Текст книги "Todesschrein"
Автор книги: Clive Cussler
Соавторы: Graig Dirgo
Жанр:
Триллеры
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20
Etwa zur gleichen Zeit, als Cabrillo auf Grönland gelandet war, trafen eine halbe Welt entfernt zwei Männer in einem verlassenen Lagerhaus im Hafen von Odessa, Ukraine, zusammen. Im Gegensatz zu den von Hollywood inszenierten Übergabeaktionen, in deren Verlauf sich Trupps bewaffneter Männer an irgendeinem Ort einfinden, um Geld gegen Munition zu tauschen, erschien diese Begegnung entschieden weniger aufregend. Zu sehen waren lediglich zwei Männer, eine große Holzkiste und ein schwarzer Nylonsack, der die Bezahlung enthielt.
»Der Betrag ist gemischt, wie Sie es verlangt haben«, erklärte einer der Männer auf Englisch, »Dollars, englische Pfund, Schweizer Franken und Euros.«
»Danke«, sagte der zweite Mann. Sein Englisch hatte einen deutlichen russischen Akzent.
»Und Sie haben die Daten so ändern lassen, dass aus ihnen hervorgeht, dass diese Waffe 1980 heimlich an den Iran verkauft wurde?«
»Ja«, antwortete der zweite Mann. »Von der alten kommunistischen Regierung an die radikale Khomeini-Fraktion, die den Schah stürzte, wobei der Erlös aus dem Verkauf dazu diente, die russische Besetzung Afghanistans zu finanzieren.«
»Und was ist mit dem Zünder?«
»Wir haben ein neues Exemplar in die Kiste gepackt.«
»Verdammt anständig von Ihnen«, sagte der erste Mann lächelnd. »Sie haben diese Nummer, die Sie anrufen können, falls es Probleme gibt.«
»Das werde ich ganz bestimmt tun«, sagte der zweite Mann.
»Sie verlassen die Ukraine, nicht wahr?«, fragte der erste Mann, während er die Kiste über eine Rampe in einen Ein-Tonner-Lastwagen schob.
»Heute noch.«
»Ich würde an Ihrer Stelle so weit wie möglich von hier verschwinden«, sagte der erste Mann, während er die Heckklappe des Lastwagens schloss und verriegelte.
»Ist Australien weit genug?«
»Australien wäre genau richtig«, sagte der erste Mann, dann ging er zum vorderen Ende des Lastwagens, kletterte ins Führerhaus, schloss die Tür und ließ den Motor an. Weniger als eine Stunde später wurde an einem anderen Kai die Kiste für den Transport durchs Schwarze Meer in ein altes Frachtschiff umgeladen – es sollte die erste Etappe einer viel längeren Reise sein.
Nachdem er Odessa verlassen hatte, kämpfte der griechische Frachter Larissagegen die Wellen, während er durch das Mittelmeer nach Osten dampfte. An Steuerbord ragten die felsigen Klippen von Gibraltar in den Himmel.
»Das Dieselöl ist schmutzig«, sagte der verdreckte Mechaniker. »Ich habe den Filter gesäubert, jetzt sollte alles in Ordnung sein. Was dieses Klappern betrifft, so glaube ich, dass die Kolben ausgeleiert sind. Die Maschine muss dringend überholt werden.«
Der Kapitän nickte und nahm einen tiefen Zug an der filterlosen Zigarette, dann kratzte er sich am Arm. Etwa in Höhe Sardiniens hatte sich ein Ausschlag gebildet, der mittlerweile vom Handgelenk bis zum Ellbogen reichte. Viel konnte der Kapitän nicht tun – die Larissawar immerhin noch vierzehnhundert Meilen und vier Tage von ihrem Bestimmungsort entfernt. Er blickte hoch, als ein großer Öltanker vorbeirauschte, dann öffnete er ein Glas Vaseline und schmierte sich eine reichliche Portion auf die aufgesprungene Hautpartie.
Der Ablieferungstermin für seine geheimnisvolle Fracht war Silvester.
Nun, nachdem das Dieselproblem gelöst war, konnte er mit einiger Sicherheit davon ausgehen, rechtzeitig in London einzutreffen. Dort würde er die Fracht übergeben, den Jahreswechsel in einer Hafenbar feiern und am nächsten Tag einen Arzt aufsuchen, um den Ausschlag behandeln zu lassen.
Der Mann konnte nicht ahnen, dass der nächste Arzt, den er zu sehen bekäme, ein Leichenbeschauer wäre.
21
Was man durch die Windschutzscheibe des Hubschraubers sehen konnte, war eine regelrechte Lichtorgie. Auf Hanleys Anweisung hatte die Mannschaft der Oregonsämtliche verfügbaren Lichtquellen eingeschaltet, so dass das Schiff wie ein leibhaftiger Christbaum vor dem schwarzen Himmel erschien. Sich beim Fliegen ausschließlich von Instrumenten leiten lassen zu müssen, zerrte an den Nerven, und George Adams war froh, dass sie bald landen konnten. Die vorgeschriebene Position am Heck einnehmend, ging er in den Sinkflug und verharrte einen Moment lang über dem Achterschiff, schob sich dann behutsam vorwärts, bis der Robinson über dem Landefeld schwebte.
Adams setzte behutsam auf und legte die verschiedenen Aggregate seiner Maschine nacheinander still.
»Der reinste Höllenflug«, stellte Juan Cabrillo fest, während er wartete, bis der Rotor stehen blieb.
»Zeitweise habe ich geglaubt, ich würde den Steuerknüppel abbrechen, so heftig habe ich mich daran festgeklammert«, gab Adams zu.
»Trotzdem eine Spitzenleistung, George«, sagte Cabrillo anerkennend.
Ehe sich Adams für dieses Kompliment bedanken konnte, erschien die Ärztin der Oregon,Julia Huxley, und öffnete die Tür, noch während der Rotor die letzten Umdrehungen ausführte. Begleitet wurde sie von Franklin Lincoln.
»Er liegt auf dem Rücksitz«, informierte Cabrillo die beiden.
Julia Huxley nickte, öffnete die Hubschraubertür und verschaffte sich einen ersten oberflächlichen Eindruck von Ackermans Zustand. Dann trat sie zurück, Lincoln beugte sich in das Abteil und nahm den Archäologen – schlafend und mitsamt dem Schlafsack, in dem er steckte – auf den Arm. Eilig trug er ihn ins Lazarett, wobei Julia Huxley ihren neuen Patienten keine Sekunde aus den Augen ließ. Als Cabrillo aus der Maschine stieg, wartete Hanley schon auf ihn. Er vergeudete keine Zeit mit Belanglosigkeiten.
»Mark hat sich von der Akbargemeldet.«
»Wurde er entlarvt?«, fragte Cabrillo gespannt.
»Das nicht«, antwortete Max Hanley, während er mit Cabrillo zur Tür ging, die ins Innere der Oregonführte, »er hat lediglich einige seltsame Geräusche gehört und sich selbst befreit. Nachdem er einige Zeit abgewartet hatte, wagte er sich aus der Kabine, in der er gefangen gehalten wurde, und sah sich um. Das Schiff war leer, und es gab nicht den geringsten Hinweis, wohin Al-Khalifa und seine Mannschaft verschwunden sein könnten, daher hat er es riskiert, hier anzurufen.«
Die Männer hatten das Achterdeck verlassen und waren unterwegs zum Kontrollraum.
»Hat er den Meteoriten an sich gebracht?«, wollte Cabrillo wissen.
»Er war verschwunden«, erklärte Hanley, während er die Tür zum Kontrollraum offen hielt. »Wir empfangen zwar Peilsignale von den Minisendern, die du auf den Meteoriten gestreut hast, doch sie setzen zeitweise aus.«
Die Männer betraten den Kontrollraum.
»Woher kommen die Signale?«, fragte Cabrillo.
Hanley deutete auf einen Monitor. »Sieh es dir an«, sagte er. »Zuerst waren die Signale nach Norden unterwegs, aber jetzt sind sie nach Osten umgeschwenkt und haben das Meer um Island als Ziel.«
»Der Meteorit hat offensichtlich das Schiff gewechselt«, murmelte Cabrillo nachdenklich, »aber warum?«
»Genau das ist die Frage«, pflichtete ihm Hanley bei.
»Wie weit sind wir von der Akbarentfernt?«
Ohne eine Antwort darauf zu geben, tippte Eric Stone einige Befehle in den Computer, und auf einem Monitor an der Wand erschien ein Bild. Es stammte von einer Videokamera, die zusammen mit einigen Scheinwerfern am Bug der Oregoninstalliert war und das aktuelle Geschehen festhielt.
Die Akbarbefand sich dicht vor ihnen.
Die Free Enterprisestampfte mit voller Kraft durch die schwere See.
»Laufen Sie die Faröer an«, sagte der Mann über eine abhörsichere Verbindung. »Ich schicke jemanden zum örtlichen Flughafen, um das Paket zu übernehmen.«
»Welchen Kurs sollen wir danach nehmen?«, fragte der Kapitän.
»Calais«, erwiderte der Mann, »das restliche Team wartet dort.«
»In Ordnung, Sir«, sagte der Kapitän.
Doch der Mann war noch nicht fertig. »Eine Sache …«
»Ja, Sir.«
»Bestellen Sie dem Team, dass jeder mit einem Fünfzigtausend-Dollar-Bonus rechnen kann«, sagte er, »und sorgen Sie dafür, dass sie darüber informiert werden, dass Hughes’ Hinterbliebene für ihren Verlust angemessen entschädigt werden.«
»Sie können sich auf mich verlassen, Sir«, versprach der Kapitän.
Der Mann unterbrach die Verbindung, dann nahm er einen Dokumentenordner von seinem Schreibtisch und holte den Kaufvertrag für die englische Textilfirma sowie die Zahlungsanweisung für den Kaufpreis heraus. Er unterschrieb beides, ließ die Schriftstücke durch ein Faxgerät laufen und wartete darauf, dass ihm der Versand der Dokumente quittiert wurde.
Sobald er die Bestätigung erhalten hatte, entspannte er sich und atmete tief durch.
Der erste Teil seines Plans war nun abgeschlossen. Nicht mehr lange, und es wurde Zeit zum Kassieren.
Zur gleichen Zeit, als das Fax über die Telefonleitung nach England unterwegs war, umrundete der Frachter Larissadas Kap Finisterre. Danach ging der Kapitän auf Kurs nach Brest, das an der westlichen Spitze Frankreichs lag, wo der Ärmelkanal begann. Die Nacht war kalt und klar, am Himmel funkelten Myriaden von Sternen.
Er beobachtete, wie eine Sternschnuppe übers Firmament schoss.
Mit einem zufriedenen Kopfnicken zündete er sich eine Zigarette an, trank einen Schluck Ouzo aus einer silbernen Taschenflasche und kratzte sich dann am Arm. Die gerötete Stelle juckte heftig, und ein Blutstropfen quoll aus einem kleinen Hautriss. Mit einem schmuddeligen Lappen wischte er ihn weg.
In zwei Tagen träfen sie in London ein, dann würde er den Ausschlag behandeln lassen.
Unter Einsatz der computergesteuerten Korrekturdüsen näherte sich Hanley mit der Oregonder Akbarlängsseits.
Cabrillo war der Erste, der umstieg. Ihm folgten Eddie Seng, Pete Jones, Bob Meadows und Linda Ross. Mark Murphy wartete an Deck. Fetzen seiner Latexmaske klebten immer noch an seinem Haaransatz. Sobald Cabrillo an Deck erschien, deutete Murphy auf die offene Tür.
»Erzähl mal, was du gehört hast und was danach geschah«, sagte Cabrillo, während er Murphy in den Hauptsalon folgte.
Mark Murphy beschrieb die halblauten Knalllaute und berichtete dann von dem maskierten Mann, der plötzlich in seiner Kabine stand.
»Es war nach fünf Minuten vorbei«, sagte er, während sich das restliche Team im Salon einfand. »Ich habe dann noch zehn Minuten gewartet, ehe ich mich raustraute.«
»Durchsucht jeden Winkel, jede Nische«, befahl Cabrillo, »ich will endlich ein paar Antworten.«
Das Team teilte sich auf und schwärmte im Schiff aus. Gewehre und Pistolen waren in allen Kabinen verstreut, desgleichen Kleider, persönliche Gegenstände, Koffer und Reisetaschen. Die Betten waren zerwühlt, und bei einigen waren die Tagesdecken zurückgeschlagen. In jeder Kabine befand sich mindestens ein Exemplar des Koran – und noch immer standen unter vielen Betten Schuhe.
Es war, als wäre ein UFO gelandet und hätte die Männer einkassiert und in den Weltraum entführt.
Auf der Oregonvergewisserte sich Hanley, dass die Antriebsdüsen einwandfrei arbeiteten, dann wandte er sich zu Eric Stone um. »Übernimm das Ruder«, sagte er, »ich gehe rüber.«
Stone nahm Max Hanleys Platz ein und veränderte die Position der Kameras an Deck, um das Geschehen lückenlos verfolgen zu können.
Hanley stieg auf die Akbarum und begab sich sofort zum Hauptsalon. Bob Meadows wanderte mit einem Geigerzähler um den langen Esstisch herum.
»Der Stein war hier«, meinte er, während Hanley den Raum durchquerte.
Am Ende des Aufgangs ließ sich Linda Ross, die für die Sicherheit und bestimmte Überwachungsaufgaben zuständig war, bei ihrer augenblicklichen Tätigkeit nicht stören. Sie hatte eine Sprayflasche mit einer blauen Flüssigkeit in der Hand und benetzte damit die Wände. Dann, während Hanley an ihr vorbeiging, setzte sie so etwas wie eine Schneebrille auf. Hanley ließ sich ebenso wenig von seinem augenblicklichen Vorhaben ablenken und setzte seinen Weg unbeirrt fort.
»Wenn sie auf ein anderes Schiff umgestiegen sind«, sagte Cabrillo zu Murphy genau in dem Moment, als Hanley die Kabinentür öffnete, »warum haben sie dann ihre persönlichen Sachen nicht mitgenommen?«
»Vielleicht wollten sie nichts bei sich haben, das sie mit diesem Ort hier hätte in Verbindung bringen können«, erwähnte Hanley als einen möglichen Grund.
»Das ergibt überhaupt keinen Sinn«, sagte Cabrillo. »Sie machen sich die Mühe, jemanden zu entführen, den sie für den Emir von Katar halten, und dann lassen sie ihn mitsamt einer mehrere Millionen teuren Jacht völlig unbewacht zurück?«
»Vielleicht haben sie die Absicht, irgendwann wieder hierher zurückzukehren«, bot Mark Murphy eine Erklärung an.
In diesem Augenblick schob Eddie Seng den Kopf zur Kabinentür herein. »Max, Linda möchte dir was zeigen«, sagte er.
Die vier Männer drängten sich in den engen Gang, in dem Linda Ross arbeitete. Auf einer Wand waren bestimmte Bereiche durch Schaumspray voneinander abgegrenzt. Innerhalb der Schaumstreifen schimmerten die Wandbereiche bläulich. Linda Ross nahm ihre Spezialbrille ab und reichte sie Cabrillo. Sie enthielt sich jeden Kommentars.
Cabrillo setzte die Brille auf und betrachtete die Wand. Das fluoreszierende Leuchten von Blutspritzern erinnerte an ein Gemälde von Jackson Pollock. Cabrillo streifte die Brille ab und reichte sie an Max Hanley weiter.
»Sie haben versucht, alles zu reinigen«, sagte Linda Ross, »aber es war ein eiliger und schmutziger Job.«
In diesem Moment drang Stones Stimme aus dem Walkie-Talkie, das an Cabrillos Gürtel befestigt war.
»Juan, Max«, sagte er, »hier ist etwas, das müsst ihr euch ansehen.«
Die beiden Männer eilten durch den Korridor und den Hauptsalon hinaus aufs Achterdeck und zurück auf die Oregon.Kurz darauf marschierten sie durch den Korridor, an dessen Ende sich der Kontrollraum befand.
Cabrillo öffnete die Tür. Eric Stone deutete auf einen Monitor an der Wand.
»Zuerst dachte ich, es sei ein totes Walbaby«, sagte er, »bis es sich auf die andere Seite drehte und ich ein Gesicht sehen konnte.«
Eine zweite Leiche kam an die Oberfläche.
»Tom und Hali sollen sie rausfischen«, sagte Cabrillo zu Hanley. »Ich gehe wieder rüber.«
Cabrillo verließ den Kontrollraum und kehrte auf die Akbarzurück. Eddie Seng befand sich im Hauptsalon, als Cabrillo ihn betrat. »Bob ist überzeugt, dass sich das Objekt nur in diesem Raum befand«, meldete Seng. »Er sieht sich auch im restlichen Schiff um, aber bis jetzt war keine weitere Strahlung festzustellen.«
Cabrillo nickte.
»Linda hat im Ruderhaus und in den Kabinen sowie im Hauptsalon und in den Gängen Blut gefunden. Der Kapitän machte offenbar gerade Dienst, die Wächter und die übrige Mannschaft müssen wohl geschlafen haben.«
Cabrillo nickte wieder.
»Was immer sie erwischt hat, Juan«, sagte Eddie Seng, »es ist schnell und vernichtend über sie gekommen.«
»Ich gehe mal zum Ruderhaus.« Cabrillo entfernte sich.
Dort nahm er sich das Logbuch des Schiffs vor. Der letzte Eintrag war nur zwei Stunden alt und ergab nichts Außergewöhnliches. Wer immer die Besucher gewesen sein mochten, sie waren auf jeden Fall unangekündigt erschienen.
Nachdem Cabrillo das Ruderhaus verlassen hatte und seinen Rundgang fortsetzte, meldete sich sein Walkie-Talkie.
»Juan«, hörte er Julia Huxleys Stimme, »komm bitte sofort ins Lazarett.«
Cabrillo eilte durch die Akbarund kehrte auf die Oregonzurück.
Tom Reyes und Hali Kasim waren an Deck und hatten lange Bootshaken in den Händen. Sie schoben einen menschlichen Körper zu einem heruntergelassenen Netz, das am Kabel eines Ladebaums befestigt war. Cabrillo lief unter Deck und eilte zum Lazarett.
Ackerman lag unter einer elektrischen Heizdecke auf einem Untersuchungstisch.
»Er hat versucht zu reden«, berichtete Julia Huxley. »Ich habe alles mitgeschrieben, auch wenn es bis vor ein paar Minuten nur zusammenhangloses Zeug war.«
»Und was dann?«, fragte Cabrillo und blickte auf Ackerman hinab, dessen Augenlider jetzt zuckten. Ein Auge öffnete sich einen winzigen Spalt.
»Er erzählte irgendwas von dem Geist«, sagte sie, »nicht von einemGeist, sondern von demGeist, als sei es ein Spitzname.«
In diesem Moment begann Ackerman noch einmal zu reden. »Ich hätte dem Geist niemals vertrauen dürfen«, murmelte er mit nachlassender Stimme. »Er hat die Uni … versi … tät gekauft und be … zahlt …«
Ackerman bäumte sich auf. Er zitterte nun am ganzen Körper.
»Mom«, hauchte er matt.
Und dann starb er.
Egal wie intensiv Julia Huxley ihn mit Elektroschocks bearbeitete, sein Herz wollte nicht wieder zu schlagen beginnen. Es war kurz nach Mitternacht, als sie ihn für tot erklärte. Cabrillo streckte die Hand aus und schloss behutsam Ackermans Augen, dann zog er die Decke über sein Gesicht und schaltete sie aus.
»Du hast getan, was du tun konntest«, sagte er zu Julia.
Danach verließ er das Lazarett und stieg zum Deck der Oregonhinauf.
Ackermans Worte hallten in seinem Kopf nach.
Am Heck des Schiffes traf er Max Hanley. Er betrachtete drei männliche Leichen, die aufgereiht vor ihm lagen. Er hielt den Din A4-großen Computerausdruck eines Bildes in der Hand.
»Ich habe das Foto mit einem Computer bearbeitet und das Gesicht ein wenig verzerrt, um seine Schwellung zu berücksichtigen, die durch den Aufenthalt im Wasser entstanden ist«, erklärte er, sobald Cabrillo neben ihm stand.
Cabrillo nahm Hanleys Computerausdruck, beugte sich zur ersten Leiche hinab und hielt das Bild neben das Gesicht des Toten. Er betrachtete es eingehend und verglich es mit dem Foto.
»Al-Khalifa«, sagte er schleppend.
»Er muss mit Gewichten beschwert und über Bord geworfen worden sein«, stellte Max Hanley fest. »Was die Mörder nicht wussten, ist, dass in dieser Gegend auf dem Meeresgrund zahlreiche geothermale Kamine existieren. Das heiße Wasser hat dafür gesorgt, dass sich die Leichen aufblähten und so viel Auftrieb bekamen, dass sie von den Gewichten nicht mehr gehalten wurden. Wäre das nicht passiert, hätten wir sie wahrscheinlich nie gefunden.«
»Hast du die anderen identifiziert?«, fragte Cabrillo.
»Bisher habe ich noch keine diesbezüglichen Aufzeichnungen gefunden«, antwortete Hanley, »außerdem kommen immer mehr von ihnen hoch. Wahrscheinlich waren sie nur Al-Khalifas Lakaien.«
»Keine Lakaien«, korrigierte Cabrillo, »sondern Irre.«
»Stellt sich die Frage …«, sagte Hanley.
»… wer so irre ist«, sagte Cabrillo, »dass er andere Irre bestiehlt.«
22
Langston Overholt IV. saß in seinem Büro und ließ einen roten Gummiball auf einem Holzschläger herumhüpfen. Mit der Schulter drückte er den Telefonhörer an sein Ohr. Es war kurz vor acht Uhr morgens, doch er arbeitete bereits seit mehr als zwei Stunden in seinem Büro.
»Ich habe zwei Techniker an Bord zurückgelassen«, erklärte Cabrillo. »Wir nehmen das Bergerecht für uns in Anspruch.«
»Guter Fang«, sagte Overholt.
»Wir haben bestimmt irgendeine Verwendung für das Schiff«, stimmte ihm Juan Cabrillo zu.
»Wie ist eure derzeitige Position?«, fragte Overholt.
»Nördlich von Island mit Kurs nach Osten. Wir folgen den Peilsendern auf dem Meteoriten. Derjenige, der Al-Khalifa gekillt und den Meteoriten gestohlen hat, muss sich an Bord eines anderen Schiffs aufhalten.«
»Seid ihr ganz sicher, dass der Tote, den ihr geborgen habt, Al-Khalifa ist?«, fragte Overholt.
»Wir faxen dir Fingerabdrücke und Digitalfotos von der Leiche«, versprach Cabrillo, »damit deine Leute ihn eindeutig identifizieren können. Aber ich bin mir zu neunundneunzig Prozent sicher.«
»Nachdem du mich heute Morgen geweckt hast, habe ich einige meiner Männer angewiesen, etwas über die Identität des Eurocopterpassagiers in Erfahrung zu bringen. Es ist nichts dabei herausgekommen. Ich schicke ein Team nach Grönland, damit sie die Leichen einsammeln. Ich hoffe, wir erfahren dabei etwas mehr.«
»Mein nächtlicher Anruf tut mir Leid, aber ich dachte, du solltest die Neuigkeit so bald wie möglich erfahren.«
»Kein Problem. Ich kriege wahrscheinlich ohnehin viel mehr Schlaf als du.«
»Ich habe mich, nachdem wir die Akbarverlassen haben, für ein paar Stunden aufs Ohr legen können«, gab Cabrillo zu.
»Was sagt denn dein Bauchgefühl, alter Freund?«, wollte Overholt wissen. »Wenn Al-Khalifa tot ist, dürfte sich die Bedrohung durch eine schmutzige Atombombe doch erheblich verringern. Der Meteorit mag ja radioaktiv sein, aber ohne einen Katalysator ist die Gefahr doch bei weitem nicht mehr so groß.«
»Das stimmt wohl«, räumte Cabrillo zögernd ein, »aber die fehlende ukrainische Atombombe geistert noch immer irgendwo da draußen rum, und wir wissen nicht, ob Al-Khalifa nicht von mehreren seiner eigenen Leute getötet wurde und diese jetzt auf eigene Faust versuchen, die Mission durchzuziehen.«
»Das würde einiges erklären«, sagte Overholt, »zum Beispiel, wie die Mörder so einfach auf die Akbargelangen konnten.«
»Wenn es nicht Al-Khalifas eigene Leute waren, dann haben wir es mit einer anderen Gruppe zu tun. In diesem Fall sollten wir wachsam sein. Die Leute, die die Akbarangegriffen haben, waren jedenfalls bestens ausgebildet und so gefährlich wie gereizte Klapperschlangen.«
»Eine andere Terroristengruppe?«
»Das bezweifle ich«, erwiderte Cabrillo. »Die Operation trägt nicht die Handschrift religiöser Fanatiker. Das Ganze kommt mir eher wie ein militärisches Kommandounternehmen vor. Absolut emotionslos und uhrwerksmäßig – eine klinisch saubere und perfekt getimte Eliminierung des Gegners.«
»Ich höre mich mal um«, sagte Overholt, »und sehe zu, was ich zutage fördern kann.«
»Dafür wäre ich dir dankbar.«
»Nur gut, dass du es geschafft hast, den Meteoriten mit Peilsendern auszustatten«, fügte Overholt hinzu.
»Das ist unser einziger Trumpf«, räumte Cabrillo ein.
»Sonst noch was?«
»Kurz bevor er starb, erzählte der Archäologe irgendetwas von dem Geist«, sagte Cabrillo, »so als sei dieser Geist ein Mensch aus Fleisch und Blut und nicht nur eine körperlose Erscheinung.«
»Auch darum kümmere ich mich«, sagte Overholt.
»Das Ganze entwickelt sich wie so ein Suchspiel«, sagte Cabrillo. »Finde heraus, wer der Geist ist, und schon ist das Ding gelöst.«
»Ich wüsste nicht, dass es mal ein Suchspiel um eine verloren gegangene Atombombe gegeben hat«, wandte Overholt ein.
»Die Zeiten ändern sich«, sagte Cabrillo, ehe er die Verbindung trennte, »diese Welt ist um einiges gefährlicher geworden.«
Die Free Enterprisedampfte mit Kurs auf die Faröer durch die eisigen Fluten. Die Mannschaft entspannte sich allmählich – wenn sie den Meteoriten erst einmal abgeliefert hätten, könnten sie sich eine längere Pause gönnen. Sobald ihr Schiff in Calais läge, würden sie einfach abwarten, bis sie wieder gebraucht würden. Die Stimmung an Bord war gelöst.
Sie hatten keine Ahnung, dass ihnen ein Jagdhund der Weltmeere, getarnt als altersschwaches Frachtschiff, auf den Fersen war.
Ebenso wenig vermuteten sie, dass sich sowohl die Corporation als auch die Regierung der Vereinigten Staaten schon bald gegen sie verbünden würden. Sie befanden sich in einem Zustand seliger Unwissenheit.
»Es ist wichtig«, erklärte TD Dwyer der Empfangsdame.
»Wie wichtig?«, fragte sie. »Er bereitet sich gerade auf eine Konferenz im Weißen Haus vor.«
»Sehr wichtig«, antwortete Dwyer.
Die Empfangsdame nickte und betätigte den Summer von Overholts Sprechanlage. »Hier ist ein Thomas Dwyer, ein Spezialist für theoretische Anwendungstechnologien. Er erklärt, es müsse Sie dringend sprechen.«
»Schicken Sie ihn rein«, erwiderte Overholt.
Die Empfangsdame erhob sich, ging hinüber zu Overholts Bürotür und öffnete sie. Overholt saß hinter seinem Schreibtisch. Er klappte einen Aktenordner zu, drehte sich um und schob den Ordner in die freie Lücke eines Safes hinter seinem Schreibtisch.
»Okay«, sagte er, »kommen Sie herein.«
Dwyer schlängelte sich an der Empfangsdame vorbei und schloss die Tür.
»Ich bin TD Dwyer«, stellte sich der Besucher vor. »Ich wurde mit der wissenschaftlichen Analyse des Meteoriten betraut.«
Overholt kam um seinen Schreibtisch herum und schüttelte Dwyer die Hand, dann geleitete er ihn mit einladender Geste zu einer Sitzgruppe. Sobald sie beide Platz genommen hatten, ergriff er das Wort.
»Was haben Sie herausgefunden?«
Dwyer war in seinem Vortrag noch keine fünf Minuten weit gekommen, als Overholt ihn unterbrach.
Er ging zum Schreibtisch und schaltete die Sprechanlage ein. »Julie, wir müssen veranlassen, dass Mr. Dwyer mich zu der Konferenz im Weißen Haus begleiten kann.«
»Würden Sie ihn bitte nach seiner Unbedenklichkeitseinstufung fragen, Sir?«, fragte Julie.
»Eins-A-Geheimnisträger«, antwortete Dwyer.
»Dann können wir vorne reingehen«, sagte Overholt zu Julie, »wie geplant.«
»Ich rufe dort an, Sir.«
Overholt kehrte zu seinem Sessel zurück und setzte sich.
»Wenn wir an der Reihe sind, möchte ich, dass Sie Ihre Erkenntnisse ohne große Dramatik darlegen. Zählen Sie nur die Fakten auf, so wie sie Ihnen bekannt sind. Wenn Sie um eine persönliche Meinung gebeten werden – und das werden Sie höchstwahrscheinlich –, dann äußern Sie sie, aber machen Sie sie auch als solche deutlich.«
»Ja, Sir«, sagte Dwyer.
»Gut.« Overholt nickte zufrieden. »Und jetzt, nur unter uns, lassen Sie mich den Rest hören, auch die verrücktesten Theorien, alles.«
»Im Kern sind alle Theorien ähnlich: Es besteht die Möglichkeit, dass – wenn die molekulare Struktur des Meteoriten verletzt wird – ein Virus freigesetzt werden könnte, und zwar mit ernsten Konsequenzen.«
»Wie ernst … schlimmstenfalls?«
»So ernst, dass es das Ende jeglichen Lebens auf der Erde bedeuten würde.«
»Wissen Sie«, sagte Overholt, »jetzt kann ich wohl ohne zu übertreiben feststellen, dass Sie mir den Vormittag verdorben haben.«
Im Kontrollraum der Oregonbeobachtete Eric Stone aufmerksam einen Monitor. Sobald er die Position des Meteoriten bestimmt hatte, schien dieser sich zu bewegen. Indem er alle möglichen festen Punkte zu Hilfe nahm, versuchte Stone, den Kurs des Objekts zu bestimmen. Dann gab er über die Computertastatur weitere Befehle ein und blickte auf einen anderen Bildschirm. Stone benutzte Speicherplatz, den die Corporation auf einem kommerziellen Satelliten gemietet hatte.
Das Bild füllte den Monitor, doch das Meer lag unsichtbar unter einer dichten Wolkendecke.
»Juan«, sagte er zu Cabrillo, »wir brauchen eine KH-30er-Aufnahme. Gegen diese Wolkenmassen richten wir nichts aus.«
Der KH-30 war der jüngste streng geheime Satellit des Verteidigungsministeriums. Er konnte durch Wolken blicken, sogar bis tief ins Wasser. Trotz wiederholter Versuche hatte es Stone noch nicht geschafft, sich in dieses System zu hacken.
»Wenn ich Overholt das nächste Mal spreche, frage ich ihn«, versprach Cabrillo. »Vielleicht kann er das National Reconnaissance Office per Überrumpelungstaktik dazu bringen, ihm Computerzeit zur Verfügung zu stellen. Trotzdem gut gemacht, Eric.«
Hanley betrachtete die schematische Peilkarte auf einem anderen Monitor. Die Oregonflog regelrecht durchs Wasser, doch das andere Schiff hatte einen ansehnlichen Vorsprung. »Wir können sie auf jeden Fall weit vor Schottland einholen, wenn sie die jetzige Geschwindigkeit beibehalten.«
Cabrillo warf ebenfalls einen Blick auf den Monitor. »Es sieht aus, als wollten sie zu den Faröern.«
»In diesem Fall«, meinte Hanley, »erreichen sie einen Hafen, ehe wir sie einholen können.«
Cabrillo nickte und ließ sich das durch den Kopf gehen.
»Wo stehen unsere Jets zurzeit?«
Hanley schaltete eine Weltkarte auf den Bildschirm.
»Dulles, Dubai, Kapstadt und Paris.«
»Welche Maschine in Paris?«
»Eine Challenger 604«, antwortete Hanley.
»Dirigiere sie nach Aberdeen in Schottland«, sagte Cabrillo. »Die Rollbahn des Flughafens auf den Faröern ist nicht lang genug, und Aberdeen ist die nächste größere Stadt. Die Maschine soll aufgetankt werden und sich für den Fall bereithalten, dass wir sie brauchen.«
Hanley nickte und setzte sich an einen freien Computer, um entsprechende Instruktionen einzugeben. Die Tür des Kontrollraums öffnete sich, und Michael Halpert kam herein. Er hatte einen Dokumentenordner in der Hand. Er trat zur Kaffeemaschine, schenkte sich eine Tasse ein und kam dann zu Cabrillo.
»Juan«, sagte er und zuckte hilflos die Achseln, »ich habe sämtliche Datenbanken durchforstet. Es gibt keinen einzigen Terroristen oder Kriminellen, der unter dem Spitznamen ›der Geist‹ bekannt ist.«
»Hast du sonst irgendwen gefunden?«
»Einen Hollywoodschauspieler, der sich als offiziellen Repräsentanten der Unterwelt bezeichnet, einen Autor von Vampirromanen, einen Großindustriellen und viertausenddreihundertzweiundachtzig der verschiedensten E-Mail-Identitäten.«
»Den Schauspieler und den Autor können wir mit Sicherheit ausschließen«, entschied Cabrillo. »Alle von denen, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe, sind zu dämlich, um ein Mittagessen für zwei Personen zu organisieren, geschweige denn einen Angriff auf ein Terroristenschiff. Wer ist der Industrielle?«
»Ein gewisser Halifax Hickman«, sagte Halpert nach einem Blick in den Ordner, »so ein steinreicher Howard-Hughes-Typ mit einer Vielzahl geschäftlicher Interessen.«
»Such alles zusammen, was du über ihn rauskriegen kannst«, sagte Cabrillo. »Ich will alles über ihn wissen, angefangen bei der Farbe seiner Unterwäsche.«
»Wird gemacht«, sagte Halpert, während er den Kontrollraum verließ.
Es sollte zwölf Stunden dauern, bis Halpert wieder aus seinem Büro zum Vorschein kam.
Allerdings würde die Corporation dann eine ganze Menge mehr wissen als im Augenblick.
Falls TD Dwyer behauptet hätte, nicht nervös zu sein, hätte er gelogen.
Die Gruppe, die sich um den Konferenztisch versammelt hatte, bestand aus den Siegern des nationalen Machtkampfs. Nicht gerade wenige von ihnen waren allabendlich in den Nachrichtensendungen zu sehen, und die meisten wären von jedem Wesen, das nicht in einer Höhle lebte, erkannt worden.
Die Versammelten waren Regierungsbeamte, der Außenminister, der Präsident und seine Berater sowie eine Reihe Vier-Sterne-Generäle und Geheimdienstleute aus der Führungsebene. Als Overholt mit seinem Vortrag an der Reihe war, lieferte er einen kurzen Überblick über die augenblickliche Lage und stellte dann Dwyer als denjenigen vor, der alle Fragen würde beantworten können.
Die erste Frage kam von Seiten des absoluten Schwergewichts im Raum.
»Wurde diese Möglichkeit jemals in einem Labor durchgespielt?«, wollte der Präsident wissen.
»Man geht davon aus, dass Heliumisotope in Bucky Balls nachgewiesen wurden, die man in Gesteinsfragmenten sowohl im Meteoritenkrater in Nordarizona als auch an einem unterseeischen Einschlagsort in der Nähe von Cancun, Mexiko, fand. Jedoch wurden diese Studien von Universitätslaboren durchgeführt, und die Ergebnisse waren nicht ganz schlüssig.«