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Das letzte Relikt
  • Текст добавлен: 8 октября 2016, 21:19

Текст книги "Das letzte Relikt"


Автор книги: Robert Masello


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Ужасы


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»Es ist nicht nur selten, es ist im Grunde sogar unmöglich. Besonders, da der Stein den empirischen Untersuchungen zufolge fast so alt ist wie der geschmolzene Kern dieses Planeten, so alt wie die Erde selbst.«

»Wie kann etwas, das so alt ist, überhaupt ein Fossil enthalten?«, fragte Ben. »Selbst ein Investmentbanker weiß, dass sich das Leben erst wesentlich später entwickelte.«

»Das macht die ganze Sache ja gerade so verwirrend.«

Wenn er so redete und sich in seiner Begeisterung weit nach vorn beugte, kam er Beth vor wie ein kleiner Junge.

»Wir haben eine Probe vom Fossil selbst genommen …«

»Ich dachte, ihr hättet den Laser noch nicht eingesetzt?«, unterbrach Beth ihn.

»Haben wir auch nicht. Wir haben es auf die altmodische Weise gemacht und mit einem Meißel ein kleines Stück am Ende einer Kralle entfernt.«

»Und was hofft ihr, damit zu beweisen?«, fragte Ben.

»Wir haben sie rüber ins medizinische Forschungslabor geschickt, und mit der CarbonDatierung können wir vielleicht sein ungefähres Alter bestimmen. Das Merkwürdige ist, dass alle Tests bisher völlig unhaltbare Ergebnisse geliefert haben.«

»Inwiefern?«, fragte Abbie.

»Laut den Untersuchungen ist das Fossil älter als jede Lebensform, die je existiert hat, egal wo auf der Welt. Es ist älter als die Dinosaurier, das niederste Plankton oder Moos oder Amöben. Es existiert, wenn du so willst, seit Anbeginn der Zeit.«

Einen Moment lang herrschte Stille im Wagen.

»Klingt für mich wie ein Fall aus Akte X«, sagte Ben schließlich.

»Oder es ist ein Außerirdischer«, fügte Abbie hinzu.

Carter lehnte sich zurück. »Ja, nicht wahr?« Er blickte aus dem Fenster. »Ich habe ein paar Bücher und Aufsätze eingepackt, die ich dieses Wochenende lesen will«, sagte er. »Vielleicht werde ich also in eurem Haus das Rätsel ein für allemal knacken.«

Beths Herz sank. Sie hatte sich lange Spaziergänge im Wald ausgemalt, bei denen sie sich an den Händen halten und intensiv unterhalten würden, gefolgt von gemütlichen Abenden vor dem knisternden Feuer. Aber jetzt sah sie sich plötzlich allein durch den Wald laufen, während Carter im Haus über seinen Laborberichten brütete. Das hatte nicht zum Plan gehört. Sie wollte, dass sie Zeit zusammen verbrachten, dass sie rausgingen … und an diesem kleinen Projekt arbeiteten, ihrer Familiengründung. Doch solange Carter sich nicht völlig verändert hatte, gab es immer noch eine Sache, auf die sie zählen konnte: Der kleine Junge in ihm liebte Dinosaurier, aber der Mann in ihm liebte Victoria’s Secret. Und genau dort hatte sie in ihrer Mittagspause ein paar pikante Überraschungen besorgt.

Am Ende würde es eins zu null für die Reizwäsche stehen, und die Dinosaurier hätten das Nachsehen.

Als sie das Restaurant erreichten, war es genauso, wie Abbie es beschrieben hatte. Eine dunkle Hütte, einfaches Essen und ein traurig dreinblickender Elchkopf über der Bar. Die Stimmung zwischen Ben und Abbie allerdings verschlechterte sich zusehends. Schon im Wagen hatten sie angefangen, sich zu zanken, und jetzt, nachdem Ben ein paar Drinks zu viel intus hatte, wurde es nur noch schlimmer. Vielleicht war der Stress einfach zu viel. Der Kauf eines neuen Hauses, die Fahrt aus der Stadt heraus bei dem irrsinnigen Wochenendverkehr, der Versuch, ein Kind zu bekommen … Beth konnte nachvollziehen, wie es dazu kam, aber dadurch wurde es nicht angenehmer, Zeuge des Streits zu werden. Nach dem Essen bestand Abbie darauf, den Rest der Strecke zu fahren, und nach einer kleinen, nur zur Hälfte spielerischen Rangelei mit Ben um die Autoschlüssel hatte sie schließlich gewonnen.

Je weiter sie fuhren, desto dunkler und einsamer wurde die Straße. Die Ortschaften, durch die sie kamen, wurden immer trostloser und verlorener. Langsam wünschte Beth, sie hätte diesem Plan niemals zugestimmt. Würde Carter ihr je vergeben? Aber jetzt war es zu spät, um etwas dagegen zu unternehmen.

Nachdem sie etwa fünfzehn Minuten lang auf einer kurvenreichen, tiefschwarzen zweispurigen Straße entlanggefahren waren, sagte Ben: »Fahr langsam, wir sind da!«, und Abbie sagte: »Wo? Ich sehe nichts.«

»Da vorne, hinter der großen Eiche.«

Sie ging vom Gas. »Wie sieht eine Eiche aus? Ich kann eine Eiche nicht von einer Ulme unterscheiden, nicht einmal bei Tageslicht.«

»Es war der große Baum, an dem du gerade vorbeigefahren bist«, sagte Ben. »Ich habe dir doch gesagt, dass du mich fahren lassen sollst.«

Abbie wurde noch langsamer und wendete schließlich an einem Kiesweg. Ein langer offener Graben, von orange gestreiften Plastikkegeln markiert, führte an einer Seite der Straße entlang.

»Die Wasserleitungen in der Gegend werden gerade ausgetauscht«, sagte Ben. »Die alten stammen etwa aus der Zeit des Bürgerkriegs.«

Nachdem sie gewendet hatten, fanden sie die Einfahrt, die teilweise durch die riesige alte Eiche verdeckt wurde und von der Straße aus steil bergab führte. Holpernd fuhren sie ein paar hundert Meter nach unten und hielten schließlich vor einem kleinen altmodischen, weiß und grün gestrichenen Haus mit niedriger Vorderveranda und hohem Dach an.

Beth stieg als Erste aus. »Es ist großartig«, rief sie mit so viel Überzeugungskraft, wie sie aufbringen konnte, obwohl sie in Wahrheit enttäuscht war. Auf den Fotos, die sie und Carter an jenem Abend im Minetta gesehen hatten, hatte das Haus sonnig und irgendwie niedlich ausgesehen. Aber jetzt am Abend, umgeben von kahlen Bäumen und Feldern und nur vom kalten Mondlicht erhellt, machte es eher einen unheimlichen Eindruck. Die Eingangstür, mit der Ben sich gerade abmühte, quietschte und klemmte.

»Du musst den Schlüssel ganz nach links drehen«, sagte Abbie, und Ben fauchte zurück: »Ich habeihn ganz nach links gedreht. Das Schloss muss ausgetauscht werden – mehr kann ich dir auch nicht sagen.«

Carter und Beth beschäftigten sich mit dem Gepäck und zogen die Köpfe ein. Sie machten eine Tour durch das Haus, das nur über insgesamt fünf Zimmer verfügte, von denen die meisten noch nicht eingerichtet waren. Sie waren rasch fertig mit der Besichtigung und stiegen die Wendeltreppe hinauf in den ersten Stock, in dem ihre Zimmer lagen. Die Farbe war von den Wänden gekratzt und die Gardinenstangen leer. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, ließ Beth sich auf die Bettkante plumpsen und formte mit den Lippen die Worte Ach du Scheiße. Carter nickte. Dann kam er zu ihr, ließ sich neben sie fallen, schlang einen Arm um ihren Hals und küsste sie auf die Wange.

»Ist dir schon einmal aufgefallen«, flüsterte er, »dass man angesichts der Eheprobleme anderer Paare erst richtig würdigen kann, wie gut man es hat?«

Im Schlafzimmer direkt unter ihnen hörten sie, wie eine Schublade krachend geschlossen wurde, dann gedämpfte Stimmen. Beth meinte Abbie sagen zu hören, etwas sei »so peinlich« und konnte sich gleich mehrere Dinge vorstellen, die damit gemeint sein könnten. Ben sagte immer wieder: »Hör doch auf!«

»Ein guter Grund, sich niemals ein Landhaus zu kaufen«, sagte Carter.

»Zumindest nicht dieses hier«, flüsterte Beth.

»Ziemlich unheimlich, was?«

Sie lächelte. »Und ziemlich kalt«, sagte sie ebenso leise wie er.

»Nimm ein heißes Bad«, sagte er. »Ich packe inzwischen aus.«

Beth fischte ein paar Sachen aus ihrer Tasche und ging ins Badezimmer. Das Fenster hatte weder einen Vorhang noch eine Jalousie und wies auf sich endlos erstreckende schwarze Felder, verkümmerte Bäume und ein Gebäude in der Ferne, das wie eine verlassene Scheune aussah. Sie drehte den Heißwasserhahn ganz auf und lauschte, als die Rohre stöhnten und ächzten. Anfangs war das Wasser braun, wurde jedoch rasch klar. Als sie schließlich in die tiefe alte Badewanne stieg, war es einfach nur himmlisch. Sie lehnte den Kopf zurück und ließ die Hitze zu ihren Knochen durchdringen. Hoffentlich hatten Abbie und Ben morgen bessere Laune. Es gab nichts Schrecklicheres, als mitten im Ehekrach von anderen Leuten festzusitzen, vor allem, da sie sich eigentlich auf ein gemütliches und romantisches Wochenende gefreut hatte. Sie und Carter hatten ein gutes Leben in der Stadt. Ein großartiges Leben, wie wohl die meisten Leute sagen würden, aber sie mussten beide auch hart dafür arbeiten. Es war Zeit, dass sie einmal ausspannten und sich ein wenig vergnügten.

Als sie aus der Wanne stieg und die Tür zum Badezimmer öffnete, tat Carter genau das, was sie sich vorgestellt hatte. Er saß auf dem Bett, die Nase in einem Stapel Papiere vergraben.

Doch dann blickte er auf und sah sie in ihrem neuen Outfit von Victoria’s Secret. Sie war vielleicht nicht gerade Heidi Klum, aber sie sah gar nicht so übel aus. Carters Papiere rutschten ihm auf den Schoß, und der Unterkiefer tat es ihnen beinahe gleich.

»Lass dich nicht stören«, schnurrte sie.

»Zu spät.«

Gut zu wissen, dachte sie, als sie sich in seine ausgebreiteten Arme kuschelte, dass sie immer noch jedes Fossil der Welt aus dem Rennen schlagen konnte.


14. Kapitel

Im Nachhinein dachte Russo, dass der Bootstrip vermutlich nicht die beste Idee gewesen war, aber da hatte er das Ticket bereits gekauft, und die frische Luft würde ihm vermutlich guttun.

Auf der Party gestern Abend hatte er zu viel getrunken. Kaum hatte er die Wohnung betreten und sich in das dichte Gedränge gestürzt, war schon Bill Mitchell aufgetaucht und hatte ihm ein Glas Halloween-Punsch in die Hand gedrückt. Er wusste immer noch nicht, was genau das eigentlich gewesen war. Dann hatte Mitchell ihn überall vorgestellt, als sei er der bekannteste Paläontologe Europas. »Er ist wegen eines supergeheimen Projekts in New York«, hatte Mitchell behauptet. »Wenn irgendjemand herausbekommt, worum es sich handelt, möge er sich bitte bei mir melden.«

Russo hatte sich Mühe gegeben, die Sache herunterzuspielen, und sich ziemlich gut amüsiert. Die Partygäste waren eine Mischung aus jüngeren Fakultätsmitgliedern, Doktoranden und sogar einigen Studenten. Er traf diese Studentin, Katie Coyne, die ihm im Hörsaal ein paar Fragen gestellt hatte. Sie war ein sehr verführerisches und selbstherrliches junges Ding. Selbst auf der Party wollte sie alles Mögliche von ihm wissen. Wie er dahin gekommen sei, wo er heute stand, bei welchen Ausgrabungen er dabei gewesen sei, wo seiner Meinung nach die nächsten großen Entdeckungen zu erwarten seien. Selten hatte er Studenten in ihrem Alter getroffen, die so auf ein Thema fixiert waren.

»Wenn Sie Ihren Abschluss haben«, sagte er, »besuchen Sie mich einmal in Rom. Ich glaube, Sie werden eines Tages großartige Arbeit leisten.«

Nach Mitternacht war er nach Hause getorkelt und am nächsten Morgen spät aufgestanden. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, seine Bettdecke zusammenzulegen, da Beth und Carter erst Sonntagabend zurückkommen würden. Er war wild entschlossen, diese Circle Line Cruise mitzumachen. Er wollte ein bisschen Tourist spielen, und heute bot sich die perfekte Gelegenheit dafür. Doch er hatte nicht mit dem flauen Gefühl im Magen gerechnet. Ebenso wenig hatte er sich klar gemacht, wie viele Leute auf so einem Boot zusammengepfercht wurden, oder wie viele von ihnen plärrende Kinder sein würden, die teilweise schon in ihren Halloweenkostümen steckten. Er hatte probiert, drinnen in der Kabine zu bleiben, aber bei der Hitze und dem Tumult hatte er schließlich beschlossen, sein Glück draußen auf dem offenen Deck zu versuchen.

Über die Lautsprecher wies der Kapitän auf die verschiedenen Sehenswürdigkeiten hin, an denen das Boot vorbeituckerte. Den South Street Seaport, die Brooklyn Bridge, Hell’s Gate, Gracie Mansion. Eine winzige Insel im East River, die sie passierten, erweckte Russos Aufmerksamkeit. Darauf hatte einst das städtische Krankenhaus für Pockenkranke gestanden, von dem heute nur noch ein Haufen Staub und Steine übrig geblieben war. Früher hatte man die Patienten dort hinübergefahren und dann gewissermaßen sich selbst überlassen, um zu verhindern, dass sie den Rest der Stadt ansteckten. Charles Dickens, so sagte der Kapitän, sei einmal an dieser Insel mit dem Namen Blackwell’s Island vorübergesegelt. Die Patienten hatten, zusammen mit den Insassen der benachbarten Irrenanstalt, ihm mit Hüten und Taschentüchern zugewinkt. Russo war immer überrascht, wenn er in Amerika etwas entdeckte, das älter als hundert Jahre war, und seien es Ruinen.

Als das Boot wieder anlegte, wartete Russo, bis die meisten Passagiere ausgestiegen waren, ehe er selbst das Boot verließ. Obwohl die Fahrt relativ ruhig gewesen war, fühlte es sich gut an, wieder an Land zu sein und nicht länger das Vibrieren der Motoren unter den Füßen zu spüren. Es wurde rasch dunkel, aber der lange Fußmarsch nach Hause würde ihm ein wenig Bewegung verschaffen, so dass er in der Nacht vielleicht besser schlafen könnte. Er schlief immer noch schlecht, und selbst letzte Nacht, als er halb betrunken auf das Sofa gefallen war, war er mehrmals aus bösen Träumen aufgeschreckt. Heute Abend wollte er versuchen, sich so müde wie möglich zu laufen.

Je mehr er sich dem West Village näherte, desto wilder wurde die Straßenszene. Als Vampire verkleidete Mädchen und Jungs in Cowboykleidung kamen ihm entgegen. Eine ganze Gruppe war mit braunen Roben als mittelalterliche Büßer verkleidet, sie schwenkten qualmende Räuchergefäße und geißelten sich selbst. Russo nahm an, dass es sich um eine Würdigung von Bergmans Das Siebente Siegelhandelte. Den ganzen Tag über war ihm noch nicht richtig nach essen zumute gewesen, aber jetzt stellte er fest, dass er langsam etwas im Magen brauchte. Als er vor einer Art italienischer Trattoria stand, fand er plötzlich, dass ein Teller mit heißer Pasta Fagiolo jetzt genau das Richtige wäre. In Rom wohnte er über einem Lokal, in dem der Koch die beste Pasta kochte, die er je probiert hatte.

Was er schließlich vorgesetzt bekam, war kaum als Pasta erkennbar, und die Kidneybohnen hätte er an den Fingern einer Hand abzählen können. Er wusste, dass man den Amerikanern nachsagte, sie würden italienisches Essen lieben, aber warum waren sie so versessen darauf, wenn sie soein Zeug serviert bekamen? Er zahlte die Rechnung bar, ließ ein, wie er hoffte, angemessenes Trinkgeld liegen und ging wieder nach draußen. In der letzten Stunde hatte sich die Stimmung eindeutig noch weiter aufgeheizt. Es waren noch mehr Menschen als vorher auf der Straße, gekleidet in alle möglichen seltsamen Kostüme. Drei blau angemalte Männer gingen zusammen mit einer Frau, die als Freiheitsstatue verkleidet war. Die Straßen waren mit Autos und Taxis verstopft, die laut hupend versuchten, irgendwie vorwärtszukommen. Soweit Russo beurteilen konnte, kam man zu Fuß immer noch am schnellsten voran, obwohl auch das nicht gerade einfach war.

Heute Nacht war Vollmond, ohne Zweifel ein Beitrag zu dem Irrsinn, und die Stadt erstrahlte im Lichterglanz der Ampeln, Scheinwerfer und Neonreklamen. Die roten Lichter der Polizeiwagen blinkten, und Dutzende von Feiernden trugen leuchtend grüne Ketten um den Hals oder die Stirn. Während Russo sich seinen Weg durch die Menge bahnte, kam er sich immer mehr vor wie an Karneval, mit dem Lärm, den aufwendigen Kostümen, dem Geschiebe und Gedränge. Die Luft schien ganz erfüllt von einem Gefühl der Aufregung und Erwartung, von Spannung und sexueller Erregung, von gezwungener Heiterkeit und sogar, um ganz ehrlich zu sein, dem Gefühl der Bedrohung. Als Neuankömmling in der Stadt war es interessant für ihn, das festzustellen, aber er konnte gut verstehen, warum Carter und Beth über das Wochenende aus New York weg wollten.

Als er endlich in der Nähe des Washington Square war, waren die Bürgersteige so gedrängt voll, dass er kaum noch vorankam. Ständig stieß er mit Leuten zusammen, entschuldigte sich, obwohl niemand ihn hören konnte oder sich darum kümmerte, wurde gestoßen, angerempelt und geschubst. Ein Typ mit einem Plastikbecher Bier rumste gegen ihn und verschüttete den Großteil des Biers über seinen Regenmantel, dann wuselte er ohne ein Wort oder auch nur einen Blick weiter. So gut es ging, wischte Russo das Bier ab. Vielleicht käme er schneller voran, wenn er die Hauptstraßen mied, und könnte sich auf diese Weise besser zur Wohnung durchkämpfen. Als er sich dem Bio-Gebäude näherte, bog er in eine Seitenstraße ab und beschloss, hinter dem Haus entlangzugehen.

Er bog um die Ecke des massiven Altbaus aus gelbem, längst braun gewordenem Backstein, und auf der Stelle ließ das Gedränge nach. Es gab zwar Feiernde, aber die waren ganz versessen darauf, sich wieder ins Getümmel zu stürzen. Sobald er noch einmal abgebogen war und hinter dem Ladebereich entlangging, entdeckte er nur noch wenige Nachzügler sowie den Transvestiten, der immer hier war. Ein hochgewachsener Mann in rotem Wildledermantel, der am hinteren Fenster einer im Leerlauf wartenden Limousine lehnte. Er arbeitete selbst an Halloween, und Russo fand, das habe etwas Lobenswertes an sich.

Unwillkürlich wanderte sein Blick zu den großen verschlossenen Stahltüren. Er wollte gerade wieder wegsehen, als ihm etwas ins Auge fiel. Zuerst war er nicht einmal sicher, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte, aber dann merkte er, dass unter der Seitentür auf der Höhe der Laderampe ein schmaler Lichtschein hindurchschimmerte.

Er blieb stehen. Hatte er am Freitag die Scheinwerfer angelassen, als er gegangen war?

Nein. Er erinnerte sich deutlich, dass er sie ausgeschaltet hatte und sich noch einmal nach dem Laser und der Felsplatte umgedreht hatte, ehe er die Tür abgeschlossen hatte.

Konnte der Hausmeister, Hank, dort drin sein? Ziemlich unwahrscheinlich, besonders um diese Uhrzeit, fast zehn Uhr an einem Samstagabend.

Er wollte weitergehen und einfach so tun, als hätte er nichts gesehen, aber er wusste, dass er das nicht fertigbrachte. Er musste nachsehen, was dort vor sich ging. Er tastete in seiner Tasche nach dem Schlüssel und stieg die Betonstufen zur Laderampe hinauf. An der Tür blickte er noch einmal nach unten. Ja, durch den dünnen Spalt am Boden drang ein Lichtschimmer. Er legte das Ohr an das kalte Metall und hörte leise Radiomusik.

Könnte Carter unangekündigt früher zurückgekommen sein? Das, so stellte er erleichtert fest, war durchaus möglich. Russo wusste, dass Carter insgeheim hoffte, dieses Fossil könnte eine Verwandtschaft zwischen Vögeln und Dinosauriern belegen. Vielleicht war er überstürzt zurückgekommen, jetzt, wo er so nah daran war, den endgültigen Beweis für seine Lieblingstheorie zu finden. Möglicherweise war ihm langweilig geworden, schon nach einem Tag auf dem Land, und er konnte es nicht abwarten, sich wieder an die Arbeit zu machen.

Von diesem Gedanken aufgemuntert, schloss Russo die Tür auf und betrat das improvisierte Labor. Seine erste Schlussfolgerung war, dass er recht gehabt hatte. Aus dem Radio plärrte Rock ’n’ Roll, alle Deckenscheinwerfer waren eingeschaltet, und die Plastikplane, die er über das Lasergerät geworfen hatte, lag auf dem Schreibtisch.

Doch zu seiner ungeheuren Überraschung war der Laser in Betrieb und gab ein regelmäßiges schrilles Jaulen von sich. Das Gerät war verschoben worden, so dass sein Lauf direkt auf einen Abschnitt des Felsens deutete und diesen sogar beinahe berührte. Hatte Carter beschlossen, weiterzumachen und es auf eigene Faust zu versuchen? Russo war verdutzt, denn es hatte den Anschein gehabt, sie würden solche Dinge nur zusammen machen. Es gab so viel vorzubereiten, so viele Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, so viele Schritte, um zu gewährleisten, dass diese Prozedur sicher ablief und brauchbare Ergebnisse lieferte. Er und Carter waren sich von Anfang an einig gewesen, dass sie es mit einem furchtbar zerbrechlichen und explosiven Fundstück zu tun hatten, das mit größter Behutsamkeit zu behandeln war. Aber jetzt, als Russo ins Labor schaute, kam Carter mit einer dicken Schutzbrille vor den Augen von der anderen Seite des Felsens herum und ging zuversichtlich auf den Laser zu.

Nur, dass es nicht Carter war, wie er plötzlich begriff.

Dieser Typ war zu klein, und das Haar war lang und strähnig. Als er herüberblickte und Russo entdeckte, schob er die Brille hoch und sagte verlegen: »Oh, hallo. Ich hatte nicht damit gerechnet, Sie heute Abend hier zu sehen.«

»Mitchell?«, fragte Russo erstaunt. »Was tun Sie hier?«

Mitchell sah aus, als fehlten ihm die Worte. Aber der summende Laser beantwortete die Frage für ihn, ohne dass er einen Ton sagen musste. Und das wusste er.

»Wie sind Sie hier hereingekommen?«, fragte Russo und durchquerte das Labor.

»Durch den Lagerraum. Ich meine, ich musste keine Schlösser knacken oder so.«

»Dies hier ist ein privates Labor. Sie haben kein Recht, sich hier aufzuhalten.«

Mitchell sah aus, als suchte er erneut verzweifelt nach einer Antwort. »Hey, Sie können so ein Geheimnis nicht lange unter Verschluss halten.« Er lächelte verschlagen. »Ein privates Labor, eine Lieferung aus Übersee, die Anforderung eines Lasers … Ich bin kein Sherlock Holmes, aber das war kaum zu übersehen.«

»Woher wussten Sie überhaupt irgendetwas davon?«, fragte Russo entrüstet.

»Ich weiß eine Menge«, sagte Mitchell, in dem sich langsam ebenfalls Zorn zu regen begann. »Und für den Fall, dass Sie es vergessen haben, ich bin hier Juniorprofessor. Ich denke, ich habe ein Recht darauf, zu wissen, was hier vor sich geht.«

»Sie sind nicht berechtigt, hier hereinzukommen und … sich in unsere Experimente einzumischen.«

»Ich muss schon sagen, Joe, Sie haben echt Nerven.« Er zog die Brille von seinem Kopf und schob sich das strähnige Haar hinter die Ohren. »Sie gehören nicht einmal zur Fakultät hier, im Gegensatz zu mir, und Sie wollen mir erzählen, was ich in diesem Fachbereich tun darf und was nicht? Ich war nett zu Ihnen, habe Sie zu meiner Party eingeladen, habe mich bemüht, freundlich zu sein. Und was ist der Dank dafür? Mit keinem einzigen Wort haben Sie mir verraten, warum Sie hier sind oder was Sie machen oder was«, dabei deutete er auf den schwarzen Felsblock, »für ein unglaubliches Ding sich in diesem Stein verbirgt.«

Russo warf einen raschen Blick auf den Felsen. Der Laserstrahl war exakt auf die Stelle gerichtet, von der sie die Probe der versteinerten Klaue genommen hatten. Ein sehr feiner, aber ätzender Geruch lag in der Luft.

»Wie lange läuft der Laser schon?«, fragte Russo hastig.

»Ein paar Minuten, mehr nicht«, sagte Mitchell. »Ich wollte gerade ausprobieren, was der so alles kann.«

»Schalten Sie ihn aus. Sofort!«

»Ich glaube, das darf man nicht machen. Sobald er einmal eingeschaltet ist, muss man ihn mindestens …«

Russo erinnerte sich noch an genug von der Einführung durch den Techniker, um zu wissen, wo sich der Ein-und Ausschalter befand. Er ging um das Gerät herum zur Rückseite und beugte den Kopf über das Bedienungspaneel, doch Mitchell kam ihm zuvor.

»Es wird schon nicht schaden, ihn noch eine Weile laufen zu lassen«, sagte er und legte die Hände über die Kontrollschalter.

»Der Stein ist sehr, sehr gefährlich«, sagte Russo. Der Geruch nach Verbranntem wurde stärker. »Nehmen Sie die Hände weg!«

»Was soll so gefährlich daran sein?«, fragte Mitchell, obwohl er seine Hände fortnahm.

»Gase! Sie sind darin eingeschlossen!« Russo stieß Mitchell grob aus dem Weg.

Mitchell musste den Brandgeruch ebenfalls bemerkt haben. »Ich dachte, der Laser würde auf kalte Weise brennen. Es funktioniert auf Argon-Basis, und das bedeutet …«

Es gab einen Knall, nicht lauter als ein Luftballon, in den jemand eine Nadel gestochen hatte.

Russo wurde plötzlich in die Luft gehoben und von einer ohrenbetäubenden Druckwelle aus sengend heißem Wind und grellem Licht quer durchs Labor geschleudert. Er knallte gegen die gegenüberliegende Wand und rutschte auf den Betonfußboden, während ein Flammenmeer gleich einer blitzartigen Woge durch das Labor auf ihn zukam. Er konnte sich nicht bewegen, doch er hätte ohnehin keine Zeit mehr gehabt. Die Flammen verschlangen den Boden, dann seine Beine, seinen Körper, reinigten ihn, versengten ihn, wuschen über sein Gesicht und knisterten in seinem Haar. Das Labor erbebte unter der Explosion und warf das Brüllen zurück. Die Deckenscheinwerfer barsten, die Luft war erfüllt von einem dichten Schauer aus zerbrochenem Glas. Ein Hagel aus Scherben und Kiesel ging nieder, Steine schossen wie Gewehrkugeln durchs Labor.

Russo konnte nicht atmen und kaum etwas sehen. Die Flammen rasten durch den Raum, leckten an den Wänden und Türen, wie wilde Hunde, die sich zu befreien versuchten. In der Luft lag ein feiner schwarzer Staubnebel, der vom pulverisierten Felsen stammte.

Doch das Labor war nicht dunkel.

Selbst mit seinen verletzten Augen konnte Russo das Licht erkennen. Ein weißes schimmerndes Licht in der Mitte des Raumes, genau dort, wo sich die Felsplatte befunden hatte. Das Licht schien sich zu bewegen, es schien … eine Gestalt zu formen.

Er versuchte zu atmen. Der Geruch seiner eigenen schwelenden Kleidung und Haut stieg ihm in die Nase.

Schwankend erhob sich die Gestalt.

Mitchell?, dachte er. Nein, das war nichts, was er je zuvor gesehen hätte …

Sie schien sich auszudehnen, gleich einem Adler, der seine Schwingen ausbreitete.

War er tot? War dies sein … Hirte?

Die Gestalt leuchtete wie eine Lichtsäule, und sie bewegte sich. Auf ihn zu.

Russo blinzelte, aber nichts schien zu geschehen. Waren seine Lider verschwunden? Seine Augen schmerzten, Teile seines Körpers brutzelten immer noch wie ein Steak, das man gerade vom Grill genommen hatte. Seine Hände lagen nutzlos an den Seiten.

Die Gestalt kam näher. Russo bemühte sich, die brennende Luft einzuatmen. Kämpfte darum, wach zu bleiben. Am Leben.

Er starrte hinauf in den schwarzen Nebel.

Die Gestalt schwebte über ihn und musterte ihn. Beschnüffelte ihn.

Sie war so hell, so glühend heiß, dass Russo sie kaum ansehen konnte, doch ebenso wenig ertrug er die Vorstellung, den Blick abzuwenden.

Denn es war das Schönste, das er je gesehen hatte.

Ein Gesicht aus purem Licht. Ein menschliches Gesicht, aber kein Mensch. Perfekt, wunderschön und furchteinflößend. Das Letzte, das er je erblicken würde.

Du leidest.

Es waren keine wirklichen Worte, sondern eher ein Gedanke, den Russo wahrnahm, als sei er in seinen Kopf gepflanzt worden.

Die Gestalt streckte die Hand aus. Eine Hand, keine Klaue, aus purem Licht, berührte seinen Kopf. Es war, als würde ein Eiszapfen über seinen versengten Schädel streichen.

Leiden ist ein Geschenk Gottes.

Wieder empfing er diesen Gedanken wie durch Telepathie.

Die Gestalt erhob sich und begann sich zu entfernen. Russo hatte entsetzliche Angst, sie könnte bleiben, aber zur gleichen Zeit fürchtete er, sie könnte gehen und ihn in diesem Inferno zurücklassen.

Schimmernd schwebte sie auf die Stahltüren zu, sie wogte und drehte und schlängelte sich … ein strahlendes Licht von der Größe eines Mannes.

Und dann überwältigte ihn die Höllenqual. Als hätte er seine Kräfte für einen letzten Angriff aufgespart, schwoll der Schmerz in ihm an, und Russo kippte auf den Betonfußboden, zu verbrannt, um auch nur zu schreien.


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