Текст книги "Todesschrein"
Автор книги: Clive Cussler
Соавторы: Graig Dirgo
Жанр:
Триллеры
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37
»Lassen Sie den Wagen vorne stehen«, befahl Eddie Seng, nachdem sie vor dem Savoy Hotel vorgefahren und ausgestiegen waren. Er zückte einen Hundert-Dollar-Schein und drückte ihn dem Hausdiener in die Hand. »Und sorgen Sie dafür, dass er nicht eingekeilt wird.«
Cabrillo betrat das Hotel und ging schnurstracks zum Empfangstisch.
»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, erkundigte sich der Angestellte.
»Mein Name ist Cabrillo«, antwortete er. »Meine Firma hat für mich reserviert.«
Der Angestellte gab den Namen ein, dann warf er einen Blick auf die Notiz, die der Direktor hinterlegt hatte. Sie war knapp und eindeutig: Außerordentlich wertvoller Stammgast – unbegrenzter Kredit – Bank of Vanuatu – vier Suiten mit Blick auf den Fluss – weitere Zimmer, falls nötig.
Der Angestellte griff nach den Schlüsseln, dann schnippte er mit den Fingern, und ein Gepäckträger kam zum Empfangspult. Gleichzeitig betraten Bob Meadows und Eddie Seng das Hotelfoyer.
»Wie ich sehe, haben Sie kein Gepäck, Mr. Cabrillo«, stellte der Mann am Empfang fest. »Möchten Sie, dass wir für Sie einkaufen?«
»Ja.« Cabrillo nickte, nahm einen Notizzettel und einen Stift zur Hand und machte einige Notizen. »Rufen Sie morgen früh bitte bei Harrods an. Lassen Sie sich mit einem Mr. Mark Anderson in der Abteilung für Herrenbekleidung verbinden – bitten Sie, folgende Teile zu liefern. Meine Maße hat er bereits.«
Meadows und Seng kamen zum Empfangspult. Jeder trug zwei Reisetaschen. Cabrillo reichte ihnen jeweils einen Schlüssel. »Braucht ihr etwas von Harrods?«
»Nein«, antworteten beide Männer wie aus einem Mund.
Der Gepäckträger wollte sich der Reisetaschen bemächtigen, doch Eddie Seng hob die Hand und bremste ihn.
»Überlassen Sie das lieber uns«, sagte er und steckte dem Mann eine Zwanzig-Pfund-Note zu. »Folgen Sie uns nur nach oben und nehmen Sie nachher den Gepäckkarren wieder mit.«
Die Reisetaschen waren mit Waffen, Kommunikationsgeräten und genügend C-6-Sprengstoff voll gestopft, um das Hotel in einen Schutthaufen zu verwandeln. Der ahnungslose Gepäckträger nickte, schob den Karren näher heran und wartete, um gemeinsam mit den Männern die Suiten aufzusuchen.
»Habt ihr Hunger?«, fragte Cabrillo, während Seng und Meadows die Taschen auf den Karren luden.
»Ich könnte ein Frühstück gebrauchen«, sagte Meadows.
»Dann schicken Sie bitte drei Englische Frühstücke auf mein Zimmer«, sagte Cabrillo und zeigte dem Angestellten seinen Schlüssel. »Und zwar in einer Dreiviertelstunde, wenn möglich.«
»Duschen wir erst mal und ziehen uns um«, sagte Juan Cabrillo zu seinen Freunden, »und dann treffen wir uns um halb zwei in meiner Suite.«
Danach begaben sie sich mit Gepäckkarren und Hausdiener zu den Fahrstühlen und fuhren zu ihren Zimmern hinauf. Cabrillo blieb vor seiner Zimmertür stehen, schloss sie auf und gab dem Gepäckträger ein Zeichen.
»Warten Sie bitte einen Moment«, sagte er. »Sie müssen ein paar Sachen in die Wäscherei bringen, die schnellstens gereinigt und gebügelt werden sollen.«
Er trat ins Zimmer, zog sich aus, schlüpfte in einen der Bademäntel, die im Schrank hingen, und kehrte mit den Kleidern, die er getragen hatte, zur Tür zurück. Er reichte sie dem Hausdiener in einem Wäschesack aus Plastik zusammen mit einem Hundert-Dollar-Schein. »Ich brauche die Sachen so schnell wie möglich zurück.«
»Sollen auch Ihre Schuhe geputzt werden?«, erkundigte sich der Hausdiener.
Cabrillo schüttelte den Kopf. »Nein, vielen Dank, das ist nicht nötig.«
Sobald der Hotelangestellte sich entfernt hatte, stellte sich Cabrillo unter die Dusche. Danach zog er den Bademantel wieder über und öffnete die Zimmertür. Davor war eine Plastiktasche mit Toilettenartikeln abgestellt worden. Er nahm sie mit ins Badezimmer, rasierte sich, benetzte seine Wangen mit einem teuren Aftershave, dann putzte er sich die Zähne und kämmte die Haare. Anschließend kehrte er ins Wohnzimmer zurück und wählte die Nummer des Kontrollraums auf der Oregon.
Zur gleichen Zeit, als Cabrillo letzte Hand an seine äußere Erscheinung legte, zeigte die Uhr in Washington 8:00 abends. Thomas »TD« Dwyer hatte während der letzten Tage Doppelschichten im Labor für Infektionserreger in Fort Derrick, Maryland, absolviert. Es war eine abgelegene Ortschaft in den Bergen nördlich von Washington. Die nächste größere Gemeinde war Frederick. Dwyer war erschöpft und fast geneigt, für diesen Tag Feierabend zu machen. Bisher hatte er die in Arizona aufgesammelten Gesteinsproben ultraviolettem Licht, verschiedenen Säuren, speziellen Gaskombinationen und unterschiedlicher Strahlung ausgesetzt.
Und nichts war geschehen.
»Wollen Sie nicht für heute Schluss machen?«, fragte der Armeetechniker.
»Ich will nur schnell noch eine Probe für morgen abschneiden«, erwiderte Dwyer, »damit wir gleich um acht Uhr wieder anfangen können.«
»Soll ich den Laser warmlaufen lassen?«, fragte der Techniker.
Durch das Sichtfenster aus dickem Glas betrachtete Dwyer die Probe, die in einem Schraubstock auf einer Werkbank in dem hermetisch abgeriegelten Raum steckte. Dwyer hatte schon vorher eine mit Diamantsplittern versehene Druckluftsäge hinter der Einlassschleuse deponiert und bugsierte sie zu der Werkbank hinüber, indem er seine Arme durch die Wand in die dicken Kevlarhandschuhe schob. Die Säge wurde von den Greifarmen eines Arbeitsroboters gehalten, den Dwyer mit Hilfe eines Joysticks steuern konnte.
»Ich werde jetzt die Säge einsetzen«, sagte Dwyer, »halten Sie die Augen offen.«
Der Techniker ließ sich auf einem Stuhl hinter einer ausladenden Steuerkonsole nieder. Die Wand vor ihm – inklusive der Fläche um die kleinen Fenster, die einen Blick auf das Innere der Versuchskabine gestattete – war mit Anzeigeinstrumenten und Bedienungsknöpfen übersät.
»Keinerlei Störungen oder Auffälligkeiten«, stellte der Techniker fest.
Dwyer bewegte behutsam den Joystick und schaltete die Säge ein. Dann senkte er sie langsam auf die Probe herab. Die Säge qualmte erst, dann blieb sie knirschend stehen.
Sie würden sich bis zum Mittag des folgenden Tages mit einer Reparatur gedulden müssen.
Tiny Gunderson drosselte das Gas und schwenkte in die Einflugschneise von Heathrow ein. Er und Tracy Pilston hatten während des Fluges aus Las Vegas abwechselnd geschlafen. Richard Truitt hatte weiter hinten in der Maschine gedöst, war jetzt hellwach und trank seine zweite Kanne Kaffee.
»Wollt ihr auch noch einen Schluck?«, fragte er durch die offene Cockpittür.
»Ich bin fit«, sagte Gunderson. »Was ist mit dir, Tracy?«
Tracy Pilston unterhielt sich gerade per Funk mit dem Tower, doch sie deutete mit der Hand ein Nein an.
»Max hat euch beide in einem Hotel in der Nähe des Flughafens untergebracht«, sagte Truitt. »Ich fahre mit dem Taxi in die Stadt.«
Tiny Gunderson wendete und ging in den Landeanflug.
»Wir tanken auf und halten uns anschließend im Hotel einsatzbereit«, sagte er.
»Das wird das Beste sein«, sagte Truitt.
Etwas hatte Dick Truitt während des gesamten Fluges in einem Zustand der Unruhe gehalten, und er konnte nicht sagen, was es war. Stundenlang hatte er versucht, sich die Inneneinrichtung von Hickmans Büro ins Gedächtnis zu rufen, aber so sehr er sich auch anstrengte, das Bild wurde nicht klarer. Er lehnte sich in seinem Sitz zurück, schloss den Sicherheitsgurt und wartete ungeduldig darauf, dass die Gulfstream endlich aufsetzte.
Zehn Minuten später saß er in einem Taxi, das in Richtung Savoy Hotel rollte. Als draußen die Paddington Station vorbeiglitt, fiel es ihm schlagartig ein.
Overholt hatte die Absicht, auf seiner Couch im Büro zu schlafen, denn er glaubte genau zu wissen, dass während der nächsten achtundvierzig Stunden irgendetwas geschehen würde. Es war fast zehn Uhr abends, als der Präsident noch einmal anrief.
»Ihre Leute haben Mist gebaut«, sagte er ohne Einleitung. »In dem Zug war nichts.«
»Unmöglich«, sagte Overholt. »Ich arbeite schon seit Jahren mit der Corporation zusammen – sie machen keine Fehler. Der Meteorit war in diesem Zug – er muss von dort entfernt und wer weiß wohin gebracht worden sein.«
»Demnach«, sagte der Präsident, »geistert er jetzt irgendwo in England herum.«
»Cabrillo ist zur Zeit in London«, sagte Overholt, »und kümmert sich um die verloren gegangene Bombe.«
»Langston«, sagte der Präsident, »sehen Sie zu, dass Sie die Situation irgendwie unter Kontrolle bekommen, oder denken Sie darüber nach, ob Sie in Zukunft von Ihrer Pension leben wollen.«
»Jawohl, Sir«, konnte Overholt noch erwidern, ehe die Verbindung getrennt wurde.
»Nach unseren Informationen ist der Meteorit irgendwo südlich von Birmingham unterwegs«, antwortete ein müder Max Hanley auf Overholts Frage. »Morgen früh musste unser Schiff in London ankommen. Dann können wir unsere Leute an Land bringen und die Fährte des Meteoriten aufnehmen.«
»Das kann ich nur hoffen«, sagte Overholt. »Hier steht nämlich mein Job auf dem Spiel. Was ist mit der Atombombe?«
»Cabrillo und seine Leute wollen sie morgen genauer lokalisieren und dann den MI5 benachrichtigen«, sagte Hanley.
»Ich werde die Nacht heute in meinem Büro verbringen«, entschied Overholt. »Ruf mich dort an, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten gibt.«
»Versprochen«, sagte Hanley.
Dick Truitt holte sich seinen Schlüssel vom Empfang und gab dem Portier ein Trinkgeld, damit er sein Gepäck auf das Zimmer bringen ließ. Dann ging er durch den Flur zu Cabrillos Suite und klopfte leise an die Tür. Bob Meadows öffnete.
»Welche Freude«, sagte Meadows, als er ihn sah. Er machte Platz, um Truitt eintreten zu lassen. Dieser schaute sich um. Halb volle Essteller standen auf einem Tisch neben aufgeschlagenen Schnellheftern und Stapeln von Dokumenten.
»Guten Morgen, Dick«, begrüßte Cabrillo seinen Kollegen.
Dann trat er zum Telefon und bestellte beim Zimmerservice ein Sandwich und eine Coca Cola. Anschließend kehrte er zum Tisch zurück und ließ sich in einen Sessel sinken.
»Michael kennt mittlerweile die Identität des Soldaten auf den Fotos, die du mitgebracht hast«, sagte Cabrillo, »aber in welcher Verbindung er zu Hickman steht, müssen wir noch eruieren.«
»Er ist sein Sohn«, erklärte Truitt knapp.
»Verdammt«, platzte Eddie Seng heraus, »das erklärt vieles.«
38
»Er muss es sein«, sagte Richard Truitt. »Als ich in Hickmans Büro war, sah ich etwas, das mir seltsam vorkam, dem ich aber nicht auf den Grund gehen konnte, bevor er zurückkam. Auf einem Regalbrett in der Nähe seines Schreibtisches lag ein Paar bronzefarbener Babyschuhe.«
»Wirklich merkwürdig«, sagte Cabrillo. »Von einem Nachkommen Hickmans ist nichts bekannt.«
»Okay«, sagte Truitt, »aber um die Schuhe war eine Kette mit einer Erkennungsmarke gewickelt.«
»Konntest du einen Blick auf die Erkennungsmarke werfen?«, fragte Eddie Seng, seines Zeichens ehemaliger Marineinfanterist.
»Das nicht, aber ich wette, dass jemand von der Polizei in Las Vegas dies für uns übernehmen kann. Der Punkt ist, weshalb sollte Hickman die Erkennungsmarke eines Fremden aufbewahren?«
»Es sei denn sie gehört jemandem, der ihm nahestand«, sagte Bob Meadows, »und gestorben ist.«
»Ich rufe Overholt an und bitte ihn, die Polizei in Las Vegas darauf anzusetzen«, sagte Cabrillo. »Ihr solltet euch lieber ausruhen. Ich habe das Gefühl, als hätten wir morgen einen langen Tag vor uns.«
Meadows und Seng gingen hinaus, Truitt aber blieb noch.
»Ich habe in der Gulfstream geschlafen, Juan«, sagte er. »Du könntest mir die Adressen geben, die du dir beschafft hast, damit ich sie überprüfe.«
Cabrillo nickte und reichte Truitt einen Notizzettel. »Sei morgen früh um acht wieder hier, Dick«, sagte er. »Dann sind auch unsere restlichen Leute da.«
Truitt nickte und ging auf sein Zimmer, um sich umzuziehen. Fünf Minuten später fuhr er mit dem Lift nach unten.
Michael Halpert schob eine Nachtschicht. Die Oregondampfte in Richtung London, gesteuert von einer Minimalbesatzung. Die anderen Leute hatten sich in ihre Kabinen zum Schlafen zurückgezogen, und auf dem Schiff war alles still. Halpert liebte diese Art von Einsamkeit. Nachdem er den Befehl in den Computer eingegeben hatte, die Datenbanken des Verteidigungsministeriums zu durchsuchen, begab er sich in die Messe, wo er sich ein Brötchen toastete und eine frische Kanne Kaffee kochte. Er schmierte Streichkäse auf das Brötchen, wickelte es in Wachspapier ein, nahm die Kanne Kaffee und kehrte mit diesem Imbiss in sein Büro zurück.
Ein einzelnes Blatt Papier lag im Ausgabekorb seines Druckers. Er nahm es heraus und überflog es. Christopher Hunts nächste Angehörige war seine Mutter, Michelle Hunt, die in Beverly Hills, Kalifornien, wohnte.
Halpert gab ihren Namen in den Computer ein und machte sich auf die Suche nach Informationen über sie.
In London war es vier Uhr früh, als die Hawker 800XP mit Hickman an Bord in Heathrow landete. Abgeholt wurde er von einem schwarzen Rolls-Royce, der direkt neben der Landebahn wartete. Kurz darauf rollte der Wagen durch die verlassenen Straßen in Richtung Maidenhead.
Hickman wollte bei den Maidenhead Mills sein, wenn dort der Dienst begann. Seine restlichen Leute sollten schon bald aus Calais eintreffen, und er musste noch einiges erledigen. Er betrachtete den Glasbehälter mit den Seuchenerregern, den er von Vanderwald gekauft hatte. Ein wenig davon und ein wenig Meteoritenstaub – und voilà!
Wenn man die Lage im East End Londons bedachte, dann erschien das Innere des Hauses äußerst luxuriös. Lange der verrufenste Teil Londons, hatte das East End in den letzten Jahren als Wohnviertel erheblich an Beliebtheit gewonnen, da die hohen Preise in Central London die Bürger zunehmend aus dem Stadtzentrum vertrieben hatten.
Das zweistöckige Haus in der Kingsland Road, nicht weit vom Geffrye Museum, hatte die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs nahezu unbeschadet überstanden. Nachdem es einige Jahre als Pension für die Immigranten, die sich Ende des vergangenen Jahrhunderts in dieser Gegend niederließen, gedient hatte, war es während der letzten Jahre von einem Gangsterclan, der nach ihrem Anführer, Derek Goodlin, benannt wurde, renoviert und zu einem Edelbordell umgebaut worden.
Im Parterre befand sich ein Salonbereich mit Séparées und einem Pub. Der erste Stock bestand zum größten Teil aus einem Spielkasino mit einer langen Bar im rückwärtigen Teil des Saales, und der zweite Stock beherbergte die Zimmer, die entsprechend ausgestattet waren, um die verschiedensten Neigungen und Fantasien der zahlungskräftigen Kundschaft zu befriedigen.
Sobald Lababiti in seinem Jaguar vorgefahren und mit Amad ausgestiegen war, wurde Derek Goodlin, der an diesem Abend als Gastgeber im Haus fungierte, von seiner Ankunft unterrichtet. Goodlin, der wegen seiner kleinen glänzenden Augen und seiner pockennarbigen Haut hinter seinem Rücken »Bugs« genannt wurde, nahm die Nachricht grinsend zur Kenntnis, eilte zur Tür und begann im Geiste bereits das Geld zu zählen, das ihm dieser Besuch einbringen würde.
Goodlin hatte schon früher mit dem Araber zu tun gehabt, und er wusste, dass das Haus Tausende verdienen würde, ehe Lababiti Feierabend machte.
»Chivas und Coke«, bestellte Goodlin beim Barkeeper, während er durch den Saal hastete, um seinen Gast zu begrüßen.
Er riss die Tür auf und entblößte seine dünnen, spitzen Zähne mit einem breiten Grinsen. »Mr. Lababiti«, sagte er mit der warmen Herzlichkeit einer in einen Eisblock eingeschlossenen Schlange, »wie schön, dass Sie uns heute Abend die Ehre geben.«
Lababiti verachtete Goodlin. Er stellte all das dar, was mit dem Westen nicht in Ordnung war. Goodlin verkaufte Sünde und Verworfenheit – die Tatsache, dass Lababiti hier ein treuer Abnehmer war, machte da kaum einen Unterschied.
»’n Abend, Derek«, sagte Lababiti reserviert, während er das Glas entgegennahm, das ihm der Kellner reichte. »Wie ich sehe, machen Sie noch immer Ihre fragwürdigen Geschäfte.«
Goodlin grinste verschlagen. »Ich liefere nur, was die Leute haben wollen«, sagte er.
Lababiti nickte und gab Amad ein Zeichen, ihm zu folgen. Er ging auf die mit üppigen Schnitzereien versehene Mahagonibar im Gastraum zu. Dort ließ er sich an einem runden Tisch, auf dem eine brennende Kerze stand, in einen Sessel sinken. Goodlin folgte ihm wie ein Schoßhündchen.
»Wollen Sie heute Abend noch ein Spielchen machen?«, erkundigte er sich, sobald die beiden Besucher saßen.
»Vielleicht später«, sagte Lababiti, »zuvor aber können Sie meinem Freund hier einen Arrak bringen, und dann bitten Sie Sally an unseren Tisch.«
Goodlin gab dem Kellner ein Zeichen, eine Flasche dieses starken orientalischen Getränks mit Lakritzgeschmack sowie ein Glas an den Tisch zu bringen, dann wandte er sich wieder zu Lababiti um. »Sally Forth oder Sally Spanks.«
»Forth für ihn«, antwortete Lababiti und deutete auf seinen Begleiter, »und Spanks für mich.«
Goodlin entfernte sich, um den Frauen Bescheid zu sagen. Nur Sekunden später stellte der Kellner die Flasche Arrak und ein Glas auf den Tisch. Amad, der am nächsten Tag sterben sollte, sah noch immer völlig verängstigt aus.
Derek Goodlin schloss die Tür hinter Lababiti und seinem Freund, dann kehrte er in sein Büro zurück. Er setzte sich und begann einen Stapel Geldscheine zu zählen, während er gelegentlich von seinem Kognak trank, den er sich kurz zuvor eingeschenkt hatte. Es war ein guter Abend gewesen. Der Araber und sein stummer Begleiter hatten seine Tageseinnahme um fünftausend Pfund erhöht. Dies, zusammen mit dem japanischen Stammgast, der beim Roulette schwere Verluste hatte hinnehmen müssen, bescherte ihm gegenüber dem vorangegangenen Abend einen um dreißig Prozent höheren Gewinn.
Er umwickelte einen Stapel Pfundnoten mit einem Gummiband, um ihn in den Safe zu legen, als es an der Tür klopfte. »Moment«, sagte er, während er das Geld im Safe deponierte, die Tür schloss und das Zahlenrad mehrmals drehte.
»Okay«, sagte er schließlich, sobald der Safe geschlossen war, »herein.«
»Ich komme wegen meines Lohns«, sagte Sally Forth, »außerdem wird es mein letzter sein.«
Die Haut um ihr linkes Auge war bläulich angelaufen und geschwollen.
»Lababiti?«, fragte Goodlin. »Ich dachte, du solltest dich um den Jungen kümmern.«
»Das habe ich auch getan«, sagte Sally. »Er wurde etwas gemein, nachdem …«
»Nachdem was?«, fragte Goodlin.
»Nachdem er ihn nicht hochkriegen konnte«, antwortete Sally Forth.
Goodlin holte einen der Briefumschläge, die er für die Mädchen, die an diesem Abend gearbeitet hatten, vorbereitet hatte, aus seiner Schreibtischschublade und reichte ihn über den Tisch. »Ruh dich ein paar Tage aus«, sagte er, »und komm am Mittwoch wieder zur Arbeit.«
Sie nickte müde, verließ das Büro und humpelte durch den Korridor.
Nebile Lababiti lenkte den Jaguar durch die Leadenhall Street nach Westen. Amad saß stumm auf dem Beifahrersitz.
»Hast du dich gut amüsiert?«, erkundigte sich Lababiti.
Amad gab einen undefinierbaren Laut von sich.
»Bist du morgen bereit?«
»Allah ist groß«, erwiderte Amad leise.
Lababiti musterte den Jemeniten von der Seite. Er starrte aus dem Seitenfenster auf die Gebäude, die gerade vorbeihuschten. Lababiti kamen erste Zweifel, was die Opferbereitschaft Amads betraf, doch er verdrängte sie. Am Morgen, in aller Frühe, würde er dem Jemeniten die letzten Instruktionen geben.
Dann würde er zum Kanaltunnel fahren und sich nach Frankreich absetzen.
Dick Truitt spazierte den Strand hinunter bis zu der Seitenstraße, in der Lababiti nach seinen Informationen eine Wohnung gemietet hatte. Im Parterre grenzte ein leer stehender Laden an die Eingangshalle. Die drei Stockwerke darüber, wo sich die Wohnungen befanden, waren dunkel. Offensichtlich schliefen die Bewohner. Truitt öffnete die Eingangstür des Hauses mit einem Spezialdietrich und durchquerte die Halle, um die Briefkästen zu inspizieren. Sein Blick wanderte über die Namen, als ein Jaguar vor dem Gebäude hielt und zwei Männer ausstiegen. Truitt eilte am Fahrstuhl vorbei zu einer Nische, von der aus eine Treppe zu den oberen Stockwerken führte. Dann lauschte er, während die Männer das Haus betraten und zum Fahrstuhl gingen.
Er wartete, während der Fahrstuhl herunterkam, seine Tür sich öffnete und wieder schloss und die Kabine gleich wieder hochfuhr. Dann verließ er sein Versteck und beobachtete die Stockwerksanzeige über der Lifttür. Der Fahrstuhl stoppte im dritten Stock. Truitt trat wieder zur Treppe und stieg die drei Treppen hinauf. Dort holte er ein winziges Mikrofon aus der Tasche, steckte sich einen kleinen Hörer ins Ohr und ging langsam durch den Flur an den Wohnungstüren vorbei. In einem Apartment hörte er das Schnarchen eines Mannes, in einem anderen miaute eine Katze. Etwa in der Mitte des Flurs vernahm er plötzlich Stimmen.
»Man kann die Couch zu einem Bett ausklappen«, sagte die eine.
Die Antwort konnte Truitt nicht verstehen. Er merkte sich die Nummer der Wohnung und stellte sich vor, wo sich ihre zur Straße gelegenen Fenster befinden müssten. Dann führte er den kleinen Geigerzähler, den er außerdem mitgebracht hatte, über die geschlossene Tür.
Er zeigte keinerlei Strahlung an.
Danach schlich Truitt die Treppe wieder hinunter, verließ die Eingangshalle und blickte hinauf zu den Fenstern von Lababitis Wohnung. Die Vorhänge waren zugezogen. Truitt bückte sich unter das Heck des Jaguars und befestigte eine kleine Magnetscheibe am Benzintank. Dann überprüfte er den Wagen mit dem Geigerzähler und konnte auch hier keinerlei Strahlung feststellen.
Nachdem er sich die angrenzenden Gebäude eingeprägt hatte, kehrte er zum Strand zurück.
Die Straße war nahezu verlassen, nur ein paar Taxis fuhren vorbei, und ein einzelner Lastwagen wurde vor einem McDonald’s Restaurant, das rund um die Uhr geöffnet hatte, entladen. Truitt ging auf der Nordseite fast bis zum Leicester Square und las dabei ausführlich die Aufführungspläne der verschiedenen Theater in ihren Schaukästen. Dann wechselte er auf die Südseite.
Dort kam er an einem Laden vorbei, in dem klassische englische Motorräder angeboten wurden. Er blieb stehen und betrachtete die im Schaufenster ausgestellten Maschinen. Verschiedene Ariels, BSAs, Triumphs und sogar eine legendäre Vincent. Das reinste Paradies für einen Motorradfreak.
Er kehrte zum McDonald’s zurück, holte sich an der Theke ein Blätterteiggebäck und eine Tasse Kaffee und setzte sich an einen freien Tisch.
Um 5:30 Uhr Londoner Ortszeit – 21:30 Uhr in Las Vegas – hatte Captain Jeff Porte vom Las Vegas Police Department große Mühe, den Sicherheitschef von Dreamworld dazu zu bewegen, ihm den Zutritt zum Penthouse zu gestatten.
»Sie werden einen Durchsuchungsbeschluss vorlegen müssen«, erklärte der Sicherheitschef, »das ist der einzige Weg, auf dem ich Sie reinlassen kann.«
Porte nickte. »Okay, aber soweit wir wissen, wurde bei Ihnen eingebrochen«, sagte er, »daher ermitteln wir in einem begangenen Verbrechen.«
»Trotzdem kann ich Sie nicht reinlassen, Jeff«, sagte der Sicherheitschef.
»Dann werde ich mir einen Durchsuchungsbeschluss holen«, sagte Porte, »und wenn ich das tue, komme ich mit dem Fernsehen zurück. Ich weiß nicht, ob das für Ihren Kasinobetrieb hier so günstig ist – Polizei und Reporter in der Lobby und wer weiß wo noch auf dem Gelände.«
Der Sicherheitschef ließ sich das einige Sekunden lang durch den Kopf gehen. »Dann lassen Sie mich wenigstens erst noch einmal telefonieren«, meinte er schließlich.
Hickman hatte Maidenhead beinahe erreicht, als sein Telefon klingelte. Nachdem ihm der Sicherheitschef die Situation erklärte hatte, ergriff Hickman das Wort.
»Erklären Sie den Leuten, dass Sie den Durchsuchungsbefehl wohl oder übel besorgen müssen«, sagte er, »und dann benachrichtigen Sie unseren Anwalt, damit er protestiert und die Ausführung nach Möglichkeit verhindert. Egal, was Sie tun, halten Sie die Leute so lange auf wie möglich.«
»Gibt es ein Problem, Sir?«, fragte der Sicherheitsmann.
»Nichts, womit ich nicht allein fertig werde«, erwiderte Hickman.
Er spürte, wie sich das Netz langsam um ihn zuzog.
Michael Halpert weitete seine Suche aus. Er loggte sich in den FAA-Computer ein und rief die Flugdaten für Hickmans Privatjet auf. Sobald sie auf seinem Bildschirm erschienen, wusste er, dass er ihren Mann gefunden hatte. Eine von Hickmans Maschinen, eine Hawker 800XP, hatte erst vor kurzem einen Flugplan für Griechenland eingespeichert. Der letzte Plan betraf einen Flug von Las Vegas nach London und ergab, dass sich Hickmans Jet zur Zeit in London befand.
Während er die Pläne ausdrucken ließ, begann Halpert, die englischen Grundbesitzverzeichnisse zu durchsuchen.
Unter Hickmans Namen wurde nichts entdeckt, daher ging er die lange Liste von Hickmans Firmen durch. Es würde sicherlich Stunden dauern, bis die Suche Früchte trüge. Während der Computer arbeitete, überlegte Halpert, weshalb sich einer der reichsten Männer auf der Welt mit arabischen Terroristen zusammentun könnte, um in London eine Atombombe zu zünden.
Eigentlich ging es immer nur um Liebe oder Geld. Dachte Halpert.
Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, dass Hickman aus einer Katastrophe wie einer Atombombenexplosion irgendeinen Profit ziehen konnte. Eine Stunde lang suchte Halpert nach einem möglichen finanziellen Motiv, fand aber nichts dergleichen.
Dann musste es also Liebe sein, schlussfolgerte er.
Aber was könnte jemand, um zu töten, mehr lieben als seine Familie?