Текст книги "Todesschrein"
Автор книги: Clive Cussler
Соавторы: Graig Dirgo
Жанр:
Триллеры
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»Juan«, sagte Hanley, »ich rufe die Challenger 604. Ich nehme an, du willst schnellstens nach Saudi-Arabien.«
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Etwa zur gleichen Zeit, als die 747 der Global Air Cargo von der Startbahn in Heathrow abhob, stoppte der Lastwagen, in dem Hickman saß, in einem anderen Bereich des Flughafens.
»Fahren Sie hinter den anderen her, sehen Sie zu, dass Sie die Laster loswerden, und machen Sie sich aus dem Staub«, sagte Hickman zu dem Fahrer, der ihn vor dem Privatflugplatz aussteigen ließ. »Ich melde mich bei ihnen, wenn ich Sie brauche.«
»Viel Glück«, wünschte der Fahrer, während Hickman ausstieg. Er winkte dem Fahrer, dann ging er weiter zum Eingang.
Der Fahrer lenkte den Lastwagen vom Parkplatz und aktivierte sein Funkgerät. »Der Boss ist unterwegs«, sagte er.
»Ich komme jetzt zum Treffpunkt.«
Zwölf Minuten später trafen sich die drei Lastwagen auf dem Hof einer verlassenen Fabrik im Westen Londons, wo die Männer ihren Fluchtwagen versteckt hatten. Sie stiegen aus den Trucks, nachdem sie sämtliche Flächen, die sie ohne Handschuhe berührt hatten, abgewischt hatten, und stiegen dann in eine unauffällige Limousine.
Ihr Plan sah vor, dass sie zum Kanal fuhren, die Mietwagen auf dem dortigen Parkplatz stehen ließen und mit einer Fähre nach Belgien übersetzten. Nichts sollte die Durchführung dieses Planes stören.
»Starte sofort mit der Oregon« ,wies Cabrillo Hanley an, während Jones sie zum Executive Air Terminal von Heathrow brachte. »Sie soll Kurs durchs Mittelmeer und den Suezkanal ins Rote Meer nehmen. Das Schiff soll so nahe wie möglich vor der Küste Saudi-Arabiens kreuzen.«
Hanley schaltete den Schiffsalarm ein. Cabrillo konnte das Heulen der Sirenen in seinem Telefon deutlich hören.
»Tiny und die anderen sind bereits in der Luft«, sagte er.
»Die Frachtmaschine ist nach Paris unterwegs.«
»Jones und ich steigen in ein paar Minuten in die Challenger 604«, erklärte Cabrillo knapp. »Das Team in Maidenhead soll sich zurückziehen und sich schnellstens zum Wasserflugzeug begeben. Judy soll sie ausfliegen und die Oregonim Ärmelkanal treffen.«
»Was ist mit der Spinnerei?«, fragte Hanley.
»Berichte Fleming, was wir rausgefunden haben«, sagte Cabrillo, »und überlass die weiteren Maßnahmen seinen Leuten.«
»Das klingt, als würden wir das Spielfeld wechseln«, stellte Hanley fest.
»Richtig«, bestätigte Cabrillo. »Jetzt spielt die Musik in Saudi-Arabien.«
Der Kopilot von Hickmans Hawker 800XP wartete im Terminal.
»Der Pilot hat getankt, die Flugvorbereitungen abgeschlossen und seine Startanweisungen bereits erhalten«, meldete der Kopilot, während er Hickman zum Rollfeld brachte. »Wir können gleich aufbrechen.«
Die beiden Männer eilten zur Hawker und stiegen ein. Drei Minuten später rollten sie zur Nord-Süd-Piste. Drei weitere Minuten, und sie befanden sich in der Luft. Sobald der Ärmelkanal unter ihnen lag, öffnete der Pilot die Cockpittür.
»Sir«, sagte er, »bei der Fluggeschwindigkeit, die Sie angeordnet haben, verbrauchen wir massenweise Sprit.«
Hickman lächelte. »Holen Sie alles aus den Triebwerken raus«, sagte er, »jetzt geht es um Tempo.«
»Wie Sie wünschen«, sagte der Pilot und schloss die Tür.
Hickman spürte, wie die Leistung der Triebwerke zunahm und das Flugzeug beschleunigte. Laut Flugplan sollte die Hawker Frankreich entlang der belgischen Grenze überqueren, dann über die Schweiz nach Zürich fliegen. Nach dem Sprung über die Alpen sollte es entlang der Ostküste von Italien, dann über Griechenland, Kreta und Ägypten weitergehen. Nach dem Überqueren des Roten Meeres würden sie am frühen Morgen in Riad, Saudi-Arabien, eintreffen.
Sobald Hanley durchrief, trafen Richard Truitt und die anderen die Vorbereitungen zum Aufbruch. Nachdem sie alles ausgiebig fotografiert hatten, pappten sie Klebeband quer über die Türen und Fenster und ließen handgeschriebene Schilder zurück, auf denen vor einem Betreten des Hangars gewarnt wurde.
Danach schwangen sie sich wieder auf den altersschwachen Lastwagen und fuhren zurück zum Fluss, wo das Wasserflugzeug wartete.
Am Waldrand erschien ein junger Rotfuchs und verließ mit vorsichtigen Schritten sein Versteck im Unterholz. Er sog witternd die Luft ein und schickte sich an, den Hof vor den Laderampen auf der Rückseite der Fabrik zu überqueren. Warme Luft wehte aus der Fabrikhalle durch die offenen Tore der Laderampen nach draußen. Er hob die Schnauze und spürte die Wärme. Langsam schlich er weiter und blieb vor dem mittleren Tor hocken.
Dann, als er nichts Bedrohliches wahrnahm, drang er in das Gebäude ein.
Da er in der Nähe der Menschen aufgewachsen war, wusste er, dass ihre Anwesenheit Nahrung bedeutete.
Mit menschlichen Gerüchen in der Nase machte er sich auf die Suche nach etwas Fressbarem. Dabei lief er durch eine seltsame schwarze Substanz auf dem Boden, die an seinen Pfoten kleben blieb. Dann wanderte er weiter, die klebrige schwarze Schicht nahm Spuren des Virus auf.
In diesem Augenblick schalteten sich die Heizgebläse an der Hallendecke ein: Der Lärm erschreckte ihn. Er rannte zurück zum Rampentor. Als nichts weiter geschah, beschloss er, sich auf den Boden zu legen und abzuwarten. Er hob eine Pfote und leckte die schwarze Masse ab.
Schon nach wenigen Minuten verkrampfte sich sein Körper. Blut quoll aus seinen Augen, Speichel rann aus seiner Schnauze. Am ganzen Körper zuckend, als stünde er unter Strom, versuchte er, aufzustehen und wegzurennen.
Doch seine Beine gehorchten nicht, und weißer Schaum drang aus seiner Schnauze.
Der Fuchs streckte sich auf dem Boden aus, um zu sterben.
Das auf– und abschwellende Heulen der Sirenen drang in jeden Raum der Oregon.
Die Besatzungsmitglieder nahmen eilig ihre Positionen ein, im gesamten Schiff herrschte plötzlich eine hektische Betriebsamkeit. »Die Leinen sind los, Max«, meldete Stone.
»Dann zieh sie vom Pier weg«, gab Hanley per Intercom ans Ruderhaus durch.
Die Oregonentfernte sich langsam von ihrem Anlegeplatz und nahm nach und nach Tempo auf.
»Hast du schon den Kurs berechnet?«, wollte Hanley von Stone wissen.
»Bin gerade damit fertig, Max«, antwortete Stone und deutete auf den großen Monitor an der Wand.
Dort war eine Karte mit Teilen von Europa und Afrika zu sehen, auf der eine dicke rote Linie den Kurs anzeigte. Entlang dieser Linie befanden sich verschiedene Zeitangaben.
»Wie lange brauchen wir günstigstenfalls bis ins Rote Meer?«, fragte Hanley.
»Am vierten Januar gegen elf Uhr vormittags müssten wir am Ziel sein«, sagte Stone.
»Stimm doch mal das Treffen mit Michaels im Wasserflugzeug ab und hol George Adams zurück an Bord«, bat Hanley, »und dann teil den Wachdienst für die weitere Reise ein.«
»Wird sofort erledigt, Max«, sagte Stone.
Hanley griff zum Telefon.
Das Beharren darauf, dass die Ladung Gebetsteppiche als aus Frankreich kommend deklariert wurde, half der einen Seite und schadete der anderen. Die 747 der Global Air Cargo erhielt schnell die Landeerlaubnis. Nach weniger als einer Stunde auf dem Boden war die Fracht umdeklariert worden, und die Maschine befand sich wieder in der Luft.
Gunderson und das Team in der Gulfstream sollten nicht so viel Glück haben. Sie erhielten, kaum dass sie gelandet waren, von französischen Zollbeamten Besuch an Bord. Hickman hatte eine Liste mit allen Privatflugzeugen zusammengestellt, die zum Zeitpunkt des Einbruchs in sein Penthouse auf dem McCarran Airport in Las Vegas gestanden hatten. Danach brauchte er nur noch Flugpläne zu suchen, um die Maschine zu identifizieren, die kurze Zeit später nach England geflogen war.
Die Gulfstream war die einzige gewesen.
Hickman hatte daraufhin anonym bei Interpol angerufen und behauptet, die Maschine transportiere Drogen. Es sollte zwei ganze Tage dauern und zahlreiche Telefongespräche von Hanley und anderen kosten, ehe seine Leute freigelassen wurden. Es konnte manchmal verdammt schwierig sein, sich mit den Franzosen zu verständigen.
Cabrillo hatte mehr Glück. Die Challenger 604 verließ Heathrow mit ihm und Jones an Bord innerhalb von einer halben Stunde nach Hickmans Start. Der Pilot nahm sofort Kurs auf Riad, die Hauptstadt. Mit der Höchstgeschwindigkeit von 548 Meilen in der Stunde und einer Flughöhe von 37000 Fuß raste die Maschine ihrem Ziel entgegen.
Mit einer halben Stunde Vorsprung war Hickmans Hawker 800XP mittlerweile über Frankreich mit 514 Meilen pro Stunde unterwegs. Die Challenger war deutlich schneller und hätte eigentlich früher am Ziel sein müssen, aber das schaffte sie nicht. Hickman kannte sein Ziel schon seit Längerem – Cabrillo hatte erst kürzlich davon erfahren.
Selbst an einem guten Tag ist es schwierig, ein Besuchsvisum für Saudi-Arabien zu erhalten. Das Verfahren ist schleppend und mühsam. Außerdem wird der Tourismus nicht nur in vielfältiger Weise behindert, sondern ist sogar gesetzlich verboten. Mehrere von Hickmans Firmen machten Geschäfte mit dem Königreich, also war er dort eine prominente Persönlichkeit. Seinem Antrag auf Gewährung eines Besuchsvisums wurde innerhalb weniger Stunden stattgegeben.
Cabrillo sollte nicht so viel Glück haben.
Am frühen Morgen des 1. Januar wurde Saud Al-Sheik durch das Zwitschern des Computers in seinem Arbeitszimmer geweckt. Soeben war eine E-Mail eingegangen. Die Fabrik in England meldete, dass die Gebetsteppiche, auf die er so dringend wartete, vom Zoll abgefertigt und in Paris zwischengelandet waren. Sie befanden sich zurzeit in einer 747 unterwegs nach Riad.
Sobald sie auf dem Frachtflughafen in Riad einträfen, müssten sie per Lkw quer durch Saudi-Arabien nach Mekka transportiert werden. Dort würden die Container geöffnet und die Teppiche mit einem Schädlingsbekämpfungsmittel besprüht werden. Anschließend würden sie einen Tag lang zum Auslüften liegen bleiben, ehe man sie im Stadion verteilen konnte.
Al-Sheik betrachtete das Klemmbrett auf seinem Schreibtisch. Dass die Gebetsteppiche ausgerechnet jetzt eintreffen würden, passte ihm ganz und gar nicht. Er hatte nämlich seine sämtlichen Lastwagen für andere Aufgaben verplant und im Einsatz. Ein Weitertransport der Gebetsteppiche wäre frühestens am 7. Januar durchführbar. Er wollte dafür sorgen, dass man sie am 8. mit Pestizid behandelte und sie einige Stunden lang auslüften könnten und am 9. an Ort und Stelle gebracht würden.
Damit hätte er noch immer ein Zeitpolster von vierundzwanzig Stunden bis zum offiziellen Beginn des Haddsch. Al-Sheik stellte einen riskanten Zeitplan auf, doch er hatte keine andere Wahl. Er musste sich um eine Million Dinge kümmern und hatte nur eine eng begrenzte Zeitspanne, um das Unmögliche zu vollbringen.
Alles würde am Ende gutgehen, dachte er, während er sich erhob, um sein Arbeitszimmer zu verlassen und das Bett aufzusuchen – irgendwie gelang es immer. Inshallah —so Gott will. Während er im Bett lag, ging Al-Sheik tausenderlei durch den Kopf. Als ihm nach einiger Zeit klar wurde, dass an Schlaf nicht zu denken war, stand er wieder auf und begab sich in die Küche, um eine Kanne Tee zu kochen.
Die Challenger 604 befand sich über dem Mittelmeer, als der Pilot die Tür zum Cockpit aufriss und etwas nach hinten rief.
»Mr. Cabrillo«, sagte er, »Saudi-Arabien verweigert uns die Landeerlaubnis, solange wir keine ordnungsgemäßen Einreisepapiere haben. Wir müssen schnellstens entscheiden, was zu tun ist.«
Cabrillo überlegte kurz. »Weichen Sie aus nach Katar, ich setze mich in zwei Minuten mit dem Botschafter des Emirs in Verbindung. Keine Sorge, er wird unser Ersuchen befürworten.«
»Dann auf nach Katar«, rief der Pilot und schloss die Tür.
Die Sonne ging gerade auf, als Hickmans Hawker hinter dem Roten Meer die Grenze von Saudi-Arabien überflog und ihren Weg über die Wüste nach Riad fortsetzte. Nachdem er ohne Komplikationen gelandet war, lenkte der Pilot die Maschine zum Jet-Terminal und stoppte.
»Tanken Sie die Kiste auf und halten Sie sie startbereit«, wies ihn Hickman an.
Sobald die Tür aufglitt, ging er hinaus, die Treppe hinunter und betrat saudi-arabischen Boden. Unterm Arm trug er dabei den Behälter mit dem Meteoriten.
»Das ist also das Land, das ich ruinieren werde«, murmelte er, während er sich umsah und die von der Sonne ausgedörrte Gebirgslandschaft in der Nähe des Flughafens betrachtete, »das geistige Zentrum des Islam.«
Er spuckte aus, und sein Mund verzerrte sich zu einem bösartigen Grinsen.
Dann überquerte er das Flugfeld und ging auf eine wartende Limousine zu, die ihn ins Hotel bringen sollte.
Hickman hatte sich längst eingecheckt und schlief in seinem Hotelbett, ehe die Challenger über dem Indischen Ozean einen weiten Bogen flog, die Straße von Hormuz überquerte und dem Persischen Golf nach Katar folgte. Der Emir hatte seinen Einfluss nachhaltig geltend gemacht. Sein Botschafter hatte alles Notwendige für eine ungehinderte Einreise in die Wege geleitet. Auf Juan Cabrillo und sein Team warteten mehrere Hotelzimmer. Cabrillo würde mit dem Emir gegen Mittag zusammentreffen. Vorher wollte er ein paar Stunden Schlaf nachholen, um dem arabischen Herrscher später das Problem persönlich in allen Details darzulegen.
Der Pilot öffnete noch einmal die Tür zum Cockpit und rief: »Der Tower hat uns das Okay zur Landung gegeben, Sir.«
Cabrillo blickte durch das Fenster hinunter auf die azurblaue Fläche des Golfs. Daus, jene seltsam geformten Boote, die seit Jahrhunderten Fischer und alle möglichen Lasten transportieren, glitten friedlich durch das Wasser. Als sein Blick nach Norden wanderte, konnte Cabrillo in der Ferne die Umrisse eines riesigen Öltankers auf südlichem Kurs erkennen. Die von den massigen Schrauben des Tankers aufgewühlte Linie des Kielwassers zog sich als kilometerlange Spur quer durch den Ozean.
Cabrillo hörte, wie die Triebwerke der Challenger ihren Ton veränderten, als der Pilot den Schub reduzierte.
Dann ging die Maschine in den Sinkflug über, um die Landung einzuleiten.
46
Zwölf Hindus teilten sich ein billiges Apartment in einem älteren Gebäude in der Innenstadt Riads. Sie waren eine Woche zuvor mit Hilfe von befristeten Visa, in denen sie als Arbeiter ausgewiesen wurden, nach Saudi-Arabien gekommen. Sobald sie die Zoll– und Einreiseformalitäten erledigt hatten, waren sie verschwunden und hatten sich nicht bei der Arbeitsagentur gemeldet, die ihre Einreise arrangiert hatte.
Nacheinander waren sie in die Wohnung gekommen, die Hickman mit Wasser, Lebensmitteln und anderen Vorräten für mehrere Wochen ausgestattet hatte. Sie sollten sie weder verlassen noch mit irgendjemandem kommunizieren, sondern abwarten, bis man sich mit ihnen in Verbindung setzte.
Die zwölf Männer waren die einzige Hilfstruppe, die Hickman in Saudi-Arabien zur Verwirklichung des Plans einsetzen würde, den er sich zurechtgelegt hatte. Was er sich ausgedacht hatte, war oberflächlich betrachtet ziemlich simpel, in der Ausführung jedoch erheblich komplizierter. Er und die zwölf Hindus wollten zuerst einmal nach Mekka reisen. Dort beabsichtige Hickman, den heiligsten Artefakt des Islam, nämlich den »Schwarzen Stein«, einen angeblich von Abraham gefundenen Meteoriten, der in der Kaaba aufbewahrt wurde, zu stehlen und gegen den auf Grönland entdeckten Meteoriten auszutauschen.
Danach würde er den Stein Abrahams an einem ganz besonderen Ort zerstören.
Hickman hatte vor, dem Islam einen Stich ins Herz zu versetzen.
Er saß in Riad in seinem Hotelzimmer und betrachtete seine Notizen.
Mekka ist das Zentrum des Islam. Die Stadt war der Geburtsort Mohammeds und der Religion, die er gegründet hatte. Rund siebzig Kilometer vom Roten Meer entfernt in einer staubigen, mit Hügeln und Bergen übersäten Ebene gelegen, war die Stadt früher eine Oase an einer Handelsroute gewesen, die die Mittelmeerländer mit Arabien, Afrika und Asien verband. Der Legende zufolge hatte Gott zweitausend Jahre vor Christi Geburt Abraham befohlen, dort einen Schrein zu erbauen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde dieser Schrein mehrmals zerstört und wiederaufgebaut. Im Jahr 630 übernahm der Prophet Mohammed die Macht in Mekka und entfernte sämtliche falschen Götzenbilder aus der Stadt. Mohammed ließ nur die Kaaba und den darin enthaltenen heiligen Stein an ihrem Platz. Er machte sie zum Zentrum seiner neuen Religion.
In den darauf folgenden Jahrhunderten wurde der Bereich mit dem heiligen Stein mit einer Reihe von Mauern und größeren und kunstvolleren Bauwerken umgeben. Der jüngste umfangreiche Neubau, ausgeführt im zwanzigsten Jahrhundert, wurde von der Herrscherfamilie Saudi-Arabiens finanziert. Es war die Al-Haram-Moschee, die größte Moschee der Welt.
Im Mittelpunkt dieser Moschee befindet sich die Kaaba, ein kleines würfelförmiges Gebäude, das mit schwarzem Brokat bedeckt ist, in den mit goldenen Fäden Koransprüche eingestickt sind. Diese Stoffumhüllung wird jährlich ausgewechselt, zu dem wird einmal im Jahr der Fußboden um die Kaaba in einer rituellen Geste der Demut vom Herrscher Saudi-Arabiens gesäubert.
Pilger kommen in Scharen, um den heiligen Stein zu küssen und aus der Zamzam-Quelle – die in der Nähe liegt – zu trinken.
In weniger als einer Woche würden über eine Million Menschen an der Kaaba vorüberziehen.
Im Augenblick war sie jedoch wegen der Vorbereitungen zu diesem Termin geschlossen.
Hickman schaltete in seinem Hotelzimmer den Computer ein und rief die Homepage einer seiner in der Weltraumforschung tätigen Firmen in Brasilien auf. Dort hatte er seine wichtigsten Dateien gespeichert. Nachdem er die Bilder und Dokumente heruntergeladen hatte, ging er sie konzentriert durch.
Er betrachtete eine Luftaufnahme von der Moschee in Mekka.
Die Al-Haram-Moschee, auch Große Moschee genannt, ist ein riesiges Bauwerk. Wuchtige Mauern und kunstvolle Bogengänge umgeben den ganzen Bereich und türmen sich zu mehreren Etagen auf. Neun Minarette ragen neunzig Meter hoch in die Luft. Insgesamt vierundsechzig Tore gestatten den Pilgern den Zugang zum Heiligtum. Das gesamte Gelände hat eine Fläche von über siebzigtausend Quadratmetern.
Die Moschee lässt die Kaaba, deren Grundfläche nur zwölf mal zehn Meter misst, geradezu winzig erscheinen.
Alles, was Hickman und sein Team schaffen mussten, war, hinter den Vorhang zu gelangen, der die Kaaba verhüllte, dann den heiligen Stein zu entfernen, der in etwa ein Meter fünfzig Höhe in einer silbernen Fassung in einer Wand an der südöstlichen Ecke des Bauwerks ruhte, und ihn durch den Stein aus Grönland zu ersetzen. Danach brauchten sie die Moschee nur noch möglichst unbemerkt zu verlassen.
Alles in allem erschien das Unternehmen so gut wie undurchführbar.
Das Telefon in seinem Zimmer klingelte. Es war der Angestellte am Empfang, der ihn darüber informierte, dass ein Paket für ihn abgegeben worden sei. Hickman bat darum, ein Page möge das Paket zu ihm herüberbringen. Ein paar Minuten später klopfte es an der Tür.
Hickman öffnete, gab dem Pagen ein Trinkgeld und nahm das Paket entgegen.
Vor der französischen Küste drosselte die Oregonihre Fahrt.
»Ich hab’s auf dem Radar«, sagte Eric Stone zu Max Hanley.
Hanley nickte und verfolgte auf dem Bildschirm, wie die Außenkameras das Auftauchen des Wasserflugzeugs aus der Dunkelheit ins Schiff übertrugen. Langsam sank das Flugzeug herab, wasserte und trieb auf das Schiff zu. Hanley wartete, bis die Matrosen das Flugzeug am Schiff vertäut hatten und die Insassen der Maschine ausgestiegen waren. Dann griff er nach dem Funkgerät.
»Hallo, Judy«, begrüßte er die Pilotin.
»Ja, was ist, Max?«
»Das Schiff ist unterwegs ins Rote Meer. Wie viel Schlaf hast du in letzter Zeit gehabt?«
»Nicht viel«, gab Judy Michaels zu.
»Am besten landest du irgendwo in Spanien und suchst dir ein Hotelzimmer«, empfahl Hanley. »Wenn du richtig ausgeruht bist, setzt du deinen Weg nach Süden fort. Ich würde an deiner Stelle auf einem Flugplatz in Süditalien Station machen – damit wärest du nahe genug am Geschehen, um jederzeit eingreifen zu können, wenn wir dich brauchen.«
Das Wasserflugzeug hatte sich als nützliches Hilfsmittel erwiesen, aber es war einfach zu groß, um an Bord des Schiffes mitgeführt zu werden.
»Gute Idee, Max«, sagte Judy.
»Einer der Männer kommt zu dir raus und bringt dir zwei Päckchen Hunderter«, fuhr Hanley fort, »insgesamt zehntausend Dollar. Kannst du allein fliegen, oder möchtest du, dass dich jemand begleitet?«
»Nicht nötig, Max«, erwiderte sie, »ich komme ganz gut zurecht.«
»Wenn du mehr Geld brauchst, melde dich«, sagte Hanley. »Wir können es dir telegrafisch überallhin überweisen. Und jetzt sieh zu, dass du möglichst bald Schlaf bekommst, aber vergiss nicht, dafür zu sorgen, dass die Maschine ständig startbereit ist.«
»Okay, Max.«
»Und noch eins, Judy«, sagte Hanley, »du hast einen tollen Job gemacht. Das war deine erste Mission als leitende Pilotin, und du sollst wissen, dass die Corporation froh ist, dich in ihren Reihen zu haben.«
»Max«, Eric Stone erhob die Stimme, »George ist mit dem Robinson im Anflug.«
Judy Michaels drehte sich um und schaute dorthin hoch, wo, wie sie wusste, eine Überwachungskamera installiert war. Sie gab Hanley mit dem Daumen ein Okay-Zeichen, dann stieg sie zurück in ihre Maschine und verriegelte die Tür. Sie begab sich in das Cockpit, startete die Motoren und schaltete das Mikrofon ein.
»Ich höre George bereits über Funk«, meldete sie, »daher verschwinde ich jetzt lieber.«
Die Leinen wurden auf die Oregongezogen, und Judy Michaels lenkte ihr Flugzeug langsam vom Schiff weg. Sobald sie sich in sicherer Distanz befand, gab sie Gas, brachte das Wasserflugzeug auf Startgeschwindigkeit und hob ab. Indem sie eine leichte Linkskurve flog, nahm sie Kurs auf Spanien.
»Holen wir George sicher an Bord«, sagte Hanley jetzt, »damit wir wieder auf volle Kraft voraus gehen können.«
Zwei Minuten später erschien der Robinson über dem Schiffsheck und sank auf das Landefeld herab.
Sobald der Hubschrauber auf dem Deck gesichert war, wurde die Oregonauf Hanleys Befehl wieder zum Rennpferd.
Juan Cabrillo schlief bis elf Uhr vormittags wie ein Stein, als er von der Rezeption telefonisch geweckt wurde. Er bestellte das Frühstück und rief dann Pete Jones an.
»Ich bin schon wach, Juan«, meldete dieser sich.
»Beeil dich mit deiner Morgentoilette und komm zum Frühstück auf mein Zimmer«, sagte Cabrillo.
»Gib mir zwanzig Minuten«, erwiderte Jones.
Cabrillo hatte bereits geduscht und rasierte sich gerade, als der Zimmerkellner an die Tür klopfte. In einen Bademantel gehüllt, öffnete er die Tür und zeigte dem Kellner, wo dieser den Servierwagen hinstellen sollte. Dann ging er zum Kleiderschrank, holte seine Brieftasche aus einer Jacke und wollte dem Kellner einen Geldschein in die Hand drücken.
»Tut mir Leid, Sir«, sagte der Kellner, »der Emir hat bereits alles erledigt.«
Der Kellner verschwand, ehe Cabrillo widersprechen konnte. Er rasierte sich zu Ende und zog frische Kleider an. Soeben hatte er den Fernseher eingeschaltet, um einen Nachrichtensender zu suchen, als Jones an die Tür klopfte. Cabrillo ließ ihn herein, und beide Männer begannen zu frühstücken. Jones hatte sein Omelett zur Hälfte verzehrt, ehe er etwas sagte: »Ich kenne den Emir nicht, Juan. Wie ist er so?«
»Der Emir ist Mitte fünfzig und vertritt recht fortschrittliche Ansichten«, erzählte Cabrillo. »Außerdem hat er ein paar Jahre lang dem amerikanischen Militär gestattet, hier eine Basis zu unterhalten. Man kann sogar behaupten, dass der zweite Golfkrieg ohne diesen Flugplatz wahrscheinlich niemals stattgefunden hätte.«
»Und wie sind seine Beziehungen zu Saudi-Arabien?«
»Im Allgemeinen gut«, antwortete Cabrillo, »aber das kann sich von Tag zu Tag ändern. Die Saudis bewegen sich stets auf einem sehr schmalen Grat. Zum einen erwecken sie den Eindruck, als sympathisierten sie mit dem Westen, was die gesamte arabische Welt im Augenblick vom Emir annimmt, auf der anderen Seite haben sie es in ihrer eigenen Bevölkerung mit einem hohen Anteil an muslimischen Fundamentalisten zu tun. Wie leicht es da zu ernsten Konflikten kommen kann, haben wir mehr als einmal erleben müssen.«
Cabrillo hatte seinen letzten Bissen kaum verzehrt, als das Telefon klingelte.
»Unten wartet der Wagen«, sagte Cabrillo, nachdem er aufgelegt hatte. »Nicht mehr lange, und du kannst dir eine eigene Meinung über unseren Gastgeber bilden.«
Jones fand gerade noch Zeit, seine Tasse zu leeren, und folgte Cabrillo hinaus zum Fahrstuhl.
In Langley, Virginia, las Langston Overholt einen Bericht des MI5 über den nuklearen Sprengkopf, den die Corporation entschärft und unschädlich gemacht hatte. Großbritannien war gerettet und außer Gefahr, den Meteoriten aber hatte man noch nicht geborgen. Michelle Hunt war mittlerweile nach England gebracht worden, doch bis zu diesem Augenblick hatte Overholt keine Ahnung, wie ihnen die Frau nützlich sein könnte.
Hanley hatte sich vor gut einer Stunde gemeldet und Overholt auf den letzten Stand gebracht, doch eine kürzliche Meinungsverschiedenheit mit der amerikanischen Regierung wegen ihrer Unterstützung der Israelis hatte die Saudis zu äußerst schwierigen Verhandlungspartnern gemacht. Overholt hatte seinen direkten Gegenspieler bei der saudischen Geheimpolizei angerufen, um ihm die Theorie bezüglich der vergifteten Gebetsteppiche vorzutragen, doch bisher war keinerlei Reaktion darauf erfolgt.
Allmählich kam er zu der Überzeugung, dass er wohl den Präsidenten um Hilfe bitten müsste.
Was Overholt am meisten verwirrte, war die Tatsache, dass die Corporation, als sie die Maidenhead Mills durchsuchte, keinerlei Spuren vom Meteoriten oder irgendwelche Hinweise darauf gefunden hatten, dass er auf die Art und Weise bearbeitet worden war, wie sie anfangs angenommen hatten.
In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
»Ich habe die Satellitendaten, die Sie angefordert haben, Sir«, teilte ihm ein Angestellter der National Security Agency mit. »Ich schicke sie jetzt rüber.«
»Tun Sie das«, erwiderte Overholt, »aber verraten Sie mir schon jetzt, wohin die Hawker geflogen ist.«
»Nach Riad, Saudi-Arabien, Sir«, antwortete der Mann.
»Heute früh ist sie dort gelandet und hat sich bis jetzt nicht vom Fleck gerührt. Wir haben eine Aufnahme von der Maschine auf der Landebahn und die Angaben über ihren Kurs – das sind die Informationen, die ich Ihnen schicke.«
»Vielen Dank.« Overholt legte auf.
Dann lehnte er sich in seinem Sessel zurück, griff in eine Schreibtischschublade und holte einen Tennisball heraus. Diesen warf er gegen die Wand und fing ihn auf, immer wieder. Nach ein paar Minuten unterbrach er diese Tätigkeit, nickte mit dem Kopf und richtete sich auf.
Er nahm den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer.
»Dokumentation und Recherche«, meldete sich eine Stimme.
»Ich brauche eine kurz gefasste Darstellung des Islam und eine Übersicht über seine heiligen Orte in Mekka.« Overholt konnte sich vage erinnern, vor Jahren während des Geschichtsunterrichts etwas von einem Meteoriten und seiner Bedeutung für den Islam gehört zu haben.
»Wie detailliert und wie schnell?«, fragte die Stimme.
»Eher grob und innerhalb einer Stunde«, antwortete Overholt, »und suchen Sie mir im Haus einen islamischen Experten und schicken Sie ihn in mein Büro.«
»Jawohl, Sir.«
Während Overholt wartete, setzte er sein Spiel mit dem Tennisball fort. Werfen, auffangen … werfen, auffangen … Er versuchte zu denken wie ein Vater, dem sein toter Sohn nicht aus dem Kopf gehen will. Wie weit würde er sich treiben lassen, um seinen Tod zu rächen? Wie konnte er die Bestie, die die Mörder schützte, am besten mitten ins Herz treffen?
Der Palast des Emir, der auf einem Hügel mit Blick auf den Persischen Golf stand, war ein Prachtbau. Umgeben von einer hohen Steinmauer, innerhalb derer sich ein Hof mit Garagen, eine parkähnliche Wiesenlandschaft und mehrere Teiche befanden, vermittelte die Palastanlage einen überraschend freundlichen, heiteren Eindruck – nicht zu vergleichen mit den langweiligen und tristen Regierungsbauten, die man in großer Zahl in England und Europa antreffen kann.
Als die Limousine durch das Tor fuhr und in die runde Auffahrt zum Eingang des Palastes einbog, wurden mehrere Pfauen und ein Flamingopaar aufgescheucht. Ein Stück entfernt war ein Mechaniker in einem khakifarbenen Overall damit beschäftigt, einen Lamborghini Geländewagen mit Autoshampoo zu reinigen, während zwei Gärtner die Früchte eines Pistazienbaums ernteten.
Die Limousine stoppte vor dem Eingang, und ein Mann, mit einem westlichen Straßenanzug bekleidet, kam heraus.
»Mr. Cabrillo«, sagte er, »ich bin Akmad Al-Thani, der persönliche Assistent des Emir. Wir haben vorhin miteinander telefoniert.«
»Mr. Al-Thani«, sagte Cabrillo, ergriff die ausgestreckte Hand des Mannes und schüttelte sie, »es ist mir eine aufrichtige Freude, Sie endlich auch einmal persönlich kennen zu lernen. Dies hier ist mein Geschäftspartner, Peter Jones.«
Jones schüttelte Al-Thani ebenfalls die Hand und lächelte.
»Wenn Sie bitte hier entlang kommen würden«, sagte Al-Thani und ging zur Tür, »der Emir erwartet Sie im Salon.«
Cabrillo folgte al-Thani mit Peter Jones im Schlepptau.
Sie betraten ein großzügiges Foyer mit Marmorfußboden und zwei geschwungenen Treppen auf beiden Seiten, die zu den oberen Etagen führten. Mehrere Marmorstatuen waren geschmackvoll um einen großen auf Hochglanz polierten Mahagonitisch aufgestellt worden, in dessen Mitte sich ein großzügiges Blumenarrangement befand. Zwei Zimmermädchen in klassischer Tracht eilten geschäftig umher, und in einer Nische gab ein Butler in schwarzem Frack einem Arbeiter Anweisungen, der soeben einen Spotscheinwerfer justierte, der ein Gemälde – allem Anschein nach war es ein echter Renoir – beleuchtete.
Al-Thani ging weiter durch einen Flur, der in einen Raum führte, dessen eine Wand vollständig verglast war und auf das Wasser hinausging. Die Grundfläche des Raums betrug knapp tausend Quadratmeter, auf denen sich mehrere Sitzgruppen verteilten, die durch grüne Topfpflanzen teilweise vor neugierigen Blicken abgeschirmt wurden. Mehrere Plasmabildschirme waren in der Halle aufgestellt worden, und sogar ein Konzertflügel gehörte zur Einrichtung.
An diesem Flügel saß der Emir und hörte sofort auf zu spielen, als die Männer hereinkamen.
»Vielen Dank für Ihren Besuch«, sagte er, während er sich erhob.
Er kam mit ausgestreckter Hand auf Cabrillo zu. »Juan«, sagte er, »es ist mir stets ein Vergnügen, mit Ihnen zusammenzutreffen.«