Текст книги "Todesschrein"
Автор книги: Clive Cussler
Соавторы: Graig Dirgo
Жанр:
Триллеры
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26
Die Wolkenbank südlich der Faröer berührte fast das Meer. Als Wetterfront eines Sturms, der von Süden nach Norden zog, hatten die Wolken die britischen Inseln während der letzten beiden Tage mit Regen und Schnee überschüttet. Sobald der Robinson R-44 in diesen Mahlstrom eindrang, kam es Adams und Cabrillo so vor, als wären sie in ein Labyrinth geraten.
In der einen Minute hatten sie völlig klaren Himmel über sich, und in der nächsten tauchten sie in eine Wolkenbank ein und verloren sowohl die Cessna als auch das Wasser unter ihnen aus den Augen. Heftige Winde attackierten den Helikopter, so dass sie die Flugrichtung und die Geschwindigkeit wechselten wie ein Puck auf einem Airhockey-Tisch. Die schottische Küste lag gut vierhundert Kilometer weit im Süden. Von dort bis nach Inverness, der ersten Stadt, wo sie unter Umständen auftanken könnten, waren es noch einmal gut einhundert Kilometer.
Da beide Tanks gefüllt waren, konnten es Adams und Cabrillo bis zum Festland schaffen – aber nur wenn der Rückenwind mitmachte. Ohne Reservetank hatte der Robinson eine Reichweite von höchstens sechshundert Kilometern. Die Cessna 206 schaffte gut tausendzweihundert Kilometer. Bennett hatte die 206 auf den Faröern nicht aufgetankt – und sobald er erkannt hatte, dass Cabrillo ihn verfolgte, war er so schnell es ging gestartet –, daher waren beide Maschinen in dieser Hinsicht gleichwertig.
Was ihre Reisegeschwindigkeit betraf, schaffte jede 200 Stundenkilometer.
»Dort«, sagte Cabrillo und deutete auf eine Lücke in der Wolkenbank, »er ist drei Kilometer vor uns.«
Adams nickte. Er hatte während der letzten zehn Minuten beobachtet, wie die Cessna mehrmals in den Wolken verschwand und wieder auftauchte. »Ich bezweifle, dass er uns sieht«, sagte Adams. »Wir fliegen unter ihm und sind außerdem so weit zurück, dass wir uns außerhalb seines Gesichtsfeldes befinden.«
»Er kann uns aber immer noch auf seinem Sicherheitsradar erkennen«, entgegnete Cabrillo.
»Ich glaube nicht mal, dass er eins hat«, sagte Adams. »Die Cessna, die er fliegt, ist ein ziemlich altes Modell.«
»Kannst du nicht noch einen Zahn zulegen?«
»Wir sind am Limit, Juan«, erklärte Adams und deutete auf den Geschwindigkeitsmesser, »und er auch, vermute ich. Und ich kann nicht steigen, um in einen steilen Sinkflug zu gehen und so an Tempo zu gewinnen. Wenn ich steige, werde ich über Grund zu langsam – dann würden wir ihn völlig aus den Augen verlieren.«
Cabrillo überlegte kurz und nickte schließlich. »Also können wir wohl nichts anderes tun, als ihn weiter zu verfolgen und Hilfe anzufordern.«
»Genau«, sagte Adams.
James Bennett glaubte, am Himmel allein unterwegs zu sein. Er hatte keine Vorstellung von der Reisegeschwindigkeit des Robinson R-44, wusste jedoch, dass die meisten kleineren Hubschrauber an die einhundertachtzig Stundenkilometer schafften. Wenn er Schottland erreichte, müsste der Helikopter – falls er ihn noch verfolgte – nach seiner Schätzung mindestens eine halbe Stunde hinter ihm sein. Bennett griff nach seinem Telefon und wählte eine Nummer.
»Ich habe das Paket übernommen«, sagte er, »aber ich glaube, ich habe einen Schatten.«
»Sind Sie sicher?«, fragte die Stimme.
»Nicht hundertprozentig«, antwortete Bennett, »aber wenn es so sein sollte, kann ich ihn abhängen. Der Punkt ist nur, dass ich, sobald ich gelandet bin, höchstens eine halbe Stunde Zeit für die Übergabe haben werde. Ist das ein Problem?«
Der Mann am anderen Ende der Leitung überlegte einen Moment, ehe er antwortete. »Ich lasse mir was einfallen«, sagte er dann, »und rufe Sie zurück.«
»Ich warte«, sagte Bennett und beendete das Gespräch.
Nachdem er die Trimmung justiert hatte, damit die Cessna auf geradem Kurs blieb, konzentrierte sich Bennett auf die Anzeigeinstrumente, wobei er vor allem die Tankanzeige im Auge behielt. Es würde wirklich knapp. Indem er den Steuerknüppel festhielt, während die Cessna von einem Aufwind erfasst wurde, wartete er, bis sie wieder auf ihre Reisehöhe zurückkehrte. Dann griff er auf den Passagiersitz und schenkte sich aus einer verbeulten Stanley-Thermosflasche, die ihn schon seit fast zwanzig Jahren begleitete, einen Becher Kaffee ein.
»Ich habe Overholt benachrichtigt«, sagte Hanley, »und ihn gebeten, die Briten zu alarmieren, dass sie ein paar Kampfjets losschicken, um das Flugzeug zur Landung zu zwingen. Damit sollte die Angelegenheit erledigt sein.«
»Sorg bloß dafür, dass die Briten warten, bis die Cessna über Festland ist«, sagte Juan Cabrillo. »Ich möchte den Meteoriten nicht noch im letzten Moment verlieren.«
»Ich kümmere mich schon darum«, versprach Hanley.
»Wie weit bist du von den Faröern entfernt?«
»Etwa zwanzig Minuten.«
»Wie steht es mit den Dänen und der Jacht?«, wollte Cabrillo wissen.
»Nach der letzten Meldung aus Washington haben sie nicht genug Leute dafür«, erklärte Hanley. »Aber auf einem Hügel in der Nähe des Flughafens sitzt ein Polizist und beobachtet das Schiff – mehr können sie im Augenblick nicht tun.«
Juan Cabrillo überlegte. »Wurde die Atombombe schon geborgen?«
»Laut den letzten Geheimberichten noch nicht.«
»Sie könnte sich auf der Jacht befinden.«
»Einer Quelle Overholts zufolge wurde sie auf einen alten Frachter geladen.«
»Wer immer diese Typen sind«, sagte Cabrillo, »sie scheinen eine Vorliebe für Umladeaktionen auf See zu haben. Sehr gut möglich, dass sie irgendwo mit dem Frachter ein Rendezvous hatten und die Bombe an Bord genommen haben.«
»Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
»Ich würde Overholt empfehlen, die Jacht aus dem Hafen auslaufen zu lassen«, sagte Cabrillo. »Die Oregonsollte sich heraushalten – die britische oder die amerikanische Marine soll sich lieber mit dem Problem herumschlagen. Sie können die Jacht auf See kapern – das Risiko ist viel geringer.«
»Ich rufe Overholt sofort an«, sagte Hanley, »und gebe ihm unsere Empfehlungen durch.«
Die Leitung wurde getrennt, und Cabrillo lehnte sich in seinem Sitz zurück. Er konnte nicht ahnen, dass sich der Meteorit und die Bombe in den Händen zweier verschiedener Gruppierungen befanden.
Eine Gruppe plante eine Aktion im Namen des Islam.
Die andere Gruppe plante einen Schlag gegen den Islam.
Und beide Gruppen wurden von unstillbarem Hass getrieben.
27
Sobald die Gulfstream in Las Vegas gelandet war, ließ Truitt Chuck Gunderson und Tracy Pilston bei der Maschine zurück und nahm sich ein Taxi. Das Wetter war klar und sonnig, und aus den Bergen vor Las Vegas wehte eine kühle Brise. Die trockene Luft wirkte wie ein Vergrößerungsglas, so dass die Berge, obwohl kilometerweit entfernt, zum Anfassen nah erschienen.
Truitt warf seine Reisetasche auf den Rücksitz und setzte sich nach vorn zum Taxifahrer.
»Wohin?«, fragte dieser mit einer Stimme, die nach einem Sean Connery mit Raucherhusten klang.
»Dreamworld«, antwortete Truitt knapp.
Der Fahrer legte den Gang ein und verließ zügig das Flughafengelände.
»Waren Sie schon mal in Dreamworld?«, fragte der Cabbie, während sie sich dem berühmten Sunset Strip näherten.
»Noch nie«, antwortete Truitt.
»Es ist das reinste Hightech-Paradies«, sagte der Fahrer, »eine künstlich geschaffene Welt.«
Der Fahrer bremste ab und ließ den Wagen bis zum Ende einer Schlange von Taxis und Privatwagen rollen, die langsam zur Einfahrt vorrückten. »Lassen Sie sich auf keinen Fall das Gewitter heute Abend auf dem hinteren Gelände entgehen«, sagte der Fahrer und wandte sich halb zu Truitt um. »Die Vorstellung findet zu jeder vollen Stunde statt.«
Die Schlange schob sich vorwärts, der Fahrer lenkte das Taxi in eine Zufahrt, die zum Hotel führte. Wenige Meter weiter, und er fuhr durch ein Portal mit langen Plastikstreifen, die Truitt unwillkürlich an die Einfahrten zu Kühlhäusern für Lebensmittel erinnerten.
Sie befanden sich jetzt mitten in einem Tropendschungel. Ein dichtes Blätterdach spannte sich über ihnen, und die Feuchtigkeit sorgte dafür, dass die Fenster des Taxis beschlugen. Der Fahrer lenkte sein Fahrzeug vor den Hoteleingang und stoppte.
»Nehmen Sie sich vor den Vögeln in Acht, wenn Sie aussteigen«, warnte er. »Letzte Woche hatte ich einen Kunden, der behauptete, erst eine volle Ladung abgekriegt zu haben und dann auch noch angegriffen worden zu sein.«
Truitt nickte und bezahlte den Fahrer. Dann stieg er aus, öffnete die hintere Tür, um seine Reisetasche aus dem Taxi zu holen. Er schlug die Tür zu und gab dem Fahrer ein Zeichen, dass er wegfahren könne. Während er sich umwandte, wurde er Zeuge, wie ein Page damit beschäftigt war, eine schwarze Schlange mit einem Besen vom Eingang zu verscheuchen. Dann blickte er hoch zum Blätterdach. Von der Sonne war nichts zu sehen, und aufgeregtes Vogelgezwitscher erfüllte die Luft.
Mit der Reisetasche in der Hand ging Truitt hinüber zu dem Pagen.
»Willkommen in Dreamworld«, begrüßte ihn der Hotelangestellte. »Checken Sie ein?«
»Ja.« Truitt reichte dem Pagen einen falschen Führerschein aus Delaware und eine Kreditkarte, die zu der falschen Identität gehörte.
Der Hotelpage zog beide Karten durch den Leseschlitz einer Maschine und nahm dann den bedruckten Klebestreifen, der herauskam, und pappte ihn auf Truitts Reisetasche.
»Wir schicken Ihr Gepäck mit unserem Transportsystem auf Ihr Zimmer«, erklärte er. Er hielt kurz inne, um einen Blick auf einen Monitor zu werfen. »In zehn Minuten ist Ihr Zimmer fertig, und Ihr Gepäck befindet sich dort. In der Halle finden Sie einen Schalter, wo Sie eine Kreditlinie fürs Kasino vereinbaren und weitere Wünsche äußern können. Ansonsten genießen Sie Ihren Aufenthalt in Dreamworld.«
Truitt drückte dem Pagen einen Zehner in die Hand, nahm die Schlüsselkarte für sein Zimmer entgegen und ging zum Hoteleingang. Die beiden Türflügel öffneten sich automatisch – und was Richard Truitt im Innern sah, verblüffte ihn. Es war, als hätte man die Natur in dieses Gebäude verpflanzt.
Durch die Tür hindurchgetreten, gelangte man zu einem träge dahinfließenden breiten Bach, auf dem Gäste in kleinen Booten herumkreuzten. In einiger Entfernung links von ihm konnte er die Gestalten von Besuchern erkennen, die im Begriff waren, einen künstlichen Alpengipfel zu ersteigen. Er sah, wie Schnee den Berghang herunterrauschte, nur um von einer Öffnung am Fuß des Berges verschlungen zu werden. Truitt schüttelte staunend den Kopf.
»Wie komme ich zur nächsten Bar?«, fragte er den Angestellten.
Dieser deutete in einen Bereich jenseits der Halle. »An Stonehenge vorbei auf der rechten Seite, Sir.«
Truitt folgte der Beschreibung und kam an einer künstlichen Nachbildung von Stonehenge vorbei in einen riesigen Kuppelsaal. Eine künstliche Sonne imitierte die Sommersonnenwende, und die Schatten, die sie erzeugte, bildeten einen Arm, der in die Mitte des Saals zeigte. Truitt fand die Tür der Bar – ein Ungetüm aus dicken Holzbalken unter einem geduckten Strohdach –, öffnete sie und betrat den nur spärlich erleuchteten Raum.
Die Bar selbst war die Nachbildung eines alten englischen Rasthauses. Truitt entschied sich für einen Hocker aus Holz, Leder und Eberzähnen, ließ sich darauf nieder und sah sich prüfend um. Die Theke war eine massive Holzkonstruktion, die tonnenschwer sein musste.
Außer Truitt saß dort niemand, nur die Bedienung näherte sich von der Seite.
»Grog oder Met, Mylord?«, fragte sie.
Truitt überlegte kurz. »Met, glaube ich«, sagte er schließlich.
»Eine gute Wahl«, sagte sie, »für einen Grog wäre es auch noch ein wenig zu früh.«
»Das habe ich mir auch gedacht«, sagte Truitt, während die Bardame ein Glas aus dem Regal hinter der Theke nahm und es aus einem Holzfass füllte.
Sie trug das historische Kostüm einer Wirtshausdirne. Ihr Busen quoll aus dem Oberteil des Kostüms. Sie stellte das Glas vor Truitt auf die Theke, deutete eine Verbeugung an und entfernte sich zum anderen Ende der Bar. Truitt nippte an seinem Drink, ließ den Blick durch den halbdunklen Raum schweifen und dachte über den Mann nach, der dieses künstliche Wunderland geschaffen hatte.
Und darüber, wie er in das Büro dieses Mannes einbrechen würde, um es zu durchsuchen.
»Wie viel bin ich Ihnen schuldig?«, fragte Truitt die Bardame.
»Ich kann es auf Ihr Zimmer buchen«, bot die junge Frau an.
»Nein, danke, ich zahle bar.«
»Das ist unser Vormittagssonderangebot«, sagte sie. »Ein Dollar.«
Truitt legte ein paar Scheine auf die Theke, dann durchquerte er den immer noch leeren Gastraum und trat durch die Tür hinaus.
Als er wieder an Stonehenge vorbeikam, wandte sich Truitt nach links und gelangte in ein weitläufiges Atrium. In der Ferne führte ein Sessellift auf die Spitze eines Skiberges, dessen Gipfel von Wolken verhüllt war. Er schlenderte am Fuß des Berges vorbei, wo Leute auf Skiern eine Schlange bildeten und darauf warteten, mit dem Sessellift nach oben transportiert zu werden. Dabei beobachtete er auch einige Skiläufer, die den Berghang hinunterwedelten und den künstlichen Schnee dabei hoch aufwirbeln ließen. Schließlich blieb er vor einem Informationsschalter stehen.
»Haben Sie auch einen Lageplan vom Hotel?«, fragte Truitt den Angestellten hinter der Theke.
Der Mann lächelte, holte einen Plan unter der Theke hervor und markierte ihren augenblicklichen Standort mit einem Filzstift. Truitt reichte dem Mann seine Schlüsselkarte.
»Wie komme ich zu meinem Zimmer?«, fragte er.
Der Angestellte zog die Karte durch einen Scanner und las die Angaben auf dem Bildschirm. Dann machte er ein paar Notizen auf dem Rand des Plans. »Nehmen Sie den River of Dreams bis zum Owl Canyon und steigen Sie beim Bergwerksschacht siebzehn aus dem Boot. Dann fahren Sie mit Fahrstuhl einundvierzig zu Ihrem Stockwerk hinauf.«
»Das klingt ja nicht allzu schwierig«, stellte Truitt fest, während er den Lageplan an sich nahm und die Schlüsselkarte wieder in die Tasche steckte.
»Dort entlang, Sir«, sagte der Angestellte.
Etwa dreißig Meter nach dem Informationsstand kam Truitt zu einem Geländer am Fluss, das zu einer Anlegestelle führte. Dort wartete eine Reihe Kanus auf Passagiere. An einem Kabel befestigt – wie zu einer Karusselfahrt – umkreisten die Kanus das Hotel auf einem Fluss ohne Anfang oder Ende. Truitt bestieg das erste in der Reihe und betrachtete die Kontrolltafel. Nachdem er Bergwerkschacht siebzehn auf dem Tastenfeld eingegeben hatte, lehnte er sich zurück und wartete einen Moment, bis sich das Kanu mit einem Ruck in Bewegung setzte. Es schipperte durch eine künstliche Schlucht mit steilen Felswänden.
Sobald das Kanu an seinem Bestimmungsort angehalten hatte, stieg er aus und ging weiter zu einer Reihe Fahrstühle. Er suchte die Kabine einundvierzig, fand sie und fuhr damit in sein Stockwerk hinauf. Dort verließ er den Lift und ging durch einen langen Korridor zu seinem Zimmer. Mit der Schlüsselkarte entriegelte und öffnete er die Tür.
Das Zimmer war im Stil einer Bergwerkstadt dekoriert und eingerichtet. Die Wände waren mit verwitterten Holzbrettern getäfelt und mit Blechbeschlägen verziert. Ein durchhängendes Regal mit alten Büchern und zerlesenen Romanen lehnte an der Wand. Auf der anderen Seite befand sich ein betagter Gewehrständer mit Attrappen von altertümlichen Winchestergewehren. Das schmiedeeiserne Bett verschwand unter einem Berg altmodischer Quilts. Truitt kam sich vor, als wäre er schlagartig in eine ferne Vergangenheit zurückversetzt worden.
Er trat zum Fenster, teilte die Vorhänge und blickte hinab auf Las Vegas, als wollte er sich davon überzeugen, dass die Welt draußen immer noch dieselbe war. Dann schloss er die Vorhänge wieder und ging ins Bad. Obwohl es ebenfalls auf alt dekoriert war, verfügte es über eine heiße Dusche und Bräunungslampen. Truitt spritzte sich Wasser ins Gesicht, um sich zu erfrischen, trocknete sich ab und kehrte dann ins Zimmer zurück, um Max Hanley anzurufen.
»Hickman könnte durchaus eine größere Sache planen«, sagte Richard Truitt, als Hanley sich meldete, »davon kann man auf jeden Fall ausgehen. Du würdest es nicht glauben, wenn du diesen Laden hier sehen könntest – der reinste Vergnügungspark, allerdings mit jeder Menge Spielautomaten.«
»Mike recherchiert ihm immer noch hinterher«, berichtete Hanley, »aber er ist ein absoluter Geheimniskrämer. Hast du dir schon was überlegt, wie du in sein Büro kommen willst?«
»Noch nicht, aber ich arbeite dran.«
»Sei bloß vorsichtig«, warnte Hanley. »Hickman ist sehr mächtig und einflussreich, und wir wollen keinen Ärger, falls sich herausstellen sollte, dass er mit der ganzen Affäre nichts zu tun hat.«
»Ich gehe so unauffällig wie möglich rein und wieder raus«, versprach Truitt.
»Viel Glück, Mr. Phelps«, sagte Hanley.
Truitt begann die Titelmelodie von Mission: Impossiblevor sich hin zu summen, während er den Telefonhörer auflegte.
Er setzte sich an das Rollpult in seinem Zimmer und studierte die Hotelkarte und die Baupläne, die Hanley ihm in die Gulfstream gefaxt hatte, ehe sie gelandet waren. Dann duschte er, wechselte die Kleidung und verließ das Zimmer. Er fuhr mit dem Lift nach unten, bestieg ein Kanu und ließ sich zum Eingang schippern. Danach ging er hinaus und winkte ein Taxi herbei.
Nachdem er dem Fahrer sein Ziel genannt hatte, lehnte er sich zurück und ließ in Gedanken noch einmal seinen Plan Revue passieren.
Ein paar Minuten später stoppte der Taxifahrer vor dem höchsten Hotel in Las Vegas. Truitt bezahlte und stieg aus.
Dann betrat er das Foyer, kaufte eine Eintrittskarte und fuhr mit einem Expresslift zur Aussichtsplattform des Hotels hinauf. Das Panorama war atemberaubend. Las Vegas breitete sich in seiner gesamten Pracht unter ihm aus.
Truitt ließ sich einige Minuten lang von dem Anblick verzaubern, dann ging er hinüber zu einem der Ferngläser und warf eine Münze ein. Während die meisten anderen Touristen die leistungsstarken Ferngläser langsam von der einen Seite zur anderen führten, hielt Truitt sein Glas ausschließlich auf einen einzigen Punkt gerichtet.
Sobald er sich einen ausreichend gründlichen Eindruck verschafft hatte, fuhr Truitt mit dem Lift wieder nach unten, winkte einem anderen Taxi und kehrte zu Dreamworld zurück. Es war für sein Vorhaben noch ein wenig zu früh, daher begab er sich auf sein Zimmer und gönnte sich ein Nickerchen. Es war kurz nach Mitternacht, als er aufwachte. Mit Hilfe des kleinen Wasserkochers im Bad brühte er sich eine Tasse Kaffee auf, die er so schnell die Temperatur es erlaubte leerte, um endgültig wach zu werden. Dann rasierte er sich, duschte abermals und ging vom Bad in sein Zimmer.
Er holte ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Jeans aus seiner Reisetasche und schlüpfte in beide hinein. Außerdem befand sich in der Tasche ein Paar schwarzer Schuhe mit Gummisohlen, die er ebenfalls anzog. Er verstaute seine abgelegte Kleidung in der Reisetasche und rief den Dienst habenden Hausdiener an, um sie zum Eingang bringen zu lassen. Chuck Gunderson hatte den Auftrag, ihn in zehn Minuten abzuholen. Ehe er das Zimmer endgültig verließ, holte er noch eine seltsam ausgepolsterte Jacke aus der Reisetasche und hängte sie sich über die Schultern. Nach einer kurzen Bootsfahrt zur Hotelhalle betrat er das Spielkasino.
Scharen von Feriengästen, die meisten mit roten Augen, die vom Schlafmangel herrührten, besetzten die Plätze an den Spieltischen und vor den Spielautomaten. Selbst um diese späte Uhrzeit war das Kasino eine Geldmaschine. Er durchquerte es und erreichte die Mall innerhalb des Hotels. Die Mall war ein Dorado exzessiver Konsumgier. Fast fünfundsiebzig Markenläden und Boutiquen waren an einem kopfsteingepflasterten Wandelgang aufgereiht. Außer rund zwanzig Modedesignershops gab es Schuhläden, Juweliere, Restaurants und einen Buchladen. Truitt hatte immer noch ein wenig Zeit, daher betrat er den Buchladen und blätterte im neuesten Stephen-Goodwin-Roman. Goodwin, ein junger Autor aus Arizona, hatte während der letzten Monate die Bestsellerlisten angeführt. Truitt konnte jetzt kein Buch mitnehmen, nahm sich jedoch vor, den Roman zu kaufen, ehe er Las Vegas wieder den Rücken kehrte. Er verließ den Laden und setzte sich in ein Grillrestaurant, wo er sich eine Portion Spareribs und einen Eistee bestellte. Sobald er seine Mahlzeit verzehrt hatte, entschied er, dass es nun Zeit wurde zu handeln.
Hickmans Penthouse auf dem Dreamworld verfügte auf allen vier Seiten über geräumige Terrassen. Verschiebbare Glaswände gestatteten den Zutritt zu diesen Terrassen, die mit Gruppen sorgfältig gestutzter Bäume in großen Tonkübeln verziert waren. Gekrönt wurde das Penthouse von einer Pyramide mit einem immer noch wie neu aussehenden glänzenden Kupferdach. Winzige Punktstrahler beleuchteten die Bäume und das Pyramidendach.
Während Truitt mit dem Lift ins vorletzte Stockwerk hinauffuhr, rief er sich die Baupläne des Gebäudes ins Gedächtnis. Als die Fahrstuhltüren auf glitten, warf er einen vorsichtigen Blick in den Korridor und stellte fest, dass er leer und verlassen war. Er ging zum Ende des Flurs und kam zu einer weißen Stahlleiter, die an der Wand befestigt war. Truitt erstieg diese Leiter, die vor einer mit einem Vorhängeschloss gesicherten Tür endete. Er holte einen flachen Plastikstreifen aus der Tasche, schob den dünnen Stift ins Schloss und drehte einen winzigen Knopf am oberen Ende herum.
Durch die Drehung wurde ein Katalysator freigesetzt, der bewirkte, dass sich der Plastikstreifen im Schloss verhärtete. Ein paar Sekunden später drehte Truitt den Plastikstab, und das Vorhängeschloss sprang auf. Er nahm es aus der Schließe, drückte die Tür auf, die den Zutritt zu einem Kriechgang gestattete, und kletterte hinein.
Nach den Bauplänen wurde dieser Bereich als Gang für das Personal genutzt, um Wartungsarbeiten durchzuführen. Kabel für Elektrizität sowie Leitungen für Wasser und Kommunikation füllten den Raum aus. Truitt schloss die Tür hinter sich und knipste seine Taschenlampe an. Langsam kroch er durch den schmalen, niedrigen Gang bis zu der Stelle, wo in den Plänen eine weitere Tür verzeichnet war, die zur Terrasse führte.
Als er sich die Terrasse vom gegenüberliegenden Hotel aus angesehen hatte, war Truitt eine Schiebetür aufgefallen, die einen Spaltbreit offen stand. Sie bot ihm die beste Möglichkeit, unbemerkt ins Penthouse einzudringen. Vor der Tür zur Terrasse angelangt, benutzte Truitt einen weiteren Plastikstreifen, um das Schloss zu öffnen, dann klappte er die Tür vorsichtig auf und schaute hinaus.
Kein Alarmsignal ertönte, nichts wies daraufhin, dass seine Aktion bemerkt worden war.
Geduckt, um nicht gesehen zu werden, kletterte Truitt hinaus auf die Terrasse, schloss die Tür und kroch weiter zur Glaswand, die immer noch offen stand. Er schob sie langsam weiter auf und warf einen Blick hinein. Niemand war zu sehen – wachsam betrat er die Höhle des Löwen.
Truitt befand sich im großzügigen Wohnzimmer des Penthouses. Eine halbrunde abgesenkte Sitzgruppe aus Polsterbänken umgab einen offenen Natursteinkamin. Nicht weit entfernt und durch eine einzige Lampe über dem Kochherd erhellt, war eine professionell eingerichtete Küche zu sehen. Auf der anderen Seite befand sich eine lange Bartheke mit Bierzapfhähnen, die aus der Wand ragten. Indirekte Beleuchtung schaffte eine Art Dämmerlicht. Aus unsichtbaren Lautsprechern drang leise Bluegrassmusik.
Truitt schlich geduckt durch den Flur dorthin, wo nach den Plänen Hickmans Büro liegen musste.