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Todesschrein
  • Текст добавлен: 7 октября 2016, 11:02

Текст книги "Todesschrein"


Автор книги: Clive Cussler


Соавторы: Graig Dirgo

Жанр:

   

Триллеры


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Текущая страница: 21 (всего у книги 30 страниц)

»Sehr gut«, sagte Truitt, »dann sollte einer von euch Bürgerlichen mal aussteigen und sie holen – da draußen ist es kalt und nass, und ich habe keine Lust, mein warmes Plätzchen zu verlassen.«

Meadows lachte und öffnete die Tür. Er rannte zum Helikopter hinüber, als dieser gelandet war, und nahm den Karton mit der Maske von Larry King entgegen. Während er sie zum Range Rover brachte, stieg Adams schon wieder auf.

Er überquerte noch einmal die Themse und flog dann in nördlicher Richtung ein kurzes Stück nach Westminster hinein. Dort, nicht weit von der Palace Street, fand er das Bankgebäude und setzte auf seinem Dach auf. Sobald die Rotorflügel still standen, stieg King aus und trat zum Rand des Daches, um über die hüfthohe Begrenzungsmauer zu blicken, die um das ganze Dach herum verlief. Im Nordwesten konnte er in weiter Ferne den Buckingham Palace Garden und nördlich davon den Hyde Park sehen.

Straßenhändler stellten bereits ihre Buden und Stände für das Abendkonzert auf.

Der große Lastwagen von Ben & Jerry’s Eiskrem übte zu dieser Jahreszeit keinen besonderen Reiz aus, das war dem Starbucks-Logo vorbehalten. King kehrte zum Robinson zurück und grinste Adams an.

»In einem dieser Pakete, das der Speisesaal für uns vorbereitet hat, befindet sich was zu essen, Mineral– und Sodawasser in Flaschen, sowie Thermoskannen mit Kaffee«, sagte er und deutete auf den Rücksitz, »und ich habe noch einen Stapel Bücher und aktuelle Illustrierte in die andere Kiste gepackt.«

»Was glaubst du, wie lange wir warten müssen?«, fragte Adams.

King sah auf seine Armbanduhr. Es war zehn Uhr vormittags. »Ich denke höchstens vierzehn Stunden«, antwortete er. »Hoffen wir, dass sie die Bombe um einiges früher finden.«

Im Savoy Hotel bediente sich das Team aus dem Kleiderfundus, den Richard Truitt beschafft hatte. Nacheinander kehrten sie in Cabrillos Suite zurück, um sich ihre Instruktionen zu holen. Um miteinander kommunizieren zu können, wurde jeder von ihnen mit einem leistungsfähigen Minisprechfunkgerät mit Ohrhörer ausgerüstet. Die Sender wurden jeweils am Hals in der Nähe des Kehlkopfs befestigt. Wenn sie etwas mitzuteilen hatten, brauchten sie sich nur an den Hals zu greifen, und schon konnte jeder Angehörige des Teams mithören.

Die drei Zwei-Mann-Trupps bildeten einen Halbkreis um den Green Park, so dass sich der Strand hinter ihnen befand und die Halbkreisöffnung den Green und den St. James Park umschloss.

Die nordwestlichste Position, am Piccadilly zwischen Dover und Berkley Street, würden Hali Kasim und Linda Ross einnehmen. Sie verließen das Savoy und wurden von einem Fahrer des MI5 in ihr Einsatzgebiet gebracht. Die Nächsten, in der Mitte des halben Kreisbogens, waren Pete Jones und Julia Huxley. Ihre Position befand sich gegenüber dem Trafalgar Square, unweit der U-Bahnstation Charing Cross. Falls die Bombe über den Strand transportiert wurde, käme sie bei ihnen vorbei. Dem letzten Team, Mark Murphy und Franklin Lincoln, wurde ein Standort vor dem War Cabinet Room in der Great George Street und der Horse Guards Road zugewiesen. Sollte der Bombentransport über das Victoria Embankment erfolgen, würden sie eingreifen. Je nachdem, wo genau sie sich aufstellten, gäbe es durch den St. James’s Park kein Hindernis.

Da sie als Einzige ein freies Schussfeld hatten, verfügte Mark Murphy über eine Tasche mit kleinen Panzerabwehrraketen, Gewehren und Rauchgranaten. Die anderen Teams waren mit Handfeuerwaffen, Messern und spitzen Stahldornen ausgerüstet, die sie auf die Straße werfen würden, um den Bombentransport zu stoppen.

Cabrillo würde sich in der Nähe des Apartments aufhalten. Außerdem wimmelte es in der ganzen Straße von Agenten des MI5. Der Vormittag ging in den Nachmittag über, und es rührte sich noch immer nichts.

41

Lababiti war ein Playboy und ein Schurke, aber er war auch ein mit allen Wassern gewaschener und ausgebildeter Terrorist. Heute war der wichtigste Tag – und er überließ nichts dem Zufall. Als er Amad am Nachmittag weckte, legte er dem Jemeniten sofort eine Hand auf den Mund und zeigte ihm dann ein Stück Papier. Darauf war auf Arabisch zu lesen: Ab jetzt nicht mehr reden, Mitteilungen nur noch schriftlich.Amad nickte und richtete sich im Bett auf.

Er ließ sich von Lababiti einen Notizblock und einen Stift gegen und schrieb:

Werden wir von den Ungläubigen belauscht?

Das kann man nie wissen,schrieb Lababiti.

Während der nächsten Stunden kommunizierten die beiden Männer nur noch schriftlich. Lababiti erläuterte seinen Plan. Amad stellte verschiedene Fragen, um sicherzugehen, dass er den Ablauf der Mission genau verstanden hatte. Noch bevor sie fertig wurden, brach über London die Nacht herein. Lababitis letzte Botschaft war kurz und bündig.

Ich muss bald aufbrechen – du weißt, wo sich das Schwert Allahs befindet und was du damit tun musst – ich wünsche dir viel Glück auf deiner Reise.

Amad schluckte und nickte. Seine Hände zitterten, als Lababiti ihm ein Glas Arrak reichte, um seine Nerven zu beruhigen. Nur wenige Minuten waren verstrichen, als sich Cabrillo entschloss, Al-Khalifas Mobiltelefon zu aktivieren, um in der Wohnung anzurufen. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten die beiden bereits ihr Schweigegelübde abgelegt. Das Telefon im Apartment klingelte viermal, bis sich der Anrufbeantworter einschaltete. Cabrillo verzichtete darauf, eine Nachricht zu hinterlassen.

Das von der Corporation als so entscheidend eingeschätzte Ass im Ärmel erwies sich als völlig wertlos.

»Es tut sich etwas«, meldete einer der MI5-Agenten, die die Richtmikrofone überwachten, über Funk.

Es war kurz vor neun Uhr abends, in London hatte leichter Schneefall eingesetzt. Die Temperatur lag knapp über dem Gefrierpunkt, der Schnee blieb nicht auf den Straßen liegen, sondern sorgte nur dafür, dass sie nass wurden. Falls die Temperatur weiter sank, würden sie sich in Eisbahnen verwandeln. Die Dächer der Gebäude wirkten nach kurzer Zeit wie überzuckert, und Dampfwolken stiegen aus zahllosen Kaminen auf. Die noch verbliebene Weihnachtsdekoration in den Fenstern verlieh der Szenerie eine festliche Stimmung, und auf den Straßen nahm die Zahl der Partygäste stetig zu.

Abgesehen davon, dass in nächster Nähe eine Atombombe lauerte, war alles friedlich.

Lababiti fuhr mit dem Lift nach unten. Er hatte Amad erklärt, wie er in den Laden gelangen konnte. Das Fahrzeug, das die Bombe transportierte, war schon vor einer Woche aufgetankt und auf seine Fahrtüchtigkeit überprüft worden. Der Jemenit wusste, wie der Zeitzünder gestartet wurde. Mehr gab es nicht zu tun.

Nur zu flüchten.

Lababitis Plan war simpel. Er würde mit seinem Jaguar durch die Stadt zur M20 fahren. Dafür würde er ungefähr eine Dreiviertelstunde brauchen. Auf der M20 würde es weiter nach Süden zum Eisenbahnterminal in Folkstone gehen, eine Strecke von gut hundert Kilometern. Dort angekommen – eine halbe Stunde vorher, wie vorgeschrieben – würde er den Jaguar auf den Zug fahren, der laut Fahrplan um 23:30 Uhr startete.

Gegen Mitternacht würde der Zug den Kanaltunnel verlassen, um fünf Minuten später in Coquelles, in der Nähe von Calais, einzulaufen. Lababiti wäre der Gefahr eines Tunneleinsturzes, wenn die Bombe gezündet würde, entronnen – aber er könnte immer noch den Feuerball vom Zugfenster aus beobachten.

Eine perfekt geplante und zeitlich abgestimmte Flucht.

Er hatte nicht die geringste Ahnung, dass sowohl mehrere Dutzend MI5-Agenten als auch die Corporation jeden seiner Schritte überwachten. Er war der Hase – und die Bluthunde kamen immer näher.

Lababiti verließ den Fahrstuhl, ging durch die Vorhalle und trat hinaus auf die Straße. Er sah sich prüfend um, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Abgesehen davon, dass er das unangenehme Gefühl hatte, von unsichtbaren Augen beobachtet zu werden, fühlte er sich sicher und unbeschwert. Das Gefühl war nichts anderes als eine latente Paranoia, dachte er, hervorgerufen durch sein Wissen um den bevorstehenden Vernichtungsschlag. Er verscheuchte die Gedanken mit einem Achselzucken, öffnete die Tür seines Jaguar und stieg ein.

Er startete den Motor und ließ ihn eine Minute lang warm laufen, dann legte er den Gang ein und lenkte den Wagen die paar Schritte bis zum Strand und fädelte sich dort in den fließenden Verkehr ein.

»Ich habe ihn an der Angel«, gab einer der MI5-Agenten per Funk durch.

Der Peilsender, den Truitt am Benzintank befestigt hatte, funktionierte einwandfrei.

Auf dem Bürgersteig, in der Nähe des Eingangs zum Savoy, standen Fleming und Cabrillo und sahen den Jaguar, der an der Ecke darauf wartete, abbiegen zu können. Fleming wandte dem Wagen den Rücken zu und sagte etwas in sein am Hals befestigtes Mikrofon.

»Team vier und Team fünf, folgt ihm unauffällig.«

Der Jaguar bog ab, ein Taxi startete vom Bordstein und fuhr in sicherer Entfernung hinter ihm her. Der Jaguar passierte einen kleinen Kastenwagen mit dem Logo eines rund um die Uhr liefernden Frachtzustelldienstes, der sich ebenfalls in sicherer Entfernung an den Jaguar hängte.

»Der Jaguar war sauber, die Bombe befand sich nicht darin«, sagte Fleming zu Cabrillo. »Was meinen Sie denn nun, wohin Lababiti unterwegs ist?«

»Er flüchtet«, sagte Cabrillo, »und lässt den Jungen zurück, damit er seinen Job ausführt.«

»Und wann sollten wir eingreifen?«, fragte Fleming.

»Lassen Sie ihn bis an seinen Bestimmungsort gelangen«, sagte Cabrillo. »Zum Flughafen, zum Bahnhof– egal wohin. Dann sollten Ihre Männer zuschlagen. Sie müssten aber dafür sorgen, dass er nicht mehr telefonieren kann, ehe sie ihn in Gewahrsam nehmen.«

»Und was dann?«, hakte Fleming nach.

»Dann lassen Sie ihn hierher bringen«, sagte Cabrillo mit eisiger Stimme. »Wir wollen doch nicht, dass er die Party versäumt.«

»Brillant«, erwiderte Fleming.

»Mal sehen, wie weit seine Bereitschaft, für Allah zu sterben, wirklich geht«, sagte Cabrillo.

Je näher Mitternacht rückte, desto mehr nahm auch die Spannung zu.

Die Mikrofone gegenüber Lababitis Apartment nahmen Amad dabei auf, wie er laut betete. Fleming hockte mit einem Dutzend Männer vom MI5 im Hotel auf der anderen Straßenseite. Die drei Teams der Corporation nahmen seit mehr als dreizehn Stunden ihre Positionen ein. Vom Warten wurden sie allmählich müde. Cabrillo marschierte nicht weit von der Bedford Street auf und ab. Dabei war er sicherlich einige hundert Mal an dem Motorradladen, einem indischen Imbissrestaurant und an einem kleinen Supermarkt vorbeigegangen.

»Wir müssen dort reingehen«, meinte einer der MI5-Agenten zu Fleming.

»Und wenn die Bombe nur ein paar Straßen weit entfernt ist«, sagte Fleming, »und jemand einen Zeitzünder mit Einschaltverzögerung in Gang gesetzt hast? Dann ist uns das entgangen – und London geht in Flammen auf. Wir warten – etwas anderes können wir nicht tun.«

Ein weiterer MI5-Agent betrat die Lobby. »Sir«, sagte er zu Fleming, »zur Zeit patrouillieren an die zwanzig von unseren Fahrzeugen in den umliegenden Straßen. Sobald unser Freund in den Wagen steigt, mit dem er seine Mission durchziehen will, können wir sofort den gesamten Verkehr stoppen.«

»Und die Bombenexperten sind in der Nähe und jederzeit einsatzbereit?«

»Es sind vier englische Spezialisten« – der Mann nickte – »und zwei von der U.S. Air Force.«

In diesem Moment verstummten Amads Gebete, und das Mikrofon übertrug seine Schritte auf dem Fußboden des Apartments.

»Ich glaube, es geht los«, informierte Fleming mit Hilfe seines Funkgeräts die Dutzenden von Agenten, die schon seit Stunden auf ein solches Zeichen warteten. »Haltet euch auf jeden Fall von ihm fern, bis er seinen Einsatzort erreicht hat.«

Fleming betete, dass es bald vorüber wäre. Es war 23:49 Uhr.

Das Apartmenthaus war von allen Seiten von Leuten des MI5 umstellt. Jedes Auto auf den Straßen war mit einem Peilsender präpariert worden. An jedem war ein elektronisches Deaktivierungsmodul befestigt worden. Und jeder Wagen war mit einem Geigerzähler überprüft und für sauber befunden worden.

Jeder war überzeugt, dass Amad zu einem anderen Ort fahren würde, um die Bombe abzuholen.

Aber die Bombe befand sich unten im Haus. Sie lag im Beiwagen eines in Russland hergestellten Ural-Motorrads – der gleichen Maschine, auf der Amad im Jemen ausgebildet worden war.

Das Interesse an den angebotenen Leckereien und dem Bier und die ausgelassene Stimmung wurden durch die Kälte und den Schnee nicht gemindert. Die Gegend um den Hyde und den Green Park wimmelte von Tausenden ausgelassener Partygäste. Hinter der Bühne machte ein Verbindungsmann des MI5 den Rockstar mit der kalten Wirklichkeit vertraut.

»Sie hätten uns warnen sollen«, schimpfte sein Agent, »dann hätten wir das Konzert absagen können.«

»Er hat es doch schon erklärt«, sagte Elton John. »Das hätte die Terroristen nur misstrauisch gemacht.«

Bekleidet mit einem gelben, mit Pailletten besetzten Overall, einer mit Brillanten versehenen Brille und schwarzen Schuhen mit leuchtenden Plateausohlen, wäre es leicht gewesen, John als einen dieser verwöhnten und gehätschelten Musiker abzutun, die an ein Leben gewöhnt sind, das nichts anderes als eine ewige Party ist. Die Wahrheit war meilenweit davon entfernt. Reginald Dwight hatte sich aus einer ärmlichen Existenz mit Kraft, Beharrlichkeit und jahrzehntelanger harter Arbeit nach oben gekämpft. Niemand kann die Popcharts Jahrzehnt für Jahrzehnt beherrschen, wenn er nicht zäh und realistisch ist. Elton John war jemand, der den nackten Überlebenskampf aus eigener Anschauung kannte und ohne fremde Hilfe siegreich gemeistert hatte.

»Die königliche Familie wurde doch evakuiert, nicht wahr?«, fragte er.

»Kommen Sie herein, Mr. Truitt«, rief der MI5-Agent vor dem Campinganhänger.

Truitt öffnete die Tür und trat ein.

»Hier ist das Double für Prince Charles«, sagte der Geheimagent.

John sah Truitt kurz an und grinste. »Er sieht genauso aus wie er«, stellte er fest.

»Sir«, sagte Truitt, »ich möchte Ihnen nur versichern, dass wir die Bombe bergen und unschädlich machen werden, ehe etwas Furchtbares passiert. Wir wissen es zu schätzen, dass Sie uns dabei unterstützen.«

»Ich setze großes Vertrauen in den MI5«, sagte John.

»Er ist beim MI5«, sagte Truitt und deutete auf seinen englischen Kollegen. »Ich gehöre zu einer Gruppe, die sich die Corporation nennt.«

»Die Corporation?«, fragte Elton John. »Wer oder was ist das denn?«

»Wir sind Privatspione«, sagte Truitt.

»Privatspione«, wiederholte John kopfschüttelnd, »was es nicht alles gibt. Sind Sie und Ihre Leute gut?«

»Wir haben eine Erfolgsbilanz von hundert Prozent.«

John erhob sich aus seinem Sessel – es wurde Zeit, zur Bühne zu gehen und sich in den Kulissen bereitzuhalten.

»Tun Sie mir einen Gefallen«, sagte er, »steigern Sie Ihre Erfolgsbilanz heute auf mindestens hundertzehn Prozent.«

Truitt nickte.

John war schon an der Tür, blieb aber stehen. »Sagen Sie dem Kameramann, er soll keine Nahaufnahmen von Prince Charles machen – es wäre immerhin möglich, dass uns die bösen Jungs zuschauen.«

»Wollen Sie wirklich da rausgehen?«, fragte der MI5-Agent ungläubig.

»Na klar«, sagte John. »Das dort sind alles meine Landsleute, und sie sind hergekommen, um sich ein Konzert anzuhören. Entweder haben diese Männer« – er beschrieb eine ausholende Geste, die Truitt und den MI5-Agenten einschloss – »das Problem im Griff, oder ich gehe singend unter.«

Truitt lächelte und folgte John durch die Tür hinaus.

Es gibt sechs Möglichkeiten, in einen Raum einzudringen. Vier Wände, den Fußboden oder die Decke. Amad wählte die letztere. Am Flurende des ersten Stocks in Lababitis Apartmenthaus befand sich ein Wandschrank für Putzutensilien. Zwei Monate zuvor hatte Lababiti den quadratischen Holzfußboden des Schranks vorsichtig ausgesägt und entfernt, so dass der Unterboden darunter zum Vorschein kam. Dann hatte er mit einer Rundsäge eine etwa einen halben Meter große Öffnung zum unten liegenden Laden ausgeschnitten. In dem Raum zwischen der Decke des Ladens und dem Fußboden des ersten Stocks hatte er anschließend eine Strickleiter versteckt. Nach Entfernen des Sägestaubs im Laden hatte er den runden Deckenausschnitt wieder eingesetzt und mit zwei Platten befestigt. Als Nächstes hatte er die Spalte zwischen Wand und Bodenplatte im Schrank mit Holzkitt aufgefüllt, damit von seiner Bastelarbeit nichts mehr zu sehen war. Bis zu diesem Augenblick war die Klappe nicht benutzt worden.

Amad öffnete den Wandschrank mit einem Schlüssel, den Lababiti nachgemacht hatte.

Bei offener Tür und verlassenem Flur hebelte er die Bodenplatte mit einem Schraubenzieher auf. Nachdem er das Fußbodenbrett gegen die Wand gelehnt hatte, betrat Amad den Schrank und schloss hinter sich die Tür. Er holte zwei stabile Haken aus der Tasche, schraubte sie in die Innenwand des Schranks und befestigte anschließend die Strickleiter daran. Nachdem er die Platten entfernt hatte, die den runden Deckenausschnitt fixiert hatten, legte er sie in den Wandschrank. Er ließ die Leiter durch die Öffnung nach unten fallen und kletterte hinab.

Jeder MI5-Agent auf den Dächern in der Nähe beobachtete den ersten Stock.

»Nichts«, meldeten sie sich nacheinander.

Der MI5-Agent, der einen Rundgang durch die Lobby gemacht hatte und gleich wieder herausgekommen war, ging ins Gebäude zurück. Er kontrollierte den Fahrstuhl und stellte fest, dass noch immer die Nummer zwei der Stockwerksanzeige beleuchtet war.

»Der Fahrstuhl befindet sich weiterhin im ersten Stock«, gab er Fleming über Funk durch.

Im Hotel auf der anderen Straßenseite schaute Fleming auf die Uhr. Vier Minuten waren verstrichen, seit ihr Zielobjekt mit dem Lift in den ersten Stock hochgefahren war.

»Gehen Sie über die Treppe rauf«, befahl er dem Agenten.

Amad las die Bedienungsanleitung in arabischer Sprache, dann klappte er die Abdeckung über dem Aktivierungsmechanismus auf. Die Beschriftungen bestanden aus kyrillischen Buchstaben, doch die schematische Zeichnung war eindeutig, er konnte ihr ohne Schwierigkeiten folgen. Amad legte einen Schalter um, eine Leuchtdiode begann zu blinken. Mit einem Drehknopf stellte er eine Zeitspanne von fünf Minuten ein.

Dann schwang er sich auf die Ural und betätigte den Kickstarter. Sobald der Motor lief, legte er eine Hand auf eine Fernbedienung für das Garagentor, die mit Klebeband an der Lenkstange des Motorrads befestigt war, und drückte auf den Knopf. Er schaltete in den ersten Gang und rollte bereits mit etwa fünfzehn Stundenkilometern durch die Lagerhalle, während das Tor langsam in die Höhe stieg.

Danach geschah alles gleichzeitig.

Der Agent erreichte den ersten Stock und meldete, dass er leer war, während sich gleichzeitig das Garagentor öffnete.

»Hier geht eine Einfahrt auf«, sagte Fleming in sein Funkgerät und sprintete durch die Lobby zur Tür.

Er hatte soeben eine der inneren Glastüren geöffnet, als das Motorrad erschien und auf die Straße fuhr. Amad war blitzschnell an der Ecke und bog in die Straße zum Strand ein.

»Unser Freund sitzt auf einem Motorrad!«, brüllte der Agent ins Mikrofon seines Funkgeräts.

Die Scharfschützen folgten Amad und nahmen ihn aufs Korn, doch er verschwand um die Ecke, ehe sie den Befehl zum Feuern erhielten.

Auf dem Strand drang diese Nachricht in drei Taxis, die von MI5-Agenten gelenkt wurden, aus den Lautsprechern der Funkradios. Sie verließen ihre Parkplätze am Bordstein und versuchten, die Straße zu blockieren und die Ural aufzuhalten. Amad wich zur Seite aus und jagte auf dem Bürgersteig an ihnen vorbei, dann schwenkte er auf die Fahrbahn zurück und gab Vollgas. Stetig schneller werdend, schlängelte er sich wie ein Wahnsinniger durch den Verkehr.

Weit voraus versuchte ein von einem MI5-Agenten gelenkter Lastwagen, die Straße zu blockieren, doch Amad zwängte sich auch an ihm vorbei.

Jetzt brauchte er nur noch die Bombe an den vorgesehenen Ort zu bringen oder bei dem Versuch auf der Strecke zu bleiben. So oder so wäre er ein Märtyrer. So oder so würde London brennen.

Cabrillo blickte die Straße hinunter und sah, wie die Fahrzeuge des MI5 ausgetrickst wurden. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass das Zielobjekt ein Motorrad benutzen würde, und das war wie ein Schraubenschlüssel im Getriebe der ganzen Operation. Es gab nur eins, was in diesem Moment getan werden konnte – und Cabrillo zögerte keine Sekunde.

Er hievte einen Zeitungsautomaten vom Bürgersteig hoch und wuchtete ihn durch die Schaufensterscheibe des Motorradladens im Parterre des Gebäudes. Der Alarm heulte los. Cabrillo kletterte durch die geborstene Scheibe. Im Zündschloss der schwarzen 1952er Vincent Black Shadow steckte der Schlüssel. Nachdem er mit dem Fuß die Scherben vom Rahmen der Maschine gewischt hatte, trat er auf den Kickstarter, und der Motor sprang an. Er hob das Vorderrad der Vincent über den Fensterrahmen, legte den Gang ein und setzte über die Fensterbank hinaus auf den Bürgersteig.

Die Ural jagte an dem Motorradladen vorbei und schoss den Strand hinunter.

Cabrillo gab Gas und folgte ihr. Die Ural war zwar schnell, doch es gab kein besseres Motorrad als die Black Shadow. Hätte die Ural nicht einen Vorsprung von einem Block gehabt, die Shadow hätte sie innerhalb von Sekunden eingeholt.

»Die Zielperson sitzt auf einem grünen Motorrad mit Beiwagen und fährt den Strand hinunter«, brüllte Fleming über Funk. »Der Kerl hat die Bombe bei sich. Ich wiederhole, die Bombe befindet sich im Beiwagen.«

Der Robinson mit Adams und King stieg auf. In der Nähe des Trafalgar Square brachten Pete Jones und Julia Huxley – als Ärztin der Corporation eher für lebenserhaltende Maßnahmen zuständig – ihre Gewehre in Anschlag und visierten die Straße an. Hunderte von Menschen drängten sich dort, und sie suchte eine Position für einen sauberen Schuss, hatte damit aber keinen Erfolg. Vor dem War Cabinet Room wandten sich Mark Murphy und Franklin Lincoln vom Victoria Embankment ab und zielten in Richtung Hyde Park und Green Park. In der Piccadilly Street trennten sich Hali Kasim und Ross und nahmen beide Enden der Straße ins Visier.

Truitt hielt sich von den anderen Leuten hinter der Bühne fern, bis es Zeit wurde, hinauszugehen und sich vors Mikrofon zu stellen. Ungeduldig von einem Fuß auf den anderen tretend wartete er auf seinen Auftritt.

»Es ist so weit«, sagte der Agent Elton Johns.

Truitt schaute zu dem MI5-Agenten hinüber, doch dieser sprach soeben in sein Funkgerät, daher gab sich Truitt einen Ruck, ging auf die Bühne und näherte sich dem Mikrofon.

»Ladies und Gentlemen«, begann er, »begrüßen Sie mit mir aus Anlass des Jahresbeginns den Lieblingsmusiker unserer Nation – Sir Elton John!«

Die Bühne war dunkel – bis auf den Spotscheinwerfer, der auf Truitt gerichtet war. Dann flammte ein weiterer Scheinwerfer auf und tauchte Elton John in gleißendes Licht. Er saß an einem erhöhten Flügel, trug immer noch den gelben Overall, sein Kopf war mit einem Kevlarhelm der englischen Armee bedeckt.

Die ersten Takte der Einleitung zu dem Song »Saturday Night’s Alright for Fighting« erklangen. Dann begann John zu singen.

Truitt verließ die Bühne und ging auf den MI5-Agenten zu.

»Er ist auf einem Motorrad unterwegs hierher«, sagte der Agent.

»Dann mische ich mich mal lieber unters Volk«, sagte Truitt.

Die Ural raste an der Nelson-Säule vorbei, während Cabrillo dem Gespann auf der Vincent Black Shadow dicht auf den Fersen war. Cabrillo wollte seinen Mantel öffnen, um an sein Schulterhalfter zu kommen, doch er konnte keine Hand vom Lenker nehmen, um nach der Waffe zu greifen. Stattdessen gab er Vollgas und überholte die Ural, während sie Charing Cross passierten. Huxley und Jones rannten hinaus auf die Fahrbahn und versuchten, einen sicheren Schuss anzubringen, während die Motorräder vorbeijagten. Doch Cabrillo war zu nahe an den Jemeniten herangekommen, und es waren einfach zu viele Menschen auf der Straße.

Auf der Kreuzung Strand und Cockspur Street lenkte Cabrillo seine Maschine dicht an die Ural heran und trat nach Amad. Der Jemenit machte einen heftigen Schlenker, behielt aber die Gewalt über sein Gespann.

»Sie fahren die Mall hinunter«, gab Jones per Funk durch.

Kasim und Ross rannten den Queenswalk in Richtung Konzertplatz hinunter.

Murphy ließ sich durchaus von einer allgemeinen Aufregung anstecken, aber mit einem Präzisionsgewehr in der Hand war er stets die Ruhe selbst. Franklin Lincoln spielte den Richtschützen für ihn und suchte die Parks vor ihnen ab. »Der einzig mögliche Schuss durch die Bäume ergibt sich etwa am Queen Victoria Memorial«, sagte Lincoln.

»Der Verkehr um das Denkmal fließt im Uhrzeigersinn, nicht wahr?«, fragte Murphy.

»Richtig«, bestätigte Lincoln.

»Dann knipse ich den Bastard ab, wenn er bremst, um in den Kreisverkehr einzubiegen – wie damals bei JFK«, sagte Murphy.

»Ich hab sie«, meldete Lincoln, als sein Visier die Motorräder erfasste.

Adams flog über den Old Admirality Buildings eine Linkskurve und folgte den Motorrädern die Mall hinunter.

»Kopf und Schultern«, sagte King in sein Helmmikrofon.

»Meinst du das Shampoo?«, fragte Adams.

»Nein«, erwiderte King, »dort werde ich den Mistkerl erwischen.«

Er blickte durch das Zielfernrohr und regulierte seine Atmung. Der kalte Wind, der durch die offene Helikoptertür hereindrang, ließ seine Augen tränen, aber King bemerkte es so gut wie gar nicht.

Cabrillo orientierte sich. Er erblickte eine Reihe von Imbissbuden, die den Kreisverkehr säumten, in dessen Zentrum das Queen Victoria Memorial stand. Sie näherten sich dem Konzertgelände. Er verringerte den Abstand zwischen sich und dem Jemeniten und bereitete sich darauf vor, auf die Ural umzusteigen.

»Vier, drei, zwei, eins«, zählte Lincoln.

Murphy schoss zur gleichen Zeit, als King aus dem Helikopter eine kurze Salve abfeuerte. Amad hatte den Kreisverkehr fast erreicht, als Blut aus seinem Kopf, seiner Brust und seinen Schultern spritzte. Nur eine Sekunde später war er bereits tot – fast genau im gleichen Augenblick, als Cabrillo von der Vincent auf die Ural umstieg. Seine Hände fingen bereits eine Leiche auf.

Die Vincent prallte in einem dichten Funkenregen auf den Asphalt und rutschte einen ganzes Stück, ehe sie liegen blieb. Cabrillo stieß Amad vom Motorradsitz. Er rollte und hüpfte wie ein Crashtest-Dummy über den Asphalt. Cabrillo drückte die Kupplung, nahm den Gang heraus und bremste. Das Motorrad mit dem Beiwagen kam nur wenige Schritte vor der ersten Imbissbude zum Stehen.

Cabrillo warf sofort einen Blick auf das Display des Zeitzünders. Der Countdown war gerade erst bei zwei Minuten angelangt. Er konnte nur hoffen, dass es sich um eine reguläre Zeitangabe handelte und nicht um ein metrisches Zählwerk.

Richard Truitt hatte den Bühnenraum verlassen und war auf seinem Weg durch das Gedränge der Konzertbesucher keine zwanzig Meter weit gekommen, als ihm klar wurde, dass er schnellstens die Maske loswerden musste. Jeder hatte offensichtlich den Wunsch, Prince Charles zu berühren – doch sobald er die Maske abgenommen hatte, machten ihm die Leute Platz.

»Mr. Cabrillo hat die Bombe am Queen Victoria Memorial gestoppt«, meldete Lincoln über Funk.

Durchdringendes Geheul setzte ein, als die MI5-Agenten die Blaulichter auf die Dächer ihrer Tarnfahrzeuge setzten, die Sirenen einschalteten und zum Denkmal rasten. Straßensperren stoppten den Verkehr, eine Luftschutzsirene setzte ein. Truitt überquerte im Laufschritt die Straße, während Cabrillo den Zünddraht kappte.

»Sie ist noch immer scharf!«, brüllte Cabrillo, sobald er Truitt herbeieilen sah.

Truitt sah sich um. Ein Lieferwagen von Ben & Jerry’s Ice Cream parkte am Straßenrand. Er rannte hin und öffnete die Hecktür. Der Fahrer wollte protestieren, aber Truitt war bereits in den Laderaum geklettert. Die Hände durch Handschuhe geschützt, ergriff er einen Block Trockeneis und trug ihn zu Cabrillo hinüber, der mit einer Leatherman-Zange die Spitze der Bombe hastig abschraubte.

Er hatte bereits die Abdeckplatte entfernt, als Truitt ihn erreichte.

»Wir müssen den Zündmechanismus einfrieren«, sagte Truitt.

Der Timer zeigte eine Minute vor zwölf.

»Dann los!«, rief Cabrillo.

Truitts Handschuhe waren an dem Trockeneisblock festgefroren, er hatte kein Gefühl in den Händen, packte jedoch den Eisblock auf die freigelegte Spitze der Bombe und schob sich die grauen Hände in die Achselhöhlen. Der Timer tickte ein paar Sekunden weiter und blieb dann stehen.

Cabrillo sah Truitt grinsend an. »Es hat tatsächlich funktioniert«, stellte er staunend fest.

»Not macht erfinderisch«, erklärte Truitt mit zusammengebissenen Zähnen.

Cabrillo nickte und drückte auf das Mikrofon an seinem Hals. »Ich brauche schnellstens die Bombenspezialisten am Queen Victoria Memorial.«

Feuerwerksraketen gingen über dem Park und in ganz London hoch, als das neue Jahr anbrach.

Zwei Minuten später fuhr ein Wagen vor, aus dem ein englischer Offizier stieg. Kurz darauf tauchte ein zweiter Wagen mit einem Spezialisten der U.S. Air Force auf. Fünf Minuten später hatten die beiden Männer den Zündmechanismus ausgebaut und in Sicherheit gebracht. Jetzt war die Bombe nicht mehr als ein Behälter für eine Kugel angereicherten Urans.

Ihr war das Herz herausgerissen worden und damit ihre Fähigkeit, Tausenden den Tod zu bringen.

Während die Bombenexperten die Bombe unschädlich machten, gingen Cabrillo und Truitt zu Amads Leiche hinüber, die in einer Blutlache auf dem Asphalt lag. Über Funk hatten sie erfahren, dass Lababiti abgefangen worden war und mit einem Hubschrauber nach London zurückgebracht wurde. Elton John hatte mit dem Konzert begonnen, seine Stimme hallte über das Gelände. Der Bereich um das Motorrad und den Toten herum wurde von britischem Militär und Geheimdienstagenten abgeriegelt: Die meisten Konzertbesucher hatten von den dramatischen Ereignissen nichts mitbekommen.

»Er ist fast noch ein Kind.« Kopfschüttelnd betrachtete Cabrillo den Todesboten.

Truitt nickte nur.

»Sorge lieber dafür, dass sich ein Sanitäter deine Hände ansieht.«

Hali Kasim und Linda Ross, die eingetroffen waren, nachdem der Timer lahmgelegt worden war, schoben die demolierte Black Shadow zu Cabrillo hinüber. Das Motorrad war in einem erbarmungswürdigen Zustand. Der Tank und die Seitenverkleidungen waren zerkratzt, der Lenker verbogen, und ein Reifen war völlig zerfetzt. Ein vollendetes Symbol englischer Motorradgeschichte war zerstört worden. Cabrillo betrachtete das Wrack mit einem Anflug von Wehmut.


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