Текст книги "Die weisse Massai"
Автор книги: Corinne Hofmann
Жанр:
Биографии и мемуары
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In Nairobi nehmen wir ein Lodging und gehen als erstes zur deutschen Botschaft, um einen Kinderausweis zu bekommen. Die Probleme beginnen bereits am Eingang.
Sie wol en Lketinga in seiner Samburu-Kleidung nicht in die Botschaft lassen. Erst als ich ausweisen kann, daß er mein Mann ist, darf er mitkommen. Sofort wird er wieder nervös und mißtrauisch.
In der Botschaft warten viele Leute. Ich beginne, den Antrag auszufül en, und schon beim Namen weiß ich, daß es Probleme geben wird. Ich schreibe Leparmorijo-Hofmann, Napirai, doch mein Mann will Hofmann nicht akzeptieren, seine Tochter sei eine Leparmorijo. So gelassen wie möglich versuche ich, ihm zu erklären, daß wir nur so einen Reisepaß bekommen, ohne den Napirai nicht mitreisen kann. Ein endloses Hin und Her entsteht, und die wartenden Leute schauen neugierig auf uns.
Trotzdem bringe ich ihn dazu, den Antrag zu unterschreiben.
Wir müssen warten. Dann werde ich aufgerufen und nach hinten gebeten. Mein Mann will ebenfalls mit, doch er wird zurückgehalten. Mir klopft das Herz bis zum Hals, weil ich auf den nächsten Ausbruch gefaßt bin, der auch sofort erfolgt. Ich sehe noch, wie Lketinga sich zum Schalter vordrängt und mit dem Mann heftig zu streiten beginnt.
Ich werde vom deutschen Botschafter erwartet, der mir freundlich mitteilt, sie könnten einen Kinderausweis ausstellen, aber nur auf Hofmann, Napirai, da unsere Heiratsurkunde noch nicht legalisiert sei und ich nach deutschem Recht nicht verheiratet sei, sondern lediglich nach kenianischem. Als er mir eröffnet, mein Mann müsse nochmals einen Antrag unterzeichnen, sage ich, daß er dies nicht einsehen wird und zeige ihm meine ärztlichen Zeugnisse. Doch er kann nichts machen.
Als ich zurückkomme, sitzt Lketinga böse auf seinem Stuhl und hält die weinende Napirai: „What is wrong with you? Why you go there without me? I'm your husband!“
Mir ist alles peinlich, während ich die Anträge noch einmal ausfülle ohne Leparmorijo. Nun steht er auf und sagt, er unterschreibe gar nichts mehr.
Böse schaue ich meinen Mann an und zische ihm zu, wenn er jetzt nicht unterschreibe, würde ich eines Tages so oder so mit Napirai in die Schweiz gehen und nie mehr wiederkommen. Er solle endlich begreifen, daß es schließlich um meine Gesundheit geht! Als ihm der Mann am Schalter wiederholt versichert, daß Napirai trotzdem seine Tochter bleibt, unterschreibt er. Wieder gehe ich zum Botschafter. Mißtrauisch fragt er mich, ob alles in Ordnung ist, und ich erkläre ihm, daß es für einen Krieger schwer sei, diese Bürokratie zu verstehen.
Er händigt mir den Kinderausweis aus und wünscht al es Gute. Auf meine Frage, ob ich nun ausreisen könne, weist er darauf hin, daß jetzt noch die kenianische Behörde einen Aus– und Einreisestempel geben müsse, und dafür brauche ich ebenfal s die Genehmigung des Vaters. Mir schwant schon die nächste Aufregung.
Mürrisch verlassen wir die Botschaft und gehen ins Nyayo-Gebäude. Wieder müssen wir Formulare ausfüllen und warten.
Napirai schreit und läßt sich auch durch die Brust nicht beruhigen. Wieder sind wir Zielscheibe vieler Blicke, wieder tuscheln einige über die Aufmachung meines Mannes. Endlich werden wir aufgerufen. Abschätzig fragt die Frau hinter der Glasscheibe meinen Mann, warum Napirai einen deutschen Ausweis habe, wenn sie doch in Kenia geboren wurde. Alles beginnt von neuem, und ich unterdrücke wütend meine Tränen. Der arroganten Dame erkläre ich, daß mein Mann keinen Paß besitzt, obwohl er ihn bereits vor zwei Jahren beantragt hat. Deshalb kann unsere Tochter dort auch nicht eingetragen werden. Wegen meiner schlechten Gesundheit aber müsse ich zur Erholung in die Schweiz. Die nächste Frage haut mich fast um: Warum ich denn das Baby nicht beim Vater lassen will? Empört erkläre ich, daß es doch normal sei, ein dreimonatiges Kind mitzunehmen. Außerdem hätte meine Mutter wohl das Recht, ihr Enkelkind zu sehen! Endlich drückt sie den Stempel auf das Ausweispapier. Auch mein Paß wird abgestempelt. Erschöpft und erleichtert raffe ich die Pässe zusammen und stürze aus dem Office.
Nun muß ich ein Ticket buchen. Diesmal habe ich den Nachweis, woher das Geld stammt, dabei. Ich lege die Pässe vor, und wir buchen einen Flug, der in zwei Tagen startet. Es dauert nicht lange, bis die Angestellte mit den ausgestellten Tickets zurückkommt. Sie zeigt mir die Flugscheine und liest laut „Hofmann, Napirai“ und
„Hofmann, Corinne“. Aufgebracht fragt Lketinga erneut, warum wir überhaupt geheiratet haben, wenn ich gar nicht seine Frau sei! Auch sein Kind gehöre wahrscheinlich gar nicht ihm. Nun bin ich mit meinen Nerven am Ende. Ich heule vor Scham, stecke die Tickets ein, und wir verlassen das Office, um ins Lodging zurückzukehren.
Mein Mann beruhigt sich al mählich. Verstört und traurig sitzt er auf dem Bett, und irgendwie verstehe ich ihn. Für ihn ist der Familienname das höchste Geschenk, was man seiner Frau und seinen Kindern geben kann, und ich nehme es nicht an. Das bedeutet für ihn, daß ich nicht zu ihm gehören will. Ich fasse ihn bei der Hand und rede ihm gut zu, daß er sich wirklich keine Sorgen machen muß, wir werden wiederkommen. Ich werde ein Telegramm an die Mission senden, damit er weiß, an welchem Tag. Er erklärt mir, er fühle sich einsam ohne uns, aber er wil auch endlich wieder eine gesunde Frau haben. Wenn wir wiederkommen, will er uns am Flughafen abholen. Diese Abmachung erfüllt mich mit Freude, denn mir ist klar, welch eine Überwindung ihn diese Reise kosten wird. Zum Schluß teilt er mir mit, daß er nun Nairobi verlassen will, um nach Hause zu fahren. Die Warterei hier mache ihn nur unglücklich. Ich verstehe das, und wir begleiten ihn zur Busstation.
Wir stehen da und warten auf die Abfahrt. Noch einmal fragt er besorgt: „Corinne, my wife, you are sure, you and Napirai come back to Kenya?“
Lachend erwidere ich: „Yes, darling, I'm sure.“
Dann fährt sein Bus ab.
Erst vorgestern habe ich meiner Mutter telefonisch unseren Besuch ankündigen können. Sie war natürlich überrascht, freut sich aber sehr, endlich ihr Enkelkind zu sehen. Deshalb will ich mein Baby und mich selber hübsch machen. Doch es ist schwer, mit so einem kleinen ungestümen Kind das Zimmer zu verlassen. Die Toiletten und Duschen liegen hinten im Gang. Wenn ich die Toilette benutze, muß ich sie wohl oder übel mitnehmen, falls sie nicht gerade schläft. Beim Duschen jedoch geht das schlecht. Ich gehe zur Rezeption und frage die Frau, ob sie eine Viertelstunde auf mein Baby achtet, damit ich duschen kann. Sie würde das gerne tun, doch im Moment habe halb Nairobi kein Wasser wegen eines Rohrbruchs, aber vielleicht funktioniere die Leitung am Abend wieder.
Bis sechs Uhr warte ich, aber es geschieht nichts. Im Gegenteil, überall stinkt es bereits. Ich will nicht länger warten, weil ich um zehn Uhr am Flughafen sein muß, gehe in einen Shop und schleppe einige Liter Mineralwasser in mein Zimmer. Erst wasche ich Napirai, dann meine Haare und notdürftig den Körper.
Ein Taxi bringt uns zum Flughafen. Unser Reisegepäck ist spärlich, obwohl Ende November die Temperaturen in Europa eher winterlich sein werden. Die Stewardessen geben sich viel Mühe mit uns, und immer wieder bleiben sie bei meinem kleinen Mädchen stehen und schwatzen ein paar Worte. Nach dem Essen bekomme ich ein Babybett für sie, und kurz darauf schläft sie. Auch mich übermannt die Müdigkeit. Als ich wieder geweckt werde, gibt es bereits Frühstück. Bei dem Gedanken, bald auf Schweizer Boden zu stehen, werde ich unruhig.
Weiße Gesichter
Mein Baby binde ich im Tragetuch auf den Rücken, und wir passieren problemlos die Paßkontrol e. Da entdecke ich meine Mutter und Hanspeter, ihren Mann. Die Freude ist groß. Napirai schaut interessiert in die weißen Gesichter.
Auf der Fahrt ins Berner Oberland sehe ich meiner Mutter an, daß ihr mein Anblick Sorgen macht. Zu Hause nehmen wir als erstes ein Bad, endlich ein heißes Bad!
Meine Mutter hat eine kleine Badewanne für Napirai besorgt und übernimmt diese Arbeit. Als ich ungefähr zehn Minuten im heißen Wasser sitze, juckt es mich am ganzen Körper. Meine wunden Stel en an den Beinen und den Armen sind offen und eitern. Diese Verletzungen sind durch meinen Massai-Schmuck entstanden und heilen in dem feuchten Klima schlecht. Ich steige aus der Badewanne und sehe meinen Körper übersät mit roten Flecken. Napirai schreit bei der verzweifelten Großmutter. Sie ist ebenfalls voller roter Pusteln. Es juckt fürchterlich. Da meine Mutter etwas Ansteckendes befürchtet, melden wir uns für den nächsten Tag bei einem Hautarzt an.
Er ist erstaunt, als er unsere Krankheit erkennt: Krätze. Das ist in der Schweiz eine seltene Krankheit. Es sind Milben unter der Haut, die sich bei großer Hitze weiterbewegen, was den extremen Juckreiz verursacht. Natürlich wundert sich der Arzt, woher wir diese Krankheit haben. Ich erzähle von Afrika. Als er auch noch meine Wunden entdeckt, die sich schon bis zu einem Zentimeter ins Fleisch gefressen haben, schlägt er mir vor, einen Aids-Test zu machen. Mir bleibt im ersten Moment die Luft weg, aber ich bin bereit. Er gibt mir mehrere Flaschen mit einer Flüssigkeit mit, die wir täglich dreimal gegen die Krätze auftragen müssen und sagt, ich solle mich wegen der Testergebnisse in drei Tagen melden. Diese Tage des Wartens sind schlimmer als al es Bisherige.
Den ersten Tag schlafe ich viel und gehe früh mit Napirai zu Bett. Am zweiten Tag klingelt abends das Telefon, und ich werde vom Arzt persönlich verlangt. Mir dröhnt der Puls, als ich den Hörer, aus dem die Antwort über mein weiteres Schicksal kommen wird, entgegennehme. Der Arzt entschuldigt sich für den späten Anruf, möchte mir aber das Warten erleichtern und teilt mit, der Test sei negativ ausgefal en. Ich bin unfähig, mehr als danke! zu sagen, fühle mich aber wie neu geboren, und eine große Kraft durchströmt meinen Körper. Jetzt weiß ich, daß ich auch die Folgen der Hepatitis besiegen werde. Täglich steigere ich meinen Fettkonsum ein wenig und esse alles, was meine Mutter mir zuliebe kocht.
Die Zeit vergeht langsam, da ich mich hier doch nicht zu Hause fühle. Wir unternehmen viele Spaziergänge, besuchen meine Schwägerin Jelly und wandern mit Napirai in den ersten Schnee. Ihr gefällt das Leben hier sehr gut, nur das ständige An– und Ausziehen der vielen Kleider mag sie nicht.
Nach zweieinhalb Wochen ist mir klar, daß ich nicht länger als bis Weihnachten bleiben will. Doch der erste Flug, den ich bekommen kann, geht erst am fünften Januar 1990. So bin ich doch fast sechs Wochen weg von daheim. Der Abschied fällt mir schwer, weil ich nun wieder auf mich allein gestel t sein werde. Mit fast vierzig Kilo Gepäck reise ich zurück. Für alle habe ich etwas gekauft oder genäht. Meine Familie hat vieles mitgegeben, und Napirais Weihnachtsgeschenke mußte ich auch noch einpacken. Mein Bruder hat ein Huckepack-Gestell für sie gekauft.
Wird alles gut?
Als wir in Nairobi landen, sind meine Nerven äußerst angespannt, weil ich nicht weiß, ob Lketinga am Flughafen sein wird. Wenn nicht, bin ich mit dem Gepäck und Napirai aufgeschmissen, die Lodgingsuche mitten in der Nacht wird schwierig werden. Wir verabschieden uns von den Stewardessen und begeben uns zur Paßkontrolle. Kaum bin ich durch, entdecke ich meinen Darling, James und dessen Freund. Meine Freude ist übergroß. Mein Mann hat sich wunderbar bemalt und seine langen Haare schön frisiert. Eingehüllt in die rote Decke steht er da. Voller Freude nimmt er uns in die Arme. Sofort fahren wir ins Lodging, das sie schon gebucht haben. Napirai hat mit den nun wieder schwarzen Gesichtern Schwierigkeiten, sie heult, und Lketinga ist besorgt, ob sie ihn überhaupt wiedererkennt.
Im Lodging wol en sie gleich die Geschenke sehen, doch ich packe nur die Uhren aus, da wir morgen weiter wollen und ich die Sachen geschickt verstaut habe. Die Burschen ziehen sich in ihr Zimmer zurück, und wir gehen ebenfal s ins Bett. In dieser Nacht schlafen wir miteinander, und es schmerzt nicht mehr. Glücklich hoffe ich, daß al es gut wird.
Auf dem Heimweg wird viel erzählt, und ich erfahre, daß in Barsaloi schon bald eine richtige, große Schule gebaut werden sol. Es kam ein Flugzeug von Nairobi mit Indern, die ein paar Tage in der Mission wohnten. Auf der anderen Seite des großen Rivers sol die Schule entstehen. Es werden viele Arbeiter von Nairobi kommen, alles Kikuyus.
Aber noch weiß niemand, wann es losgeht. Ich erzähle von der Schweiz und natürlich von der Krätze, da sich mein Mann ebenfalls behandeln lassen muß, sonst steckt er uns wieder an.
Lketinga ist mit dem Wagen bis nach Nyahururu gekommen und hat ihn bei der Mission abgestel t. Ich staune über seinen Mut. So erreichen wir Maralal problemlos, obwohl mir die Entfernungen wieder unendlich groß vorkommen. In Barsaloi treffen wir am nächsten Tag ein. Mama begrüßt uns glücklich und dankt Enkai, daß wir gesund vom „Eisenvogel“, wie sie das Flugzeug nennt, zurück sind. Es ist schön, zu Hause zu sein.
Auch in der Mission werde ich freudig begrüßt. Auf die Frage, was es mit dieser Schule auf sich hat, bestätigt Pater Giuliano, was mir die Burschen berichteten. In der Tat beginnt in den nächsten Tagen der Bau. Es sind schon einige Leute hier, die Baracken als Unterkunft für die Arbeiter bauen. Lastwagenweise kommt das Material über Nanyuki-Wamba hierher. Ich bin sprachlos, daß hier ein solches Projekt verwirklicht wird. Pater Giuliano erklärt mir, die Regierung wolle die Massai seßhaft machen. Die Lage ist nicht schlecht, weil der Fluß immer Wasser führt und genügend Sand vorhanden ist, um verbunden mit Zement Steine zu machen. Wegen der modernen Mission hat sich die Regierung für diesen Standort entschieden. Wir erleben herrliche Tage und spazieren immer wieder auf die andere Seite des Flusses, um das Geschehen zu verfolgen.
Meine Katze ist schon viel größer geworden. Offensichtlich hat Lketinga sein Versprechen gehalten und sie gefüttert, anscheinend nur mit Fleisch, denn sie ist wild wie ein Tiger. Nur wenn sie sich zu Napirai ins Bettchen legt, schnurrt sie wie eine zahme Hauskatze.
Nach gut zwei Wochen kommen die fremden Arbeiter. Am ersten Sonntag sind die meisten von ihnen in der Kirche anzutreffen, denn die Messe ist die einzige Abwechslung für die Städter. Die Somalis haben ihre Preise für Zucker und Mais drastisch erhöht, was zu großen Debatten und einer Dorfversammlung mit den Alten und dem Mini-Chief führt. Auch wir sind dabei, und ich werde oft gefragt, wann endlich der Samburu-Shop wieder geöffnet wird. Einige der Arbeiter sind anwesend und fragen, ob ich nicht bereit wäre, mit meinem Wagen Bier und Sodas zu organisieren. Sie würden mich gut bezahlen, da sie viel Geld verdienen, aber nichts ausgeben können. Die Somalis verkaufen als Moslems kein Bier.
Als auch abends ständig Arbeiter bei uns aufkreuzen, überlege ich tatsächlich, etwas zu unternehmen, damit wieder Geld verdient wird. Mir kommt die Idee, eine Art Disco mit Kikuyu-Musik zu organisieren. Dazu könnten wir Fleisch grillen sowie Bier und Soda verkaufen. Ich bespreche alles mit Lketinga und dem Veterinär, bei dem sich mein Mann öfter aufhält. Beide sind von der Idee begeistert, und der Veterinär meint, es sollte auch Miraa angeboten werden, da die Leute ständig nach dem Kraut fragen. Schon ist es beschlossene Sache, daß wir den Versuch Ende des Monats starten. Ich reinige den Shop und schreibe Flugblätter, die wir an verschiedenen Orten aufhängen und bei den Arbeitern abgeben.
Das Echo ist gewaltig. Bereits am ersten Tag kommen einige Leute und fragen, warum wir nicht schon am Wochenende starten. Doch das ist zu kurzfristig, da es obendrein manchmal kein Bier in Maralal gibt. Wir machen unsere übliche Tour und kaufen zwölf Kästen Bier und Sodawasser. Mein Mann organisiert Miraa. Der Wagen ist randvol, und die Rückfahrt dauert entsprechend länger.
Daheim stapeln wir die Waren vorne im Shop, da in unserer ehemaligen Wohnung die Tanzfläche sein wird. Nach kurzer Zeit stehen die ersten da und wollen Bier kaufen. Ich bleibe eisern, da wir sonst morgen nichts mehr haben. Dann kommt der Mini-Chief und verlangt von mir die Lizenz für eine Disco. Natürlich habe ich keine und frage ihn, ob das wirklich nötig sei. Lketinga bespricht sich mit ihm. Er will morgen, gegen Entschädigung natürlich, für Ordnung sorgen. Für etwas Geld und Gratisbier erläßt er die Lizenz.
Heute soll die Disco stattfinden, und wir sind sehr gespannt. Der Shop-Helfer versteht etwas von Technik. Er nimmt die Batterie aus dem Wagen, um sie am Kassettenrecorder anzuschließen. Der Sound ist da. Inzwischen wurde eine Ziege geschlachtet. Zwei Boys sind mit dem Ausnehmen und Zerlegen beschäftigt. Viele Freiwil ige helfen mit, nur Lketinga ist mehr mit Delegieren als mit persönlichem Einsatz beschäftigt, und um halb acht ist al es bereit. Die Musik läuft, das Fleisch brutzelt, und die Leute warten am Hintereingang. Lketinga kassiert den Eintritt von den Männern, die Frauen haben freien Zugang. Doch sie bleiben draußen und schauen nur ab und zu kichernd durch den Eingang. Innerhalb einer halben Stunde ist der Shop voll. Immer wieder stellen sich Arbeiter vor und gratulieren mir zu dieser Idee. Sogar der Bauführer kommt und dankt für meine Bemühungen. Die Leute haben eine Abwechslung verdient, denn für viele ist es die erste weit abgelegene Baustelle.
Mir gefäl t es gut, mitten unter so vielen fröhlichen Menschen zu sein, und die meisten sprechen Englisch. Es kommen auch Samburus aus dem Dorf und sogar ein paar Alte, die sich auf umgekippte Kästen setzen und, in ihre Wol decken gehüllt, den tanzenden Kikuyus zusehen. Ihr Staunen ist grenzenlos. Ich selbst tanze nicht, obwohl ich Napirai bei der Mama gut untergebracht habe. Einige wol en mich zum Tanzen auffordern, aber ein Blick zu Lketinga rät mir, dies zu unterlassen. Er trinkt hinten heimlich sein Bier und kaut Miraa. Dieses ist als erstes ausverkauft.
Um 23 Uhr wird die Musik leise, und einige Männer halten eine Dankesrede auf uns, insbesondere auf mich, die Mzungu. Eine Stunde später geht das letzte Bier weg. Auch die Ziege wurde kiloweise verkauft. Die Gäste sind in guter Stimmung, die bis vier Uhr nachts anhält. Dann endlich gehen wir nach Hause. Ich hole Napirai bei der Mama ab und stapfe erschöpft zu unserer Hütte hinunter.
Beim Zählen unserer Einnahmen stelle ich am nächsten Tag erfreut fest, daß die Gewinne wesentlich höher sind als mit dem Shop. Die Freude ist allerdings schnel getrübt, als Pater Giuliano auf seinem Motorrad heranbraust und ärgerlich fragt, was das für ein „Saulärm“ letzte Nacht in unserem Shop gewesen sei. Kleinlaut erzähle ich von der Disco. Grundsätzlich stört es ihn nicht, wenn es bei zweimal im Monat bleibt, doch nach Mitternacht wil er seine Nachtruhe. Da ich ihn nicht verärgern will, muß ich mich bei einer Wiederholung daran halten.
Mißtrauen
Die ersten Männer kommen vom Fluß herüber und fragen, ob nicht irgendwo ein Bier zu kaufen sei. Ich verneine. Mein Mann erscheint und fragt die drei, was sie wollen. Ich erkläre es ihm, und Lketinga geht auf die Männer zu und sagt, wenn sie in Zukunft etwas wollten, sollten sie nicht mich, sondern ihn fragen, er sei der Mann und bestimme, was zu tun ist. Völ ig platt über seinen gereizten Tonfal ziehen sie verwirrt ab. Warum er so redet, frage ich, aber er lacht böse und meint: „I know why these people come here, not for beer, I know! If they want beer, why they don't ask me?“
Dachte ich es mir doch, daß irgendwann eine Eifersuchtsszene kommt, obwohl ich nie länger als fünf Minuten mit jemandem gesprochen habe! Den aufsteigenden Ärger schlucke ich hinunter, es reicht mir schon, was die drei Männer von diesem Auftritt weitererzählen werden, da ganz Barsaloi von unserer Disco spricht.
Permanent beobachtet mich Lketinga nun argwöhnisch. Ab und zu nimmt er den Datsun und fährt seinen Halbbruder in Sitedi oder andere Verwandte besuchen.
Natürlich könnte ich mitgehen, aber mit Napirai mag ich nicht in den von Fliegen übersäten Manyattas bei den Kühen hocken.
So vergeht die Zeit, und ich warte auf den Tag, an dem James endlich mit der Schule fertig ist. Wir brauchen dringend Geld, um Lebensmittel und Benzin zu kaufen. Mit al den Fremden hier könnten wir jetzt viel Geld verdienen. Lketinga ist ständig unterwegs, da im Moment etliche aus seiner Altersgruppe heiraten. Täglich erscheinen Krieger, die von irgendeiner Hochzeit erzählen. Er schließt sich ihnen meistens an, und in aller Regel weiß ich nicht, ob er in zwei, drei oder erst in fünf Tagen wiederkommt.
Als Pater Giuliano anfragt, ob ich wieder die Schüler abholen wolle, denn heute sei Ende der Schulsaison, bin ich selbstverständlich bereit. Obwohl mein Mann nicht da ist, fahre ich los und lasse Napirai bei der Mama. James begrüßt mich freudig und erkundigt sich nach unserer Disco.
Also hat es sich sogar bis hierher herumgesprochen. Ich muß fünf Burschen nach Hause bringen. Wir kaufen noch ein, und ich schaue schnell bei Sophia vorbei. Sie ist zurück aus Italien, wil aber so bald wie möglich wieder an die Küste ziehen. Mit Anika ist es ihr hier zu anstrengend, und eine sinnvolle Zukunft sieht sie auch nicht.
Mir tut diese Mitteilung weh, denn nun habe ich niemanden mehr in Maralal, auf den ich mich freuen kann. Immerhin haben wir viele harte Momente gemeinsam durchgestanden. Aber ich verstehe und beneide sie auch ein wenig. Wie gerne würde ich wieder einmal ans Meer! Da der Umzug in Kürze stattfindet, verabschieden wir uns bereits jetzt. Sie will mir ihre neue Adresse später mitteilen.
Wir sind kurz nach acht Uhr zu Hause. Mein Mann ist nicht da, und so koche ich für die Burschen, nachdem sie erst mal bei Mama Chai getrunken haben. Es wird ein lustiger Abend, und wir erzählen uns viel. Napirai liebt ihren Onkel James sehr.
Immer wieder muß ich von der Disco berichten. Mit glänzenden Augen sitzen sie da und hören zu. So etwas möchten sie auch erleben. Eigentlich sollte es in zwei Tagen wieder soweit sein, doch Lketinga ist nicht da, und so wird eben nichts daraus. An diesem Wochenende haben die Leute Zahltag, und ständig werde ich gebeten, eine Disco zu organisieren. Mir bleibt nur ein Tag. Ohne Lketinga traue ich mich nicht, doch die Boys überreden mich und versprechen, al es zu organisieren, wenn ich nur Bier und Sodas kaufe.
Nach Maralal mag ich nicht und fahre deshalb mit James nach Baragoi. Ich bin das erste Mal in diesem Turkana-Dorf. Es ist fast so groß wie Wamba und hat tatsächlich einen Bier– und Soda-Großhändler, allerdings etwas teurer als in Maralal. Die ganze Aktion dauert nur dreieinhalb Stunden. Ein Boy schreibt Anschlagzettel, die sie anschließend gemeinsam verteilen, und alle fiebern der Disco entgegen. Für Fleisch hat es heute nicht mehr gereicht, weil keine Ziege zum Verkauf angeboten wurde.
Von zu Hause eine zu holen habe ich nicht gewagt, auch wenn es zum Teil meine sind. Als ich Napirai wieder zur Mama bringe, merke ich, daß sie nicht so erfreut ist wie sonst, wohl, weil Lketinga nicht da ist. Aber ich muß für Geld sorgen, schließlich leben alle davon.
Die Disco ist wieder ein großer Erfolg. Heute kommen noch mehr, weil auch die Schulboys da sind. Sogar drei Mädchen trauen sich herein. Mit den Boys und ohne meinen Mann ist die Atmosphäre viel lockerer. Selbst ein junger Somali kommt vorbei und trinkt Fanta. Es freut mich, da Lketinga manchmal sehr häßlich über die Somalis spricht. Ich spüre, daß ich dazugehöre und kann mich diesmal mit vielen unterhalten. Abwechselnd verkaufen die Boys die Getränke. Es ist herrlich, und alle tanzen zu der fröhlichen Kikuyu-Musik. Viele haben eigene Kassetten mitgebracht.
Auch ich tanze seit mehr als zwei Jahren wieder einmal und fühle mich entspannt.
Leider müssen wir nach Mitternacht die Musik leiser machen, aber die Stimmung bleibt gut. Gegen zwei Uhr wird geschlossen, und ich eile mit der Taschenlampe zur Manyatta, um Napirai abzuholen. Es fällt mir schwer, den Eingang in der Dornenhecke zu finden. Im Kral trifft mich fast der Schlag. Lketingas Speere stecken vor der Manyatta! Mein Puls rast, als ich in die Hütte krieche. An seinem Grunzen erkenne ich sofort seine Gereiztheit. Napirai schläft nackt neben der Mama. Ich begrüße ihn und frage, warum er nicht in den Shop gekommen ist. Zuerst erhalte ich keine Antwort. Plötzlich donnert er los. Er beschimpft mich gräßlich und sieht wild aus. Ich kann sagen, was ich will, er glaubt mir nichts. Mama versucht ihn zu beruhigen und meint, sein Geschrei höre ganz Barsaloi. Auch Napirai schreit. Als er mich eine Hure nennt, die es mit Kikuyus und sogar mit den Boys treibe, packe ich die nackte Napirai in eine Decke und renne verzweifelt nach Hause. Langsam bekomme ich Angst vor meinem eigenen Mann. Es dauert nicht lange, und er reißt die Türe auf, zerrt mich aus dem Bett und verlangt die Namen derer, mit denen ich es getrieben habe. Jetzt sei er sicher: Napirai sei gar nicht seine Tochter. Ich hätte ihm nur erzählt, sie sei wegen der Krankheit früher zur Welt gekommen, dabei sei ich von einem anderen schwanger geworden. Bei jedem Satz schwindet meine angeschlagene Liebe. Ich verstehe ihn nicht mehr. Schließlich verläßt er das Haus und schreit, er käme nicht wieder und suche sich statt dessen eine bessere Frau. Mir ist es im Moment völ ig egal, wenn nur endlich Ruhe einkehrt.
Mit meinen verweinten Augen wage ich mich am Morgen kaum aus dem Haus.
Viele haben unseren Streit gehört. Mama erscheint gegen zehn Uhr mit Saguna und wil wissen, wo Lketinga ist. Ich weiß es nicht. Statt dessen kommt James mit seinem Freund. Auch er begreift das Ganze nicht, sein Bruder sei eben nie zur Schule gegangen, und diese Krieger verstehen nichts vom Business. Von James erfahre ich, wie Mama darüber denkt. Sie will mit Lketinga sprechen, daß er nicht mehr so böse sein darf, denn er kommt bestimmt wieder. Ich solle nicht weinen und auch nicht hinhören, was er erzählt, denn alle Männer sind so, darum ist es besser, wenn sie mehrere Frauen haben. James widerspricht dem, doch letztlich hilft mir das nichts.
Sogar der Wachmann von der Mission wird von Pater Giuliano zu mir geschickt, um zu hören, was los war. Mir ist das furchtbar unangenehm. Lketinga erscheint erst gegen Abend, und wir sprechen kaum miteinander. Der Alltag geht seinen Gang, niemand erwähnt den Vorfall. Nach einer Woche verschwindet er bereits wieder zu einer Zeremonie.
Mein „Wassermädchen“ läßt mich immer häufiger im Stich, so daß ich gezwungen bin, mit dem Wagen zwei Kanister Wasser vom River zu holen, während die Burschen Napirai hüten. Als ich vom Fluß losfahren will, kann ich nicht mehr schalten, die Kupplung greift nicht. Deprimiert über die erste Panne nach gerade mal zwei Monaten, marschiere ich zur Mission, weil ich den Wagen nicht am Fluß stehen lassen kann. Giuliano ist nicht begeistert, kommt aber trotzdem und schaut sich den Wagen an. Dabei stellt er fest, daß in der Tat die Kupplung nicht mehr funktioniert. Er bedauert, da könne er wirklich nicht mehr helfen. Ersatzteile bekäme ich al enfal s in Nairobi, und er fahre den nächsten Monat sicher nicht dorthin. Ich heule los, denn ich sehe keine Möglichkeit mehr, wie ich zu Lebensmitteln für Napirai und mich kommen kann. Langsam habe ich genug von den ewigen Problemen.
Er schleppt den Wagen zu unserem Haus und wil versuchen die Ersatzteile in Nairobi telefonisch zu bestel en.
Wenn die Inder in den nächsten Tagen mit dem Flugzeug kommen, könnten sie eventuel diese Teile mitbringen. Versprechen kann er im Moment nichts. Doch vier Tage später kommt er auf dem Motorrad dahergebraust und meldet, heute um elf Uhr würde das Flugzeug landen. Die Inder kämen, um den Bau der Schule zu kontrollieren. Ob es mit den Ersatzteilen geklappt habe, wisse er nicht.
Tatsächlich landet mittags das Flugzeug. Pater Giuliano fährt mit seinem Land-Cruiser zur provisorischen Piste, lädt die beiden Inder ein und fährt zum River. Ich schaue dem Wagen nach und sehe, daß Giuliano gleich weiterfährt, wahrscheinlich nach Wamba. Da ich nicht weiß, was los ist, entschließe ich mich, zur Schule hinüberzulaufen. Napirai bringe ich zur Mama.
Die beiden Inder mit Turban sehen mich überrascht an. Höflich werde ich mit Händedruck begrüßt, und mir wird eine Cola angeboten. Dann wollen sie wissen, ob ich zur Mission gehöre. Ich verneine und erkläre, daß ich hier lebe, denn ich sei die Frau eines Samburus. Jetzt schauen sie noch neugieriger, wie mir scheint, und wollen wissen, wie eine Weiße im Busch leben kann. Sie haben gehört, daß ihre Arbeiter große Verpflegungsschwierigkeiten haben. Ich erzähle von meinem Wagen, der leider defekt ist. Mitfühlend fragen sie, ob denn diese Kupplung für mich gewesen sei und nicht für die Mission. Ich bestätige ihre Vermutung und frage besorgt, ob es nicht geklappt habe. Nein, ist die niederschmetternde Antwort, da es verschiedene Model e gibt und nur anhand der ausgebauten Teile ersichtlich ist, welche benötigt werden. Meine Enttäuschung ist groß, was den beiden nicht entgeht. Der eine will wissen, wo mein Wagen steht. Dann beauftragt er den mitgebrachten Mechaniker, sich den Wagen anzuschauen und die Teile auszubauen. In einer Stunde fliegen sie zurück.
Der Mechaniker arbeitet schnell, und nach nur zwanzig Minuten weiß ich, daß die Kupplungsscheiben sowie die Gangschaltung völlig unbrauchbar sind. Er packt die schweren Teile zusammen, und wir fahren zurück. Der eine Inder schaut sich die ausgebauten Teile an und meint, in Nairobi sollte es möglich sein, Ersatz zu finden, doch es werde teuer. Die beiden beraten kurz und fragen unvermittelt, ob ich mitfliegen wil. Ich bin völlig überrumpelt und stammle, mein Mann sei nicht hier und außerdem hätte ich ein sechs Monate altes Kind zu Hause. Kein Problem, meinen sie, das Kind könne ich mitnehmen, sie hätten Platz für uns beide.
Im ersten Moment bin ich hin– und hergerissen und erwähne, daß ich mich in Nairobi absolut nicht auskenne. „No problem“,
sagt nun der andere Inder. Der Mechaniker kennt alle Ersatzteilhändler und werde mich morgen früh vom Hotel abholen und mit mir versuchen, gebrauchte Ersatzteile zu finden. Für mich als Weiße sei al es sowieso viel zu teuer.







