355 500 произведений, 25 200 авторов.

Электронная библиотека книг » Robert Masello » Das letzte Relikt » Текст книги (страница 23)
Das letzte Relikt
  • Текст добавлен: 8 октября 2016, 21:19

Текст книги "Das letzte Relikt"


Автор книги: Robert Masello


Жанры:

   

Триллеры

,
   

Ужасы


сообщить о нарушении

Текущая страница: 23 (всего у книги 27 страниц)

Carter kam gerade mühsam auf die Beine, als Ezra durch die zerbrochene Tür stolperte.

Sie beobachteten, wie die Schriftrolle gleich einer Möwe hoch über ihnen von den verschiedenen Windströmungen getragen wurde. Sie schoss herunter und flatterte in der Luft, entfernte sich von ihnen und flog davon, fort über den East River. Langsam verblasste das violette Glühen, verlor sich in den Lichtern der Stadt und wurde von der Nacht verschluckt.

Carter, dem immer noch der Kopf dröhnte, blickte zu Ezra hinüber, der die Balustrade umklammert hielt. Noch immer suchte er nach einem Anzeichen der Schriftrolle. Dabei murmelte er leise etwas vor sich hin.

»Was hast du gesagt?« Carters eigene Stimme kam ihm gedämpft und fremd vor.

Ezra schwieg, dann wiederholte er: »Sie gehörte mir.«

Carter blickte auf die Stadt unter und den Nachthimmel über ihnen. »Ich bin mir nicht sicher, ob du sie jemals besessen hast.« Er nahm einen tiefen Atemzug der frischen Nachtluft. Das Dröhnen in seinem Kopf ließ langsam nach. Von der Kirche auf der anderen Seite des Flusses meinte er, das unablässige Läuten einer Glocke zu vernehmen.


36. Kapitel

Beth kam es vor, als hätte sie den ganzen Tag nichts anderes getan, als Feuerwehr zu spielen. Sie hatte sich bei Mrs Winston für die fehlende Einladung entschuldigt, dem Partyservice geholfen, seine Genehmigungen zu bekommen, hatte einen Platz freigeräumt, an dem die Kellner sich umziehen konnten, und den Pförtner in eine Uniform gequetscht, die zwei Nummern zu klein für ihn war.

Aber endlich war die Weihnachtsfeier der Raleigh Galerie in vollem Gange. Überall im Erdgeschoss standen gewaltige Sträuße mit frischen Blumen, und Kellner in weißen Jacken trugen silberne Tabletts mit Dom Perignon und Beluga-Kaviar herum. Ein Streichquartett des Juilliard-Konservatoriums, das auf dem Zwischengeschoss untergebracht war, spielte Vivaldi. Und wieder einmal war jeder zugegen, der in der Welt der New Yorker Kunstsammler etwas zählte.

Richard Raleigh trug ein weinrotes Dinnerjackett aus Samt mit einer goldenen Schleife am Revers, von der er gerne behauptete, sie sei eine Art Ehrenauszeichnung, die ihm von der französischen Regierung verliehen worden sei. Aber Beth wusste, dass er sie bei einer Wohnungsauflösung in Southampton erworben hatte. Unbekümmert bewegte er sich zwischen seinen zahlreich erschienenen Kunden, sorgte dafür, dass ihre Champagnergläser stets gefüllt waren, dass sie sich amüsierten und vor allem, dass sie die wichtigen neuen Stücke bemerkten, die jetzt die Wände zierten, darunter ein Fragonard und ein Greuze.

Beth tat ihr Bestes, um ein fröhliches Gesicht zu machen, aber es war nicht leicht. Carter war erst in der Morgendämmerung zu Ben und Abbie gekommen, wo sie beide übernachtet hatten. Sie hatten nicht einmal die Gelegenheit gehabt zu reden, bevor sie zur Arbeit musste. Vor allem jedoch bedrückte sie die Nachricht von Joes Tod. Sie versuchte sich einzureden, dass es vielleicht sogar besser sei. Er hatte schwerste Verbrennungen erlitten, und ihm hätte eine qualvolle Behandlung bevorgestanden. Aber es war immer noch so tragisch, so furchtbar, dass sie kaum daran denken konnte.

Und schließlich, als sei das noch nicht genug, fühlte sie sich seit Tagen körperlich nicht wohl. Zu ihrer großen Bestürzung hatte sie heute Morgen im Badezimmer festgestellt, dass sie Blutungen hatte, obwohl ihre Periode noch lange nicht fällig war. Besorgt fragte sie sich, was das zu bedeuten hatte. Im Moment wollte sie nur noch die Füße hochlegen, denn Raleigh hatte, nicht besonders feinfühlig, darauf bestanden, dass sie glänzende schwarze High Heels trug. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte die Party gar nicht schnell genug vorüber sein können.

»Beth, sehen Sie nur, wer hier ist«, hörte sie Raleigh rufen, und schon erblickte sie Bradley Hoyt, der bereits auf sie zukam. Sein Kurzhaarschnitt glänzte im Licht des Kronleuchters. Einerseits war er das Letzte, was sie jetzt brauchte, doch andererseits würde er zumindest sein Bestes tun, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln, und sie würde sich nicht unter die Gäste mischen müssen.

»Sie sehen phantastisch aus«, sagte Hoyt, als er ihre Hand ergriff.

»Sie bietet einen Anblick«, meldete Raleigh sich hinter seiner Schulter zu Wort, »der eines Fragonard würdig ist.«

Das war geschickt, dachte Beth.

»Und wagen Sie es nur nicht zu gehen, ohne dass ich Ihnen ein paar unserer neuen Stücke zeigen durfte«, sagte Raleigh, nahm zwei volle Gläser von einem Tablett, das gerade vorbeigetragen wurde, und reichte sie Beth und Hoyt.

Nachdem er verschwunden war, beugte Hoyt sich vor und sagte: »Gibt er denn nie auf?«

»Meines Wissens nach nicht.«

Ein paar Minuten unterhielten sie sich über die fallenden Aktienkurse, den jüngsten Plan, Downtown zu verjüngen und die anderen Gäste um sie herum. Obwohl Hoyt einen Haufen Geld gemacht hatte, wusste er so gut wie nichts über andere New Yorker, die auf ihrem eigenen Geldhaufen saßen, und Beth fand es recht amüsant, für ihn die Fremdenführerin zu spielen. Sie zeigte ihm, wer wer war, wie alt das Geld war und aus welchen krummen Geschäften es ursprünglich stammte. Mit der Zeit hatte Beth die Weisheit in Balzacs Beobachtung erkannt, dass hinter jedem großen Vermögen ein Verbrechen stehe. Hoyt begnügte sich damit, ihr zuzuhören … und sie zu betrachten.

»Die Frau in dem marineblauen Chanelkostüm ist Mrs Reginald Clark. Ihr Geld stammt aus einem Betrug mit Eisenbahnaktien aus der Zeit der Raubritter. Und sehen Sie die Frau, mit der sie gerade redet, mit dem Diamantenhalsband? Alice Longstreet. Börsenmaklerin, gegen die zur Zeit eine Anklage läuft.«

Hoyt lachte. »Ich wette, Sie halten mich ebenfalls für einen Gauner«, sagte er.

Beth nippte an ihrem Champagner, bedauerte es jedoch auf der Stelle. Ihr Magen war bereits rebellisch genug.

»Wollen Sie es nicht wenigstens leugnen?«, neckte er sie.

»Ich bin sicher, dass Sie durch und durch ehrlich sind«, sagte sie und wollte gerade fortfahren, als sie jemanden an der Eingangstür entdeckte, der in diesem Moment gegen Raleighs Assistentin Emma gedrängt wurde. Er war hochgewachsen und blond und trug die kleine runde Sonnenbrille, die er niemals abnahm. Sie blickte quer durch den Raum zu Raleigh, der Arius’ Eintreten ebenfalls bemerkt hatte. Beth wusste, dass er nicht auf der Gästeliste stand, die Galerie hatte ja nicht einmal seine Adresse, aber irgendwie hatte er erfahren, dass heute die Weihnachtsfeier stattfand. Und er hatte ganz richtig geraten, wie er empfangen werden würde.

Während Beth mit wachsendem Grauen zusah, erreichte Raleigh breit lächelnd die Tür, die Hände bereits zur Begrüßung ausgestreckt. Wenn es auch nur den Hauch einer Aussicht auf zukünftige Geschäfte gab …

»Stimmt etwas nicht?«, fragte Hoyt und versuchte, ihrem Blick zu folgen.

»Mir ist nur gerade etwas eingefallen.«

»Was?«

»Wir haben eine neue Zeichnung hereinbekommen, die Sie sich unbedingt ansehen sollten.«

»Jetzt?«, sagte er. »Das hier ist eine Party. Sind Sie jetzt nicht von Ihren Pflichten entbunden?«

»Sie ist oben, in der Privatgalerie.«

Sie konnte förmlich sehen, wie er die Ohren spitzte, doch sie hatte keine Zeit, um seine Fehlinterpretation zu korrigieren.

Sie schob ihren Arm unter seinen rechten Ellenbogen und führte ihn rasch zum Lift. Das war weniger auffällig, als wenn sie die Treppe nähmen. Sobald sie in der Kabine waren, drückte sie den Knopf. Als sich die Türen langsam schlossen, stellte sie erleichtert fest, dass von Arius nichts zu sehen war.

Oben hatte sie ein anderes Problem. Sie musste eine Zeichnung finden, die Hoyt nicht bereits gesehen hatte. Dann fiel ihr ein, dass er wahrscheinlich Dreiviertel von dem, was ihm bislang gezeigt worden war, ohnehin nicht wiedererkennen würde. Sie zog die oberste Schublade des Schranks auf und holte, ohne auch nur hinzusehen, die erste Zeichnung hervor, die ihr in die Hände fiel.

»Ihre Hand zittert«, sagte Hoyt. »So eine große Sache wird es schon nicht sein.«

»Das sind alles Neuerwerbungen …«

Hoyt legte seine Hand auf ihre und sagte: »Sie bekommen ständig neue Ware. Sind Sie sicher, dass es nur das ist?«

»Nein«, gab sie zu, »das ist es nicht. Es geht tatsächlich um etwas anderes.«

Hoyt verzog das Gesicht zu einem Grinsen. Endlich gab sie zu, dass er unwiderstehlich war. Das wurde aber auch langsam Zeit.

»Unten ist jemand, von dem ich nicht gesehen werden möchte.«

Seine Gesichtszüge fielen sichtlich zusammen.

»Und darum haben Sie mich hier hochgehetzt?«

Beth nickte. »Ich fürchte, ja.«

Hoyt schien darüber nachzudenken, dann sagte er: »Kein Problem. Ich nehme es, wie es kommt.«

»Ich möchte Sie«, gab sie zu, »sogar um noch einen Gefallen bitten.«

Hoyt wartete, wie immer hoffnungsvoll.

»Ich muss mich aus der Galerie schleichen, aber ich möchte nicht, dass Raleigh mich sieht. Und ich will nicht, dass der andere Mann weiß, dass ich gegangen bin.«

»Mein Wagen steht draußen, wir könnten in Nullkommanichts hier weg sein.«

»Das meinte ich nicht. Worum ich Sie bitte, ist, nur noch ein paar Minuten hier oben zu bleiben und mich zu decken, falls jemand nach mir fragt.«

Das war nicht das, worauf er gehofft hatte. Trotzdem, dachte er, für alles, was er jetzt täte, würde sie in seiner Schuld stehen, was sich möglicherweise später einmal auszahlen würde. Ein Teil seines Erfolgs beruhte darauf, dass er genau wusste, wann man um einen Gefallen bitten und wann man die Schuld einlösen konnte. Zu tun, worum Beth ihn bat, war eine geringe Investition, die eines Tages womöglich riesige Gewinne abwerfen würde.

»Gehen Sie schon«, sagte er. »Mein Wagen steht draußen, der schwarze Bentley. Sagen Sie Jack, dass er Sie hinbringen soll, wo immer Sie wollen, und dann hierher zurückkommen soll.«

Nie zuvor hatte Beth Hoyt lieber gemocht als in diesem Moment. Obwohl sie wusste, dass es wahrscheinlich eine weitere dumme Idee war, hauchte sie ihm spontan einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor sie sich zum Gehen wandte.

»Ehe Sie gehen, würde ich Ihnen gerne noch eine Frage stellen. Da ich ja angeblich darüber nachdenke, es zu kaufen«, sagte er und deutete auf die Zeichnung, »was sehe ich mir da eigentlich an?«

Beth musste sich noch einmal umwenden und drehte die Zeichnung richtig hin. Und erst jetzt sah sie, was sie da aus der Schublade gezogen hatte.

Es war ein Stich aus dem neunzehnten Jahrhundert und zeigte einen gefallenen Engel. Er hatte schwarze Fledermausschwingen und stürzte durch den Nachthimmel, einer Bank aus aufgewühlten Wolken entgegen. Der Stich war Teil der französischen Lieferung, genau wie der Greuze und der Fragonard.

»Es ist ein Gustave Doré, aus seiner Reihe von Illustrationen für Das verlorene Paradies«, sagte sie. »Ein gefallener Engel wird aus dem Himmel geworfen.«

Hoyt nickte, anscheinend zufrieden mit der Information.

Beth drehte sich um, und ein kalter Schauder lief ihr über den Rücken. Es war, als sei der Stich aus einem ganz bestimmten Grund dort gewesen. Als habe er darauf gewartet, dass sie die Schublade öffnete und ihn entdeckte. Nur noch ein Grund mehr, die Galerie so schnell wie möglich zu verlassen. Sie ging zum Fahrstuhl, ihre hohen Absätze klapperten auf dem Parkett. Hoyt sah ihr nach, dann warf er einen beiläufigen Blick auf den Stich, der auf dem Tisch liegen geblieben war.

Selbst für sein ungeübtes Auge war es eine beeindruckende Arbeit. Der Engel mit den Fledermausflügeln stürzte kopfüber, als sei er nicht imstande, seinen Flug zu kontrollieren. Wellenförmiges Licht strahlte von der oberen rechten Ecke des Bildes aus, durchbohrte die turbulenten Wolken und beleuchtete die gekrümmte Erdoberfläche, die weit darunter lag. Es war wesentlich besser als der Kram, den er normalerweise hier zu sehen bekam, alle möglichen Skizzen und Studien, die selten eine zusammenhängende Geschichte erzählten. Wenn er sich nicht so zu Beth hingezogen fühlen würde, hätte er sich diese Sache mit den Alten Meistern wahrscheinlich schon vor Wochen abgeschminkt. Vielleicht hatten seine Freunde ja recht, und er sollte lieber das große bunte moderne Zeug kaufen, bei dem jeder, der es sah, sofort wusste, dass es einen Haufen Geld gekostet hatte.

Hinter sich hörte er das Knacken der Dielenbretter, aber das begleitende Klappern der Absätze fehlte. Als er aufblickte, sah er einen Mann mit blondem Haar und Sonnenbrille, der ihn von der Treppe aus beobachtete. Der Kerl war groß, etwa so groß wie er selbst, und trug einen langen schwarzen Mantel, der Hoyts Ansicht nach aus Kaschmir war. Hoyt war sich ziemlich sicher, dass er den Typ nie zuvor gesehen hatte, und genauso sicher war er sich, dass dies der Kerl war, dem Beth unbedingt aus dem Weg gehen wollte, koste es, was es wolle.

»Falls Sie Beth suchen«, sagte er und hoffte, ihr ein wenig mehr Zeit zur Flucht zu verschaffen, »sie ist gleich wieder zurück.«

Der Eindringling lächelte, und Hoyt musste feststellen, dass seine Lippen ungewöhnlich voll waren und die Zähne dahinter fast unnatürlich strahlten.

»Mein Name ist Bradley Hoyt«, sagte er. »Und Sie sind …?«

»Arius«, sagte der Mann beim Näherkommen. Die Deckenlampen schienen sein Haar in poliertes Gold zu verwandeln, und Hoyt ertappte sich dabei, dass er überlegte, wo der Typ hinging, um solche Strähnchen zu bekommen.

»Sie hat mir gerade ein paar neue Sachen gezeigt«, fuhr Hoyt fort und deutete auf den Doré.

Arius kam noch näher, wobei er nahezu geräuschlos über den Boden glitt.

Und was für ein Aftershave benutzt dieser Typ bloß, fragte sich Hoyt. Es erinnerte ihn an seine Sommer in Maine, als er noch ein kleiner Junge war.

Ohne die Sonnenbrille abzunehmen, blickte Arius abschätzig auf den Stich. Hoyt hatte den Eindruck, dass er wusste, worum es sich handelte, ohne dass jemand es ihm hätte erklären müssen. Er hatte die Ausstrahlung eines Menschen, der mit dieser absoluten Überlegenheit aufgewachsen war.

»Die Flügel«, sagte Arius und deutete auf den Engel im Bild, »sind viel voller als hier.«

Sein Mittelfinger, stellte Hoyt fest, war nur ein Stumpf und endete über dem ersten Knöchel.

»Und sie kommt nicht zurück«, fügte Arius hinzu und hob endlich seinen Blick.

Hoyt wusste nicht, was er sagen sollte. Irgendwie wusste er genau, dass es keinen Zweck hatte, diesen Typ anzulügen. Und obwohl Arius’ Augen hinter den bernsteinfarbenen Gläsern verborgen waren, hatte Hoyt nicht die geringste Lust, den Blick daraus auf sich zu spüren.

»Vielleicht sollten wir beide zurück zur Party gehen«, schlug er vor, aber Arius schien nicht gewillt zu sein. Hoyt war sich nicht sicher, ob er ihn unbeaufsichtigt mit diesem wertvollen Kunstwerk allein lassen sollte. Wenn irgendetwas damit geschah, könnte Beth dafür verantwortlich gemacht werden.

»Ob der Champagner wohl schon ausgegangen ist?«, versuchte Hoyt es erneut. Dieses Mal nahm Arius nur eine Ecke des Stichs zwischen die Finger und begann das Papier zu reiben. Obwohl Hoyt niemals behaupten würde, ein Experte in diesen Dingen zu sein, war er sich ziemlich sicher, dass es keine gute Idee war, an dem alten Stich zu reiben.

»Ich an Ihrer Stelle würde das nicht tun.«

»Warum belästigen Sie Beth?«, fragte Arius leise.

»Ich und Beth belästigen?«, sagte Hoyt. »Ich glaube, da bringen Sie was durcheinander, mein Freund.« Jetzt verstand Hoyt, warum Beth vor diesem Kerl davonlief. Er hatte eindeutig etwas Gruseliges an sich.

»Halten Sie sich von ihr fern. Sie gehört Ihnen nicht.«

»Und wer sind Sie, bitte schön?«, sagte Hoyt ungläubig. »Ihr Eheberater?« Er war entgeistert. Der Kerl war nicht nur unheimlich, er war total verrückt. Beth sollte eine einstweilige Verfügung beantragen.

Plötzlich wehte ein neues Aroma durch den Raum, etwas, das sich mit dem Duft eines regennasses Waldes vermischte … der Geruch von Rauch.

Hoyt blickte nach unten. Ein schwarzer Fleck hatte sich in der Ecke des Doré gebildet, wo das Papier versengt war.

»Herrgott, was tun Sie da!«, rief Hoyt und riss ihm den Stich aus der Hand. Aber plötzlich war da mehr als ein Brandfleck, eine helle Flamme schoss über das Bild wie eine Schlange auf der Jagd nach Beute. Jetzt schnappte sie nach Hoyts Arm und Hand. Er versuchte, den brennenden Stich fallen zu lassen, aber er klebte an seiner Hand wie Fliegenpapier. Ungerührt sah Arius zu, wie Hoyt zurücktaumelte und sich verzweifelt bemühte, das brennende Papier loszuwerden.

»Nehmen Sie es weg!«, schrie Hoyt, während der Rauchmelder und die Sprinkleranlage angingen. Als hätten sie einen eigenen Willen, krochen die Flammen an seinem Arm empor, über seine Schulter und begannen, an seinem Gesicht und den Haaren zu lecken.

Arius wandte sich zum Gehen.

»Nehmen Sie es weg!«, schrie Hoyt erneut, während aus der Galerie unter ihnen das Gemurmel aufgeregter Stimmen zu hören war und hastige Schritte am Fuß der Treppe ertönten.

Arius blickte sich nicht um, das war kaum nötig, aber er hörte, wie Hoyt wild um sich schlug, seine brennenden Gliedmaßen gegen die Wände donnerte und schließlich auf dem Boden zusammensackte. Mit den Gedanken war er bereits woanders, bei der kleinen Reise, die er würde unternehmen müssen, wenn er hoffte, Beth diesen Abend noch einzuholen.


37. Kapitel

Wenn die vor ihnen liegende Aufgabe nicht so ernst gewesen wäre, hätte Carter gelacht, als Ezra erschien. Er war ganz in Schwarz gekleidet, hatte ein schwarzes Barett tief in die Stirn gezogen und trug einen schwarzen Rucksack über der Schulter. Auf Carter wirkte er wie ein Mitglied der französischen Résistance in einer alten Wochenschau.

»Ist deine Frau zu Hause?«, fragte Ezra und spähte über Carters Schulter in die Wohnung.

»Nein, sie ist zu Freunden oben im Norden gefahren. Ich fand, es sei das Beste, sie aus der Stadt zu schaffen.«

»Sie weiß also, was wir tun?«, fragte Ezra und klang nicht gerade glücklich darüber.

»Nein, überhaupt nicht.«

»Gut.«

Carter machte einen Schritt zur Seite, und Ezra betrat die Wohnung. Er schaute sich um und ging dann zum Beistelltisch neben dem Fenster, von dem aus man den Washington Park überblickte. Er setzte den Rucksack ab, der mit einem dumpfen Klatschen neben dem Stadtplan landete, den Carter auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Dann ließ er sich in einen Sessel plumpsen.

»So wie ich es sehe«, sagte Carter, nahm ihm gegenüber Platz und deutete auf den ausgebreiteten Stadtplan, »müssen wir als Erstes herausfinden, wo Arius sich versteckt.«

»Wie kommst du darauf, dass er sich überhaupt versteckt?«

»Ich weiß, dass er gesehen wurde, aber ich glaube trotzdem nicht, dass er mitten am Tag herumläuft und Aufmerksamkeit auf sich zieht. Er muss irgendwo eine Art Schlupfwinkel haben.«

Ezra wirkte nicht überzeugt, schien aber bereit, sich umstimmen zu lassen. »Und wie willst du es anstellen, seinen Schlupfwinkel ausfindig zu machen?«

Carter holte tief Luft, ehe er antwortete, da er wusste, wie sich das anhören würde. »Indem wir uns vorstellen, Arius sei ein Vampir.«

Carter meinte fast hören zu können, wie Ezra innerlich die Schotten dichtmachte. Er sah Carter an, als hätte dieser den Verstand verloren. »Was zum Teufel meinst du damit?«

»Hör mir nur eine Sekunde zu«, sagte Carter, um Zeit zu gewinnen. »Sieh dir nur seine hervorstechendsten Eigenschaften an, zumindest diejenigen, von denen wir wissen. Er ist unsterblich, er hat keine Seele, er schützt seine Augen vor der Sonne und, soweit wir wissen, lebt er, um sterbliche Frauen zu verführen.«

»Ich bitte dich«, sagte Ezra, als sei er seltsamerweise im Namen des Engels beleidigt. »Und was ist mit einigen anderen hervorstechenden Eigenschaften, beziehungsweise deren Nichtvorhandensein? Er zeigt keine Neigung, Blut zu trinken, einen Smoking zu tragen oder in seinem eigenen Sarg zu schlafen. Tatsächlich schläft er überhaupt nicht, ganz zu schweigen von dem anderen Blödsinn.«

»Du hast mir nicht zugehört«, erklärte Carter. »Ich sage nicht, dass er ein Vampir ist. Versteh mich nicht falsch. Aber vielleicht ist er der Ursprung für solche Legenden und der Grund, warum sie überhaupt entstanden sind.«

»Selbst wenn du recht hättest, was du nicht hast, was dann? Wie soll uns das bei dem helfen, was wir heute Nacht tun müssen?«

»Vielleicht könnte es uns dabei helfen herauszufinden, wo er steckt«, sagte Carter so geduldig wie möglich. »Und es ist nicht auszuschließen, dass uns diese Legenden etwas darüber verraten, wie diese unseligen Kreaturen getötet werden können.«

»Mit einem Holzpflock durchs Herz?«, fragte Ezra herablassend. »Oder womöglich mit Knoblauch?« Er wand sich in seinem Sessel und stieß verächtlich die Luft aus.

Das lief überhaupt nicht gut, und Carter merkte es. Plötzlich gingen Ezra und er einander an die Gurgel, die beiden einzigen Menschen auf der Welt, die an dieses Wesen glaubten und die folglich den leisesten Hauch einer Chance hatten, es zu besiegen. Statt die Köpfe zusammenzustecken, rammten sie sie gegeneinander. Carter hielt inne, vergewisserte sich, dass er seinen eigenen Zorn unter Kontrolle hatte, und sagte dann: »Wir sind beide angespannt, und nach dem, was wir beide in deinem Apartment gesehen haben, ist das auch nur natürlich. Aber wenn wir uns nicht zusammenraufen und an einem Strang ziehen, werden wir nie Erfolg haben.« Ganz ähnliche Ratschläge hatte er seinen Mitarbeitern auf einem Dutzend Ausgrabungsstätten gegeben, wenn die Dinge plötzlich immer mehr außer Kontrolle zu geraten schienen. Und jetzt begriff er, dass das genau die Methode war, mit der er sich auch dieser Aufgabe widmen musste.

Ezra ließ sich in seinem Sessel zurücksinken und riss sich das Barett vom Kopf. Seine Stirn war schweißbedeckt. »Ich rege mich ab, wenn du es tust«, sagte er, und endlich richtete er den Blick auf den Stadtplan neben seinem schwarzen Rucksack.

»Abgemacht.«

»Also, mach weiter«, fügte er grummelnd hinzu, »zeig mir, was du mit dem Stadtplan vorhast.«

Carter schob den Rucksack zur Seite. »Koordinaten einzeichnen. Wie du siehst, habe ich bereits die Punkte markiert, an denen Arius, soweit wir wissen, bisher aufgetaucht ist.« Während Ezra ihm aufmerksam zuhörte, zeigte er auf die entsprechenden Punkte. Das Labor, aus dem der Engel nach der Explosion herausgekommen war, der Kelleraufgang, in dem die verbrannte Leiche des Transvestiten gefunden worden war, das St. Vincent’s Hospital, wo er Russo umgebracht hatte, und schließlich Carters eigene Wohnung. »Beth ist ihm unten im Foyer begegnet«, sagte Carter und unterdrückte einen Schauder, »aber als ich versuchte, ihn zu verfolgen, habe ich ihn verloren, und zwar genau hier.« Sein Finger landete auf einem Punkt direkt neben dem Krankenhaus. »Bis auf seinen Ausflug nach Uptown, zur Party am Sutton Place, liegen alle Orte, an denen er in Erscheinung getreten ist«, sagte Carter und zog einen kleinen Kreis auf dem Stadtplan, »irgendwo innerhalb dieses Umkreises.«

»Im West Village«, sagte Ezra.

»Wenn er seine Wohnung über einen Makler gefunden hat, sollten wir ihn ziemlich leicht aufspüren können«, sagte Carter mit einem schmalen Lächeln.

»Irgendetwas sagt mir, dass er einen völlig anderen Weg eingeschlagen hat.«

»Wodurch es noch schwerer wird.«

Ezra erwog das einen Moment, dann sagte er: »Und was machen wir, wenn wir ihn finden?«

Zu diesem Problem war Carter noch weniger eingefallen. Wie fing man einen gefallenen Engel? Und noch wichtiger: wie tötete man ihn? Er hatte all diese bescheuerten Filme gesehen, in denen übernatürliche Wesen mit Pflöcken und Schwertern, mit silbernen Kugeln und heiligem Wasser, mit gesegneten Dolchen oder der endlosen Rezitation lateinischer Anrufungen zur Strecke gebracht wurden. Aber das hier war kein Film. Es war real. »Ich habe keine Ahnung.«

Seufzend beugte Ezra sich vor und öffnete die Schnallen seines Rucksacks. Als Erstes zog er eine Taschenlampe hervor. »Hast du auch eine?«

»Werden wir ihn mit einer Taschenlampe töten?«

»Nein. Ich weiß auch nicht, wie wir das anstellen sollen.« Dann wühlte er tiefer im Inneren und zog die Dose hervor, die Carter zuletzt in Ezras Wohnung gesehen hatte. Er öffnete sie, und ehe Carter zurückweichen konnte, hatte Ezra sich über den Couchtisch gebeugt und schmierte ihm den roten Lehm bis zum Haaransatz auf die Stirn.

»Haben wir das Zeug nicht letzte Nacht schon ausprobiert, als die Schriftrolle uns beinahe umgebracht hat?«, fragte Carter.

»Ja«, erwiderte Ezra, »und soviel wir wissen, ist dieses Zeugder Grund, weshalb wir hier sitzen.«

»Es sieht gar nicht aus wie eine Waffe.«

»Das soll es auch nicht sein. Aber es könnte uns Schutz bieten.«

»Warst du nicht derjenige, der mir sagte, dass dieser ganze religiöse Hokuspokus absolut nutzlos ist? Ich dachte, diese Kreatur sei millionenmal älter als dieser ganze Kram.«

»Das habe ich«, erwiderte Ezra. »Nenn es einfach meine Version der Pascal’schen Wette.«

Carter kannte diese Redewendung. Der französische Philosoph hatte argumentiert, dass, selbst wenn der römische Katholizismus sich irrte, es keinen Zweck hatte, dagegen zu wetten. Auf dem Totenbett nützte einem nur noch der Glaube etwas.

Einen Moment lang blieben sie sitzen, ohne sich zu rühren. Was gab es sonst schon noch zu sagen? Als Ezra schließlich die Dose mit dem heiligen Lehm zurück in den Rucksack stopfte und diesen verschloss, wurde es für beide offensichtlich, dass das der einzige Plan war, den sie im Augenblick hatten. Carter ging in die Küche und wühlte in den Schubladen herum, bis er eine gelbe Taschenlampe ausgegraben hatte. Er probierte sie aus und stellte überrascht fest, dass die Batterien noch in Ordnung waren.

Dann fiel sein Blick auf den Messerblock mit dem Satz aus schwarzgriffigen Messern, die sie von seiner Tante Lorraine zur Hochzeit bekommen hatten. Er nahm eines mit einer mittelgroßen gezackten Klinge und schob es in seine Gürtelschlaufe.

Ezra wartete bereits neben der Tür, als er zurückkam. Er entdeckte das Messer, sagte jedoch nichts. Carter zog seine Lederjacke an, und als er die Messerklinge an seiner Seite ausrichtete, war sie vollkommen verborgen. Er schob sein Handy und die Taschenlampe in die Außentaschen und schloss ab. Sie gingen die Treppe hinunter.

Draußen hatte Ezra die Limousine seines Vaters mit den Vorderreifen halb im Halteverbot geparkt. »Du hast mir gar nicht gesagt, dass du ein Auto hast«, sagte Carter und fühlte sich plötzlich wieder wie ein Teenager.

»Steig ein«, sagte Ezra und drückte auf den Schlüsselanhänger, um die Türen zu öffnen.

Carter schob das Daily Racing Formbeiseite und setzte sich auf den Beifahrersitz. Ezra fuhr genauso, wie Carter es sich vorgestellt hatte – miserabel, mit abrupten Bremsmanövern und ohne jemals den Blinker zu betätigen. Obwohl es fast neun Uhr abends war, waren die meisten Schaufenster, an denen sie vorbeikamen, noch hell erleuchtet, die Läden waren geöffnet und mit Weihnachtsschmuck dekoriert. Auf den Gehwegen drängten sich gutgelaunte Menschen.

Sie folgten keiner bestimmten Route, sondern hielten einfach nur die Augen offen und näherten sich langsam, aber sicher dem Krankenhaus. Carter suchte die Gesichter der vorbeiziehenden Menschenmenge ab, aber nicht eine Minute lang glaubte er, Arius tatsächlich unter ihnen zu entdecken. So einfach würde es nicht sein. Ab und zu deutete Ezra irgendwohin und hielt an, so dass Carter einen Blick in ein düsteres Treppenhaus werfen oder eine enge Gasse untersuchen konnte. Doch die schlimmste Bedrohung, mit der sie konfrontiert wurden, war ein Obdachloser, der an einer Ampel darauf bestand, ihre Windschutzscheibe zu putzen.

Als sie das Village mit seinem Dickicht aus Läden und Restaurants verließen und sich dem Krankenhausbezirk näherten, leerten sich die Gehsteige, und es gab weniger Stellen, von denen Carter sich vorstellen konnte, dass diese Kreatur sich dort verstecken würde. Aber wenn er ihn je finden wollte, musste er das tun, was all die Thriller ständig empfahlen: Fang an, wie der Kriminelle zu denken, den du verfolgst, versetze dich in ihn und seine Art zu denken hinein und sieh die Welt mit seinen Augen. Doch selbst wenn das etwas nützte, solange es um Serienmörder und Psychopathen ging – würde das auch funktionieren, wenn es galt, einen gefallenen Engel aufzuspüren? Wie dachteman als gefallener Engel?

Als sie die Ecke gegenüber dem Krankenhaus erreichten, konnte Carter es sich nicht verkneifen, nach oben zu schauen. Unwillkürlich wurde sein Blick vom sechsten Stock angezogen, wo Joes Zimmer gewesen war. Selbst vom Wagen aus konnte er die dicke Plastikfolie erkennen, die sich spannte und leicht wölbte und die klaffende Wunde in der Mauer verdeckte. Wer würde das nächste Opfer sein? Er wusste, dass er sich gerade mitten in die Schusslinie begab oder es zumindest versuchte. Doch das beunruhigte ihn weit weniger als die Vorstellung, dass Arius es irgendwie auf Beth abgesehen haben könnte. Dass es womöglich Beth gewesen war, den der Engel verfolgt hatte, als sie ihm eines Abends in der Lobby begegnet war.

Eine Windbö wehte durch die Straße, wirbelte den Müll auf und brachte das Holzschild neben dem Auto hörbar zum Quietschen. Carter blickte hinüber und musste beinahe lachen. Das hatte er fast vergessen. Es war die Anschlagtafel für die Villager-Genossenschaft, die demnächst auf diesem Grundstück bauen würde, mit niemand anderem als dem Bauunternehmen Metzger. Der rostige Maschendrahtzaun, versehen mit Schildern, die das unbefugte Betreten verboten, umgab immer noch das verdammte Lager für medizinisches Zubehör. Er wollte gerade Ezra anstupsen und einen Witz darüber machen, in die Richtung, dass er ja vielleicht eine Wohnung zu einem Sonderpreis bekommen könnte, als er innehielt. Die Erkenntnis kam über ihn wie eine kalte Dusche. Möglicherweise hatten sie gefunden, wonach sie suchten. Wenn eine verdammte Kreatur nach einem Ort suchte, an dem sie sich häuslich einrichten, einen Ort, an dem sie sich mitten in einer belebten Stadt verstecken konnte – was könnte dann besser dafür geeignet sein als dieses Abrisshaus? Als sein Blick auf einen bröckeligen Sims über der Vordertreppe und die verbliebenen Buchstaben fiel, die die Ruine als ursprüngliches Sanatorium auswiesen, wuchs seine Überzeugung nur noch.

Als er zu Ezra hinüberschaute, merkte er, dass diesem gerade derselbe Gedanke gekommen war.

»Wenn deine Vampir-Analogie stimmt, was ich immer noch nicht glaube«, sagte Ezra, »kann ich mir keinen passenderen Ort vorstellen als diesen hier.«


    Ваша оценка произведения:

Популярные книги за неделю