ihn auf die Sperrholzplatte bugsiert hatte, ließ er mit Hilfe der Fernbedienung die Spindel absinken. Nun schob er den Mann von der Platte auf den Fußboden hinunter und zog ihn zur Tür. Diese öffnete er, schleppte ihn durch den Korridor zur Feuertreppe und eilte diese, so schnell es mit seiner lebenden Last möglich war, hinunter.
Weniger als zwei Minuten waren verstrichen, seit Al-Khalifa begonnen hatte, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Nur noch ein paar weitere Minuten, und er wäre mit seiner Beute unterwegs.
»Alles klar«, sagte Pete Jones.
Die Einsatzteams der Corporation waren mit kleinen Hochleistungslampen ausgestattet, die an ihren Gürteln befestigt waren. Acht dünne Lichtstrahlen erhellten den Flur vor der Tür zur Suite des Emirs.
»Das grüne Licht hat gebrannt«, rief Bob Meadows, nachdem er eine zusätzlich vorbereitete Schlüsselkarte durch den Schlitz des Lesegeräts an der Tür des Emirs gezogen hatte, »aber die Tür lässt sich nicht öffnen!«
»Halis«, rief Jones, »fahr mit Lincoln in die Garage runter und blockiert die Ausfahrt.«
Beide Männer machten sich eilends auf den Weg.
»Monica, Cliff«, fügte er hinzu, »macht den Hotelausgang dicht.«
»Und jetzt, Bob, zurück«, befahl Pete Jones. »Ich sprenge die Tür auf.«
Er holte eine runde Metallscheibe aus der Tasche, entfernte den Schutzstreifen von der Klebefläche, klatschte die Scheibe auf die Tür und legte einen kleinen Schalter am Außenrand um.
»Sir«, rief er gegen die Tür, »gehen Sie in Deckung, wir kommen jetzt rein.«
Pete Jones und Bob Meadows zogen sich ein Stück in den Korridor zurück und warteten darauf, dass die Ladung explodierte. Sobald sie losgegangen war, kam Jones wieder angerannt und warf sich durch die zersplitterten Reste der Tür. Er eilte zum Schlafzimmer und richtete den Lichtstrahl seiner Lampe auf das Bett. Es war leer. Als er den Raum absuchte, entdeckte er das Loch im Fußboden. Daraufhin hakte er sein Walkie-Talkie vom Gürtel und rief die Oregon.
»Alarmstufe Rot«, meldete er, »die Hauptperson wurde entführt.«
Während er auf Antwort wartete, unterzog Pete Jones das Schlafzimmer einer flüchtigen Inspektion. »Bob, sieh mal nach, wie es da unten aussieht.«
Meadows kletterte durch die Öffnung.
»Was läuft bei euch, Pete?«, fragte Hanley, nachdem er sich gemeldet hatte.
»Sie haben sich unseren Mann geschnappt«, antwortete Jones schnell.
»Also das«, sagte Max Hanley langsam, »gehörte nichtzu unserem Plan.«
»Hier ist die Treppe zu Ende«, sagte Al-Khalifa zu seinem mit Klebeband geblendeten Begleiter.
Al-Khalifa trug noch immer sein Nachtsichtgerät, doch soweit er erkennen konnte, machte Seine Exzellenz keinen sonderlich furchtsamen Eindruck. Er gehorchte Al-Khalifas Befehlen und folgte ihm, als hätten ihm seine Sicherheitsleute eingebleut, auf keinen Fall Widerstand zu leisten.
»Hier entlang«, sagte Al-Khalifa, öffnete die Tür zur Garage und zog den Emir am Arm hinter sich her.
Esky erschien im gleichen Moment im Nachtsichtgerät, in dem Al-Khalifa von oben Schritte auf der Treppe hörte.
»Öffnen Sie die Hecktür des Vans und holen Sie das Motorrad heraus!«, brüllte er.
Esky rannte zum Kleinbus, riss die Hecktür auf und zog eine Rampe heraus. Dann stieg er in den Van und schob das Motorrad die Rampe hinunter. Die stählernen Spikes, die in die Reifen des Motorrads eingelassen waren, klickten wie Heuschrecken auf der stählernen Rampe. Al-Khalifa hatte es mittlerweile geschafft, den Emir bis zum Van zu zerren. Er beugte sich ins Heckabteil und holte ein AK-47 Sturmgewehr heraus. Während er den Emir mit einer Hand am Hemd festhielt, drehte er sich um und zielte mit dem Gewehr auf die Tür. Sobald Hali Kasim, gefolgt von Franklin Lincoln, das Treppenhaus verließ und durch die Tür herauskam, eröffnete er das Feuer. Gleichzeitig betätigte Esky den Anlasserknopf. Der Motor der Seitenwagenmaschine, einer BMW 650, erwachte brüllend.
Kasim wurde am Arm getroffen, schaffte es jedoch, sich rechtzeitig bäuchlings auf den Boden zu werfen und unter den nächsten Wagen zu rollen. Lincoln hatte mehr Glück, konnte einem Treffer entgehen, kauerte sich neben seinen Partner und zog die Pistole. Er konnte jedoch nur wenig damit ausrichten, da sich der Emir in seinem Schussfeld befand.
»Halten Sie mir den Rücken frei«, befahl Al-Khalifa und reichte Esky das Gewehr.
Esky brachte die Waffe in Anschlag und begann, den Bereich vor dem Treppenhaus mit kurzen Feuerstößen zu beharken. Al-Khalifa stieß den Emir in den Seitenwagen und schwang sich auf das Motorrad. Er betätigte den Kupplungshebel, legte mit einer Fußbewegung den Gang ein, dann drehte er am Gasgriff und zog die BMW vom Van weg. Gleichzeitig verstärkte Esky das Feuer.
Al-Khalifa lenkte die Maschine zu der Rampe, die aus der Tiefgarage herausführte, und kurvte zur Straße hoch.
Franklin Lincoln hielt das Mikrofon an seinem Revers an die Lippen und rief die Oregon.
»Die Hauptperson befindet sich im Beiwagen eines Motorrads«, rief er.
Mit seinem unversehrten Arm brachte Kasim die Pistole in Anschlag. Er zielte sorgfältig und feuerte drei Kugeln ab. Die erste Kugel traf Esky in den Unterleib, die zweite ins Herz und die dritte in den Hals. Er kippte um wie ein Sack Kartoffeln, und das AK-47 landete klappernd auf dem Asphalt. Lincoln rannte hinüber zum Van, beförderte das Gewehr mit einem Fußtritt in sichere Distanz und beugte sich über den Sterbenden. Der Motorenlärm der BMW entfernte sich und wurde leiser und leiser.
Am Ende der Rampe und auf Straßenniveau stieg das Vorderrad der BMW auf Grund der rasanten Beschleunigung leicht in die Luft. Al-Khalifa warf sich mit seinem gesamten Körpergewicht nach vorne, um das Rad auf die Straße zu drücken, und schoss aus der Tiefgarage auf die Straße vor dem Hotel. Er wandte sich nach rechts, fuhr die Steintun Strato hinunter und folgte ihr einige Blocks weit, bis sie die Saebraut kreuzte, wo er nach Osten abbog und in Richtung Hafen jagte. Die vierspurige Schnellstraße führte aus der Stadt hinaus, es herrschte kein nennenswerter Verkehr.
Al-Khalifa streifte den Emir im Beiwagen mit einem irritierten Blick – der Mann machte einen merkwürdig unerschrockenen Eindruck.
Nachdem sie durch die Hotelhalle gerannt und durch den Hotelausgang gestürmt waren, erhaschten Monica Crabtree und Cliff Hornsby einen letzten Blick auf das davonbrausende Motorrad. Sie begaben sich eilends zu ihrem schwarzen Geländewagen, den sie vor dem Hotel geparkt hatten.
»Okay, Leute«, meldete sich Max Hanley per Funk aus dem Kontrollraum auf der Oregon,»unsere Hauptperson ist mit einem BMW-Motorrad unterwegs.«
Cliff Hornsby öffnete die Zentralverriegelung des Geländewagens und schwang sich auf den Fahrersitz. Monica Crabtree griff nach dem Walkie-Talkie, während sie sich auf den Beifahrersitz schob.
»Sie sind nach Osten abgebogen und fahren zum Hafen«, meldete sie. »Wir nehmen die Verfolgung auf.«
Al-Khalifa drehte am Gasgriff und beschleunigte die BMW auf der schneebedeckten Straße auf hundertzwanzig Stundenkilometer. Nachdem sie drei Abzweigungen unbehelligt passiert hatten, fuhren sie über eine Hügelkuppe und waren von Reykjavik aus nicht mehr zu sehen. Indem er sich auf den Straßenrand konzentrierte, entdeckte er eine Fahrspur, wo er am Tag zuvor Schnee mit einem gemieteten Schneemobil aufgehäuft hatte. Er bog auf den schmalen Streifen festgestampften Schnees ein und fuhr über einen weiteren kleinen Hügel. Ein kleiner Fjord, auf dessen Oberfläche sich eine dünne Eisdecke gebildet hatte, reichte fast bis zum Fuß des Berges. Plötzlich schien die Zivilisation unendlich weit entfernt zu sein.
Dort, auf einer kleinen Fläche festgedrückten Schnees wartete ein Kawasaki-Helikopter.
Cliff Hornsby bremste den Geländewagen leicht ab, während sie die erste Abzweigung passierten, und hielt im Schnee Ausschau nach verräterischen Spuren. Da er nichts dergleichen fand, gab er gleich wieder Gas und kontrollierte die nächste Abzweigung. Ständig bremsen zu müssen, um die Nebenstraßen zu überprüfen, war zwar zeitraubend, Cliff Hornsby und Monica Crabtree hatten aber keine Wahl. Das BMW-Motorrad war nirgendwo zu sehen.
Al-Khalifa setzte den Emir, der noch immer seine Augenbinde trug, auf den Passagiersitz des Hubschraubers, dann verriegelte er von außen die Tür. Auf der Innenseite hatte er den Türgriff entfernt, so dass der Emir keine Chance hatte, aus der Maschine zu flüchten. Dann umrundete Al-Khalifa den Hubschrauber, schlängelte sich in den Pilotensessel und steckte den Schlüssel ins Zündschloss. Während er abwartete, dass die Zündkerzen aufheizten, betrachtete er seinen Gefangenen.
»Wissen Sie, wer ich bin?«, fragte er.
Der Emir, immer noch die Binde vor den Augen und den Mund zugeklebt, nickte bejahend.
»Gut«, sagte Al-Khalifa, »dann haben wir eine kleine Reise vor uns.«
Er drehte den Zündschlüssel und wartete, bis die Turbinen, die die Rotoren antrieben, genügend Auftrieb erzeugten. Dann zog er den zentralen Steuerknüppel nach hinten und ließ den Kawasaki aufsteigen. Sobald der Hubschrauber gut drei Meter über dem Schnee schwebte, schob er den Steuerknüppel nach vorne. Der Kawasaki folgte diesem Befehl gehorsam, stieg ein Stück höher und schwang sich dann über das Meer hinaus. Während er den Helikopter im Niedrigflug hielt, so dass er mit den steilen Wänden des Fjords verschmolz, warf Al-Khalifa einen letzten Blick in Richtung Reykjavik.
»Hier enden die Spuren«, stellte Cliff Hornsby fest und blickte aus der offenen Tür des Geländewagens hinunter auf den Schnee.
Monica Crabtree sah durchs Seitenfenster hinaus.
»Dort«, sagte sie und streckte eine Hand aus. »Offensichtlich ein künstlich angelegter Weg.«
Hornsby betrachtete skeptisch die schmale Spur. »Der Schnee ist viel zu weich. Wir bleiben bloß darin stecken.«
Nachdem sie die Oregongerufen und ihre weiteren Pläne skizziert hatten, setzten Hornsby und Monica Crabtree die Verfolgung der Spur zu Fuß fort. Gleichzeitig wurde George Adams von der Oregonmit dem Robinson-Hubschrauber der Corporation losgeschickt. Hornsby und Monica Crabtree fanden das BMW-Motorrad etwa zehn Minuten später. Als Adams über ihnen erschien, hatten sie sich bereits zusammengereimt, was geschehen sein musste. Sie meldeten sich per Sprechfunk bei ihm.
»Wir haben eine Stelle gefunden, wo der lose Schnee wahrscheinlich von einem Rotor weggeblasen wurde«, berichtete Hornsby.
»Ich halte Ausschau nach einem weiteren Hubschrauber«, gab Adams daraufhin durch.
Er entfernte sich so weit von Reykjavik, wie der Inhalt seines Treibstofftanks es erlaubte, einen anderen Helikopter entdeckte er aber nicht. Der Emir war verschwunden, als hätte ihn die Hand eines Riesen vom Antlitz der Erde gewischt.