Текст книги "Die weisse Massai"
Автор книги: Corinne Hofmann
Жанр:
Биографии и мемуары
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Das wäre das beste, was mir passieren könnte! Tatsächlich erscheint Tom bereits eine halbe Stunde früher und meint, wir müßten sofort diesen Landrover anschauen.
Erwartungsvoll gehe ich mit ihm. Der Landrover ist zwar schon alt, aber genau das, was ich gesucht habe. Ich verhandle mit dem fetten Besitzer, der dem Kikuyu-Stamm angehört. Nach langem Hin und Her einigen wir uns auf 2500 Franken. Ich kann es kaum glauben, versuche aber cool zu bleiben, als wir per Handschlag das Geschäft besiegeln. Ich erkläre ihm, daß das Geld in Mombasa sei und ich in vier Tagen wieder zurückkäme, um das Auto zu bezahlen. Er dürfe es um keinen Preis weitergeben, ich würde mich darauf verlassen. Anzahlen will ich nicht, da der Verkäufer nicht sehr vertrauenswürdig wirkt. Mit einem Grinsen versichert er mir, noch vier Tage zu warten. Mein Retter und ich verlassen den Kikuyu und gehen essen. Glücklich darüber, einige Sorgen weniger zu haben, verspreche ich ihm, ihn und seine Frau einmal auf eine Safari einzuladen.
Die Reise nach Mombasa verläuft ohne Schwierigkeiten. Priscilla freut sich riesig, als ich im Vil age auftauche. Wir erzählen uns viel. Über meine Mitteilung jedoch, daß ich mein Häuschen hier auflösen und für immer zu den Samburus ziehen will, ist sie traurig und auch etwas besorgt. Alles, was ich nicht mitnehmen kann, schenke ich ihr, sogar mein wunderbares Bett.
Bereits am nächsten Morgen fahre ich nach Mombasa. Dort hebe ich den nötigen Geldbetrag ab, was nicht einfach ist. So ein Bankgeschäft erfordert viel Geduld.
Nach fast zwei Stunden bin ich im Besitz eine großen Menge von Geldscheinen, die ich an mir zu verstecken versuche. Auch der Banker meint, ich solle bloß aufpassen, das sei ein Riesenvermögen hier, und für so viel Geld sei schnell ein Mord passiert.
Mir ist nicht wohl, als ich die Bank verlasse, weil viele wartende Menschen mich beobachtet haben. Über der einen Schulter trage ich die schwere Reisetasche, gefüllt mit den restlichen Kleidern aus Mombasa. In der rechten Hand halte ich einen Schlagstock, wie ich es von Rambo-Jutta gelernt habe. Im Notfall würde ich ihn sofort gebrauchen. Ständig wechsle ich die Straßenseite, um feststel en zu können, ob mir jemand aus der Bank folgt. Erst nach etwa einer Stunde traue ich mich, den Busbahnhof aufzusuchen, um das Ticket für den Nachtbus nach Nairobi zu lösen.
Danach gehe ich zurück ins Zentrum und setze mich ins Hotel Castel. Es ist das teuerste in Mombasa und steht unter Schweizer Leitung. Endlich kann ich wieder einmal europäisch essen, al erdings zu gigantischen Preisen. Aber was soll's, ich weiß nicht, wann ich das nächste Mal wieder zu Salat oder Pommes frites komme.
Pünktlich fährt der Bus ab, und ich freue mich, bald wieder zu Hause zu sein und Lketinga zu beweisen, daß er mir vertrauen kann. Nach nur gut eineinhalb Stunden macht der Bus einen Schlenker und steht kurz darauf bockstill. Es wird laut, al e sprechen durcheinander. Der Fahrer stellt fest, daß der Bus am Hinterrad einen Platten hat. Nun steigen al e aus. Einige setzen sich an den Straßenrand und holen Tücher oder Wolldecken hervor. Es ist stockfinster, weit und breit keine Siedlung. Ich spreche einen Mann mit Brille auf Englisch an, da ich annehme, einer mit Goldbrille spricht diese Sprache. Tatsächlich versteht er mich und meint, es könnte länger dauern, da auch das Reserverad kaputt sei und wir nun warten müßten, bis ein Fahrzeug aus der anderen Richtung kommt, um jemanden nach Mombasa mitzunehmen. Dieser sol veranlassen, daß ein Ersatzreifen hergeschickt wird.
Das kann doch nicht wahr sein, daß ein rappelvoller Bus ohne intakten Ersatzreifen in der Nacht auf eine so lange Strecke geschickt wird! Die meisten scheint es nicht sonderlich zu stören. Sie sitzen oder liegen einfach am Straßenrand.
Es ist kalt, und ich friere. Nach einer dreiviertel Stunde kommt endlich aus der anderen Richtung ein Fahrzeug. Unser Fahrer stellt sich auf die Straße und fuchtelt wild mit den Armen. Der Wagen hält, ein Mann steigt ein. Nun heißt es wieder warten, mindestens drei Stunden, da wir ja schon eineinhalb Stunden unterwegs waren.
Beim Gedanken an meine lange Heimfahrt werde ich panisch. Ich nehme meine Tasche und stelle mich entschlossen auf die Fahrbahn, um das nächste Auto anzuhalten. Es dauert nicht lange, bis ich in der Ferne zwei helle Scheinwerfer sehe.
Ich winke wie verrückt. Ein Mann gibt mir eine Taschenlampe und sagt, ohne sie sei ich tot. Am Lichtpegel erkenne er, daß es ein Bus sei. Tatsächlich quietschen kurz vor mir die Reifen, und ein Bus der Maraika-Safari hält. Ich erkläre, daß ich so schnel wie möglich nach Nairobi müsse und frage, ob ich mitfahren dürfe. Es scheint ein indisches Unternehmen zu sein, denn im Bus sind die meisten der Fahrgäste Inder. Nachdem ich nochmals den Fahrpreis entrichtet habe, kann ich mitfahren. Gott sei Dank bin ich mit meinem vielen Geld von der dunklen Straße weg. Ich döse vor mich hin und habe vermutlich schon geschlafen, als es in dem ruhigen Bus wieder laut wird. Verschlafen spähe ich nach draußen in die Finsternis und stel e fest, daß der Bus ebenfalls am Straßenrand steht. Viele Mitfahrer sind schon ausgestiegen und stehen herum. Ich klettere heraus und schaue auf die Reifen. Alle sind okay.
Erst jetzt bemerke ich die offene Motorhaube und erfahre, der Keilriemen sei gerissen. „Was passiert jetzt?“ will ich von jemandem wissen. Es sei schwierig, wir seien noch gut zwei Stunden von Nairobi entfernt, und die Werkstätten öffneten erst um sieben Uhr. Nur dort könne man Ersatz finden. Damit er meine aufsteigenden Tränen nicht sieht, wende ich mich ab.
In ein und derselben Nacht stecke ich auf dieser verdammten Straße mit zwei verschiedenen Bussen fest! Heute ist bereits der dritte Tag, und ich muß um sieben Uhr morgens den Bus in Nairobi nach Nyahururu erreichen, damit ich am vierten Tag den einzigen Bus nach Maralal erwische, sonst muß ich damit rechnen, daß der Kikuyu mein reserviertes Auto weiterverkauft. Ich bin verzweifelt über so viel Pech, das mir ausgerechnet dann passiert, wenn jede Stunde zählt. Laufend hämmert es in meinem Kopf: Ich muß Nairobi vor dem Morgen erreichen!
Zwei Pkws fahren vorbei, doch vor Privatleuten fürchte ich mich einfach zu sehr.
Nach gut zweieinhalb Stunden erkenne ich wieder die großen Lichter eines Busses.
Mit zwei brennenden Feuerzeugen stelle ich mich auf die Straße und hoffe, daß der Fahrer mich sieht. Er hält, es ist mein erster Bus! Lachend öffnet mir der Fahrer die Tür, und ich steige beschämt ein. In Nairobi habe ich gerade noch Zeit, einen Chai und etwas Kuchen zu verschlingen. Dann sitze ich im nächsten Bus nach Nyahururu.
Mich schmerzen Rücken, Nacken und Beine. Daß ich aber trotz des vielen Geldes an mir noch lebe und den Zeitplan einhalten kann, tröstet mich.
Mit klopfendem Herzen betrete ich in Maralal das Geschäft des Kikuyus. Eine Frau steht hinter dem Tresen und versteht kein Englisch. Ihrem Suaheli entnehme ich gerade soviel, daß ihr Mann nicht hier sei, ich solle morgen wiederkommen. Wie enttäuschend, daß Streß und Ungewißheit noch nicht vorbei sind!
Gegen Mittag sichte ich am nächsten Tag endlich das fette Gesicht. Auch der Landrover steht noch voll bepackt vor dem Geschäft. Er begrüßt mich kurz und räumt geschäftig das Auto leer. Ich stehe daneben wie bestel t und nicht abgeholt. Als er den letzten Sack aus dem Wagen räumt, will ich zum Geschäftlichen kommen.
Verlegen reibt er sich die Hände und erklärt dann endlich, er müsse umgerechnet 1
000 Franken mehr verlangen, weil er das Auto jemand anderem verkaufen könne.
Nur mühsam beherrscht sage ich ihm, daß ich das vereinbarte Geld bei mir habe und nicht mehr. Er zuckt die Schultern und meint, er könne schon warten, bis ich den Rest aufgetrieben habe. Unmöglich, denke ich, das dauert Tage, bis überhaupt Geld aus der Schweiz hier ist, und nach Mombasa fahre ich nicht mehr. Als er mich einfach stehen läßt und andere Leute bedient, stürze ich aus dem Geschäft in Richtung Lodging. Dieser elende Dreckskerl! Ich könnte ihn erschlagen.
Vor meinem Lodging steht der Landrover des Managers der Touristen-Lodge. Ich muß die Bar durchqueren, um in den Hinterhof zu gelangen, wo die Schlafräume sind. Der Manager erkennt mich sofort und lädt mich auf ein Bier ein. Er stellt mich seinem Begleiter vor, der im Maralal-Office arbeitet. Wir unterhalten uns erst über Belangloses, aber mich interessiert natürlich, ob Jutta noch in der Nähe ist. Leider nein, sie sei für einige Zeit nach Nairobi gegangen, um dort mit Malen wieder zu Geld zu kommen.
Schließlich erwähne ich mein Mißgeschick mit dem Landrover. Der Manager lacht und meint, dieser sei keine 2000 Franken mehr wert, denn sonst wäre er schon längst verkauft. Bei den wenigen Fahrzeugen hier kenne man jedes. Ich bin jedoch bereit, meine 2500 Franken zu bezahlen, wenn ich ihn nur bekomme. Er bietet mir seine Hilfe an, und wir fahren in seinem Wagen noch mal zum Kikuyu. Es wird hin-und herdebattiert, bis ich endlich meinen Wagen habe. Durch den Manager erfahre ich, daß ich das Logbuch vom Kikuyu bekommen muß und wir für die Umschreibung zusammen ins Office gehen müssen, da man hier ein Fahrzeug samt Nummer und Versicherung kauft. Der Manager besteht darauf, daß wir den Kauf mit ihm als Zeuge schriftlich festhalten und dann sofort das Office aufsuchen. Kurz vor Büroschluß halte ich das umgeschriebene Logbuch in den Händen und bin nochmals um fast 100
Franken leichter, aber glücklich. Der Kikuyu streckt mir den Schlüssel entgegen und wünscht mir viel Glück mit dem Fahrzeug.
Da ich noch nie ein solches Gefährt gesteuert habe, lasse ich mir alles erklären und fahre ihn zu seinem Geschäft zurück. Die Straße ist vol er Schlaglöcher, und das Lenkrad hat viel Spiel, wie ich schon nach fünf Metern feststelle. Das Schalten geht streng, dafür greift die Bremse sehr spät. So holpere ich natürlich ins erste Schlagloch, und mein Mitfahrer hält sich erschrocken am Armaturenbrett fest. „You have a driver-licence?“
fragt er zweifelnd. „Yes“, antworte ich knapp und versuche, wieder zu schalten, was nach einigem Stochern gelingt. Erneut unterbricht er mein konzentriertes Fahren und meint, ich fahre auf der falschen Seite. O shit, hier ist ja Linksverkehr! Der Kikuyu steigt bei seinem Geschäft erleichtert aus. Ich fahre weiter zur Schule hinunter, um mich außer Sichtweite mit dem Landrover vertraut zu machen. Nach einigen Runden beherrsche ich das Vehikel einigermaßen.
Nun fahre ich zur Tankstelle, weil die Benzinuhr nur noch ein Viertel anzeigt. Der Somali, der die Tankstelle betreibt, bedauert, im Moment sei kein Benzin erhältlich.
„Wann wird es wieder eines geben?“ frage ich optimistisch. Heute abend oder morgen, versprochen ist es schon lange, aber man wisse nie genau, wann es kommt. Schon stehe ich vor dem nächsten Problem. Jetzt habe ich zwar ein Auto, aber kein Benzin.
Das ist der reinste Hohn! Zurück beim Kikuyu bitte ich um Benzin. Er habe keines, gibt mir aber immerhin einen Tip, wo es zu Schwarzmarktpreisen zu kaufen ist.
Zwanzig Liter erhalte ich für einen Franken pro Liter. Doch das reicht nicht bis nach Barsaloi und zurück. Ich fahre zum Touristen-Lodging-Manager und bekomme tatsächlich zwanzig Liter. Jetzt bin ich zufrieden und nehme mir vor, morgen nach dem Einkaufen direkt nach Barsaloi zu fahren.
Gefahren im Busch
Am nächsten Tag gehe ich in der Früh zur hiesigen Bank und eröffne ein Konto, was nicht ohne diverse Erklärungen abgeht, weil ich weder einen Wohnort noch ein Postfach angeben kann. Als ich erkläre, in den Manyattas in Barsaloi zu wohnen, geraten sie völlig aus der Fassung. Wie ich dort hinkomme, wol en sie wissen. Ich erzähle von meinem Autokauf und bekomme endlich mein Konto. Meiner Mutter schreibe ich, damit der Geldnachschub nach Maralal erfolgt.
Mit Nahrungsmitteln beladen fahre ich los. Natürlich benütze ich den kürzeren Weg durch den Busch, da sonst mein Benzin nicht ausreichen wird, um hin– und später wieder zurückzufahren. Ich freue mich auf die Augen, die Lketinga machen wird, wenn ich mit dem Auto ins Dorf zurückkomme.
Der Landrover schlängelt sich den steilen, roten Naturweg hinauf. Kurz bevor der Wald beginnt, muß ich bereits den Vierradantrieb einschalten, um nicht steckenzubleiben. Ich bin stolz, daß ich das Vehikel so gut im Griff habe. Die Bäume kommen mir riesig vor, und man sieht an der zugewachsenen Spur, daß die Strecke längere Zeit nicht benutzt wurde. Dann fällt der Weg bergab, und ich fahre fröhlich drauflos.
Plötzlich sehe ich eine große Herde auf dem Weg stehen. Ich bremse sofort ab und wundere mich. Hatte mir nicht Lketinga erzählt, daß hier keine Kuhherden weiden? Doch als ich mich den Tieren auf etwa fünfzig Meter genähert habe, realisiere ich, daß die Kühe ausgewachsene Büffel sind.
Was hat Lketinga gesagt? Das gefährlichste Tier ist nicht der Löwe, sondern der Büffel. Und nun sind hier mindestens dreißig Stück, sogar mit Jungtieren. Es sind riesige Kolosse mit gefährlichen Hörnern und breiten Nasen. Während die einen friedlich weitergrasen, schauen einige zu meinem Auto. Zwischen der Herde dampft es. Oder ist es Staub? Gebannt starre ich auf die Tiere. Soll ich hupen oder nicht?
Kennen die ein Fahrzeug? Als sie die Straße nicht freigeben wol en, hupe ich nach längerem Warten doch. Sofort schauen al e Tiere hoch. Vorsichtshalber lege ich den Rückwärtsgang ein und hupe in kurzen Abständen weiter. Da ist es vorbei mit dem friedlichen Grasen. Einige der Kolosse beginnen zu bocken, schlagen mit gesenktem Kopf um sich. Gebannt sehe ich dem Schauspiel zu. Hoffentlich ziehen sie ab in den dichten Wald und kommen nicht den Weg hoch! Doch bevor meine Augen al es erfaßt haben, steht kein Tier mehr auf dem Weg. Der Spuk ist vorbei. Nur eine Staubwolke bleibt zurück.
Vorsichtshalber warte ich noch einige Minuten, bevor ich mit durchgetretenem Gaspedal den Weg hinunterrase. Der Landrover klappert, als würde er auseinanderbrechen. Nur weg hier, ist mein einziger Gedanke. Auf der Höhe der verschwundenen Tiere blicke ich kurz in den Wald, sehe aber kaum einen Meter weit. Lediglich den frischen Kot rieche ich. Das Lenkrad muß ich mit al er Kraft festhalten, damit es mir nicht aus der Hand gerüttelt wird. Nach fünf Minuten rasanter Fahrt werde ich langsamer, weil die Straße immer steiler wird. Ich stoppe und lege den Vierrad ein. Mit seiner Hilfe hoffe ich, dieses schräge Stück zu bewältigen, ohne zu kippen, da immer wieder Erdrisse oder Schlaglöcher auftauchen. Fieberhaft bete ich, daß das Fahrzeug auf seinen vier Rädern bleibt. Nur nie kuppeln, damit der Gang nicht herausfällt! Alles mögliche geht mir durch den Kopf, während ich Meter um Meter vorwärts fahre. Der Schweiß tropft mir in die Augen, doch wegwischen kann ich ihn nicht, denn ich muß mit beiden Händen das Steuerrad fest umklammern.
Nach zwei– bis dreihundert Metern ist das Hindernis überwunden. Der Wald lichtet sich langsam, und ich bin froh, daß es hel er um mich wird. Kurz darauf stehe ich vor der Geröllhalde. Auch diese hatte ich anders in Erinnerung. Als ich die Strecke das erste Mal mitfuhr, saß ich hinten, und meine Gedanken galten nur Lketinga.
Ich halte an und steige aus, um zu sehen, ob die Straße wirklich weitergeht. Die Steine sind an einigen Stellen halb so hoch wie das Rad des Landrovers. Jetzt packt mich doch das Entsetzen, und ich fühle mich allein und überfordert trotz meiner guten Fahrkenntnisse. Um die Stufen geringer zu halten, schichte ich Steine aufeinander. Die Zeit läuft, in zwei Stunden ist es dunkel. Wie weit ist es noch bis Barsaloi? In meiner Nervosität kann ich mich an nichts mehr erinnern. Ich lege den Vierrad ein und weiß, ich darf nicht bremsen oder kuppeln, sondern muß den Wagen im Vierrad darüberklettern lassen, obwohl es steil hinuntergeht. Die ersten Brocken nimmt der Wagen. Dabei reißt es mir fast das Steuer aus der Hand. Ich stemme den Oberkörper mit auf und hoffe, daß al es gutgeht. Der Wagen rumpelt und ächzt. Da er so lang ist, steht das Hinterteil meistens noch auf dem letzten Brocken, während das Vorderteil schon über den nächsten Stein schleicht. In der Mitte der Geröllhalde passiert es: Der Motor gluckert kurz auf und stirbt dann komplett ab. Ich hänge schräg über dem Steinbrücken, und der Motor ist verreckt. Wie bringe ich ihn nur wieder an? Ich drücke kurz die Kupplung, und schon rollt er krachend einen halben Meter weiter. Sofort lasse ich los, denn so geht es nicht. Ich steige aus und sehe, daß ein Hinterrad in der Luft hängt. Hinter das andere schleppe ich einen großen Stein. Inzwischen bin ich der Hysterie nahe. Als ich ins Fahrzeug steige, sehe ich zwei Krieger auf einem nahen Felsen, die mich interessiert beobachten. Zu helfen kommt ihnen anscheinend nicht in den Sinn, trotzdem fühle ich mich wohler, da ich nicht mehr so allein hier draußen bin. Nun versuche ich den Motor zu starten. Er blabbert kurz an, um gleich darauf zu verstummen. Immer und immer wieder probiere ich es. Ich will hier weg. Die zwei stehen stumm auf dem Felsen. Was sollen sie auch helfen, sie verstehen wahrscheinlich ohnehin nichts von Motoren.
Als ich schon nicht mehr daran glaube, springt er plötzlich wieder an, als wäre nichts gewesen. Ganz, ganz langsam lasse ich die Kupplung los und hoffe, daß der Wagen über den dazwischengelegten Stein klettern kann. Nach kurzem Spulen und Geduld mit der Kupplung schafft er es und schaukelt weiter von Stein zu Stein. Nach etwa zwanzig Metern ist das Gröbste vorbei, und ich kann meine Arme etwas lockern. Erst jetzt weine ich erschöpft und bin mir der Gefahr bewußt, in der ich mich befunden habe.
Der Weg verläuft nun ziemlich eben. Abseits des Weges erkenne ich einige Manyattas und Kinder, die aufgeregt winken. Ich verlangsame das Tempo, um ja keine Ziege zu überfahren, die hier so zahlreich sind. Etwa eine halbe Stunde später erreiche ich den großen Barsaloi-River. Auch er ist nicht gefahrlos zu überqueren, obwohl er im Moment kein Wasser führt, dafür hat er Treibsand. Noch mal schalte ich den Vierrad ein und rase mit Tempo durch den etwa hundert Meter breiten River. Der Wagen nimmt die letzte Steigung vor Barsaloi, und langsam und stolz fahre ich durch das Dörfchen. Überall bleiben die Menschen stehen, sogar die Somalis kommen aus ihren Geschäften. „Mzungu, Mzungu!“ höre ich von allen Seiten.
Plötzlich steht Lketinga mitten auf der Straße, zusammen mit zwei anderen Kriegern. Er ist im Fahrzeug, bevor ich richtig halten kann, und strahlt mich überglücklich an. „Corinne, you come back and with this car!“
Ungläubig schaut er mich an und freut sich wie ein Kind. Ich möchte ihn am liebsten umarmen. Die beiden Krieger steigen auf seine Aufforderung ein, und wir fahren zur Manyatta. Die Mama flüchtet, auch Saguna springt schreiend davon.
Innerhalb kurzer Zeit ist das abgestel te Fahrzeug umringt von Alt und Jung. Mama wil das Auto nicht neben dem Baum stehen lassen, da sie fürchtet, jemand könnte es mutwillig beschädigen. Lketinga öffnet das Dornengestrüpp, und ich parke den Wagen neben der Manyatta, die neben dem großen Fahrzeug noch kleiner wirkt. Der Gegensatz sieht wirklich grotesk aus.
Wir laden alles Eßbare aus und verstauen es in der Hütte. Ich freue mich auf Mamas Tee. Sie ist glücklich über den mitgebrachten Zucker. In den Geschäften gibt es wenigstens wieder Maismehl, wie ich erfahre, aber keinen Zucker. Lketinga bestaunt zusammen mit den beiden anderen den Wagen. Mama spricht dauernd mit mir. Ich verstehe zwar nichts, aber sie scheint glücklich zu sein, denn als ich hilflos lache, stimmt sie mit ein.
An diesem Abend schlafen wir erst spät, ich muß ausführlich berichten. Bei den Büffeln werden alle ernst, und Mama murmelt ständig „Enkai-Enkai“, was Gott heißt.
Als der ältere Bruder mit den Ziegen nach Hause kommt, staunt auch er nicht schlecht. Es wird viel besprochen. Man müsse das Fahrzeug bewachen, damit niemand etwas stiehlt oder gar böswillig beschädigt, wird beschlossen. Lketinga will die erste Nacht im Landrover schlafen. Das Wiedersehen habe ich mir anders vorgestel t, doch ich sage nichts, weil seine Augen vol er Stolz leuchten.
Am nächsten Tag möchte er bereits einen Ausflug machen und seinen Halbbruder besuchen, der in Sitedi seine Kühe hütet. Ich versuche Lketinga zu erklären, daß wir keine großen Ausflüge machen können, weil ich kein Ersatzbenzin habe. Die Benzinuhr zeigt nur noch halbvoll. Das reicht gerade, um wieder nach Maralal zu kommen. Er sieht es nur widerwil ig ein. Es tut mir ja auch leid, daß ich ihn nicht stolz durch die Gegend fahren kann, aber ich muß hart bleiben.
Drei Tage später steht der Hilfs-Chief vor unserer Manyatta. Er spricht mit Lketinga und Mama. Ich verstehe nur „Mzungu“ und „car“. Es geht um mich. In seiner schlecht sitzenden, grünen Uniform sieht er komisch aus. Nur das große Gewehr verleiht ihm etwas Autorität. Englisch kann er auch nicht. Später will er meinen Paß sehen. Ich zeige ihn und frage, was los sei. Lketinga übersetzt mir, ich müsse mich in Maralal im Office registrieren lassen, da Europäer nicht in den Manyattas leben dürften.
Zukunftspläne
An diesem Nachmittag beschließen Lketinga und ich gemeinsam mit der Mama, daß wir heiraten werden. Der Mini-Chief meint, wir müßten das in Maralal auf dem Office erledigen, denn die traditionelle Heirat im Busch reiche nicht aus. Als alles besprochen ist, will der Chief nach Hause gefahren werden. Für Lketinga ist es selbstverständlich, er ist schließlich eine „Respektsperson“. Daß er das schamlos ausnützt, merke ich schon jetzt. Als ich starte, schaue ich zufällig auf die Benzinuhr und stelle mit Schrecken fest, daß das Benzin geschwunden ist, obwohl der Wagen nicht benutzt wurde. Ich kann mir das nicht erklären. Wir fahren los, und der Chief setzt sich auf den Nebensitz, während Lketinga hinten Platz nimmt. Ich finde das zwar unverschämt, schließlich gehört uns der Wagen, sage aber nichts, weil es Lketinga anscheinend nicht stört. Am Ziel verkündet der Chief selbstgefällig, er müsse in zwei Tagen nach Maralal, und da ich das mit dem Office sowieso erledigen müsse, könnten wir ihn mitnehmen. Tatsächlich läuft mein Visum in einem Monat aus.
Zurück bei der Manyatta stel e ich fest, daß das restliche Benzin nicht reicht, um nach Maralal zu fahren, außerdem wil ich die längere, aber einfachere Strecke nehmen. Ich gehe zur Mission. Pater Giuliano öffnet und fragt diesmal eine Spur höflicher: „Yes?“ Ich erkläre ihm meine Benzinprobleme. Auf seine Frage, welchen Weg ich denn gekommen sei, antworte ich: „Den durch den Wald.“ Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, daß er mich genauer und mit etwas Respekt betrachtet. „This road is very dangerous, don't go there again.“
Dann meint er, ich solle den Wagen vorbeibringen, er schaue sich den Tank an. In der Tat hängt dieser an einer Seite etwa fünf Zentimeter herunter, so daß Benzin verdunstet. Jetzt weiß ich auch, warum ich an den Steinen hängengeblieben bin.
In den nächsten Tagen schweißt der Pater den Tank wieder an. Ich bin ihm sehr dankbar. Er erkundigt sich nebenbei, bei welchem Moran ich lebe, und wünscht mir viel Kraft und gute Nerven. Von ihm erfahre ich, daß es mit Benzin in Maralal immer ein Glücksfal sei und ich besser daran täte, ein oder zwei Fässer zu je zweihundert Litern zu besorgen und sie in der Mission zu deponieren, denn er könne mir nicht immer sein Benzin verkaufen. Ich bin froh über das Angebot, das sogar beinhaltet, meinen Landrover bei der Mission abstellen zu dürfen, weil sie auch nachts bewacht wird. Lketinga ist nur schwer zu überzeugen, den Wagen dort zu parken, denn er traut nicht einmal den Missionaren.
Die folgenden Tage verlaufen friedlich, außer daß täglich neue Menschen aufkreuzen, die fragen, wann wir nach Maralal fahren. Alle wol en mit. Endlich besitzt ein Samburu ein Fahrzeug, und alle betrachten es als ihr gemeinsames. Immer wieder muß ich erklären, daß ich nicht bereit bin, bei diesen Straßenverhältnissen zwanzig Leute in den Wagen zu setzen.
Die Fahrt geht los, selbstverständlich mit dem Mini-Chief, der bestimmen möchte, wer mitfahren darf. Natürlich nur Männer, die wartenden Frauen sol en zurückbleiben. Als ich eine darunter erblicke, die ein Kind mit stark vereiterten und verklebten Augen in ihrem Kanga hängen hat, frage ich, weshalb sie nach Maralal wil. Ins Hospital, weil hier keine Augenmedizin mehr erhältlich ist, antwortet sie, scheu auf den Boden blickend. So fordere ich sie auf einzusteigen.
Als der Chief sich auf den Beifahrersitz setzen will, nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und sage: „No, this place is for Lketinga.“
Dabei schaue ich ihm direkt in die Augen. Er gehorcht, doch ich weiß, daß ich von nun an bei ihm keine Sympathien mehr habe. Die Fahrt verläuft gut, und im Wagen wird viel geredet und gesungen. Für die meisten ist es die erste Autofahrt ihres Lebens.
Dreimal passieren wir einen Fluß, wobei ich den Vierrad benötige, sonst geht es ohne ihn. Trotzdem muß ich mich intensiv auf die Straße konzentrieren, da sie voller Löcher und Fahrrinnen ist. Der Weg erscheint mir unendlich lang, und das Benzin schwindet schnel.
Im Laufe des Nachmittags erreichen wir Maralal. Die Mitfahrer verlassen uns, und wir begeben uns gleich zur Tankstelle. Zu meiner großen Enttäuschung gibt es immer noch kein Benzin. Seit meinem Autokauf ist ganz Maralal offensichtlich ohne Benzin gewesen. Der Somali beteuert, heute oder morgen käme es. Ich glaube ihm kein Wort mehr. Lketinga und ich beziehen unser Lodging und verbringen dort die erste Nacht.
Inzwischen hat es in Maralal geregnet. Alles ist grün, fast als wären wir in einem anderen Land. Nachts ist es dafür um so kälter. Zum ersten Mal mache ich die Erfahrung, wie furchtbar Moskitos sein können. Schon beim Abendessen, das wir in unserem kalten Raum einnehmen, damit wir ja nicht beobachtet werden, stechen mich die Mücken am laufenden Band. Knöchel und Hände sind in kurzer Zeit angeschwol en. Ununterbrochen schlage ich Mücken tot, während unter dem Dach neue hereinschwirren. Komischerweise scheinen sie weiße Haut zu bevorzugen, denn mein Massai kriegt nicht mal die Hälfte der Stiche ab. Als wir im Bett liegen, surrt es dauernd um meinen Kopf. Lketinga zieht die Decke komplett übers Gesicht und merkt deshalb natürlich nichts.
Nach einiger Zeit schalte ich genervt das Licht an und wecke ihn. „I can't sleep with these mosquitoes“,
sage ich verzweifelt. Er steht auf und geht. Nach zehn Minuten kommt er zurück und stellt ein grünes, schneckenförmig geschwungenes Ding auf den Boden, eine Moskitokeule, die er an einem Ende anzündet. Tatsächlich verschwinden die Viecher nach kurzer Zeit, dafür stinkt es gräßlich. Irgendwann schlafe ich ein und erwache erst morgens um fünf, als mich erneut die Moskitos plagen. Die Keule ist völlig heruntergebrannt, sie reicht offensichtlich nur für sechs Stunden.
Wir warten schon vier Tage, und immer noch gibt es kein Benzin. Vor Langeweile kaut Lketinga wieder Miraa. Dazu kippt er heimlich zwei bis drei Bier. Mir paßt das nicht, doch was sol ich sagen, die Warterei nervt auch mich. In der Zwischenzeit haben wir das Office aufgesucht, um unsere Heiratsabsichten bekanntzugeben. Wir werden von einem zum anderen geschickt, bis jemand gefunden wird, der sich mit standesamtlichem Heiraten auskennt. Hier kommt so etwas ganz selten vor, da die meisten Samburus mehrere Frauen haben können, wenn sie traditionel heiraten.
Geld für das Standesamt haben sie nicht, und niemand legt Wert darauf, weil die Mehrfrauen-Heirat dann nicht mehr möglich ist. Diese Erläuterung bringt uns durcheinander, Lketinga jedoch aus einem anderen Grund als mich, wie ich bald feststellen muß.
Im Moment aber kommen wir nicht dazu, viel nachzudenken. Als nämlich der Officer seine Identitätskarte und meinen Paß verlangt, um die Daten zu notieren, stel t sich heraus, daß Lketinga keine mehr hat. Sie ist ihm in Mombasa gestohlen worden. Der Officer macht ein betretenes Gesicht und meint, dann müsse er eine in Nairobi bestel en, was aber sicher zwei Monate dauern würde. Erst wenn er al e Daten habe, könne er uns ausschreiben und nach sechs Wochen trauen, falls kein Einspruch vorliegt. Das heißt für mich, daß ich spätestens in drei Wochen Kenia verlassen muß, da mein verlängertes Visum abläuft.
Während Lketinga wieder sein Kraut ißt, spreche ich ihn auf die Mehrfrauen-Ehe an. Er bestätigt mir, daß es ein Problem für ihn bedeute, wenn das nach unserer Hochzeit nicht mehr möglich sei. Diese Äußerung trifft mich hart, und ich versuche ruhig zu bleiben, da es für ihn ja normal und nichts Böses oder Falsches ist, aus meiner europäischen Sicht aber undenkbar. Ich versuche mir vorzustel en, wie er mit mir und noch ein oder zwei Frauen lebt. Bei diesem Gedanken schnürt es mir vor Eifersucht fast die Luft ab.
Während ich nachsinne, sagt er mir, daß es für ihn nicht möglich sei, mich in diesem Office zu heiraten, wenn ich ihm später nicht erlauben würde, noch eine Samburu-Frau traditionell zu heiraten. Das ist mir nun doch zuviel, und ich kann meine Tränen nicht zurückhalten. Erschrocken schaut er mich an und fragt: „Corinne, what's the problem?“
Ich versuche, ihm zu erklären, daß wir Weißen so etwas nicht kennen und ich mir das Zusammenleben so nicht vorstellen kann. Er lacht, nimmt mich in den Arm und küßt mich kurz auf den Mund. „No problem, Corinne. Now you wil get my first wife, pole, pole.“
Er wil viele Kinder, mindestens acht. Ich muß nun doch schmunzeln und erkläre, mehr als zwei wolle ich nicht. Eben, meint mein Krieger, dann sei es besser, wenn noch eine zweite Frau Kinder bekäme. Und überhaupt wisse er ja nicht, ob ich ihm Kinder schenken könne, und ohne Kinder sei ein Mann nichts wert. Dieses Argument akzeptiere ich, weil ich wirklich nicht weiß, ob ich Kinder kriegen kann. Vor Kenia hatte das keine Bedeutung für mich. Wir besprechen dies und jenes, bis ich zu folgendem bereit bin: Fal s ich in zwei Jahren noch kein Kind habe, darf er nochmals heiraten, anderenfalls muß er mindestens fünf Jahre warten. Er ist mit meinem Vorschlag einverstanden, und ich beruhige mich selbst, indem ich mir sage, fünf Jahre sind eine lange Zeit.