Текст книги "Todesschrein"
Автор книги: Clive Cussler
Соавторы: Graig Dirgo
Жанр:
Триллеры
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50
Die indischen Söldner erreichten die Luke, die zu den Kühlschlangen unter der Moschee des Propheten in Medina führte. Sie befand sich auf freiem Gelände in der Nähe eines Apartmenthauses am Rand eines Lehmplatzes, der bei Bedarf als zusätzlicher Parkplatz benutzt wurde.
Dieser Platz war fast leer, bis auf ungefähr ein Dutzend Wagen, die nicht weit vom Wohnhaus parkten.
Der Anführer der Hindus setzte den Lastwagen einfach rückwärts vor die Luke, knackte das Vorhängeschloss mit einem Bolzenschneider und führte den Trupp dann in den Tunnel hinunter. Sobald alle in dem Schacht verschwunden waren, setzten der Fahrer und ein anderer Mann, der zurückgeblieben war, den Lkw über die Luke und warteten.
Der Betontunnel hatte einen Durchmesser von zwei Metern und enthielt eine ganze Reihe von Rohrleitungen, deren Aufschriften in arabischer Sprache jeweils ihren Zweck verrieten. Die Rohre ruhten auf Stützen, die vom Tunnelboden aufragten. Entlang einer Tunnelwand verlief ein schmaler Laufgang für Inspektionsarbeiten. Im Tunnel selbst war es dunkel und kühl, die Luft roch nach nassem Beton und Schimmel. Der Anführer knipste seine Taschenlampe an, und die anderen Männer folgten seinem Beispiel.
Dann setzten sie sich hintereinander in Richtung Moschee in Bewegung.
Sie hatten gut anderthalb Kilometer unterirdisch zurückgelegt, als sie zur ersten Gabelung kamen. Der Anführer warf einen Blick auf sein tragbares GPS. Das Signal war wegen der dicken Betonschicht über ihm zu schwach, daher holte er den Tunnelplan hervor, den Hickman geliefert hatte, und beriet sich im Flüsterton mit seinen Männern.
»Ihr fünf geht in diese Richtung«, sagte er und deutete erst auf die angesprochenen Männer und dann auf den Tunnel.
»Der Tunnel schwenkt nach einiger Zeit herum und bildet am Ende ein Rechteck. Deponiert den Sprengstoff auf eurem Weg in Abständen, so wie wir es besprochen haben. Anschließend treffen wir auf der anderen Seite wieder zusammen.«
Die eine Gruppe verschwand im rechten Tunnel, der Anführer und seine Männer im linken.
Eine gute Dreiviertelstunde später trafen sie sich auf der anderen Seite.
»Und jetzt wechseln wir die Seiten«, entschied der Anführer. »Ihr geht durch den anderen Tunnel und überprüft unsere Sprengladungen. Wir gehen durch euren Tunnel und tun das Gleiche mit euren Bomben.«
Die Männer setzten sich in entgegengesetzten Richtungen in Marsch und folgten den tanzenden Lichtkegeln ihrer Taschenlampen.
An jeweils sechs Punkten in beiden Tunneln wurden etwa dreißig Zentimeter dicke Bündel aus C-6-Sprengstoff und Dynamitstangen mit Klebeband an den Leitungsrohren befestigt. Und an jedes Bündel wurde ein Digitalwecker angeschlossen, der die Stunden herunterzählte.
Die Zeitangabe des ersten Weckers lautete: 107 Std: 46 min. Die Sprengladungen sollten am Mittag des zehnten hochgehen, wenn sich etwa eine Million Pilger in der Moschee drängte. Die Sprengstoffmenge, die die Hindus verteilt hatten, würde die Moschee in einen Trümmerhaufen verwandeln. Die größte Ladung, mit der doppelten Menge C-6 und Dynamit, befand sich genau unter dem Punkt, der auf dem Lageplan das Grab Mohammeds kennzeichnete.
Wenn die Ladungen in weniger als fünf Tagen explodierten, würden einige Jahrhunderte Geschichte ausgelöscht sein.
Sie kehrten durch den Tunnel zur Klappe zurück, die auf den Parkplatz führte. Der Anführer kletterte unter dem Lastwagen heraus und rollte sich seitlich unter dem Fahrzeug hervor. Dann klopfte er an die Fahrertür. Der Fahrer drehte das Seitenfenster herunter.
»Fahr ein Stück vorwärts«, befahl der Anführer.
Sobald die Männer wieder im Lastwagen saßen, holte der Anführer ein Vorhängeschloss hervor, das er für diesen Zweck mitgebracht hatte, und verschloss damit die Klappe.
Keine fünf Minuten später waren sie beim Licht einer dünnen Mondsichel wieder auf dem Rückweg nach Rabigh.
Um sechs Uhr am selben Morgen trommelte Max Hanley die Mitglieder der Corporation im Konferenzraum der Oregonzusammen. Das Schiff lag vor Tel Aviv im Mittelmeer und fuhr mit halber Kraft im Kreis. Hanley beobachtete einen Fernsehschirm, der den Robinson beim Anflug auf den Schiffsbug zeigte.
»Dort kommt Juan«, sagte er und deutete auf den Bildschirm. »Er leitet diese Einsatzbesprechung. Bis er hier unten ist, könnt ihr ja noch einmal eure Notizen durchgehen. Kaffee und Gebäck findet ihr auf dem Tisch an der Seite. Falls ihr Hunger habt, dann nutzt die Gelegenheit. Wenn Juan angefangen hat, werdet ihr keine Zeit mehr dazu haben.«
Hanley ging hinaus, um im Kontrollraum die aktuellen Meldungen abzurufen. Er erhielt sie von Eric Stone und verließ den Raum wieder, als Juan Cabrillo und George Adams vorbeikamen.
»Ihr werdet schon im Konferenzraum erwartet«, sagte er und folgte den beiden.
Cabrillo öffnete die Tür des Konferenzraums, in den die drei Männer eintraten. Adams, der seine Flugkombination trug, nahm am Tisch Platz. Hanley blieb in Cabrillos Nähe, der hinter das Rednerpult trat.
»Es tut richtig gut, euch alle wiederzusehen«, begann Juan Cabrillo. »Vor allem Chuck und seine Truppe. Freut mich, dass sie euch endlich haben ziehen lassen«, stellte er fest und lächelte Gunderson an. »Bei dem, was auf uns zukommt, brauchen wir wirklich jeden Mann und natürlich auch jede Frau. Ich komme soeben aus Tel Aviv, wo ich mit Vertretern des Mossad gesprochen habe. Sie haben heute Morgen ein umfangreiches Team zum Felsendom geschickt, wo sie nach Zeitbomben suchen. Sie haben nichts dergleichen gefunden. Nichts Konventionelles und auch nichts Nukleares oder Biologisches. Allerdings sind sie auf eine Videokamera gestoßen, die dort eigentlich nichts zu suchen hatte. Sie war neben einem Gebäude in einem Baum versteckt, in einer Grünanlage.«
Niemand äußerte sich dazu.
»Die Kamera war auf eine Funkanbindung geschaltet, die die Bilder zu einem Rechner außerhalb der Moschee übertrug. Von dort aus gelangten sie über ein konventionelles Kabel zu einem Gebäude in der Nähe. Als ich abreiste, traf der Mossad gerade Vorbereitungen, in das Gebäude einzudringen. Ich denke, sie werden mir in Kürze den neuesten Stand durchgeben.«
Die Versammelten nickten.
»Das Interessante an der Kamera war, dass sie auf einen Punkt am Himmel genau über dem Felsendom gerichtet war, so dass die Spitze der Kuppel gerade noch ins Bild ragte. Das bringt mich zu der Annahme, dass Hickman, falls er sich den Stein Abrahams geholt hat, eine Art Attacke aus der Luft beabsichtigt, die den Stein vernichtet und gleichzeitig den Felsendom beschädigt. Offenbar will er per Fernsehen die ganze Welt an seinem Attentat teilhaben lassen.«
Die Versammelten nickten wieder.
»Was die Lage in Mekka und Medina betrifft«, fuhr Cabrillo fort, »werden Hali und ein Offizier der U.S. Air Force zwei Teams, bestehend aus muslimischen amerikanischen Soldaten, anführen und nach versteckten Sprengsätzen suchen. Ich habe Pete in Katar zurückgelassen, wo er zusammen mit dem Emir, der uns jede Unterstützung zugesagt hat, die Aktionen koordiniert. Max wird euch die Einzelheiten erläutern.«
Cabrillo trat vom Rednerpult zurück, und Max Hanley übernahm seinen Platz. Cabrillo nutzte die Gelegenheit, um zum Büfetttisch zu gehen, zwei Tassen Kaffee einzuschenken und eine Adams zu reichen, der sich mit einem Kopfnicken bedankte.
»Wie ihr alle wisst, befinden sich in Mekka und Medina die beiden heiligsten Stätten des Islam. Deswegen sind beide Städte für Nichtmuslime gesperrt. Hali ist der Einzige von uns, der den Islam praktiziert, daher wurde er als Anführer der Einsatzgruppen ausgewählt. Der Emir hat ein Frachtflugzeug mit einer Flotte Querfeldeinmotorräder sowie den Angehörigen von Halis Gruppe in den Jemen geschickt. Sie sind heute früh dort eingetroffen und haben die Grenze nach Saudi-Arabien überschritten, indem sie mit ihren Maschinen durch ein Wadi – ein ausgetrocknetes Flussbett – gefahren sind. Den jüngsten Meldungen zufolge haben sie die saudische Stadt Sabya bereits hinter sich gelassen und sind unterwegs nach Norden. Irgendwann werden sie in Reisebusse umsteigen und damit zu den Moscheen fahren. Dort werden sie ausschwärmen und nach Sprengladungen suchen.«
»Was ist mit den Schiffscontainern?«, wollte Michael Halpert wissen.
»Wie ihr wisst«, fuhr Hanley fort, »haben unsere Leute in Maidenhead Spuren einer giftigen Substanz gefunden, mit der höchstwahrscheinlich die Gebetsteppiche in den Containern verseucht wurden. Hali hat acht Männer mit einem Linienflug nach Riad geschickt. Sie beobachten den Frachtbereich des dortigen Flughafens, wo die Container abgestellt wurden, um später nach Mekka transportiert zu werden. Offenbar hat es dort eine Panne gegeben, die sich für uns allerdings als Glücksfall erwiesen hat. Wären diese Container nämlich termingerecht eingetroffen, so wären sie wahrscheinlich längst ausgeräumt worden und das Gift würde sich schon jetzt durch die Luft verbreiten. Wie es der Zufall wollte, hatte sich Hickman mit der Lieferung der Container derart verspätet, dass die für den Weitertransport vorgesehenen Lastwagen anderweitig eingesetzt wurden. Nach dem Zeitplan, den die NSA vom PDA Hickmans aufgefangen hat, wurde das Lieferdatum auf morgen, den 7. Januar, verschoben. Unser Plan sieht vor, dass sich unsere Leute die Container holen und damit in Richtung Mekka starten. An irgendeinem Punkt zwischen Riad und Mekka müssen wir die Container vernichten oder sie außer Landes bringen.«
In diesem Moment summte das Telefon im Konferenzraum. Cabrillo nahm ab, lauschte einige Sekunden lang und sagte dann: »Verstanden.« Und legte den Hörer wieder auf. Hanley sah ihn gespannt an.
»Das war Overholt«, erklärte Cabrillo. »Sein Agent hat in nächster Nähe der Kaaba radioaktive Strahlung aufgefangen. Demnach hat Hickman es geschafft, die Meteoriten auszutauschen.«
In London hatte Michelle Hunt die letzten Tage abgeschirmt in einem Hotelzimmer verbracht, wo sie von CIA-Agenten pausenlos verhört wurde. Sie war müde, aber immer noch kooperationsbereit. Allmählich jedoch musste die CIA erkennen, dass sie kaum eine Hilfe war. Von Anfang an hatten sie die Möglichkeit verworfen, dass sie sich direkt mit Hickman in Verbindung setzte. Zwar konnte man davon ausgehen, dass er ein Mobiltelefon bei sich trug, allerdings würde er sofort misstrauisch werden, wenn er sähe, dass sie ihn nicht von ihrem eigenen Anschluss aus anrief.
Ein Flugzeug sollte sie in die Vereinigten Staaten zurückbringen, das in einer Stunde starten würde. Im Wesentlichen hatte Michelle Hunt Licht auf Hickmans Leben werfen können.
Und das hatte sie auch in aller Ausführlichkeit getan. Sie hatten sie nach allem gefragt, und sie hatte bereitwillig geantwortet. Der zuständige Agent brauchte nur noch einige Punkte zu klären und könnte seinen Bericht dann weiterleiten.
»Noch mal zurück zum Anfang«, sagte er. »Sie haben erzählt, als Sie sich kennen lernten, sei er nach Los Angeles gekommen, um sich ein Ölfeld anzusehen, das er kaufen wollte.«
»Ja«, sagte Michelle Hunt, »wir trafen uns an diesem Tag bei Casen’s. Ich hatte noch einen Gutschein für ein Essen, den mir eine Freundin zu einem früheren Geburtstag geschenkt hatte. Ich konnte mir damals keine Besuche in teuren Restaurants leisten – noch nicht mal mittags.«
»Und was geschah dann?«
»Er kam an meinen Tisch, stellte sich vor, und ich lud ihn ein, sich zu mir zu setzen«, erzählte Michelle Hunt. »Wir waren den ganzen Nachmittag dort. Er kannte wohl den Inhaber, denn als das Restaurant sich leerte, hat man uns in Ruhe gelassen. Sie fingen schon an, die Tische fürs Abendessen zu decken – aber niemand bat uns zu gehen.«
»Haben Sie an diesem Abend auch dort zu Abend gegessen?«
»Nein«, antwortete Michelle Hunt, »Hal hatte es so arrangiert, dass wir später noch zu dem Ölfeld hinausflogen, da er es inspizieren wollte. Ich denke, er beabsichtigte, bei mir Eindruck zu schinden.«
»Also flogen Sie hinaus zu dem Gelände, und er hat durchs Fenster runtergeschaut?«
»Keine Fenster«, sagte Hunt. »Es war ein Doppeldecker. Ich saß hinter ihm.«
»Moment mal«, sagte der Agent, »es war eine zweisitzige Maschine?«
»Eine Stearman, wenn ich mich recht erinnere«, sagte Michelle Hunt.
»Wer ist geflogen?«, fragte der Agent.
»Na ja, das war Hal«, sagte Michelle Hunt, »wer sonst?«
»Mr. Hickman ist Pilot?«, fragte der Agent schnell.
»Nun, damals zumindest war er es«, sagte Michelle Hunt.
»Wenn Howard Hughes der Fliegerei frönte, dann musste Hal es ebenfalls versuchen.«
Der Agent hatte es nun eilig zu telefonieren.
»Das ergibt ein völlig anderes Bild«, sagte Hanley. »Wir müssen Hickman nicht nur den Stein Abrahams abnehmen, sondern wir müssen ihn auch unbemerkt umtauschen. Der Präsident hat uns angewiesen, die saudische Regierung aus dieser Sache möglichst herauszuhalten.«
In diesem Augenblick erwachte einer der großen Monitore im Konferenzraum zum Leben. Der Bildschirm war in zwei Hälften geteilt, auf der linken Seite konnte man Eric Stone erkennen. »Es tut mir Leid, Max«, sagte er, »ich weiß, dass ihr nicht gestört werden wolltet, aber dies hier ist wichtig. Achte auf die andere Seite.«
Ein Bild erschien auf der anderen Bildschirmhälfte.
»Das kommt von zwei Kameras, die die CIA an den Schleusen im Suezkanal aufgestellt hat. Das Bild ist keine fünfzehn Minuten alt.«
Die Kamera fing einen alten Perlenfischer ein. Zwei Matrosen machten sich an den Leinen zu schaffen, während das Schiff durch die Schleuse fuhr. Ein Mann stand auf dem Achterdeck und trank Kaffee. Die Kamera hatte ihn aufgenommen, als er gerade aufblickte.
»Ich habe es mit Julias Programm überlagert«, sagte Stone.
Alle im Raum verfolgten, wie sich das dreidimensionale Bild auf den Mann legte. Die Umrisslinien passten genau. Als er sich auf dem Schiff bewegte, folgte das computergenerierte Bild seinen Bewegungen.
»Max«, sagte Stone schnell, »das ist Halifax Hickman.«
»Wo befindet sich das Schiff zur Zeit, Eric?«, schaltete sich Cabrillo ein.
Auf der linken Bildschirmhälfte war zu sehen, wie Eric Stone im Kontrollraum auf einen anderen Monitor schaute.
»Es hat die Schleusen verlassen und läuft soeben in Port Said in Ägypten ein.«
»George –«, setzte Cabrillo an.
»Meine Kiste sollte mittlerweile aufgetankt sein«, sagte Adams und erhob sich.
Vier Minuten später hob der Robinson vom Deck der Oregonab. Es waren gut dreihundert Kilometer bis nach Port Said. Aber der Robinson würde es gar nicht erst bis Ägypten schaffen.
51
Vanderwalds Maschine erwischte einen kräftigen Rückenwind und landete daher eine halbe Stunde früher als geplant.
Es herrschte so gut wie kein Verkehr auf den Straßen. Es würde noch mindestens eine Stunde dauern, bis die Pendler auf dem Weg zur Arbeit die Straßen verstopften, und er stand schon eine Viertelstunde, nachdem er aus dem Flugzeug gestiegen war, vor seinem Haus. Er holte die Post aus dem Briefkasten an der Straße, klemmte sie sich unter den Arm und ging mit seiner Reisetasche zur Haustür.
In der Eingangshalle stellte er die Tasche auf den Boden und legte die Post auf einen Tisch.
Er drehte sich gerade um und wollte die Haustür schließen, als von der Seite ein Mann auftauchte und das Geräusch von Schritten aus dem Flur drang, der zur Küche führte.
»Guten Morgen, du Scheißkerl«, sagte der erste Mann und richtete eine Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer auf Vanderwalds Kopf.
Der Mann sagte nichts weiter. Er senkte den Lauf der Waffe und schoss Vanderwald in beide Knie. Vanderwald sackte zu Boden und stieß einen Schmerzensschrei aus. Der zweite Mann erreichte jetzt die Eingangshalle und kniete sich neben Vanderwald, der sich auf dem Boden wälzte.
»Willst du uns nicht diese Rechnung für eine DC-3 erklären, die wir in deinem Computer gefunden haben?«
Zwei Minuten und zwei sorgfältig gezielte Schüsse später hatten die Männer die Antwort.
Noch eine Minute später feuerte der erste Mann den Gnadenschuss ab.
Die Männer gingen durch die Hintertür hinaus und erreichten über einen schmalen Weg die Seitenstraße, in der sie ihren Mietwagen geparkt hatten. Sie stiegen ein, der Mann auf dem Beifahrersitz streifte seine Handschuhe ab und wählte eine Nummer.
»Die Zielperson hat eine DC-3 nach Port Said in Ägypten gebracht und ist gerade nach Hause gekommen. Sie wird uns keine Schwierigkeiten mehr machen.«
»Ich verstehe«, sagte Overholt. »Sie können sich wieder auf den Rückweg machen.«
»Ich brauche ein Echtzeit-Bild vom Flugplatz in Port Said«, sagte Overholt zum Chef der National Security Agency. »Wir suchen eine alte DC-3.«
Der Chef der NSA rief seinen Satellitentechnikern einige Anweisungen zu.
»Wir gehen auf Position«, antwortete er nun. »Einen Moment.«
Während er wartete, griff Overholt in seine Schreibtischschublade und holte seinen Holzschläger mit einem mittels einer Schnur daran befestigten roten Gummiball hervor und ließ den Ball hektisch auf und ab springen. Diese wenigen Minuten dehnten sich zu einer Ewigkeit. Endlich meldete sich der NSA-Chef wieder.
»Bleiben Sie dran. Wir schicken Ihnen das Bild.«
Overholt blickte auf seinen Monitor. Das Luftbild eines Flugplatzes erschien. Dann vergrößerte es sich stetig, bis die DC-3 zu erkennen war. Nach und nach traten die Details deutlicher hervor. Ein Mann eilte über die Rollbahn. In den Armen hielt er etwas, das wie eine Decke aussah, und drückte es an seine Brust. Er ging auf die DC-3 zu und öffnete die Seitentür.
»Bleiben Sie auf der DC-3«, befahl Overholt. »Wenn sie startet, versuchen Sie, an ihr dranzubleiben.«
»Wird gemacht«, sagte der NSA-Chef.
Max Hanley saß mit Eric Stone im Kontrollraum, als das Telefon klingelte.
»Ich habe neue Informationen«, meldete sich Overholt. »Ms. Hunt hat meinen Agenten soeben verraten, dass Hickman früher Pilot war. Zwei meiner Männer haben vor ein paar Minuten den südafrikanischen Waffenhändler aufgesucht und von ihm erfahren, dass er gestern eine DC-3 für Hickman nach Port Said geliefert hat. Und ich habe zur Zeit auf meinem Monitor ein Bild von einem Mann, ungefähr so groß wie Hickman und mit dem 3-D-Profil identisch, das Sie mir geschickt haben, der in diesem Moment dabei ist, in das Flugzeug zu steigen.«
»Dann ist alles klar«, unterbrach Hanley seinen Anrufer. »Er hat es auf den Felsendom abgesehen.«
»Wir können ihn nicht abschießen, sonst verlieren wir den Stein Abrahams«, sagte Overholt. »Wir müssen zulassen, dass er ihn abwirft.«
»Okay, Sir«, sagte Hanley, »ich lasse Cabrillo eine entsprechende Warnung zukommen.«
Hanley rief per Funk den Robinson.
»Kehr um«, sagte Cabrillo zu Adams, nachdem Hanley ihm die neue Situation geschildert hatte.
George Adams legte den Helikopter in eine Linkskurve.
»Alle außer Mark und Franklin sollen sich sofort in Richtung Felsendom in Bewegung setzen«, sagte Cabrillo. »Die beiden müssen den Raketenwerfer in Position bringen.«
»Wird sofort erledigt, Juan«, erwiderte Hanley.
»Ruf anschließend Overholt noch einmal an. Er soll die Israelis zurückhalten«, sagte Cabrillo. »Ich will, dass kein Flugzeug in der Luft ist. Außerdem sollen sie jede Aktion unterlassen, die Hickman einen Hinweis liefern könnte, dass wir ihn im Visier haben.«
»Okay.«
»Dann soll Kevin mich umgehend anrufen. Ich muss mich noch einmal wegen seiner Konstruktion mit ihm unterhalten.«
»Wohin, Juan?«, wollte Adams wissen.
»Nach Jerusalem«, antwortete Cabrillo, »zum Felsendom.«
Adams gab entsprechende Befehle in sein GPS ein, während der Robinson wieder die Küste überflog.
Als auf der Oregondie Vorbereitungen auf Hochtouren liefen, eilte Kevin Nixon zum Kontrollraum hinunter. Er stürmte geradezu durch die Tür.
Hanley schaltete das Mikrofon ein, Cabrillo meldete sich sofort.
»Ich habe Kevin hier«, sagte Hanley und reichte ihm das Mikrofon.
»Kevin?«, fragte Cabrillo.
»Was ist, Juan?«
»Bist du sicher, dass deine Konstruktion funktioniert? Falls du irgendwelche Zweifel hast, möchte ich es jetzt wissen.«
»Ich habe das Gewicht berechnet und die von dir geschätzte Höhe verdoppelt – es war immer noch innerhalb des Limits«, sagte Nixon. »Du weißt ja, nichts ist perfekt – aber ich muss sagen: Ja, es wird funktionieren.«
»Wie lange dauert es, bis es tragfähig ist?«
»Weniger als eine Minute«, antwortete Nixon.
»Und hast du genug Material?«
»Habe ich, Juan«, versicherte ihm Nixon. »Ich habe mehr hergestellt, als wir brauchen werden.«
»Okay«, entschied Cabrillo, »wir verlassen uns auf deinen Erfindungsgeist. Es gibt allerdings keinen Ersatzplan, also muss es klappen.«
»Das wird es, Juan«, versicherte Nixon, »aber es gibt noch ein Problem.«
»Ja?«
»Wir könnten den Stein verlieren, wenn er die Kuppel trifft.«
Cabrillo schwieg einige Sekunden lang. Dann sagte er: »Ich kümmere mich darum, Kevin.«
Es war eine halbe Ewigkeit her, seit Hickman das letzte Mal ein Flugzeug gelenkt hatte, das Geschick aber kam zu ihm zurück, als wäre es erst gestern gewesen. Nachdem er in den Pilotensessel geklettert war, ging er die Vorflug-Checks durch und ließ die Maschinen warmlaufen. Schwarze Qualmwolken stiegen von den altersschwachen Motoren auf, als sie ansprangen, doch nach wenigen Minuten liefen sie zwar knatternd, aber gleichmäßig rund.
Er betrachtete das Instrumentenbrett, prägte sich die Positionen der verschiedenen Schalter ein und vergewisserte sich, dass der ein wenig vorsintflutlich anmutende Autopilot mit der Steuerung verbunden war. Dann, während er die alte DC-3 langsam anrollen ließ, rief er den Tower und bat um die Startfreigabe.
Auf dem Flugfeld herrschte kein Betrieb, also wurde ihm sofort eine Startbahn zugewiesen.
Während die DC-3 in Position rollte, testete er die Bremsen. Sie reagierten ein wenig schwammig, funktionierten aber.
Die abgenutzten Bremsen machten Hickman nichts aus – es wäre ohnehin das letzte Mal, dass sie benutzt wurden. Die DC-3 befand sich auf ihrer letzten Reise. Er lenkte die DC-3 in einer langsamen Kurve auf die Startbahn und stoppte.
Nach einem letzten Blick auf die Anzeigen schob er die Gashebel nach vorn, raste die Rollbahn hinunter und fuhr die Klappen ein. Die DC-3 hob ab und ging in einen mühsamen Steigflug. Hickman hatte nur dreihundert Kilometer vor sich.
Bei voller Reisegeschwindigkeit und mit leichtem Rückenwind wäre er in einer Stunde am Ziel.
»Die Barkassen sind im Wasser«, meldete Eric Stone, »ich habe dafür gesorgt, dass ein israelischer Transporthubschrauber das Zehn-Mann-Team von Tel Aviv zu einem Punkt in der Nähe des Felsendoms bringt. Der Chopper ist zu groß für unseren Landeplatz. Da kommt er schon.«
Stone deutete auf einen Monitor, der mit einer Kamera am Bug der Oregonverbunden war. Der große Helikopter mit Zwillingsrotor setzte soeben auf dem Sandstrand auf.
»Ich gehe in den Konferenzraum«, sagte Hanley.
Er eilte durch den Korridor und riss die Tür auf. »Okay, Leute«, sagte er, »die Boote liegen bereit, und der Chopper ist gerade gelandet, um euch ans Ziel zu bringen. Weiß jeder, was wir vorhaben?«
Die zehn Leute nickten.
»Eddie hat das Kommando«, sagte Hanley. »Viel Glück.«
Die Mitglieder des Teams verließen den Konferenzraum, jeder mit einem großen Karton unter dem Arm. Hanley wandte sich an Nixon, als dieser an ihm vorbeigehen wollte.
»Hast du die Strickleiter eingepackt?«, fragte er.
»Liegt ganz oben im Karton.«
»Okay«, sagte Hanley und folgte ihm durch den Gang zum Achterdeck.
Von dort aus beobachtete er, wie die Boote beladen wurden und die kurze Strecke bis zum Strand überwanden. Dann kehrte er ins Schiff zurück, um sich mit Mark Murphy und Franklin Lincoln in Verbindung zu setzen.
»Wo soll ich dich absetzen?«, fragte Adams.
»Wir fliegen direkt zum Felsendom«, antwortete Cabrillo. »Dort müsste das Team von der Oregonmittlerweile eingetroffen sein.«
»Und was dann?«
»Ich will es dir erklären«, sagte Cabrillo.
Ein paar Minuten später, nachdem Cabrillo geendet hatte, stieß Adams einen leisen Pfiff aus. »Bei all dem Hightech-Spielzeug, das die Corporation auf Lager hat, bleibt am Ende nur eine solche Möglichkeit übrig?«
»Es ist wie ein Hochseilakt im Zirkus«, gab Cabrillo zu.
Das Team von der Oregonstieg auf einer abgesperrten Straße in der Nähe des Felsendoms aus dem Hubschrauber. Israelische Panzer riegelten die umliegenden Nebenstraßen ab, und israelische Soldatentrupps trieben die Menschen aus den Straßen und aus der Moschee. Palästinenser, die keine Ahnung hatten, dass ihr hochgeschätztes Heiligtum bedroht war, rotteten sich zusammen und protestierten, so dass die Israelis sie mit Wasserwerfern zurücktreiben mussten.
Eddie Seng führte das Team zum Eingang der Moschee.
»Verteilt euch und nehmt eure Positionen ein«, wies er sie an. »Du, Kevin, kümmerst dich als Erstes darum, dass die Strickleiter an Ort und Stelle ist.«
»In Ordnung, Eddie.« Nixon und sein Trupp marschierten in den Innenhof der Moschee.
Seng wandte sich an einen israelischen Offizier, der in seiner Nähe stand.
»An allen Seiten sollen Schläuche an die Feuerhydranten angeschlossen und in die Moschee gelegt werden«, erklärte Seng. »Sorgen Sie dafür, dass die Schläuche lang genug sind, um jeden Winkel der Moschee damit zu erreichen.«
Der Offizier nickte und bellte mit lauter Stimme eine Serie von Befehlen.
Hickman flog übers Mittelmeer. Er spürte, dass sein Leben dem Ende entgegenging. Und dieses Leben war gescheitert. All sein Reichtum, der Ruhm und der Erfolg hatten letztlich keine Bedeutung. Das Einzige, was er hatte richtig machen wollen, hatte er verpfuscht. Er war seinem Sohn nie ein guter Vater gewesen. Ausschließlich auf seine Großartigkeit bedacht und durchdrungen von einem Gefühl eigener Wichtigkeit, die ihm verbot, einen anderen Menschen nahe an sich heranzulassen, konnte er niemals dulden, dass die Liebe eines Kindes zu seinen Eltern durch seine äußere Schale drang.
Allein der Tod Chris Hunts hatte bewirkt, dass diese Schale aufgerissen war.
Hickman hatte die verschiedenen Stadien der Trauer durchlaufen und war bei kaltem Hass angelangt. Wut auf eine Religion, die Fanatiker hervorbrachte, die skrupellos töteten, Wut auf die Symbole, die diesen Mördern heilig waren.
Doch schon bald würden diese Symbole nicht mehr existieren – und auch wenn Hickman nur die ersten Früchte seines Rachefeldzugs sähe, so würde er in dem Bewusstsein, dass auch alles andere in Kürze zusammenbräche, glücklich sterben.
Lange würde es nicht mehr dauern, dachte er jetzt, bis er endlich die Küste unter sich erblickte.
Und nicht viel später würde der Islam zerschlagen sein.
Kevin Nixon und Carl Gannon holten aus einem Karton eine Strickleiter und rollten sie auf dem Hof neben dem Felsendom aus. Sofort war zu erkennen, dass sie bei weitem nicht lang genug war.
»Ich schau mal nach der Reserveleiter«, sagte Nixon, durchschnitt mit seinem Messer das Klebeband eines zweiten Kartons und holte eine weitere zusammengerollte Strickleiter heraus. »Kennst du dich mit Knoten aus?«
»Ich denke schon, als Segelbootbesitzer«, erwiderte Gannon, »kann ich mich sogar als Experten bezeichnen.«
Gannon knüpfte die Enden der beiden Leitern zusammen. Rund um den Felsendom verteilt begannen die anderen Mitglieder des Teams, große Plastiksäcke, die mit einem weißen Pulver gefüllt waren, aus den Kartons zu holen.
In der Nähe des Eingangs am Silsila-Minarett beobachtete Eddie Seng, wie die Israelis Schläuche durch die Toröffnung zerrten, »Lasst sie liegen«, befahl Seng. »Meine Leute holen sie ganz herein, sobald die Vorbereitungen abgeschlossen sind.«
Seng machte sich auf den Weg und wiederholte seine Anweisungen auf allen vier Seiten des weitläufigen Moscheebezirks. Kurz darauf zogen die Mitglieder der Corporation die Schläuche vollends in den Innenhof.
»Okay.« Gannon betrachtete zufrieden sein Werk. »So müsste sie halten.«
»Am besten fangen wir an diesem Ende an und rollen sie sorgfältig auf«, entschied Nixon.
Während Gannon sie stramm zog, legte Kevin Nixon die Leiter zu einem handlichen Paket zusammen.
Mark Murphy betrachtete die Flugbahnlinien auf dem Computerbildschirm, dann wandte er sich um und sah Max Hanley an. »Gibt es bei dieser kleinen Party auch so was wie eine Kostenkontrolle?«, erkundigte er sich.
»Nein«, antwortete Hanley.
»Wunderbar«, sagte Murphy, »denn diese kleine Sperrvorrichtung dürfte fast eine Million kosten, wenn du einen Misserfolg mit absoluter Sicherheit ausschließen willst.«
»Entweder steigt man ganz groß ein, oder man lässt es bleiben«, sagte Hanley.
Franklin Lincoln deutete auf die Linie, die den Weg der DC-3 zeigte, die sich im Anflug befand. »Hoffen wir, dass dieser Kurs sich nicht noch ändert«, sagte er, »und dass sich deine Theorien als richtig herausstellen.«
»Wenn man nach dem Aufnahmewinkel seiner Kamera geht«, sagte Hanley, »sieht es so aus, als käme er für den Abwurf eher niedrig herein. Damit wäre die Zerstörung des Abraham-Steins viel deutlicher zu beobachten. Wenn er den Stein aus großer Höhe abwirft, müsste die Kamera ein Weitwinkelobjektiv haben, was allerdings kein besonders detailliertes Bild ergäbe, falls der Stein zerschellt.«
»Deswegen mache ich mir keine Sorgen«, sagte Lincoln. »Sorgen macht mir der zweite Anflug.«
»Um sicherzugehen, dass die DC-3 auch den Felsendom voll erwischt«, erklärte Hanley, »wird ihm klar sein, dass er einige tausend Fuß steigen und dann in den Sturzflug gehen muss.«
»Wir haben die maximale Steigleistung der DC-3 in den Computer eingegeben«, sagte Murphy, »und sind von zweitausend Fuß zusätzlicher Höhe ausgegangen. Daraus errechnet sich diese Flugbahn.«
Murphy deutete auf den Monitor.
»Hervorragend«, sagte Hanley.
Murphy grinste. »Das finden Franklin und ich auch.«
Hickman war immer noch rund neun Minuten weit entfernt, als Adams den Innenhof überquerte und den Helikopter dort landen ließ, wo Kevin Nixon stand und winkte. Nixon rannte geduckt unter dem kreisenden Rotor her zur Maschine, reichte Juan Cabrillo das Ende des Seils durch die offene Tür und rannte gleich wieder zurück.
»Jetzt ganz langsam und gleichmäßig«, sagte Cabrillo über sein Headset.
»Ich kann doch gar nicht anders«, sagte Adams lässig.
Während der Hubschrauber aufstieg, bediente Adams die Höhensteuerung wie ein Chirurg sein Skalpell. Sobald der Robinson genug Höhe gewonnen hatte, ließ Adams ihn seitlich wegdriften, während Cabrillo das Seil abwickelte. Ein dünnes Netz entstand über dem Felsendom. Als Adams die andere Seite erreichte, ging er bis auf wenige Meter über dem Boden herunter. Cabrillo ließ das Ende der Strickleiter fallen. Bob Meadows und Linda Ross packten jeder ein Seil, gingen ein paar Schritte, bis die Leiter straff gespannt war, und blieben stehen. Von den Sprossen der Strickleiter hingen Netze herab.