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Das letzte Relikt
  • Текст добавлен: 8 октября 2016, 21:19

Текст книги "Das letzte Relikt"


Автор книги: Robert Masello


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Ужасы


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Carter willigte ein.

»Und Sie versprechen auch, dass Sie nicht voreingenommen sind?«

»Ehrenwort!«

Ezra blieb stehen, als sei er immer noch nicht sicher, ob er den nächsten Schritt wirklich machen sollte. Doch schließlich öffnete er die Tür zum angrenzenden Zimmer und blickte sich um, ehe er eintrat. Ein weiteres Anzeichen von Paranoia?,dachte Carter.

Die Luft war stickig, der Raum dämmrig. Es gab Terrassentüren, wie im Esszimmer, doch die Vorhänge waren zugezogen, und Carter hatte den ausgeprägten Eindruck, dass sie nur selten, wenn überhaupt jemals, zurückgezogen wurden. Ezra ging zur anderen Seite des Raumes und schaltete die Lampe über einem Zeichentisch ein. Auf dem Tisch und an den Wänden davor und daneben bedeckten Klarsichthüllen gelbe Bruchstücke und Streifen von etwas, das aussah wie antike Schriftrollen oder Papyri.

»Was ist das?«, fragte Carter. »Die Schriftrollen vom Toten Meer?«

Ezra antwortete nicht, und Carter dachte plötzlich O mein Gott, sie sind es tatsächlich!Er sah Ezra an, der seinem Blick standhielt. In seinen Augen sah er Trotz, aber auch Stolz aufblitzen.

»Wie um alles auf der Welt sind Sie an die rangekommen?«

»Sagen wir, ich habe sie gefunden. Sie waren dazu bestimmt, in meinen Besitz zu gelangen.«

Carter konnte nicht widerstehen und trat näher. Er ging zur Wand und musterte eine der Hüllen, die dort hingen. Selbst für jemanden wie ihn, der den Umgang mit altertümlichen Dingen gewohnt war, war es faszinierend. Noch nie zuvor hatte er ein so altes Dokument gesehen, und soweit er wusste, gab es keine, die älter waren. Dieses hier war eng mit unentzifferbaren Schriftzeichen bedeckt, aufgeschrieben mit einer leicht violetten Tinte, die fast schwarz wirkte. Er blickte hinüber zum Zeichentisch, wo Ezra offensichtlich dabei war, ein weiteres Stück der uralten Schriftrolle zusammenzusetzen.

»Was steht darin?«

»Wie Sie sehen können, setze ich sie noch zusammen. Aber sie stellt eine Mischung dar, aus Geschichten, Enthüllungen … und Prophezeiungen.«

Carter beugte sich näher über das Blatt auf dem Zeichentisch. »Ist das Papyrus?«

»Nein«, sagte Ezra. »Es ist etwas anderes. Aber vorausgesetzt, es stammt tatsächlich ursprünglich aus dem Nahen Osten, wäre es unwahrscheinlich, dass Reis beigemischt wurde. Vermutlich handelt es sich um irgendeine Tierhaut – Ziege, Schaf, Kamel, Ochse.«

»Klingt, als müssten Sie es noch genauer eingrenzen.«

»Das stimmt … und ich hatte gehofft, dass Sie mir dabei helfen könnten.«

Carter warf einen kurzen Blick auf Ezra, um zu sehen, ob er einen Witz machte, aber es sah nicht so aus. Er meinte es ernst. »Woher soll ich das wissen?«, sagte er. »Das ist nicht gerade mein Fachgebiet.«

»Aber Sie haben ein Labor an der NYU. Sie haben Zugang zu allen üblichen Datierungstechniken und könnten zum Beispiel eine Radiocarbondatierung durchführen. Und ich bin sicher, dass Sie auch eine molekulare Gewebsanalyse machen lassen könnten.«

Ezra stellte sich neben Carter und deutete mit dem Finger auf eine Stelle der Schriftrolle, wo das Licht am hellsten war. »Sehen Sie das hier? Es hat eine Struktur, vielleicht sogar die Porenstruktur eines Tiers. Was für ein Tier es sein könnte, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, woraus die Tinte besteht.« Er blickte zu Carter hinüber. »Aber wenn Sie in Ihrem Labor die entsprechenden Tests machen würden, könnten Sie es mir sagen.«

»Und das würde Ihnen weiterhelfen?«

»Bei meiner Arbeit? Enorm. Wenn ich die Zusammensetzung und das Alter der Schriftrollen kennen würde, wäre ich in der Lage, eine Menge mehr darüber herauszufinden.«

Carter richtete sich auf. »Wenn es so wichtig ist, wie kommt es dann, dass Sie keine Möglichkeit gefunden haben, die Laboruntersuchungen selbst zu machen?«

Ezra wandte den Blick ab, und für Carter sah es aus, als probte er, was genau er sagen wollte. »Während mein Anspruch auf dieses Material vollkommen legitim ist, gibt es immer noch bestimmte Behörden, hier und anderswo, die das bestreiten würden.«

Puh, dachte Carter, der Typ steckte ja echt ziemlich in der Klemme.

»Und meine Aktivitäten werden gerade«, fügte Ezra, »sehr genau beobachtet.«

Damit spielte er vermutlich auf den Bewährungshelfer an, den seine Stiefmutter erwähnt hatte. Was immer Ezra im Schilde führte, es war auf jeden Fall ein großes Ding. Carter sah sich im Arbeitszimmer um. Auf dem ganzen Boden lagen Bücher und Papiere verstreut. In dem Bemühen, einen brauchbaren Arbeitsplatz zu schaffen, hatte Ezra seine Werkzeuge auf eine alte Spielzeugkiste gelegt. Und so merkwürdig es auch war, Carter musste zugeben, dass er diesen Platz sofort erkannt hätte, genauso, wie er sofort gewusst hätte, was für eine Sorte Mensch ihn sich geschaffen hatte. Es erinnerte ihn an einige seiner eigenen improvisierten Büros und Forschungsecken. Trotz all des Geldes, das er offensichtlich hatte, gehörte Ezra Metzger zu jenen zielstrebigen Exzentrikern, die es gewöhnlich schafften, sich in ein universitäres Umfeld zu mogeln und dann für den Rest ihrer Tage in ihrer Nische in der Versenkung zu verschwinden. Dieser Typ war Carter absolut vertraut. Er hatte eine Schwäche für diese intellektuellen Sonderlinge – vielleicht, weil er wusste, wie gefährlich nahe er mit seinen eigenen Expeditionen und Lieblingstheorien daran war, selbst als einer zu enden.

»Angenommen, ich erkläre mich bereit, das zu tun, was Sie wollen«, sagte er, »und ich sage nicht, dass ich es kann – wie stellen Sie sich das vor? Meinen Sie, ich könnte einfach ins Labor marschieren und eine dieser Schriftrollen auspacken?«

»Nein, ich weiß, dass Sie das nicht können«, sagte Ezra beflissen, als spürte er, dass er kurz vor dem Sieg stand. »Alles, was Sie brauchen, ist eine winzige Probe, und die habe ich bereits für Sie ausgesucht.« Er hielt einen sandwichgroßen Plastikbeutel in der Hand, in dem sich ein Fragment der Schriftrolle befand. »Das sollte genügen, um damit zu arbeiten. Und ehrlich gesagt ist es alles, was ich erübrigen kann.«

Carter nahm die Tüte und hielt sie ins Licht. Der Streifen darin war etwa zwei Zentimeter lang und eineinhalb Zentimeter breit, aber er wusste, dass Ezra recht hatte. Für die Laboruntersuchungen war es völlig ausreichend – wenn er sie denn machen konnte. Er würde einige Überredungskünste anwenden müssen, um zu erklären, warum er, ein Paläontologe, ausgerechnet mit dieser Probe ankam und wofür er die Testergebnisse brauchte.

Aber er hatte zuvor schon merkwürdige Bitten geäußert.

Jetzt, wo er darüber nachdachte, fiel ihm ein, dass er nie die Ergebnisse der Probe angefordert hatte, die Joe und er von dem Fossil genommen hatten. In der ganzen Aufregung nach der Explosion, dem Tod von Bill Mitchell und Joes Krankenhausaufenthalt hatte er das völlig verdrängt. Inzwischen dachte er an das Fossil nur noch als etwas, das unwiederbringlich im Inferno des Labors verlorengegangen war. Das machte es wesentlich einfacher. Aber das stimmte ja gar nicht. Eine winzige, saubere Probe existierte immer noch. Es war nicht viel, aber er musste dankbar sein für alles, das ihm erhalten geblieben war. Und es würde ihm einen guten Grund verschaffen, überhaupt im Labor für Biomedizin aufzutauchen.

»Sie wissen, dass solche Laboruntersuchungen nicht umsonst sind«, sagte Carter. »Da wird ordentlich was zusammenkommen.«

»Was immer es kostet«, sagte Ezra und wischte das Problem beiseite, »ich werde dafür aufkommen.«

Nach allem, was er bisher gesehen hatte, glaubte Carter ohne weiteres, dass Ezra das Geld beschaffen konnte. Er wollte gerade den Plastikbeutel in seine Hemdtasche stecken, doch Ezra hielt ihn auf.

»Ihre Körperwärme«, warnte er.

»Wie soll ich es sonst transportieren?«

Ezra drehte sich um und griff nach einem Briefumschlag. »Tun Sie es hier hinein und halten Sie ihn in der Hand, oder stecken Sie ihn in die äußere Manteltasche.«

Bereitwillig schob Carter den Beutel in den Briefumschlag und verschloss ihn. Allein durch diese Handlung hatte er das Gefühl, ungewollt seine Komplizenschaft zu signalisieren. Er hatte eine Art Pakt mit Ezra geschlossen, den genauer zu hinterfragen er nicht allzu begierig war. Aber andererseits gab es gerade so viele Dinge in seinem Leben, die einer genaueren Betrachtung kaum standhalten würden. Vielleicht war er dumm, vielleicht auch nur hilfsbereit. Möglicherweise versuchte er lediglich zweifelsfrei zu beweisen, dass er nicht einer dieser engstirnigen Wissenschaftler war, über die Ezra sich ausgelassen hatte. Schön und gut, aber wem wollte er das beweisen – Ezra oder sich selbst?


24. Kapitel

Arius roch sie, noch ehe sie aus dem Gebäude trat. Der Duft von Hyazinthen wehte ihm entgegen und verdeckte kaum das feinere, aber noch verführerische Aroma darunter. Der Geruch von Schönheit und Jugend … und Verlangen. Sie war schlank, hatte üppiges braunes Haar und grüne Augen, und er fragte sich, ob der alte Mann, derjenige, der jetzt die Wagentür für sie öffnete, ebenso in ihrem Duft schwelgte. Wie könnte er nicht?

Während der Wagen langsam die Auffahrt umrundete, stand er in seinen neuen Kleidern neben einem verwelkenden Baum. Wie sollten sie auch wachsen können, wenn ihre Wurzeln unter diesem … Beton begraben waren?Er beobachtete.

Inzwischen wusste er, dass es eine große Stadt war, mit unzähligen Menschen darin.

Aber sein Netz hielt ihn in der Mitte, und es wuchs, wurde größer und komplexer. Er wusste, dass sein Netzwerk, wenn er aufmerksam lauschte, ihn schließlich mit allem versorgen würde, was er wissen musste … und mit allem, das nötig war, um die Fäden zu ihrem Anfang zurückzuverfolgen. Carter Cox, dessen Namen er von dem silberfarbenen Briefkasten abgelesen hatte, hatte ihn zu diesem Punkt geführt, und jetzt wusste er, dass es Zeit war, dem neuen Faden zu folgen.

Zeit, das Netz erneut zu erweitern.

Als er sich umdrehte und entfernte, kam er an ein paar jungen Männern vorbei, die sich angeregt unterhielten. Erfreut stellte er fest, dass sie nicht innehielten, um ihn anzustarren. Ihre Unterhaltung wurde nicht einmal langsamer. Eine Frau mit einem Kinderwagen blickte lächelnd in seine Richtung, dann wandte sie sich wieder brabbelnd ihrem Baby zu.

Jetzt war er … glaubwürdig.

Er hatte nicht lange gebraucht, um diese neue Welt einzuschätzen und zu begreifen, dass er gewisse Veränderungen vornehmen musste. Er hatte sich umgesehen und die anderen Männer auf der Straße gemustert. Rasch hatte er den Unterschied zwischen denen erkannt, die sich abkämpften, und den Erfolgreichen, zwischen den Ungewollten und jenen, die begehrt waren. Und er war schnell dahintergekommen, dass der rote Umhang – Mantel– falsch war. Es war ein Banner des Widernatürlichen. Er hatte auch die Handtasche dieser Kreatur genommen und Geld darin gefunden, und noch mehr. Die Tasche war gefüllt mit diesen Karten, kleinen Karten, die gerade in die Handfläche passten, jede mit einem anderen Namen darauf. Er hatte beobachtet, wie Menschen sie benutzten, um zu bekommen, was immer sie ersehnten.

Und er hatte schleunigst dasselbe getan.

Jetzt war sein Mantel schwarz, dazu geschmeidig, warm und lang genug, dass er beinahe seine Knöchel berührte. Die spitzen glänzenden Schuhe waren ebenfalls schwarz. Er trug einen Anzug, tiefblau wie der Himmel, kurz bevor die Sonne den Horizont erreichte, und ein weißes Hemd aus weißer weicher Seide mit offenem Kragen, der sich wie ein Band an seinen Hals schmiegte. Obwohl er die Handtasche, ein weiteres Zeichen unnatürlicher Künstlichkeit, längst weggeworfen hatte, ebenso wie die dunkle Brille – Sonnenbrille – die er darin gefunden hatte, hatte er diese durch eine mit andersgefärbten Gläsern ersetzt. Die neue Brille war rund, hatte einen Goldrahmen und bernsteinfarbene Gläser. Er wusste, dass seine Augen andernfalls verstörend wirken könnten, denn sie bestanden nicht aus einer einzigen Farbe. Vielmehr konnte er sie entsprechend seiner Stimmung und Umgebung verändern. Er wusste, dass die Menschen in ihnen das Licht sahen, das wie Blut durch seinen Körper strömte. Seine Augen konnten wie ein Wasserfall aus Sonnenlicht leuchten, aufblitzen wie ein Fluss aus Goldmünzen oder sieden wie eine Flut aus geschmolzener Lava.

Alles in allem war es besser, wenn er die Brille aufbehielt.

Hin und wieder blieb er bewusst stehen und sog die Luft ein. Obwohl das Auto nirgends zu sehen war, das Auto, in dem die Frau saß, die nach Hyazinthen roch, gelang es ihm, ihre Spur zu verfolgen. Er ließ sich von ihrem Duft leiten. Er spürte das Zucken der feinen Fäden seines unsichtbaren Netzes, und diesem konnte er nachgehen.

Es führte ihn fort vom Fluss und in das Herz der Stadt. Bald fand er sich auf einer breiten geschäftigen Straße wieder, vor einem Gebäude mit rotem Vordach und schweren Türen aus poliertem Messing. Dort hinein war sie gegangen.

Ein uniformierter Mann hielt ihm die Tür auf, als er eintrat, und hieß ihn in etwas willkommen, das Raleigh Galerie der bildenden Künste hieß.

»Danke«, erwiderte Arius, stets erfreut, seine Worte und seine Stimme zu hören und so leicht akzeptiert zu werden.

Nachdem er eingetreten war, ahnte er, dass die Dinge sich erneut glücklich zusammenfügten. Nicht nur, dass die Hyazinthenfrau ganz in der Nähe stand und eine Zeichnung betrachtete. Die Frau, die ihr das Bild zeigte, war die Frau, die bei Carter lebte. Elizabethlautete der Name, den er auf dem Briefkasten gelesen hatte.

Sein Netz war gerade sehr viel stärker geworden.

Während er sie beobachtete und feststellte, dass sie tatsächlich denselben unterschwelligen Geruch an sich hatten, kam ein kleiner Mann auf ihn zu, sehr eifrig, sehr freundlich, und streckte ihm die Hand entgegen.

»Ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen«, sagte der Mann, »aber ich bin Richard Raleigh, der Eigentümer der Galerie.«

Arius streckte seine Hand aus und nickte.

»Und Sie sind?«, bohrte Raleigh nach.

»Mein Name ist Arius.«

»Höre ich da einen Akzent?«, sagte Raleigh und lächelte breit. »Gewöhnlich bin ich sehr gut darin, ihn genauer zu bestimmen. Aber bei Ihnen komme ich nicht darauf, und wenn es um mein Leben ginge. Darf ich fragen, woher Sie kommen?«

»Von weit her«, erwiderte Arius.

Raleigh nickte und wusste genug, um nicht weiter zu drängen. Sein ganzes Leben lang hatte er mit betuchten, selbst mit adligen Ausländern zu tun gehabt, und er wusste, wann er sich zurückhalten musste. Manche von ihnen versuchten, wie ganz gewöhnliche Leute zu wirken, doch Raleigh pickte sie aus einer Menschenmenge auf hundert Schritt Entfernung heraus. Er musste allerdings zugeben, dass dieser Knabe hier noch ungewöhnlicher war als die meisten. Er war etwa einen Meter fünfundachtzig groß, trug eine Sonnenbrille, die er offensichtlich nicht abzunehmen gedachte, und war teuer, aber unaufdringlich gekleidet. Er trat auf wie ein königlicher Machthaber. Zurückgeworfener Kopf, breite Schultern, modisch langes Haar, das sich genau über dem Hemdkragen kräuselte. Nur mit Mühe konnte Raleigh den Blick von ihm abwenden.

»Gestatten Sie mir, Ihnen ein wenig über unsere Galerie zu erzählen. In diesem Raum werden Sie die meisten Werke in Öl sowie den Großteil der Aquarelle finden, die wir momentan zum Verkauf anbieten. Aber in der oberen Etage haben wir noch eine Galerie, um bestimmte Arbeiten in privaten Schauen zeigen zu können. Zumeist handelt es sich dabei um Zeichnungen und Drucke der Alten Meister.«

Arius sagte nichts, trat jedoch näher an eines der Gemälde heran, eine Szene von Mariä Verkündigung aus dem sechzehnten Jahrhundert. Mit den langgestreckten Formen und verdrehten Perspektiven war es ein typisches Beispiel des Manierismus.

»Das ist eine besonders ausgezeichnete Arbeit«, sagte Raleigh, »die erst kürzlich auf den Markt kam. Sie befand sich seit dem späten sechzehnten Jahrhundert im Besitz einer einzigen österreichischen Familie. Das Stück wird Fra Bartolommeo zugeschrieben. Sind Sie mit seinem Werk vertraut?«

Mit geneigtem Kopf betrachte Arius das Gemälde, als versuchte er, die veränderte Perspektive zu kompensieren. »Nein.«

»Nicht viele Menschen kennen seine Arbeiten«, beeilte Raleigh sich zu sagen, stets eifrig bemüht, potentiellen Kunden zu versichern, das, was sie nicht wussten, sei ohnehin nur ausgewiesenen Experten bekannt. »Doch falls Sie mehr darüber erfahren möchten, unsere Kunsthistorikerin, die jedes Stück unserer Sammlung genauestens kennt, ist heute zufällig im Hause.« Er deutete auf Elizabeth, die daraufhin in Arius’ Richtung blickte.

Sie war ziemlich schön, dachte Arius. Sogar noch schöner als die Hyazinthenfrau.

»Beth ist im Augenblick mit einer anderen Kundin beschäftigt«, sagte Raleigh, »aber ich werde Sie mit ihr bekannt machen, sobald sie frei ist.« Raleigh wusste, dass Beth es irgendwie schaffte, mühelos das Vertrauen neuer Kunden zu gewinnen … und sie, mit Ausnahme von Bradley Hoyt, dem jungen Dot-com-Multimillionär, zu einem Kauf zu bewegen.

»Ich möchte sie gerne jetzt kennenlernen«, sagte Arius.

Jetzt? Raleigh wusste nicht sofort, was er tun sollte. Beth beriet gerade Kimberly Metzger, eine seiner meistgeschätzten Kundinnen. Erst letzten Monat hatte er ihr ein flämisches Porträt für fast eine halbe Million Dollar verkauft. Er konnte die beiden Frauen jetzt schlecht unterbrechen. Aber als er zu ihnen hinüberschaute, stellte er fest, dass Kimberly dem geheimnisvollen Fremden bereits mehr Aufmerksamkeit schenkte als Beths Ausführungen.

»Habe ich einen Rivalen für dieses Gemälde?«, fragte sie jetzt neckend.

»Nein, nein, ganz und gar nicht«, erklärte Raleigh, »aber wenn Sie gestatten, würde ich Sie gerne einen Moment stören.«

Mehr brauchte er nicht zu sagen. Kimberly trat vor, reichte Arius die Hand und stellte sich selbst vor. »Ich kenne jeden in New York, der etwas von Kunst versteht«, sagte sie, »aber ich bin sicher, dass ich Sie nicht kenne.«

»Mr Arius ist nur zu Besuch in der Stadt«, sagte Raleigh und warf ihm rasch einen fragenden Blick zu, ob das korrekt war. Arius erhob keine Einwände.

»Stimmt das, Mr Arius?«, fragte sie. »Sind Sie neu in der Stadt?«

»Ja.«

»Wie lange haben Sie vor zu bleiben?«

»Das kann ich noch nicht sagen«, erwiderte er.

Raleigh, der nicht wollte, dass sich die Unterhaltung zu weit vom Geschäftlichen entfernte, zog rasch Beth hinzu. »Und dies ist Beth Cox, die alles über unsere Sammlung weiß, was es zu wissen gibt.«

»Sehr erfreut, Sie kennenzulernen«, sagte Beth.

»Ebenfalls!«

»Haben Sie zufällig eine Karte?«, fragte Kimberly und trat Beth gewissermaßen auf den Zeh. »Mein Gatte – Sam Metzger – und ich bewirten oft Gäste in unserer Stadtwohnung, und wir sind stets auf der Suche nach frischem Blut.«

»Nein, ich habe keine … Karte«, sagte Arius. Ein weiterer Brauch, den ich mir aneignen muss.

»Oh. Dann lade ich Sie besser auf der Stelle ein. Sehen Sie, wir werden morgen Abend eine kleine Zusammenkunft haben, um halb acht, für die Kampagne zur Wiederwahl des Bürgermeisters. Am Sutton Place Nummer eins. Können Sie sich das alles merken?«

Arius lächelte. »Ja, das kann ich. Danke.«

»Sie werden also kommen?«, fragte sie kokettierend.

Er nickte, den Blick immer noch hinter den dunklen Gläsern verborgen.

Beth und Raleigh wechselten einen Blick, als wollten sie sagen: Das ist doch nicht zu fassen!Ihr waren bereits unzählige Gerüchte über Kimberly Metzgers Privatleben zu Ohren gekommen, aber so eine unverhohlene Anmache hatte Beth noch nie erlebt. In diesem besonderen Fall konnte sie es allerdings fast verstehen. Arius war in der Tat eine ziemlich umwerfende Erscheinung. Er war etwa so groß wie Carter, doch sein Haar war so blond, dass es beinahe weiß war, und glänzte in den Deckenlampen der Galerie. Seine Haut war ebenfalls nahezu makellos, nein, korrigierte sie sich, sie war vollkommen makellos, und seine Gesichtszüge wirkten, als seien sie aus einem Block lupenreinen Marmors herausgemeißelt. Seine Augen blieben hinter den dunklen Gläsern verborgen, und sie fragte sich flüchtig, was für ein Kunstliebhaber er schon sein konnte, wenn er bei der Betrachtung von Gemälden die Brille aufbehielt? Der einzige Farbtupfer in seinem Gesicht waren die Lippen, dunkelrosa, pulsierend vor Leben und ebenso voll wie die einer Frau. Verlockend und verschlagen zugleich.

»Der van Eyck, den Beth mir gerade gezeigt hat«, sagte Kimberly gerade zu Raleigh, »ich würde gerne …«

»Van Dyck«, korrigierte Beth sanft.

»Ja, natürlich«, stellte Kimberly fest. »Habe ich das nicht gesagt?«

»Ich muss mich verhört haben«, entschuldigte Beth sich. Raleigh warf ihr einen Blick zu, der sie glatt hätte töten können.

»Ich überlege, ihn für unser neues Haus zu kaufen, das wir gerade im Hunt Country in Virginia bauen. Er könnte gut in die Bibliothek passen, aber ich bin mir nicht ganz sicher.«

»Es ist immer schwierig, es zu wissen«, tröstete Raleigh sie, »bis Sie ihn tatsächlich an seinem Platz hängen sehen. Warum lassen Sie uns nicht wissen, wenn Sie fertig sind, und dann bringen wir ihn hin, damit Sie es selbst sehen können?«

»Danke, Richard«, sagte sie und küsste ihm flüchtig die Wange. »Sie sind ein Schatz. Und Sie«, sagte sie kokettierend zu Arius, »sehe ich dann morgen Abend. Nicht vergessen!«

Als sie die Galerie verließ, wandte Arius den Kopf um. Was war es, fragte Beth sich, das ihn so … einzigartig wirken ließ? So attraktiv und zur gleichen Zeit so … bezwingend? Man wollte ihn unbedingt ansehen und zur gleichen Zeit den Blick abwenden.

»Nun, Beth«, sagte Raleigh, »haben Sie ein paar Minuten Zeit, um Mr Arius ein paar der Werke zu zeigen, die wir oben haben? Ich denke da besonders an die Courbets und Corots.«

Sie hätte es kommen sehen müssen. Völlig ausgeschlossen, dass Raleigh diesen neuen Fisch aus seinem Netz schlüpfen lassen würde. Aber der Gedanke, Mr Arius zu einem privaten Beratungsgespräch mit nach oben zu nehmen, schickte ihr unwillkürlich ein Kribbeln über den Rücken. Dieser Mann hatte etwas ausgesprochen Seltsames und zugleich seltsam Vertrautes an sich. Obwohl es unmöglich war, dass sie ihn vergessen haben könnte, hatte sie das unheimliche Gefühl, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben.

»Tut mir leid«, platzte sie heraus, »aber ich habe eine dringende Verabredung, die ich nicht versäumen darf.«

Raleigh warf ihr einen zweiten tödlichen Blick zu.

»Einen Termin beim Arzt«, ergänzte sie, wohl wissend, dass dies das Einzige war, gegen das Raleigh keine Einwände erheben würde. Er wusste von ihren und Carters Problemen mit der Familienplanung.

»Sind Sie sicher?«, probierte er es.

»Ich bin mir sicher«, sagte sie zerknirscht und warf einen Blick auf die Uhr. »Ich muss mich ohnehin schon sputen.«

»Ja dann.« Raleigh gab sich geschlagen und wandte sich direkt an Arius. »Ich würde mich überaus freuen, wenn ich Ihnen selbst ein paar Stücke zeigen dürfte. Können Sie ein wenig Zeit erübrigen?«

Da Beth in Wahrheit nur mit Abbie ganz in der Nähe für eine Tasse Kaffee verabredet war, hielt sie sich nicht damit auf, ihren Mantel von oben zu holen. Sie hoffte, dass es Raleigh nicht auffallen würde. Im Moment wollte sie nur noch flüchten und so schnell wie möglich aus der Galerie verschwinden, fort von dieser merkwürdigen Gestalt, deren Blicke sie auf sich spürte. Selbst jetzt noch, als sie sich entfernte, wusste sie, dass er sie hinter diesen bernsteinfarbenen Gläsern musterte. Einerseits wünschte sie, sie könnte ihm die Brille einfach aus dem Gesicht reißen, um zu sehen, wer er wirklich war. Andererseits spürte sie, dass sie es, wenn sie es täte, für den Rest ihrer Tage bedauern würde.


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