Текст книги "Todesschrein"
Автор книги: Clive Cussler
Соавторы: Graig Dirgo
Жанр:
Триллеры
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»Euer Exzellenz«, erwiderte Cabrillo ebenfalls lächelnd und drehte sich halb zu Jones um, »mein Geschäftspartner, Peter Jones.«
Jones ergriff die Hand des Emir und schüttelte sie kräftig. »Sehr angenehm«, sagte der Emir und deutete auf einige Sofas in der Nähe. »Nehmen wir dort Platz.«
Die vier Männer ließen sich nieder, und wie durch einen geheimen Zauber tauchte plötzlich ein Kellner auf.
»Tee und Gebäck«, verlangte der Emir.
Der Kellner verschwand so schnell, wie er erschienen war.
»Wie ging denn nun die Sache in Island aus?«, fragte der Emir.
Cabrillo berichtete ihm die Einzelheiten. Der Emir nickte.
»Wenn Sie und Ihre Männer nicht dort gewesen wären und den Austausch durchgeführt hätten«, sagte der Emir, »wer weiß, wo ich jetzt wäre.«
»Al-Khalifa ist tot, Euer Exzellenz«, sagte Cabrillo, »damit sind Sie eine Sorge los.«
»Trotzdem«, sagte der Emir, »möchte ich, dass die Corporation eine gründliche Bewertung meiner Sicherheit und der Gefahren für meine Regierung vornimmt, und zwar so bald wie möglich.«
»Das tun wir gern«, sagte Cabrillo, »aber im Augenblick gibt es eine viel dringlichere Angelegenheit, über die wir reden müssen.«
Der Emir nickte. »Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an.«
Und Cabrillo begann mit seinen Ausführungen.
47
Die drei mit vergifteten Gebetsteppichen gefüllten Frachtcontainer standen am Rand des Frachtterminals des Riyadh Airport hinter einem Maschendrahtzaun, der eine Fläche von mehreren Fußballfeldern umschloss. Wäre die Zeit bis zum Beginn des Haddsch nicht so knapp gewesen, wären die Teppiche längst weitertransportiert und ausgeladen worden. Da sie jedoch zu spät eingetroffen waren, mussten sie mit einem weitaus ungünstigeren Platz auf der Prioritätenliste vorlieb nehmen. Solange sie sich am Tag vor dem Beginn des Haddsch in der Nähe der Kaaba befanden, betrachtete Al-Sheik diesen Punkt als erfolgreich erledigt.
Im Augenblick war der Planer mit weitaus dringenderen Angelegenheiten beschäftigt. Es gab da noch fast eine Million Plastikflaschen mit Mineralwasser, die verteilt werden mussten, zehntausend tragbare Toiletten zur Ergänzung derer, die bereits auf dem Gelände aufgestellt worden waren, sechs vollständige in Zelten untergebrachte Erste-Hilfe-Stationen, die den äußersten Ring um das Gelände bildeten, und zehntausend tragbare Mülleimer.
Kartons mit bedruckten Flugblättern und Souvenirs, kostenlose Koran-Exemplare und Postkarten und Kartons voller Tuben mit Sonnencreme warteten auf Paletten auf ihre weitere Verwendung. Lebensmittel für die Pilger, sechstausend Besen für die Arbeiter, um den täglich anfallenden Schmutz zu entfernen, tragbare Schirme für den Fall, dass es regnete. Und schließlich zwölf große Kisten mit Ventilatoren, die zur Belüftung an entsprechenden Stellen innerhalb der Großen Moschee aufgestellt werden sollten.
Doch Al-Sheik hatte mit den Sicherheitsmaßnahmen nichts zu tun.
Dafür war die saudi-arabische Geheimpolizei zuständig.
In einem abgesperrten Bereich des Frachtterminals wurden bereits Lastwagen beladen, um sicherheitsrelevante Gerätschaften nach Mekka zu bringen – unter anderem eine vollständig ausgerüstete Kommandoeinrichtung mit Funkgeräten und Videoüberwachung; einhunderttausend Schuss Munition und Tränengas für den Fall, dass es zu Unruhen kommen sollte; eintausend Plastikhandschellen; vierzig ausgebildete Hunde mitsamt Zwingern, Nahrung und zusätzlichen Leinen und Halsbändern sowie ein Dutzend gepanzerte Mannschaftswagen, vier Panzer und Tausende von Soldaten.
Der alljährliche Haddsch war ein Riesenunternehmen, deren Kosten die saudische Königsfamilie übernahm.
Al-Sheik betrachtete sein Klemmbrett und hakte dann einen Lastwagen ab, der soeben das Flughafengelände verließ.
Der Emir hatte seinen heißen Tee getrunken und Cabrillo fast zwanzig Minuten lang zugehört, ohne ihn zu unterbrechen. Schließlich trat Stille ein.
»Gestatten Sie mir, Sie wenigstens ansatzweise mit der Geschichte des Islam vertraut zu machen?«
»Sehr gern«, sagte Cabrillo.
»Es gibt drei wichtige Orte für die islamische Religion, und zwar liegen zwei dieser Orte in Saudi-Arabien und der dritte in Israel. Der erste und heiligste Ort ist die Al-Haram-Moschee in Mekka, wo sich die Kaaba befindet, der zweite Ort ist Masjid al-Nabawi, die Moschee des Propheten in Medina, mit dem Grab Mohammeds. Der dritte Ort ist Masjid al-Aksa in Jerusalem, wo Mohammed auf einem Pferd zum Himmel aufgefahren ist, um mit Allah zu sprechen.«
Der Emir machte eine kurze Pause, trank von seinem Tee und fuhr dann fort.
»Die Kaaba ist für Muslime von ganz besonderer Bedeutung. Sie ist der Ort, an dem fünfmal am Tag gebetet wird: der Mittelpunkt unseres Glaubens. Hinter den Tüchern, die den heiligen Ort der Kaaba verhüllen, in dem Gebäude selbst, befindet sich der so genannte Schwarze Stein, den Abraham vor vielen Jahrhunderten gefunden und eigenhändig dort abgesetzt hat.«
Juan Cabrillo und Pete Jones nickten.
»Wie Sie bereits erwähnten, soll es sich bei diesem Stein um einen Meteoriten handeln, der von Allah den Gläubigen geschickt worden ist«, fügte der Emir hinzu.
»Könnten Sie den Stein etwas genauer beschreiben?«, fragte Jones.
Der Emir nickte. »Ich habe ihn selbst schon mehrmals berührt. Der Stein ist rund, mit einem Durchmesser von etwa dreißig Zentimetern. Und er ist schwarz. Was sein Gewicht betrifft, so kann ich nur schätzen, und ich würde sagen, er dürfte um die hundert Pfund schwer sein.«
»Das sind ungefähr auch die Maße des auf Grönland gefundenen Meteoriten«, stellte Cabrillo fest.
Die Miene des Emirs zeigte einen Ausdruck des Erschreckens.
»Ich habe vergessen, etwas Bestimmtes zu erwähnen, Euer Exzellenz«, sagte Cabrillo. »Unsere Wissenschaftler haben Grund zu der Annahme, dass in dem Grönland-Meteoriten ein Virus eingeschlossen ist, das freigesetzt werden könnte, wenn die Kugel gespalten wird.«
»Was für eine Art von Virus?«, wollte der Emir wissen.
»Ein Virus, das Sauerstoff mit enormer Geschwindigkeit verschlingt«, erklärte Cabrillo, »und auf diese Art und Weise ein Vakuum erzeugt, das alles, was sich in seiner Nähe befindet, in sich hineinsaugt.«
»Das wäre der Weltuntergang.« Der Emir war entsetzt.
»Ich muss irgendwie nach Saudi-Arabien«, sagte Cabrillo schnell, »um das zu verhindern.«
»Dies, mein Freund, ist schwieriger, als es auf den ersten Blick erscheinen mag«, sagte der Emir. »Seit dem Golfkrieg 2003 unterhalten König Abdullah und ich eine ziemlich schwierige Beziehung. Meine umfangreiche und ständige Unterstützung der Vereinigten Staaten – ich gestatte Soldaten ungehinderten Zugang in mein Land und den Bau einer Flugbasis – hat unsere Freundschaft empfindlich gestört, zumindest nach außen hin. Um die Hardliner in seinem Land friedlich zu stimmen und an der Macht zu bleiben, hat er mich öffentlich angreifen und verurteilen müssen.«
»Wenn Sie ihm die drohende Gefahr erklären, wird er sich gewiss besinnen«, sagte Jones.
»Ich werde es gerne versuchen«, versprach der Emir, »aber zur Zeit verkehren wir nur über Unterhändler miteinander. Und diese Art der Kommunikation ist sehr zeitaufwendig und mühsam.«
»Werden Sie es trotzdem versuchen?«, wollte Cabrillo wissen.
»Natürlich. Aber selbst wenn er Ihnen gestatten würde zu helfen«, sagte der Emir, »haben wir ein weiteres Problem. Und das ist sehr ernst.«
»Und welches wäre das?«, fragte Cabrillo.
»Die Stadt Mekka darf nur von Muslimen betreten werden.«
Scott Thompson war in Schweiß gebadet.
Dr. Berg hatte ihm soeben etwas auf den Kopf und über die Augen gesetzt, das aussah wie ein Headset für Videospiele, und es dann unverrückbar festgeschnallt. Bis jetzt hatte sich Thompson halten können. Man hatte ihm ein Wahrheitsserum injiziert, das bei ihm jedoch keine Wirkung gezeigt hatte. Dann war er während der letzten Tage pausenlos verhört worden, und man hatte sogar Telefonanrufe seiner Angehörigen aus den USA arrangiert, die ihm erklärten, was man ihnen angedroht hatte, falls er nicht zur Kooperation bereit sei.
Nichts hatte ihn jedoch zum Reden gebracht.
Thompson war auf solche Situationen vorbereitet worden: Man hatte ihm eingebleut, auf keinen Fall zu kapitulieren.
Er hatte gelernt, sich gegen das Wahrheitsserum zu wehren, war immer wieder daran erinnert worden, wie er sich bei Verhören verhalten müsse, und hatte die Tatsache verinnerlicht, dass die Vereinigten Staaten, ganz gleich, was man ihm erklärte, niemals unschuldigen Menschen Schaden zufügen würden, um ihn zum Reden zu bringen.
Doch über das, was jetzt geschah, hatte ihn niemand informiert.
Thompson spürte Bergs Atem dicht an seinem Ohr.
»Scott«, sagte Berg, »Sie werden gleich farbige Lichter sehen. Nach einiger Zeit werden sie bei Ihnen epileptische Krämpfe auslösen und ein brennendes Gefühl erzeugen, als würden Ihnen glühende Nadeln ins Gehirn gestoßen. Wenn Sie glauben, sich übergeben zu müssen, und dazu wird es kommen, werden Sie Ihren Kopf wahrscheinlich nicht bewegen können, daher sollten Sie darauf achten, nicht Ihr eigenes Erbrochenes einzuatmen. Es wird aber eine Krankenschwester bereitstehen, um Ihnen behilflich zu sein und alles abzusaugen. Haben Sie verstanden?«
Thompson bewegte den Kopf so gut es ging.
»Ich möchte Ihnen jedoch noch eine letzte Chance geben, uns entgegenzukommen, ehe wir anfangen. Sie sollten wissen, dass wir diese Technik nur sehr selten anwenden, weil zahlreiche Patienten bei dieser Therapie bereits auf der Strecke geblieben sind. Damit meine ich vegetative und katatonische Reaktionen bis hin zu tatsächlichen Todesfällen. Ist Ihnen klar, was das für Sie bedeutet?«
Fregattenkapitän Gant beobachtete das Geschehen aus einiger Entfernung. Er konnte unmöglich mit ansehen, was gleich geschehen würde, und gab ein Zeichen, dass er hinausgehen wolle. Berg winkte kurz, als er den Raum verließ. Dann setzte er sich vor eine Computertastatur und gab die entsprechenden Befehle ein.
Thompson begann zu zucken und bäumte sich gegen die Gurte auf, die ihn auf der Bahre fixierten.
Schließlich zappelte er wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Es war zwei Uhr nachmittags in Katar und neun Uhr morgens in Washington, D.C., als Langston Overholt seinen Telefonhörer abnahm. Juan Cabrillo vergeudete wirklich keine Zeit.
»Ich bin in Katar«, berichtete er. »Wir gehen jetzt davon aus, dass Hickman möglicherweise an einem der drei wichtigsten Orte des Islam zuschlagen wird.«
»Das wären die Kaaba, das Grab Mohammeds oder der Felsendom«, sagte Overholt. »Ich habe mich informiert.«
Overholt hatte am Vortag einige Stunden mit dem Islam-Experten der Agency verbracht und einen ganzen Stapel Dokumente gelesen, die die Recherche-Abteilung für ihn vorbereitet hatte.
»Sehr lobenswert«, sagte Cabrillo anerkennend.
»Außerdem habe ich von der National Security Agency sämtliche Kommunikation überprüfen lassen, die Hickman während der letzten Wochen geführt hat, und schließlich sehr interessante Ergebnisse erhalten«, sagte Overholt. »Er hatte Kontakt mit Pieter Vanderwald – soeben wurde von einer von Vanderwalds Tarnfirmen ein Expresspaket nach Saudi-Arabien geschickt.«
»Pieter, der Giftmischer?«, fragte Cabrillo.
»Genau der«, bestätigte Overholt.
»Jemand sollte sich seiner annehmen«, sagte Cabrillo.
»Ich habe eine entsprechende Anweisung herausgegeben«, erwiderte Overholt. »Im Augenblick ist ein Einsatzteam auf der Suche nach ihm.«
»Hast du in letzter Zeit mit Hanley gesprochen?«, erkundigte sich Cabrillo.
»Ja«, antwortete Overholt, »er beschrieb mir, was deine Männer in der Spinnerei in Maidenhead gefunden haben. Wir sind sicher, dass es irgendein Gift ist, das Vanderwald geliefert hat.«
»Und dieses Gift haben sie auf die Gebetsteppiche gesprüht«, sagte Cabrillo.
»Bestimmt hat er die Container versiegelt, sonst wären die Piloten während des Fluges erkrankt und mit der Maschine abgestürzt. Hickman ist verrückt, aber nicht dumm. Erst wenn die Container geöffnet werden, haben wir ein Problem.«
»Was stündlich geschehen kann«, sagte Cabrillo.
In diesem Moment begann das Faxgerät in Overholts Büro zu drucken. Er fuhr mit seinem Schreibtischsessel hinüber, nahm die bedruckten Bögen Papier aus dem Ablagefach, rollte zu seinem Schreibtisch zurück und überflog sie.
»Ich tippe darauf, dass er im Felsendom zuschlägt und den Israelis die Schuld für die ganze Affäre in die Schuhe schiebt«, sagte Overholt.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Cabrillo.
»Erinnerst du dich noch an die Jacht, die den Meteoriten zu den Faröern gebracht hat und von unserer Flugkörper-Fregatte gestoppt wurde?«
»Klar«, sagte Cabrillo.
»Ich habe einen Spezialisten der NSA an Bord geschickt«, sagte Overholt. »Er hat den Rädelsführer am Ende doch zum Sprechen gebracht.«
»Und?«
»Vor zwei Wochen hat Hickman ein eigenes Team nach Israel geschickt, um den Felsendom mit Videokameras und Sprengstoff präparieren zu lassen. Wenn er es schaffen sollte, den Stein Abrahams zu stehlen, dann hat er offenbar vor, ihn nach Jerusalem zu bringen, durch die Explosion zu zerstören und anschließend das Video von dieser Tat weltweit vorzuführen.«
»Was ist mit der Operation in Saudi-Arabien?«, fragte Cabrillo. »Hat er darüber irgendetwas preisgegeben?«
»Offensichtlich wusste er nichts davon. Hickman muss mit den Vorbereitungen für dieses Unternehmen eine andere Gruppe betraut haben.«
»Dann solltest du mir einen Gefallen tun«, sagte Cabrillo.
»Ich höre.«
»Geh die Personalunterlagen des gesamten in Katar stationierten Militärs durch.«
»Weshalb?«
»Ich brauche jeden Muslim, den ich kriegen kann.«
»Wer wird sie in Mekka anführen?«
»Keine Sorge«, sagte Cabrillo, »dafür habe ich genau den richtigen Mann.«
Die Oregonlief soeben in die Straße von Gibraltar ein, als Hanley nach seinem Gespräch mit Juan Cabrillo auflegte. Er aktivierte sein Intercom.
»Hali und George sollen sofort in den Kontrollraum kommen«, sagte er und wiederholte die Bitte noch einmal.
Während er auf die beiden Männer wartete, wandte er sich an Eric Stone. »Ändere den Kurs und steuere Israel an, und zwar den Hafen, der Jerusalem am nächsten liegt.«
Eric Stone lud eine Landkarte auf seinen Monitor. Ashdod erfüllte mit seinem Hafen die geforderten Voraussetzungen. Er gab entsprechende Befehle ein, und das Steuerprogramm des Schiffs änderte automatisch seine Parameter. In diesem Moment betrat George Adams den Kontrollraum.
»Was gibt’s?«, erkundigte er sich.
»Du musst sofort deinen Helikopter startklar machen und Hali nach Tanger in Marokko bringen.«
»Und was soll ich danach tun?«, fragte Adams weiter.
»Tank deinen Vogel auf und komm zur Oregonzurück.«
»Wird sofort in die Wege geleitet«, sagte Adams und ging hinaus.
Wenig später erschien Hali Kasim im Kontrollraum.
»Bist du bereit, eine Operation zu führen?«, fragte Hanley.
»Klar, Max, jederzeit«, erwiderte Kasim grinsend.
»Juan ist zwar der Einzige, der Zugang zu euren Personalakten hat«, sagte Hanley, »aber wenn ich dich richtig verstanden habe, bist du Muslim. Stimmt das?«
»Das ist richtig.«
»Gut.« Max Hanley nickte zufrieden. »Die Challenger ist zurzeit von Katar nach Marokko unterwegs. Du musst einen Einsatztrupp nach Mekka bringen.«
»Und zu welchem Zweck, Max?«, fragte Kasim.
»Du« – Hanley sah seinen Kollegen ernst an – »wirst die Aufgabe haben, die heiligsten Orte des Islam zu beschützen.«
»Das wird mir eine große Ehre sein«, entgegnete Hali Kasim feierlich.
48
Sich als Nichtmuslim in Mekka aufzuhalten löste bei Hickman keinerlei Beklemmungen aus.
Er hasste die islamische Religion und alles, wofür sie stand. Nachdem er sich mit den zwölf Indern um vier Uhr nachmittags in dem Haus in Riad getroffen und sie über die bevorstehende Operation informiert hatte, starteten sie zu ihrer zehnstündigen Fahrt nach Mekka und zur Kaaba. Dazu benutzten sie einen gestohlenen Lieferwagen, dessen arabische Aufschrift auf den Seitenwänden ihn als Dienstfahrzeug einer Reinigungsfirma auswies. Die Inder selbst trugen wallend lange weiße Gewänder, und jeder war mit Schrubber, Putzeimer, Spachtel und Bürsten ausgerüstet.
Hickman hatte gegen ein entsprechendes Honorar an einen Fälscher einen Empfehlungsbrief in arabischer Sprache schreiben lassen, aus dem hervorging, dass der Trupp den Auftrag hatte, auf dem gesamten Gelände möglichst alle Kaugummireste zu entfernen. In einem hellgelben Plastikgerätewagen hatte Hickman hinter einer weißen Stoffabdeckung sowohl den Meteoriten als auch einige Spraydosen versteckt, die Vanderwald seiner letzten Lieferung beigepackt hatte. Bei jedem Hindu war eine Ladung C-6-Sprengstoff mitsamt einem winzigen Zeitzünder mit Klebeband in Taillenhöhe auf dem Rücken befestigt worden. An jedem ihrer Beine, verhüllt von den weiten Gewändern, die sie trugen, klebte außerdem eine Pistole – für den Fall, dass es irgendwelche unvorhergesehenen Schwierigkeiten geben sollte.
Der Lieferwagen stoppte vor dem Tor, durch das man in die riesige Moschee gelangte. Hickman und die anderen stiegen aus, holten den Gerätekarren, Eimer und Schrubber aus dem Lieferwagen und gingen auf den Torwächter zu. Hickman hatte für diesen Augenblick unermüdlich trainiert und sowohl die arabische als auch die Körpersprache erlernt. Er reichte dem Wächter den Empfehlungsbrief und begleitete dies mit einem entsprechenden Kommentar.
»Wir sind im Namen Allahs hier, um die heilige Stätte zu säubern«, sagte er mit gewichtigem Unterton.
Es war schon spät, der Wächter war müde und die Moschee geschlossen.
Es gab keinen Grund für ihn zu glauben, dass die Männer etwas anderes waren als das, wofür sie sich ausgaben – daher winkte er sie kommentarlos durch. Hickman, der den Karren vor sich herschob, erreichte als Erster das Innere des Schreins.
Sobald er sich in der Moschee befand, schob er sich eine Atemmaske mit Filter über Mund und Nase und drapierte seine Kopfbedeckung dergestalt um sein Gesicht, dass nur noch seine Augen zu sehen waren. Er gab den Hindus ein Zeichen, auszuschwärmen und die Sprengladungen rundum zu verteilen. Danach steuerte er gezielt auf die Kaaba zu.
Vier hoch gewachsene Männer in zeremoniellen Uniformen hielten an jeder Ecke des Bauwerks Wache. Alle fünf Minuten verließen sie ihre Standorte an den Ecken des schwarzen Würfels, wobei sie bei jedem Schritt die Füße übertrieben hoch hoben – wie die Wachsoldaten vor dem Buckingham-Palast. Jeder Wächter marschierte im Uhrzeigersinn von seiner Ecke zur nächsten, blieb dann stehen und nahm wieder stramme Haltung an. Sie hatten soeben den Positionswechsel vorgenommen, als sich Hickman mit seinem Karren näherte.
Er griff in den Karren hinein, öffnete eine der Spraydosen und schob sie dicht an den nächsten Wächter heran. Ein oder zwei Sekunden lang rührte sich der Wächter nicht, doch dann sank er auf die Knie, kippte nach vorne auf die Brust und streckte sich bäuchlings auf dem Marmorfußboden aus. Hickman schlüpfte mit dem Karren schnell unter den schwarzen Brokatvorhang.
Nach wenigen Schritten stand er vor dem Stein Abrahams und hebelte ihn mit einem kurzen Stahlstab, den er ebenfalls im Karren versteckt hatte, aus seiner Silberfassung. Schnell tauschte er ihn gegen den Meteoriten aus Grönland aus und deponierte den Stein Abrahams unter der weißen Stoffverkleidung des Gerätekarrens. Außerdem legte er noch einige Sprengladungen und tauchte mit dem Karren wieder unter dem schwarzen Tuch auf.
Vanderwald hatte darauf hingewiesen, dass die Wirkung des Betäubungsgases, das er geliefert hatte, nur drei oder vier Minuten lang anhielt. Danach würde jeder, der das Gas eingeatmet hatte, wieder zu sich kommen. Hickman beeilte sich, den Karren in Richtung Ausgang zu schieben.
Die Hindus gingen zügig zu Werke. Die ersten sechs hatten die dem Eingang am nächsten stehenden Säulen mit Sprengladungen versehen und warteten bereits vor dem Durchgang. Zwei weitere erschienen kurz darauf, danach kamen noch zwei.
Hickman verfolgte, wie die letzten beiden Männer im Laufschritt auf ihn zukamen.
Mit den Hindus im Schlepptau ging Hickman mit dem Gerätekarren an dem Wächter vorbei, der sich am Eingang befand.
»Was hat das zu bedeuten?«, wunderte sich der Wächter über ihre schnelle Rückkehr.
»Wir bitten tausendmal um Entschuldigung«, erwiderte Hickman auf Arabisch, wobei er mit dem Karren zum Lieferwagen weiterging, »man hat uns erklärt, wir sollten erst morgen Abend zum Saubermachen herkommen.«
Hickman und seine Männer zwängten sich in den Lieferwagen und fuhren soeben los, als der Wächter aufwachte. Er wälzte sich einige Sekunden lang benommen herum, bis er sich aufgesetzt hatte, dann sah er sich um, ob jemand etwas bemerkt hatte. Der Wächter an der anderen Ecke blickte in die andere Richtung, wie die Vorschriften es verlangten. Er stand schwankend auf und blickte auf seine Uhr. Noch anderthalb Minuten bis zum Platzwechsel. Der Wächter entschied, die Tatsache seiner Ohnmacht für sich zu behalten. Er wusste: Wenn er jemandem davon erzählte, würden sie ihn noch vor dem Haddsch auswechseln.
Der Mann hatte sein ganzes Leben lang davon geträumt, Wächter am Heiligtum des Islam zu sein. Ein leichter Hitzschlag oder eine harmlose Lebensmittelvergiftung dürften auf keinen Fall die Erfüllung dieses Traums verhindern.
Hickman dirigierte den Fahrer zu der Straße, die zur Stadt Rabigh am Roten Meer führte.
Dort angekommen, würden sich die Hindus in einem Haus verstecken, das er gemietet hatte. Am nächsten Tag führen sie nach Medina. Hickman wollte nicht in Rabigh übernachten. Im Hafen wartete ein Schiff. Bereits beim ersten Licht des Tages wäre er an Bord und unterwegs nach Norden.
Overholt saß im Oval Office. Er beendete seinen Vortrag und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
»Das ist eine Riesenschweinerei, Langston«, stellte der Präsident fest.
Overholt nickte langsam.
»Unsere Beziehungen zu Saudi-Arabien sind auf einem Tiefpunkt«, fuhr der Präsident fort. »Seit Senator Grant den Antrag durchgebracht hat, Saudi-Arabien als Basis der Terroristen vom 11. September zu betrachten und der Kongress einer Sondersteuer auf saudisches Rohöl zustimmte, haben es unsere Diplomaten kaum mehr geschafft, persönliche Treffen unserer Regierungsvertreter zu arrangieren. Die letzten Umfragen ergaben, dass die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung der Meinung ist, wir hätten Saudi-Arabien und nicht den Irak angreifen sollen, und jetzt erzählen Sie mir, dass ein verrückter amerikanischer Milliardär Attentate auf die heiligsten Stätten dieses Staates plant.«
»Ich weiß, es ist ein Pulverfass, Mr. President.«
»Ein Pulverfass?«, brüllte der President. »Es ist noch viel schlimmer als das. Wenn Hickman Gebetsteppiche vergiftet hat und den Stein Abrahams umtauscht und das passiert, was Sie annehmen, dann sehe ich drei wesentliche Dinge, die geschehen können. Das Erste ist völlig klar – die Saudis stoppen ihre Öllieferungen nach Amerika. Das wird uns in eine weitere Rezession stürzen, obwohl wir doch die letzte noch nicht richtig überwunden haben – das wäre ein Schlag, den unsere Wirtschaft nicht verkraften kann. Zweitens würde die Tatsache, dass Hickman Amerikaner ist, die Flammen des Hasses bei den Terroristen erst recht auflodern lassen. Sie werden in die USA strömen, um das totale Chaos auszulösen. Seien wir doch ehrlich, die kanadische und die mexikanische Grenze sind durchlässig wie weitmaschige Siebe. Mit Ausnahme vielleicht der Errichtung einer hohen Mauer gibt es nicht viel, das wir tun können, wenn jemand fest entschlossen ist, unser Land zu betreten. Der dritte Punkt ist wahrscheinlich der schlimmste. Wenn der Grönland-Meteorit zerschmettert wird und ein Virus freigibt, das dem in der Arizona-Probe entspricht, dann haben die beiden ersten Punkte ohnehin keine weitere Bedeutung mehr. Der Sauerstoff würde aus unserer Atmosphäre gesogen, so dass wir am Ende nur noch Staub atmen können.«
Overholt nickte langsam. »Die beiden ersten Punkte lassen sich leicht unter Kontrolle halten, wenn das, was der CIA-Experte von dem gefangenen Terroristen erfahren hat, der Wahrheit entspricht. Dieser Hickman hat die Absicht, die Schuld an der ganzen Affäre auf Israel zu schieben.«
»Unglücklicherweise habe ich so gut wie keinen Erfolg gehabt, obwohl ich alles versucht habe, den Israelis abzugewöhnen, ständig mit unserer Hilfe zu rechnen. Die arabische Welt glaubt, dass die Vereinigten Staaten und Israel eng miteinander verbunden sind – und das sind wir auch. Falls Israel die Schuld zugeschoben wird, dürfte es mit arabischen Truppen jeder Nation überrannt werden, die über Militär verfügt. Und wir wissen genau, was dann geschieht.«
»Die Israelis würden zur Atombombe greifen«, sagte Overholt.
»Also, was können wir tun?«, fragte der Präsident. »Nennen Sie mir einen Ausweg aus dieser Situation?«
»Die einzige Möglichkeit, diese Geschichte zu bewältigen, besteht darin, die Gebetsteppiche aus dem Verkehr zu ziehen, Hickman festzunehmen und den Meteoriten irgendwie an seinen angestammten Ort zu bringen – falls er ihn bereits ausgetauscht hat – und anschließend die gesamte Pilgerstätte nach Sprengstoff zu durchsuchen.«
»Und alles, ohne dass die saudi-arabische Regierung auch nur die geringste Ahnung hat, was wir tun«, sagte der Präsident. »Das ist ein bisschen viel verlangt.«
»Mr. President«, sagte Overholt, »haben Sie eine bessere Idee?«
Am 4. Januar 2006, in Katar war es fünf Uhr morgens, klingelte das Telefon in Juan Cabrillos Hotelzimmer.
»Juan, ich bin’s«, meldete sich Overholt. »Ich komme gerade vom Präsidenten und habe Anweisungen für dich.«
Cabrillo richtete sich im Bett ruckartig auf. »Lass hören.«
»Es soll alles ohne Beteiligung der Saudis geschehen«, sagte Overholt. »Tut mir Leid, nur so und nicht anders darf die Geschichte laufen.«
Cabrillo atmete pfeifend aus – und es war am anderen Ende der Leitung deutlich zu hören. »Wir haben sechs Tage bis zum Haddsch, wenn zwei Millionen Pilger Mekka und Medina bevölkern, und du willst, dass ich ein Team reinschicke, um was zu tun?«
»Zuerst um Hickman zu suchen«, sagte Overholt, »und um festzustellen, was mit dem Meteoriten geschehen ist – wenn er gegen den Stein Abrahams ausgetauscht wurde, müsst ihr den Tausch rückgängig machen. Dann durchsucht ihr die Al-Haram– und die Al-Nabawi-Moschee und vergewissert euch, dass sie nicht präpariert wurden, um während des Haddsch in die Luft gesprengt zu werden. Danach verschwindest du mit dem Team aus Saudi-Arabien, ehe jemand davon Wind bekommt, dass ihr euch dort herumtreibt.«
»Ich spreche ungern vom Geschäft, während deine Fantasie wilde Kapriolen schlägt«, sagte Cabrillo, »aber hast du eine Vorstellung, was das die Vereinigten Staaten kosten wird?«
»Eine achtstellige Zahl?«, schätzte Overholt.
»Vielleicht kommt noch eine Stelle hinzu«, sagte Cabrillo.
»Demnach könntet ihr es schaffen?«
»Vielleicht, aber dafür brauche ich die geballte Kraft des Verteidigungsministeriums und sämtlicher Geheimdienste als mögliche Unterstützung.«
»Du musst nur rufen«, erwiderte Overholt, »und sie werden springen. Da bin ich mir ganz sicher.«
Cabrillo legte auf und wählte sofort eine neue Nummer.
Eine Stunde später, während Juan Cabrillo in seinem Hotel unter der Dusche stand, trat Hali Kasim vor einem Hangar am Rand der U.S. Air Force Basis in Katar auf eine Rollbahn hinaus. Siebenunddreißig Männer standen dort herum – allesamt Soldaten muslimischen Glaubens, von Diego Garcia im Indischen Ozean bis Afrika. Alle waren am Vortag mit Militärflugzeugen von ihren verschiedenen Stützpunkten nach Katar geflogen worden.
Niemandem war bisher mitgeteilt worden, weshalb man sie zusammengeholt hatte.
»Meine Herren«, sagte Kasim, »bitte treten Sie an.«
Die Männer richteten sich aus und warteten in Rührt-euch-Haltung. Kasim überflog ein Schriftstück.
Dann blickte er hoch und begrüßte sie. »Mein Name ist Hali Kasim. Ich habe sieben Jahre in der U.S. Navy als Stabsfeldwebel W-4 in der Unterwassersprengstoffabteilung gedient, ehe ich ins Zivilleben übergewechselt bin. Ich wurde durch Erlass des Präsidenten zur Durchführung dieser Operation in den aktiven Dienst zurückgeholt und in den Dienstrang eines Fregattenkapitäns erhoben. Laut meinem Einsatzplan ist der nach mir ranghöchste Mann ein Hauptmann der Air Force namens William Skutter. Würde Hauptmann Skutter bitte vortreten?«
Ein hoch gewachsener schlanker Schwarzer in blauer Air-Force-Uniform machte zwei Schritte vorwärts.
»Hauptmann Skutter«, erklärte Kasim, »ist mein stellvertretender Kommandeur. Bitte kommen Sie zu mir und zeigen Sie sich allen Männern.«
Skutter marschierte auf Kasim zu, machte eine Kehrtwendung und blieb neben ihm stehen.
»Hauptmann Skutter wird Sie entsprechend Ihrer verschiedenen Dienstränge und Tätigkeiten während der nächsten Stunden in mehrere Teams aufteilen«, sagte Kasim. »Jetzt hingegen möchte ich Ihnen erläutern, weshalb jeder von Ihnen hierher abkommandiert wurde. Der Hauptgrund ist, dass Sie alle Angehörige des Militärs der Vereinigten Staaten sind. Zweitens und für diese Mission fast ebenso wichtig ist die Tatsache, dass Sie alle in Ihren Personalakten den Islam als Ihre Religion angegeben haben. Ist jemand hier, der nicht oder nicht mehr Muslim ist? Wenn ja, dann mögen der oder die Betreffenden bitte vortreten.«
Niemand rührte sich.
»Sehr schön, Gentlemen«, sagte Kasim, »wir planen eine Spezialoperation, für deren Durchführung wir Sie brauchen. Wenn Sie mir bitte in den Hangar folgen wollen. Dort haben wir Stühle aufgestellt und eine Art Konferenzraum eingerichtet. Sobald Sie alle Platz gefunden haben, werde ich Ihnen die nötigen Erklärungen geben und Ihre Fragen beantworten.«
Kasim ging auf den Hangar zu, während Skutter ihm wie ein Schatten folgte.
Die Männer setzten sich ebenfalls in Bewegung. Um ein Rednerpult waren mehrere Wandtafeln im Halbkreis aufgestellt worden. Auf Klapptischen waren verschiedene Waffen und andere technische Geräte zur Besichtigung zurechtgelegt worden. Hinzu kamen ein Trinkwasserspender sowie einige Reihen Klappstühle aus schwarzem Kunststoff.
Die Männer ließen sich darauf nieder, während Kasim und Skutter nach vorn zum Rednerpult gingen.