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Das letzte Relikt
  • Текст добавлен: 8 октября 2016, 21:19

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Автор книги: Robert Masello


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Ужасы


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Aber war das nicht nur ein weiteres Beispiel dafür, wie eine kleinliche Bürokratie das Voranschreiten menschlicher Erkenntnis verhindern konnte? Nichts machte ihn wütender.

Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich zu ärgern. Alles in allem hatte er ziemliches Glück gehabt. Er hatte seine Beute, musste zurzeit keinen anderen dringenden Pflichten nachgehen und war an einem Ort, an dem er ungestört arbeiten konnte. Morgen, so nahm er sich vor, würde er anfangen, den schief hängenden Haussegen wieder geradezurücken. Wenn man ihn nur sich selbst überließe, würde er die Stückchen zusammenfügen und die verschollene Schriftrolle übersetzen, neben der sich der Legende nach das Buch der Offenbarung wie ein Märchen las.

Vorsichtig ergriff er einen weiteren Pergamentfetzen mit den behandschuhten Händen, legte es auf den Tisch und glättete es vorsichtig mit den Fingerspitzen. Es war dicht beschrieben, wie alle Fragmente der Rolle, mit der unverwechselbaren aramäischen Schrift, die dunkler, enger und eckiger war als das weiter verbreitete Paläohebräisch oder Altgriechisch. Wie passte dieses Stück der Rolle, an allen Enden zerfasert, zu dem Rest? Und was würde es sagen, wenn Ezra erst einmal herausgefunden hatte, wohin es gehörte, und den Text sorgfältig übersetzt hatte? Was würde es über den Krieg im Himmel, das Wort Gottes, die Apokalypse verraten?

Als Ezra den Rand dieses kleinen Fragments an den länglichen Streifen hielt, um zu sehen, ob sie irgendwo zusammenpassten, leuchtete etwas vor seinen Augen auf, wie ein blauer Blitz, und seine Fingerspitzen begannen zu kribbeln. Er lehnte sich zurück und hielt den Atem an.

War das tatsächlich gerade geschehen?

Er blinzelte und rieb die Fingerspitzen aneinander. Schmerzhaft konnte man das Gefühl bei weitem nicht nennen, aber es war auch nicht gerade angenehm. Ein feiner Hauch von Kordit lag in der Luft, und seine Finger fühlten sich an … wie sollte er es beschreiben? Als seien sie gerade mit einer lebendigen Stromquelle in Berührung gekommen.


10. Kapitel

Als der Wecker am Samstagmorgen um halb acht klingelte, begriff Carter zunächst nicht, was los war.

Es war Samstag.

Immer noch im Halbschlaf, drehte er sich zu Beth um und schob einen Arm unter die Decke und um ihre Hüfte. Als seine Hand tiefer glitt, hielt sie sein Handgelenk fest.

»Hast du nicht etwas vergessen?«, murmelte sie, die Augen geschlossen.

»Was denn?«

»Du hast eine Verabredung … weißt du nicht mehr?«

Jetzt fiel es ihm wieder ein. Punkt neun Uhr in Dr. Westons Praxis. Für den gefürchteten Spermatest. Er zog seine Hand zurück, ehe es noch schwerer wurde, aufzuhören. Beth drehte sich zur anderen Seite des Bettes, vielleicht, um es ihm leichter zu machen. Carter legte sich auf den Rücken und dachte an die vor ihm liegenden Stunden. Zuerst der Test, und dann die Fahrt zum Kennedy Airport. Joes Flieger sollte am Nachmittag landen.

Er schlüpfte aus dem Bett, tappte barfüßig durch den Flur ins Badezimmer und schaltete das Licht an. Beth hatte ihm schon zweimal Hausschuhe gekauft, aber er hatte keine Ahnung, wo die abgeblieben waren. Er trug nichts außer den karierten Boxershorts, in denen er geschlafen hatte. Befehl vom Doktor – nur Boxershorts führten zum Erfolg.

Nach einer kurzen Dusche und einem noch kürzeren Frühstück aus Kaffee und Pop-Tart-Keksen nahm er die U-Bahn Uptown. Er kam ein paar Minuten zu früh in der Praxis an. Das passte ganz gut, denn er musste noch Unmengen von Formularen und Fragebögen zu seinen Vorerkrankungen, den Krankheiten seiner Familie, den Medikamenten, die er zurzeit einnahm, seiner Krankenversicherung und so weiter ausfüllen. Als er fertig war, reichte er der Krankenschwester am Empfangstresen den Papierstapel. Sie überflog ein paar Seiten, prüfte seine Unterschrift unten auf der Seite und sagte dann: »Und Sie hatten seit mindestens vierundzwanzig Stunden keine Ejakulation?«

Carter war versucht zu sagen, dass er nah dran gewesen war, entschied sich dann aber dagegen. »Nein.«

Sie notierte etwas auf seiner Karte und führte ihn anschließend einen schmalen Korridor mit weißen nummerierten Türen entlang. Gedämpftes Licht, grauer Teppichboden, weit und breit kein Geräusch. Sie öffnete eine der Türen. In dem kleinen Raum dahinter sah er einen Sessel, einen an die Wand montierten Fernseher und ein Nachttischchen mit einem Stapel Pornomagazine.

»Im Fernseher liegt eine Videokassette«, sagte sie. »Sie müssen ihn nur noch einschalten. Die Magazine können Sie ebenfalls benutzen.«

Carter, der nicht darüber nachgedacht hatte, was ihn wohl erwartete, fühlte sich peinlich berührt.

»Bitte versuchen Sie, so viel wie möglich in diesem Behälter zu sammeln«, sagte sie und reichte ihm einen Plastikbecher. Entsetzt stellte er fest, dass er ihn an die Salsa-Schüsseln bei seinem Lieblings-Fast-Food-Mexikaner erinnerte. »Wenn Sie fertig sind, bringen Sie mir den Becher.«

Carter betrat den Raum, und die Schwester schloss die Tür. Er sah sich um und wusste nicht, wie er anfangen sollte. Wie um alles in der Welt sollte er hier erotische Gefühle entwickeln?

Gleichwohl steckte er fünfzehn Minuten später den Kopf aus der Tür und suchte nach der Krankenschwester, aber niemand war zu sehen. Er verdeckte den Becher mit der Probe mit der Hand und ging zurück zum Empfangsbereich, wo inzwischen eine Reihe anderer Patienten wartete. Die Schwester, die ihm den Raum gezeigt hatte, sprach gerade am Telefon mit jemandem.

Carter fing ihren Blick auf. Immer noch redend, streckte sie die Hand aus.

Erwartete sie tatsächlich, dass er ihr den Becher einfach so in die Hand drückte?

Er tat es. Sie stellte ihn neben das Terminbuch, lächelte und winkte ihm zum Abschied zu.

Carter hatte das Gefühl, gerade den seltsamsten Morgen seines Lebens erlebt zu haben, und dabei war es noch nicht einmal zehn Uhr. Zumindest hatte er jetzt noch genügend Zeit, um zum Flughafen zu fahren und Joe abzuholen. Nur zu schade, dass er nicht vorher noch einmal nach Hause konnte. Er hatte gerade unheimlich Lust auf Beth.

Am Flughafen sah er, dass Joes Flug pünktlich landen würde, ein Wunder, wenn man bedachte, dass es ein internationaler Flug war. Da er so früh dran war, hatte er noch Zeit, um zu Hause anzurufen. Beth nahm nach dem zweiten Klingeln ab.

»Ich hätte dich heute Morgen gut gebrauchen können«, sagte Carter.

Beth lachte. »Ich glaube, das ist nicht erlaubt.«

»Sollte es aber.«

»Wie war es? Sehr gruselig?«

»Ziemlich.«

»Ich weiß es zu schätzen, dass du hingegangen bist. Es bedeutet mir viel.«

»Na ja, das ist schließlich auch mein Projekt.«

»Ich weiß«, sagte sie leise. »Und wegen heute Morgen … Ich mache es wieder gut, wenn du nach Hause kommst.«

»Das könnte leichter gesagt als getan sein. Vergiss nicht, ich werde gut zweihundertfünfzig Pfund Italien im Gepäck haben.«

»Soll ich einkaufen gehen und etwas zu essen besorgen? Vielleicht ist er müde und will einfach nur ein ruhiges Abendessen zu Hause.«

Obwohl Carter nichts dazu sagen wollte, wusste er, dass Beths Vorstellung von einem ruhigen Abendessen zu Hause in leichter Kost bestand. Unmengen von Salaten und frischem Gemüse, mit vielleicht einer Hühnchenbrust ohne Kruste pro Person. Für Joe Russo waren das Appetithäppchen, und noch nicht einmal besonders verlockende.

Nein, Carter hatte vor, mit ihm auszugehen, vielleicht in ein Steakhouse wie das Morton’s oder The Palm. »Lass uns sehen, wie er sich fühlt, wenn er ankommt.«

»Okay. Ich werde den ganzen Tag mal unterwegs und mal zu Hause sein.«

Carter hörte eine Ansage über Lautsprecher, irgendetwas über einen Alitaliaflug aus Rom, also verabschiedete er sich und ging zur Ankunftshalle. Nachdem er ewig gewartet hatte, sah er einen Schwung Passagiere, die aus der Gepäckausgabe und der Zollkontrolle herausströmten. Wie alle anderen Wartenden musste er hinter einer Glaswand ausharren und die Menge nach der einen Person absuchen, die er abholen wollte. Die Menschen um ihn herum sahen alle eindeutig italienisch aus, zumindest viele von ihnen, in ordentlich geschneiderten Anzügen, glänzenden Sonnenbrillen und kleinen polierten Lederschuhen. Eine Frau in einem Pelzmantel trug eine Gucci-Tasche, aus der neugierig ein winziger Hund hervorlugte.

Und dann entdeckte Carter seinen Freund. Mit einem Kleidersack über der Schulter trottete er schwerfällig vor sich hin, einen vollgestopften Koffer in der Hand und eine ramponierte Reisetasche unter den Arm geklemmt. Als er vorbeikam, klopfte Carter an das Glas. Joe blickte auf und hob grüßend das Kinn, den einzigen Körperteil, der nichts zu schleppen hatte. Carter deutete den Korridor hinunter auf den Ausgang, dann ging er los, um Joe dort zu treffen.

» Mio fratello«, rief Carter, die Arme weit ausgebreitet, als Joe herauskam.

» Dottore!«

Joe ließ Koffer und Kleidersack fallen, und sie umarmten sich und klopften einander auf die Schultern. Obwohl Carter über einen Meter achtzig groß und langgliedrig war, kam er sich in Joes bärenartiger Umklammerung wie ein Zwerg vor. Joe verströmte diesen abgestandenen Geruch aus der Flugzeugkabine, und sein schwarzer stoppeliger Bart kratzte an Carters Wange.

»Es ist einfach klasse, dich zu sehen«, sagte Carter und löste sich aus der Umarmung. »Wie war der Flug?«

Joe zuckte die Achseln. »Wie sind Flüge schon? Zu lang und viel zu wenig Platz.«

Carter hob seinen Koffer auf. »Komm, wir nehmen uns ein Taxi.«

»Ich sterbe, wenn ich keine Zigarette bekomme.«

»Dann solltest du besser eine rauchen, bevor wir ins Taxi steigen. Es gibt keine Rauchertaxis hier.«

Joe verdrehte die großen dunklen Augen, wie ein Wasserbüffel, der im Matsch stecken geblieben ist, und blieb stehen. »Heißt es nicht immer, New York City sei zivilisiert?«

Carter legte den Kopf schräg und sagte: »Von mir hast du das bestimmt nie gehört.«

Die Warteschlange für ein Taxi draußen war endlos, was Joe genügend Zeit gab, eine Nazionali anzuzünden und Carter alles über seine erst kürzlich erfolgte Berufung an die Universität von Rom zu erzählen, ebenso wie seine neue Wohnung und den Aufsatz, den er gerade über den Riechkolben des T. Rexgeschrieben hatte, der übrigens wesentlich größer war, als er zuerst angenommen hatte. Carter informierte ihn über einige seiner Aufgaben an der NYU, aber in stillschweigender Übereinkunft brachte keiner von ihnen das große Thema zur Sprache. Das Offensichtliche, den Grund, weshalb Joe überhaupt hier war, mieden sie. Als sei der Gegenstand einfach zu bedeutend, um darüber zu plaudern, während sie in der Schlange auf ein Taxi warteten oder sich durch den dichten Stadtverkehr quälten.

Als sie den Washington Square erreicht hatten, bezahlte Carter den Fahrer, während Joe seine Taschen und Koffer in das Foyer des Gebäudes schleppte. Im Fahrstuhl auf dem Weg nach oben fragte Joe: »Die Universität – zahlt sie die Wohnung hier?«

»Nein, ich zahle Miete. Aber das Gebäude gehört der Uni.«

»Aber die Universität gibt dir bezahlten Urlaub?«

»Ja«, sagte Carter, »einen langen Urlaub.«

Joe nickte, als wollte er zustimmen. »Ich werde das der Universität in Rom erzählen. Sie sollten wissen, wie gut amerikanische Professoren behandelt werden.«

Carter hatte den Eindruck, dass Joe sich über alle Aspekte des Lebensstils seines amerikanischen Kollegen im Geiste Notizen machen würde, um für die Verbesserung der akademischen Lebensbedingungen zu plädieren, sobald er wieder in Italien wäre.

»Und deine Frau, ist sie zu Hause?«, fragte Joe, als sie die Taschen zur Tür schleppten.

»Das werden wir gleich wissen«, sagte Carter, schloss die Tür auf und öffnete sie. »Beth, bist du da?«

Aber es kam keine Antwort. Am Fußende des Sofas lagen eine ordentlich zusammengefaltete Decke und Laken, dazu ein Kissen mit einem frischen Bezug.

»Das ist mein Zimmer?«, fragte Joe und ließ seinen Kleidersack neben dem Couchtisch fallen. »Es gefällt mir sehr.« Er betrachtete die gerahmten Bilder über dem Sofa, zwei Vogelstudien von Audubon, und verstand sofort, welche Bedeutung sie für Carter hatten. »Abkömmlinge der Dinosaurier?«, sagte er, ließ seinen Koffer auf das Sofa plumpsen und öffnete den Reißverschluss.

»Ist das nicht offensichtlich?«, sagte Carter, und Joe schüttelte traurig den Kopf. Wenn es um Paläontologie ging, gab es nur wenige Punkte, bei denen sie nicht vollkommen übereinstimmten. »Wenn du dich frisch machen willst«, sagte Carter, »das Badezimmer ist auf der anderen Seite des Flurs.«

»Ich würde gerne duschen. Die Frau neben mir hatte eine Tasche mit Salami aus Genua dabei.«

Er holte einen Kulturbeutel aus blauem Nylon aus seinem Koffer und schlenderte in Richtung Badezimmer. » Oo fa, ich bin immer noch völlig steif.«

»Lass dir Zeit. Heißes Wasser kostet nichts.«

»Ich liebe Amerika.«

Während Joe unter der Dusche stand, überprüfte Carter den Anrufbeantworter. Es gab nur eine Nachricht von Hank, dem Hausmeister, der erklärte, dass die Deckenleuchten dreiundfünfzig Dollar mehr gekostet hatten, als Carter veranschlagt hatte. Davon abgesehen schien das Labor, das sie im hinteren Teil des Bio-Gebäudes eingerichtet hatten, rechtzeitig und mehr oder weniger innerhalb des Budgets so gut wie fertig geworden zu sein. Er war ganz begierig darauf, es Joe zu zeigen.

Aber er wollte ihn auch nicht zu sehr drängen, nicht heute, denn sein Kollege wirkte ziemlich erledigt. Vielleicht lag es nur an dem langen Flug in einem Sitz, der zweifelsohne für einen Mann von seiner Körpergröße viel zu klein war, aber Joe sah nicht so gesund und munter aus, wie er ihn kannte. Seine olivfarbene Haut hatte einen leicht gelblichen Schimmer, unter den Augen hatte er Tränensäcke, und in seinen Zügen lag etwas Gehetztes, selbst wenn er lächelte. Irgendwie schien es ihm im Moment nicht besonders gut zu gehen.

Carter wollte gerade nach unten laufen, um nach der Post zu sehen, als die Tür aufging und Beth hereinkam, die Arme voll mit Einkaufstüten. »Hilfe«, nuschelte sie, einen übergroßen Umschlag zwischen den Zähnen. Carter schnappte sich die größte Tüte, die am ehesten überzuquellen schien, und trug sie in die kleine Küche. Der Rest der Post steckte oben in der Tüte. Beth folgte ihm, stellte die anderen Taschen auf die Arbeitsplatte und ließ den Umschlag aus ihrem Mund auf den kleinen Frühstückstisch fallen. »Den hier musste ich quittieren.«

Carter warf einen kurzen Blick auf den Absender. Sein Italienisch war immer noch gut genug, um zu erkennen, dass er von einer italienischen Armeeeinrichtung stammte, einem Stützpunkt in Frascati. Er riss den Umschlag auf und erblickte eine Flut von Dokumenten auf Durchschlagpapier, alle beglaubigt, abgestempelt und an den Stellen, wo er unterschreiben sollte, mit großen roten Kreuzen versehen.

Beth sagte: »Und, wo ist unser Gast?«, und öffnete den Kühlschrank.

»Unter der Dusche.«

Sie stellte eine Tüte auf den Boden und begann, die Einkäufe in den Kühlschrank zu räumen. Carter studierte immer noch die Unterlagen, als Joe hinter ihm in der Tür zur Küche auftauchte.

»Das fühlt sich wesentlich besser an«, sagte er. Carter drehte sich um. Joe war immer noch nass und bis auf das Badehandtuch, das er locker um die Hüfte geschlungen hatte, nackt. An einer Silberkette baumelte eine St. Christophorus-Medaille auf seiner behaarten Brust.

Beth kniete auf dem Boden und wurde von der geöffneten Kühlschranktür verdeckt. Jetzt stand sie auf und sagte: »Hi, ich bin Beth.«

Joe, der sie offensichtlich nicht gesehen hatte, packte den Knoten in seinem Handtuch. » Maron«, sagte er. »So wollte ich mich dir nicht vorstellen.«

Trotzdem streckte er eine große nasse Hand aus, während er mit der anderen das Handtuch festhielt. Beth schüttelte sie, und gab es schließlich auf, sich das Lachen zu verkneifen. »Genauso habe ich mir unser erstes Treffen vorgestellt«, sagte sie, und Joe lachte ebenfalls.

»Hast du zufällig einen Bademantel, den du mir leihen könntest?«, fragte er Carter. »Ich habe meinen vergessen.«

»Ja, sicher. Aber sieh dir das hier an«, sagte Carter und reichte ihm die Papiere, ehe er loszog, um den Mantel zu holen.

Joe durchblätterte ein paar Papiere, militärischer Bürokratenkram, mehr nicht, ehe er zu Beth sagte: »Ich würde dir gerne beim Einräumen helfen, aber das könnte gefährlich werden«, sagte er und deutete mit den Papieren in der Hand auf das fadenscheinige Handtuch.

»Schon in Ordnung«, sagte sie und wandte sich wieder den Einkaufstüten zu. »Ich bin fast fertig. Ich wusste nicht genau, was du magst, also habe ich alles Mögliche gekauft – Äpfel, Rucola, Tomaten, Käse, Brot, Wein.«

»Das wäre nicht nötig gewesen, aber danke.«

»Hattest du eine gute Reise?«

»Die Dame neben ihm hat Genueser Salami geschmuggelt«, antwortete Carter für ihn und reichte Joe einen Frotteebademantel.

Joe gab ihm die Papiere zurück, drehte sich um und zog den Bademantel über dem Handtuch an. »Das sind nur ein paar Formulare und Quittungen«, sagte er mit Blick auf die Papiere, »aber du musst sie morgen mitnehmen und unterschreiben, wenn wir das Fossil in Empfang nehmen.« Er verknotete den Gürtel des Bademantels. »Andernfalls werden sie es dir nicht aushändigen.«

»Weißt du, um wie viel Uhr es ankommt? Ich habe dem Hausmeister gesagt, er soll sich den ganzen Tag bereithalten, um uns in das Bio-Gebäude zu lassen.« Und weil es ein Sonntag war, hatte es Carter hundert Dollar extra gekostet.

»In den Unterlagen steht morgen früh gegen elf Uhr. Aber ich muss dich wohl nicht daran erinnern, dass es Landsleute von mir sind.«

Carter fragte sich, ob es überhaupt am nächsten Tag ankommen würde. Der Vorteil einer Anlieferung auf dem Campus an einem Sonntag war, dass wenig Verkehr herrschte und die Laderampe frei sein würde. Er hatte mit der Spedition der Uni vereinbart, dass das Fossil vom Flughafen abgeholt wurde. Normalerweise transportierte diese Firma Dinge wie schwere Maschinen, und er hatte darauf gedrängt, dass die Männer, denen die Probe wie ein einfacher riesiger Felsblock vorkommen musste, damit umgingen wie mit einem höchstempfindlichen Hightech-Gerät.

»Aber jetzt werde ich gehen und mir etwas anziehen. Kleidung habe ich dabei«, sagte er zu Beth.

Carter blieb bei Beth in der Küche, während sie die Papiertüten zusammenfaltete und sie verstaute. Mit leiser Stimme sagte sie: »Beim Test heute Morgen ist also wirklich alles gutgegangen?«

»Ja«, erwiderte Carter lächelnd. »Ich bin ziemlich abgegangen.«

»Du bist echt ekelhaft«, sagte sie, ohne es wirklich zu meinen. »Giuseppe …«

»Nenn ihn einfach Joe. Das ist ihm lieber.«

»… scheint sehr nett zu sein. Und sehr korpulent«, fügte sie mit noch leiserer Stimme hinzu. »Er hat den Bademantel fast gar nicht zubekommen.«

»Ob du es glaubst oder nicht, ich finde, er hat tatsächlich abgenommen, seit ich ihn zuletzt gesehen habe.«

»Hat er Hunger? Ich habe ein Paket Truthahnkoteletts mitgebracht. Oder glaubst du, dass er lieber raus möchte?«

Carter lachte. »Es klingt, als würdest du über einen Hund reden. Mach dir darüber keine Sorgen, er wird schon sagen, was er will. Eins muss man Joe lassen, schüchtern ist er nicht.«

»Das ist mir auch schon aufgefallen.«

Nachdem er angezogen war, stellte sich heraus, dass Joe nichts anderes wollte, als sich die Beine zu vertreten. Er war so lange in Flugzeug und Taxis eingeklemmt gewesen, dass er einfach nur wieder laufen wollte. Alle drei gingen nach draußen in den Washington Square Park. Ein Frisbee segelte träge über Joes Kopf hinweg, als er stehen blieb, um sich eine weitere Nazionali anzuzünden. Carter schaute kurz zu Beth hinüber, um sie stumm daran zu erinnern. Ich habe dir gesagt, dass er ein starker Raucher ist.

Sie schlenderten auf den gedrängt vollen Gehwegen durch den Park, und Carter wies auf ein paar besondere Sehenswürdigkeiten hin. Den Washington Square Arch zum Beispiel, an dem ein paar Leute trommelten, oder die Bobst Bibliothek auf der anderen Straßenseite, wo ein stetiger Strom von Studenten der NYU mit Rucksäcken und Kopfhörern hinein-und hinauseilte.

»In Italien haben wir so etwas auch«, sagte Joe und legte eine Hand übers Ohr, als einer der Studenten, im Takt der Musik wippend, an ihnen vorbeikam.

»Kopfhörer«, ergänzte Carter das Wort.

» Stupido. Warum können sie stattdessen nicht miteinander reden?« Er drückte den Zigarettenstummel mit dem Fuß aus. »Wenn die Menschen nicht miteinander reden, lernen sie nichts.«

»Du solltest mal zu einem Seminar von mir kommen«, sagte Carter und fragte sich, warum er nicht schon früher daran gedacht hatte. »Meine Studenten lieben es, zu reden. Du könntest eine Gastvorlesung halten, wenn du magst.« Er dachte dabei besonders an Katie Coyne. Es gab wohl keinen Dozenten, den sie nicht gerne in die Mangel nehmen würde.

»Das ist eine großartige Idee«, sagte Beth. »Und wenn du etwas von der Kunstwelt sehen willst, Joe«, sie sagte seinen Namen, als wage sie einen Versuch, »kannst du mich in der Galerie besuchen.«

»Ja. Das würde mir gefallen. Carter hat mir erzählt, dass du die Alten Meister verkaufst.«

»Das machen wir.«

»Die Alten italienischenMeister.«

Beth lächelte. »Gibt es noch andere?«

Zum Abendessen gingen sie ins Sparks, wo Carter großspurig für Joe und sich selbst je ein Porterhouse Steak bestellte. Beth hielt sich natürlich an den Caesarsalat und eine Pellkartoffel mit Kräuterquark. »Sie haben nicht gesagt, dass die Dinger so groß sind wie mein Schädel!«, sagte sie. Beth verzichtete zwar auf den Wein, aber Joe und Carter hatten keine Schwierigkeiten damit, einer Flasche Cabernet Sauvignon den Garaus zu machen und zum Dessert ein paar Brandys zu vernichten.

Als sie nach Hause kamen, fand Carter, dass Joe aussah, als würde er jeden Moment aus den Latschen kippen. Er und Beth machten das Sofa zurecht, stopften das Bettlaken unter die Kissen und breiteten die Decke aus. Sie waren kaum fertig, als Joe in Carters Bademantel aus dem Badezimmer kam und sich auf ihr Werk plumpsen ließ. »Wenn ich heute Nacht nicht schlafe«, verkündete er, »werde ich nie wieder schlafen.«

»Wenn du irgendetwas aus dem Kühlschrank möchtest, bedien dich«, sagte Beth.

»Ich werde nie wieder etwas essen.«

»Wir sehen uns dann morgen früh«, sagte Carter.

» Buona notte, Bones«, sagte Joe, und Carter fühlte sich unweigerlich an die Nächte in den rauen Hügeln auf Sizilien erinnert, wenn sie zusammen mit den anderen Expeditionsteilnehmern schlafen gegangen waren.

Während Beth duschte, zog Carter sich aus und öffnete das Schlafzimmerfenster einen Spaltbreit. Als sie zurück ins Zimmer kam, trug sie ein langes weißes Nachthemd, das vom Hals bis zu den Knöcheln reichte. »Aus Rücksicht auf unseren Gast«, erklärte sie.

»Sehr freundlich. Und wir sollten ihm morgen einen Bademantel kaufen«, sagte Carter und verschwand mit Boxershorts und Godzilla-T-Shirt im Flur. Als er zurückkam, schloss er die Schlafzimmertür, die normalerweise offen stand, und kletterte ins Bett.

»Ich wäre überrascht, wenn er vor morgen Mittag aufwachen würde«, sagte Carter und schaltete das Licht aus.

»Er sieht erschöpft aus.« Beth legte den Kopf auf das Kissen, und ihr dunkles Haar lag wie ein aufgeklappter Fächer an der Seite. »Du hattest aber auch einen langen Tag.«

Carter rutschte zu ihr hinüber. »Er ist noch nicht vorbei«, sagte er und begann, an den Knöpfen ihres Nachthemdes zu nesteln. »Musstest du es unbedingt noch zuknöpfen?«

»Im Cosmohabe ich gelesen, Männer würden Herausforderungen lieben.«

»Geht so.«

Er öffnete die Knöpfe, dann beugte er sich nach unten und liebkoste die nackte Haut ihres Halses. Sie roch nach ihrer Lieblingsseife mit Sandelholz. Beth schloss die Augen. Er griff unter die Decke, nahm den Saum ihres Nachthemds hoch, und sie hob die Hüften an, damit er den Stoff besser nach oben schieben konnte.

»War es sehr schrecklich heute Morgen beim Arzt?«, flüsterte sie.

»Warum flüsterst du?«

»Ich will Joe nicht aufwecken.«

»Heute Nacht könnte eine Atombombe hochgehen, und Joe würde nichts hören.« Zärtlich ließ er seine Hand über ihre Schenkel gleiten und dann weiter hoch auf ihren Bauch. »Und ja, es war ziemlich schrecklich.«

»Wie hast du … ich meine, an was hast du dabei gedacht?«

»Daran«, sagte er, rollte sich auf sie und stützte die Ellenbogen auf beide Seiten ihrer Schultern. Als er den Kopf senkte, um sie zu küssen, wurden ihre Lippen trocken, und er befeuchtete sie mit der Zunge. Beth hob die Arme und schlang sie um ihn.

»Hat es funktioniert?«, murmelte sie.

»Ganz wunderbar.«

Dann brachte Carter sie mit einem weiteren ausgedehnten Kuss zum Schweigen. Sie öffnete die Beine unter ihm, und er wusste, dass sie bereits auf ihn wartete. Er verbannte jeden Gedanken an die Praxis aus seinem Kopf und verlor sich ganz in diesem Moment, in der Wärme von Beths Umarmung, in dem Geruch ihrer Haut und ihres Haars, in ihrem Geschmack.

Er war so tief versunken, dass er weder das Quietschen der Schlafzimmertür hörte noch den kühlen Luftzug spürte, der plötzlich durch den Raum wehte. Doch Beth bemerkte es, und das Nächste, das er bewusst wahrnahm, waren ihre Finger, die sie in seine Haut bohrte, während sie über seine Schulter starrte und ihn drängte: »Dreh dich um, dreh dich um!«

Ächzend und widerstrebend wandte er den Kopf um – und sah in der Tür etwas im Licht stehen. Er musste sich von Beth losreißen und noch einmal hinsehen, ehe er begriff, dass es Joe war, im geliehenen Bademantel, der ausdruckslos nach vorn starrte.

»Joe«, sagte Carter, »alles in Ordnung?«

» La pietra«, sagte Joe mit monotoner Stimme. » È all’interno della pietra

Der Stein? Irgendwas im Inneren des Steines? Auf Sizilien hatte Carter ein paar Brocken Italienisch aufgeschnappt, aber das war inzwischen ziemlich eingerostet. Doch er wusste, dass Joe ihm gar nicht geantwortet hatte. Er bezweifelte, dass sein Freund ihn überhaupt gehört hatte.

Beth riss die Decke bis zum Kinn hoch. »Was geht hier vor sich?«, fragte sie ängstlich.

»Ich glaube, er schlafwandelt«, flüsterte Carter und schlüpfte nackt aus dem Bett. »Tu nichts, was ihm Angst machen könnte.«

» IhmAngst machen?«, sagte sie, sprach jedoch leise.

Langsam trat Carter auf Joe zu, der eine Hand ausgestreckt hatte. »Joe, du musst zurück ins Bett.«

» Sta provando ad uscire

Irgendetwas versucht, herauszukommen? Carter vermutete, dass Joe von dem Fossil sprach, oder vielleicht von den Gasen, die im Fels eingeschlossen waren. Hatte er einen Albtraum, in dem die explosiven Anteile des Fossils in die Luft gingen?

Vorsichtig legte Carter eine Hand auf Joes Schulter und sagte: »Komm, Joe.«

Joe reagierte nicht.

»Geh jetzt wieder zurück ins Bett.«

Ohne seine Schulter loszulassen, dirigierte Carter ihn zurück zum Wohnzimmer. Er führte Joe den Flur entlang, um den Couchtisch und die Sessel herum zum Sofa, wo das Laken und die Decke auf den Boden gefallen waren. Unter Carters sanftem Druck ließ Joe sich auf das Sofa sinken, immer noch irgendetwas über la pietravor sich hinmurmelnd. Inzwischen war er ganz aufgeregt.

Carter war der Meinung, es sei besser, ihn während eines Albtraums nicht allein zu lassen, und sei es aus keinem anderen Grund, als dass er wieder anfangen könnte, in der Wohnung herumzuwandern. Aber er war sich auch nicht sicher, wie er ihn am besten wach bekäme.

»Joe«, sagte er noch einmal und blickte direkt in die leeren Augen. »Du hast nur einen schlechten Traum, Joe.«

Allmählich sah er das Aufflackern des Bewusstseins in Joes Blick.

»So ist es gut«, sagte Carter, »so kenne ich dich. Wach jetzt auf, Joe.«

Joe fokussierte seinen Blick und schien Carter allmählich zu erkennen, der direkt vor ihm kniete. »Bones?«

»Ich bin hier.«

»Was tust du da?«

»Ich habe dich aufgeweckt. Du bist schlafgewandelt.«

Zuerst kam Begreifen, dann Überraschung, fast unmittelbar gefolgt von Verlegenheit. »O nein. Nein, nein, nein …«, murmelte Joe. »O Bones, habe ich …«

»Es ist nichts passiert«, versicherte Carter ihm. »Du hast mich vielleicht ein paar Jahre meines Lebens beraubt, aber ich werde darüber hinwegkommen. Warte hier.«

Carter ging zurück ins Schlafzimmer, um nach Beth zu sehen.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie. Sie hatte sich ins Bett gekuschelt und das Licht eingeschaltet.

»Ja, das wird wieder«, sagte er, schnappte sich die Jeans vom Stuhl und zog sie an. »Was ist mit dir?«

Sie zuckte die Achseln. »Nichts, was ein neues Schloss in der Schlafzimmertür nicht kurieren könnte.«

Carter ging in die Küche, holte eine Flasche Ginger Ale aus dem Kühlschrank und brachte sie Joe, der mittlerweile vollkommen wach aussah.

»Ich dachte, du würdest vielleicht gerne was trinken«, sagte Carter und reichte ihm die Flasche. »Vielleicht lag es an der ganzen Warterei und dem Abendessen.«

Dankbar nahm Joe die kleine Flasche, schraubte den Deckel auf und leerte sie fast in einem Zug.

»Fühlst du dich besser?«, fragte Carter.

Joe nickte, sah aber immer noch verstört aus. »Habe ich irgendetwas getan? Etwas gesagt?«

»Nicht viel. Du hast etwas gesagt, auf Italienisch, über den Stein, und ich nehme an, du meintest das Fossil. Machst du dir deswegen Sorgen?«

Joe nickte erneut. »Ich mache mir schon ziemlich lange Sorgen«, sagte er. Er spülte den letzten Rest Ginger Ale hinunter. »Bones, ich war nicht fair zu dir.«

»Weil du mir nicht gesagt hast, dass du ein Schlafwandler bist?«, sagte Carter lächelnd. »Ich werde dich ab sofort am Sofa festbinden.«

Joe schüttelte den Kopf. »Seit dem Tag, an dem ich es gesehen und im Inneren der Höhle berührt habe, bin ich hier oben nicht mehr ganz richtig.« Er tippte sich mit dem Finger gegen den Schädel.

»Du bist verrückt geworden?«, fragte Carter.

»Nein, das nicht.« Joe suchte nach den richtigen Worten. »Ich fühle mich nicht wohl in meinem Kopf. Ich hatte Probleme mit meinen Gedanken, ich hatte schlechte Träume … wie heute Nacht.«

»Worum genau ging es in dem Traum?«

Joe verzog das Gesicht und wandte den Blick dem fahlen Licht der Straßenlaterne zu, das durch das Fenster hereinfiel. Jetzt konnte Carter erkennen, dass er zutiefst aufgewühlt war.

»Manchmal wünschte ich, wir hätten es nie entdeckt«, sagte Joe schließlich leise.

»Aber es könnte sich doch als phantastischer Fund erweisen«, versicherte Carter ihm.

Joe wirkte ungerührt. »Ich will nicht, dass das, was mit mir passiert ist, auch dir passiert. Ich hätte dich nie mit hineinziehen sollen.«

Carter stieß ihn spielerisch gegen die Schulter und sagte: »Mitgefangen, mitgehangen. Morgen kommt das Fossil, und nächsten Monat stehen wir beide auf der Titelseite der New York Times


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