Текст книги "Die weisse Massai"
Автор книги: Corinne Hofmann
Жанр:
Биографии и мемуары
сообщить о нарушении
Текущая страница: 23 (всего у книги 25 страниц)
Auch James muß zwei Tage später nach Hause. So begleiten wir ihn nach Nairobi und gehen wegen der Arbeitsbewilligung nochmals ins Nyayo-Gebäude. Die Stimmung unter uns ist gut, und deshalb bin ich sicher, daß es gelingen wird. Der Name ist registriert worden, und wir haben alle Papiere beisammen. Wieder sind wir im Office und stehen derselben Dame gegenüber wie vor zweieinhalb Wochen. Als sie das eingeführte Geld sieht, ist alles klar. Ich bekomme meine Arbeitserlaubnis.
Dafür streicht sie mir die Niederlassung, die ich die nächsten zwei Jahre nicht benötige. Bis dahin muß ich den Namen meines Mannes im Paß führen und Napirai einen kenianischen Ausweis haben. Mir ist das gleichgültig, Hauptsache ich habe meine Arbeitserlaubnis für die nächsten zwei Jahre. Viele warten jahrelang auf diesen Stempel, der mich al erdings 2000 Franken kostet.
In Nairobi gehen wir auf den Massai-Markt und kaufen gleich groß ein. Jetzt kann das Geschäft losgehen. In Mombasa suche ich Fabriken, wo ich Schmuck, Masken, T-Shirts, Kangas, Taschen und andere Waren günstig bekomme. Mein Mann begleitet mich meistens mit Napirai. Mit den Preisen ist er selten einverstanden.
Sophia ist überrascht, als sie meinen Laden besichtigt. Nach nur fünf Wochen an der Küste steht alles, inklusive Arbeitsbewil igung. Bei ihr hat es leider noch nicht geklappt.
Ich lasse 5000 Flugblätter drucken, auf denen ich uns vorstelle. Auch eine Wegbeschreibung ist angegeben. Angesprochen sind hauptsächlich Deutsche und Schweizer. In fast al en Hotels darf ich sie an der Rezeption auflegen. In den zwei größten Hotels miete ich zusätzlich Vitrinen, um Ware auszustellen. Natürlich hänge ich noch ein ungewöhnliches Hochzeitsbild dazu. Nun sind wir bereit.
Morgens um neun eröffnen wir das Geschäft. Für Napirai nehme ich Omelett und Bananen mit. Es ist sehr ruhig, nur zwei Personen erscheinen kurz im Laden. Mittags ist es sehr heiß, und kein Tourist kommt die Straße entlang. Wir gehen in Ukunda essen und öffnen um zwei Uhr wieder. Ab und zu laufen auf der Hauptstraße Touristen zu dem weiter unten gelegenen Supermarkt, unser Geschäft bemerken sie nicht.
Am Nachmittag kommt endlich eine Gruppe Schweizer mit dem Flugblatt in den Händen. Freudig unterhalte ich mich mit ihnen, und sie wollen natürlich vieles wissen. Fast jeder kauft etwas. Für den ersten Tag bin ich zufrieden, obwohl mir klar ist, daß wir die Leute noch besser auf uns aufmerksam machen müssen. Am zweiten Tag schlage ich meinem Mann vor, sobald Weiße des Weges kommen, ihnen einen Zettel in die Hand zu drücken. Bei ihm schaut jeder sofort hin. Tatsächlich, es gelingt.
Der Inder nebenan versteht die Welt nicht mehr, als alle Touristen bei ihm vorbeilaufen und zu uns in den Shop kommen.
Heute, am zweiten Tag, haben wir schon gut verkauft. Allerdings ist es manchmal schwierig mit Napirai, falls sie nicht gerade schläft. Ich habe für sie eine kleine Matratze unter den T-Shirt-Ständer gelegt, wo sie ruhig schlafen kann. Da ich aber immer noch stil e, kommt es vor, daß gerade dann Touristen erscheinen, mit denen ich mich beschäftigen muß. Die Unterbrechung gefällt ihr gar nicht, und sie macht sich lautstark bemerkbar. So beschließen wir, ein Kindermädchen zu engagieren, das täglich im Shop ist. Lketinga findet eine junge Frau, ungefähr sechzehnjährig, die die Ehefrau eines Massai ist. Sie gefällt mir auf Anhieb, da sie in traditionellen Massai-Kleidern und schön geschmückt erscheint. Sie paßt zu Napirai und zu unserem Massai-Shop. Täglich nehmen wir sie im Wagen mit und laden sie abends bei ihrem Mann zu Hause ab.
Nun ist unser Geschäft schon eine Woche geöffnet, und der Umsatz steigt von Tag zu Tag. Doch damit wird es notwendig, Nachschub in Mombasa zu organisieren.
Dabei stellt sich ein neues Problem. Lketinga kann nicht den ganzen Tag al ein verkaufen, weil manchmal bis zu zehn Personen im Laden stehen. Deshalb brauchen wir noch eine Verkaufskraft, die meinen Mann oder mich während der Abwesenheit des anderen unterstützt. Es muß aber eine Person aus unserem Vil age sein, da mein Mann in etwa drei Wochen nach Hause fährt, um der Beschneidungszeremonie seines Bruders James beizuwohnen. Auch ich als Familienmitglied sol te eigentlich fahren und hatte große Mühe, ihm beizubringen, daß ich den Laden nicht so kurz nach der Eröffnung wieder schließen kann. Erst als meine jüngere Schwester Sabine genau für diese Zeit ihren Besuch ankündigt, akzeptiert er es. Ich bin heilfroh über ihre Nachricht, denn mich hätten keine zehn Pferde nach Barsaloi gebracht.
Lketinga kann nun keinen Einwand mehr vorbringen und will im Gegenteil versuchen, rechtzeitig zurück zu sein, um sie noch vor ihrer Abreise kennenlernen zu können. Aber noch ist es nicht soweit. Erst muß eine Mithilfe im Laden gefunden werden. Ich schlage meinem Mann Priscilla vor, doch er ist sofort dagegen. Er traut ihr überhaupt nicht. Empört erwähne ich, was sie al es für uns getan hat. Aber er ist nicht umzustimmen. Statt dessen bringt er eines Abends einen Massai-Boy mit.
Dieser stammt aus dem Massai-Mara und hat früher die Schule besucht. Folglich trägt er Jeans und Hemd. Es stört mich nicht, denn er macht einen ehrlichen Eindruck. Ich bin einverstanden, und William wird unser neuer Mitarbeiter.
Endlich kann ich Nachschub an T-Shirts und Schnitzereien organisieren, während die beiden den Laden hüten. Das Kindermädchen begleitet mich mit Napirai. Es ist anstrengend, von einem Händler zum nächsten zu fahren, die Ware auszusuchen und zu handeln. Gegen Mittag bin ich zurück. Lketinga hängt an der Bar im Chinarestaurant und trinkt teures Bier. Wil iam steht im Laden. Ich frage nach, wie viele Leute hier waren. Leider nicht viele, nur ein Massai-Schmuck wurde verkauft.
Alle Touristen laufen oben an der Straße vorbei. Irritiert frage ich weiter, ob denn Lketinga nicht unseren Prospekt verteilt habe. Wil iam schüttelt den Kopf und erklärt, daß er fast die ganze Zeit an der Bar Bier getrunken habe. Er habe dafür das Stockgeld aus der Kasse genommen. Darüber bin ich ärgerlich. Er schlendert gerade in den Shop, und ich rieche seine Bierfahne.
Natürlich entsteht Streit, der damit endet, daß er den Wagen nimmt und verschwindet. Ich bin enttäuscht. Jetzt haben wir einen Angestel ten und ein Kindermädchen, und mein Mann versäuft das Geld.
Mit William räume ich die neuen Waren ein. Sobald wir Weiße sehen, springt er zur Straße und gibt einen Prospekt ab. Fast jeden bringt er in den Laden, und als gegen halb sechs Lketinga erscheint, ist der Laden voll, und wir führen angeregte Verkaufsgespräche. Natürlich werde ich nach meinem Mann gefragt und stelle ihn vor. Doch er schaut starr an den interessierten Touristen vorbei. Statt dessen will er wissen, was wir schon verkauft haben und zu welchem Preis. Sein Benehmen ist mir mehr als unangenehm.
Ein Schweizer kauft für seine zwei Töchter einiges an Schmuck und eine geschnitzte Maske. Ein gutes Geschäft! Bevor er geht, fragt er uns, ob er ein Foto von meinem Mann und mir mit Napirai machen darf. Natürlich bin ich einverstanden, weil er sehr viel Geld bei uns ausgegeben hat. Mein Mann jedoch erklärt, nur gegen Bezahlung dürfe er uns fotografieren. Der nette Schweizer ist irritiert, und ich bin beschämt. Er macht zwei Bilder und gibt Lketinga tatsächlich 10 Schil inge. Als er außer Hörweite ist, versuche ich Lketinga klarzumachen, warum man bei Kunden für Fotos nichts verlangen darf. Er kapiert es nicht, sondern wirft mir vor, immer, wenn er Geld verdienen wolle, hätte ich etwas einzuwenden. Jeder Massai verlange Geld für Bilder, warum solle er nichts bekommen. Seine Augen funkeln mich böse an. Müde erwidere ich, daß die anderen aber keinen Shop haben wie wir.
Als neue Kundschaft erscheint, reiße ich mich zusammen und bemühe mich, zuvorkommend zu sein. Mißtrauisch beobachtet mein Mann die Kunden, und kaum faßt einer die Ware an, besteht er darauf, daß sie auch gekauft wird. Geschickt versucht William mit seiner ruhigen Art, die Kunden von Lketinga wegzulocken, um die Situation zu retten.
Zehn Tage nach der Eröffnung haben wir bereits die Ladenmiete hereingeholt. Ich bin stolz auf mich und William. Die meisten Touristen bringen am nächsten Tag neue Leute aus ihrem Hotel mit, und so spricht sich unser Laden herum, weil auch die Preise niedriger sind als in den Hotelboutiquen. Alle drei bis vier Tage muß ich nach Mombasa, um Nachschub zu organisieren.
Da viel nach Goldschmuck gefragt wird, suche ich eine geeignete Vitrine. Es ist nicht so einfach, doch zu guter Letzt finde ich eine Werkstatt, die sie nach Maß anfertigt. Eine Woche später kann ich sie abholen. Für diesen Zweck nehme ich alle Wolldecken mit und parke direkt vor der Werkstatt. Vier Männer bringen die schwere Glasvitrine zum Wagen. Meine Wolldecken sind in den zehn Minuten gestohlen worden, obwohl ich den Wagen verschlossen hatte. Auf der Fahrerseite ist das Schloß aufgebrochen. Der Ladenbesitzer leiht mir alte Säcke und Kartons, damit ich wenigstens den Wagenboden etwas polstern kann. Der Verlust meiner Schweizer Decken ärgert mich sehr. Auch Lketinga wird betrübt sein, daß seine rote Decke verschwunden ist. Enttäuscht fahre ich zurück zur Südküste.
Im Laden ist nur Wil iam, der mir vergnügt entgegenkommt und erzählt, er habe für 800 Schillinge Ware verkauft. Ich freue mich mit ihm. Da wir die Vitrine nicht ausladen können, geht er zum Strand, um Freunde zu suchen, die uns helfen. Nach einer halben Stunde erscheint er mit drei Massai, die vorsichtig die schwere Vitrine ausladen und aufstellen. Zum Dank gebe ich al en ein Soda und jedem 10 Schillinge.
Ich räume die Vitrine mit Modeschmuck ein, während die anderen vor dem Shop zusammen mit dem Kindermädchen und Napirai ihre Sodas trinken.
Wie immer, wenn eine Arbeit getan ist, erscheint auch mein Mann. In seiner Begleitung ist der Ehemann unseres Kindermädchens. Böse herrscht er seine junge Frau an, und ich sehe die fremden Massai abziehen. Erschrocken frage ich, was los ist, und erfahre von William, der Ehemann wolle nicht, daß seine Frau mit anderen Männern zusammensitzt. Wenn er sie nochmals erwischt, darf sie nicht mehr hier arbeiten. Leider darf ich mich nicht einmischen und muß froh sein, daß nicht auch Lketinga zu schimpfen beginnt. Über den Ehemann des Mädchens bin ich entsetzt, und sie tut mir leid, denn sie steht mit gesenktem Kopf etwas abseits.
Gott sei Dank kommen Kunden, und Wil iam stürzt sich mit Eifer auf sie. Nachdem ich aus dem Gespräch höre, daß es Schweizer sind, spreche ich sie an. Sie sind aus Biel. Neugierig möchte ich etwas aus meiner Heimatstadt erfahren. Wir unterhalten uns, und nach einer Weile wollen sie mich auf ein Bier an der China-Bar einladen.
Ich frage Lketinga, ob er einverstanden ist. „Why not, Corinne, no problem, if you know these people“,
erklärt er großzügig. Natürlich kenne ich das Pärchen nicht, das etwa in meinem Alter ist und vielleicht ehemalige Freunde von mir kennt.
Wir bleiben eine Stunde an der Bar, ehe wir uns verabschieden. Kaum bin ich zurück, fängt die Fragerei wieder an. Woher ich diese Leute kenne? Warum ich mit dem Mann soviel gelacht habe? Ob er ein Freund von Marco sei oder gar einmal mein Freund war? Fragen über Fragen und immer: „Corinne, you can tell me. I know, no problem, now this man has another lady. Please tell me, before you come to Kenya, maybe you sleep with him?“
Ich kann es nicht mehr hören und halte mir die Ohren zu, während mir die Tränen über das Gesicht rol en. Vor Wut könnte ich ihn nur noch anschreien.
Endlich ist Feierabend, und wir gehen nach Hause. Natürlich hat Wil iam al es mitangehört und es Priscil a erzählt. Jedenfalls kommt sie zu uns und fragt, ob wir Probleme haben. Ich kann es nicht für mich behalten und berichte ihr von dem Vorfall. Sie versucht, Lketinga ins Gewissen zu reden, und ich gehe mit Napirai schlafen. In zwei Wochen kommt meine Schwester und, wenn ich Glück habe, ist mein Mann nicht mehr hier. Die Streitereien nehmen zu, und von den guten Vorsätzen nach dem Besuch meines Bruders ist nichts mehr zu spüren.
Jeden Morgen stehe ich um sieben auf, um bis neun Uhr im Geschäft zu sein. Nun kommen fast täglich Vertreter, die Schnitzereien oder Goldschmuck anbieten. Diese Art von Nachschubbeschaffung ist eine große Erleichterung. Ich kann sie jedoch nur nutzen, wenn Lketinga nicht im Laden ist, denn er benimmt sich unmöglich. Jeder Vertreter spricht zuerst mich an, und das erträgt mein Mann überhaupt nicht. Er schickt sie fort und meint, sie sollen wiederkommen, wenn sie wissen, wem das Geschäft gehört, schließlich sei hier Sidais-Massai-Shop angeschrieben.
William hingegen ist eine echte Hilfe. Er schleicht sich davon und sagt den Vertretern, sie sollten wiederkommen, wenn mein Mann nachmittags in Ukunda ist.
So verstreicht noch eine ganze Woche, bis er endlich nach Hause fährt. Er wil in drei Wochen zurück sein, so daß er Sabine während ihrer letzten Ferienwoche kennenlernen kann.
Jeden Tag fahren William und ich zusammen ins Geschäft. Das Kindermädchen ist meistens schon da, oder wir treffen sie auf dem Weg zum Shop. Mittlerweile kommen bereits morgens mehrere Touristen. Oft sind es Italiener, Amerikaner, Engländer oder Deutsche. Es gefäl t mir gut, mich mit allen so unbekümmert unterhalten zu können. Wil iam springt ohne Aufforderung zur Straße, und dieses Locken funktioniert immer besser. Es gibt Tage, an denen wir unter anderem bis zu drei Goldkettchen mit dem Keniawappen verkaufen. Ein Händler besucht uns wöchentlich zweimal, so daß ich auch Kundenwünsche weitergeben kann.
Mittags schließen wir regelmäßig für eineinhalb Stunden und gehen zu Sophia.
Sorglos kann ich nun bei ihr Spaghetti und Salat essen. Ihr Restaurant ist seit kurzem eröffnet, obwohl sie selbst immer noch nicht arbeiten darf. Sie freut sich jedesmal, wenn unsere Mädchen zusammen spielen. Natürlich bezahle ich auch das Essen von William, weil es fast die Hälfte seines Monatsgehaltes ausmacht. Als er das zum ersten Mal bemerkt, wil er nicht mehr mitkommen. Aber ohne ihn könnte ich mit Napirai nicht hinfahren. Da er so eifrig arbeitet, lade ich ihn gerne ein.
Das Kindermädchen geht zum Essen täglich nach Hause. Inzwischen nehme ich so viel ein, daß ich jeden Mittag Geld zur Bank bringen muß. Autoprobleme gibt es auch keine mehr. Einmal die Woche fahre ich nach Mombasa und kaufe ein, den Rest beziehe ich von fahrenden Händlern. Ich fühle mich wohl als Geschäftsfrau. Es sind die ersten harmonischen Tage im Shop.
In der zweiten Augustwoche trifft Sabine im Africa-Sea-Lodge ein. Am Tag ihrer Ankunft gehe ich mit Priscilla und Napirai zum Hotel, während Wil iam den Laden versorgt. Die Wiedersehensfreude ist groß. Es sind ihre ersten Ferien auf einem anderen Kontinent. Leider habe ich nicht viel Zeit, da ich bald wieder im Geschäft sein möchte. Sie liegt sowieso erst mal den ganzen Tag in der Sonne. Am Abend nach Geschäftsschluß verabreden wir uns an der Hotelbar. Ich nehme sie gleich mit zu uns ins Vil age, und auch sie wundert sich, wie wir hausen, obwohl es ihr gefällt.
Nebenan sind einige Krieger zu Hause. Neugierig fragen sie, wer dieses Mädchen ist, und es dauert nicht lange, bis jeder um meine Schwester buhlt. Auch sie scheint von ihnen fasziniert zu sein. Ich warne sie mit guten Ratschlägen und erzähle von meiner Misere mit Lketinga. Sie kann sich das nicht so recht vorstel en und ist enttäuscht, daß er nicht da ist.
Sie will zurück ins Hotel, weil es Abendessen gibt. Ich fahre sie mit dem Wagen hin, und einige Krieger nutzen ebenfal s die Fahrgelegenheit. Vor dem Hotel lade ich alle aus und verabrede mich mit Sabine für morgen abend an der Bar. Während ich losfahre, unterhält sie sich noch mit den Massai. Ich gehe zu Priscil a, um mit ihr zu essen. Jetzt, wo Lketinga nicht da ist, wechseln wir uns mit dem Kochen ab. Sabine erscheint am nächsten Nachmittag überraschend mit Edy im Geschäft. Sie haben sich gestern in der Bush-Baby-Disco kennengelernt. Sie ist erst achtzehn und will das Nachtleben genießen. Mir schwant nichts Gutes beim Anblick der beiden, obwohl ich Edy gut leiden kann. Die meiste Zeit hängen sie am Pool herum, der zur Anlage gehört.
Ich arbeite im Shop und sehe meine Schwester selten, sie ist mit Edy viel unterwegs. Ab und zu treffe ich sie in unserem Vil age zum Chai. Natürlich will sie mit mir in die Disco, doch wegen Napirai geht das nicht. Außerdem gäbe es große Probleme, wenn Lketinga wieder erscheint. Meine Schwester kann mich nicht verstehen, weil ich immer ein so selbständiger Mensch war. Aber sie hat ja meinen Mann noch nicht kennengelernt.
Bittere Enttäuschung
Acht Tage später ist es soweit. William und ich sind im Laden. Es ist drückend heiß, und deshalb ist nicht viel los. Dennoch können wir zufrieden sein mit unserem Umsatz, von dem Sophia im Moment nur träumen kann. Ich sitze auf der Eingangsstufe zum Shop, und Napirai trinkt trotz ihrer dreizehn Monate zufrieden an meiner Brust, als plötzlich ein großer Mann hinter dem Inderladen hervortritt und auf uns zukommt.
Ein paar Sekunden brauche ich, bevor ich Lketinga erkenne. Ich warte auf ein freudiges Gefühl in mir, aber ich bleibe wie erstarrt. Sein Anblick verwirrt mich. Seine langen, roten Haare hat er kurz geschoren, einiges vom Kopfschmuck fehlt. Dies könnte ich noch akzeptieren, doch seine Kleidung sieht lächerlich aus. Er trägt ein altmodisches Hemd und dunkelrote Jeans, die viel zu eng und zu kurz sind. Seine Füße stecken in billigen Plastikhalbschuhen, und sein sonst schwebender Gang wirkt hölzern und steif. „Corinne, why you not tel me hello? You are not happy I’m here?“
Erst jetzt wird mir bewußt, wie ich ihn angestarrt haben muß. Um Fassung zu gewinnen, nehme ich Napirai und zeige ihr den Papa. Freudig nimmt er sie entgegen. Auch sie scheint verunsichert zu sein, denn sie will sofort runter und zu mir zurück.
Er betritt den Shop und untersucht alles. Bei den neuen Massai-Gürteln wil er wissen, von wem ich sie habe. „Von Priscilla“, ist meine Antwort. Er räumt sie weg und will sie ihr später zurückgeben, von ihr will er nichts in Kommission verkaufen.
Mein Ärger wächst und augenblicklich bekomme ich Magenkrämpfe. Corinne, where is your sister?“ „I don't know. Maybe in the hotel“, antworte ich kurz. Er verlangt den Autoschlüssel und wil sie besuchen, obwohl er nicht einmal weiß, wie sie aussieht.
Eine Stunde später ist er zurück, er hat sie natürlich nicht gefunden. Statt dessen hat er in Ukunda Miraa gekauft. Er setzt sich vor den Eingang und beginnt zu kauen.
Nach kurzer Zeit liegen überall Blätter und abgenagte Stengel herum. Ich schlage ihm vor, woanders sein Kraut zu essen, was er so interpretiert, daß ich ihn loswerden wil. Wil iam fragt er gründlich aus.
Von zu Hause und James erfahre ich wenig. Er hat nur die Beschneidung abgewartet und das Fest frühzeitig verlassen. Vorsichtig frage ich nach, wo seine Kangas sind und warum er seine Haare abgeschnitten hat. Die Kangas sind in der Tasche, ebenso seine Haarpracht. Er gehöre jetzt nicht mehr zu den Kriegern und brauche deshalb keine Kangas mehr.
Ich gebe zu bedenken, daß die meisten Massai in Mombasa noch ihre traditionelle Kleidung, ihren Schmuck und lange Haare tragen und dies für unser Geschäft auch besser sei, woraus er schließt, daß mir al e anderen besser gefallen. Dabei wünsche ich mir nur, daß er wenigstens Hemd und Jeans wieder gegen die Kangas tauscht, da diese einfache Kleidung ihm viel besser steht. Aber ich gebe es vorläufig auf.
Als wir nach Hause kommen, sitzt Sabine mit Edy bei den anderen Kriegern nebenan vor der Hütte. Ich stelle sie meinem Mann vor. Freudig begrüßt er sie.
Sabine schaut etwas überrascht zu mir. Natürlich wundert sie sich ebenfalls über seine Aufmachung. Lketinga hingegen hat sich wohl noch keine Gedanken gemacht, warum Sabine hier sitzt.
Eine halbe Stunde später möchte sie zurück zum Hotel wegen des Abendessens.
Es ist für mich die einzige Gelegenheit, mit ihr ein paar Worte zu wechseln, und so schlage ich Lketinga vor, daß ich sie schnel zum Hotel fahre, während er zehn Minuten Napirai hütet. Das kommt für ihn jedoch nicht in Frage, er will sie zum Hotel fahren. Meine Schwester starrt mich erschrocken an, und gibt mir in Schweizerdeutsch zu verstehen, daß sie auf keinen Fal in den Wagen steigt, wenn er fährt. Sie kenne ihn überhaupt nicht, und er sehe, nicht aus, als beherrsche er ein Fahrzeug. Ich weiß nicht, was ich machen soll und teile ihr dies mit. Zu Lketinga gewandt erwidert sie: „Thank you, but it's better I walk with Edy to the hotel.“
Für einen Moment halte ich die Luft an und überlege, was passiert. Lketinga lacht und erwidert: „Why you go with him? You are sister from Corinne. So you are like my sister.“
Als al es nichts nützt, will er sich mit ihr für den Abend in der Bush-Baby-Bar verabreden, er könne nicht verantworten, daß sie al ein dorthin geht. Sabine, nun schon, etwas ärgerlich, erwidert: „No problem, I go with Edy and you stay with Corinne or come together with her.“
Ich sehe ihm an, daß er jetzt merkt, was hier los ist. Sabine ergreift die Gelegenheit und verschwindet mit Edy. Krampfhaft beschäftige ich mich mit Napirai.
Lange Zeit sagt er keinen Ton und kaut intensiv Miraa. Dann wil er wissen, was ich jeden Abend gemacht habe. Ich erwähne die Besuche bei Priscilla, die ja nur dreißig Meter entfernt von uns wohnt. Sonst sei ich immer früh ins Bett gegangen. Wer dann bei mir gelegen sei, will er weiter wissen. Mir ist klar, worauf er hinauswil, und ich antworte etwas schärfer: „Only Napirai!“
Er lacht und kaut weiter.
Ich gehe ins Bett und hoffe, daß er noch lange draußen bleibt, weil ich absolut keine Lust verspüre, mich von ihm berühren zu lassen. Erst jetzt wird mir richtig bewußt, wie abgestumpft meine Gefühle diesem Mann gegenüber sind. Nach den zweieinhalb Wochen, in denen ich ungebunden leben konnte, fällt mir nun das Zusammenleben unter diesem Druck besonders schwer.
Nach einiger Zeit kommt er ebenfalls zu Bett. Ich stelle mich schlafend und liege mit Napirai ganz an der Wand. Er spricht mich an, und ich reagiere nicht. Als er den Versuch macht, mit mir zu schlafen, was unter anderen Umständen normal wäre nach dieser Zeit der Trennung, wird mir fast schlecht vor Angst. Ich kann und will einfach nicht. Zu groß ist die erneute Enttäuschung. Ich schiebe ihn weg und sage:
„Maybe tomorrow.“ „Corinne, you are my wife, now I have not seen you for such a long time. I want love from you! Maybe you got enough love from other men!“ „No, I have not got love, I don't want love!“
schreie ich entnervt.
Natürlich hören uns auch hier die Leute streiten, aber ich kann mich nicht mehr beherrschen. Es entsteht ein Handgemenge, worauf Napirai aufwacht und losheult.
Lketinga steigt wütend aus dem Bett, zieht seinen Schmuck und die Kangas an und verschwindet.
Napirai schreit und ist nicht zu beruhigen. Auf einmal steht Priscilla in meinem Zimmer. Sie nimmt mir Napirai ab. Ich bin so erledigt, daß ich nicht fähig bin, mit ihr über unsere Probleme zu sprechen.
Das einzige, was ich ihr mitteile, ist, daß Lketinga völlig crazy ist. Beruhigend erwidert sie, al e Männer seien so, dennoch dürfen wir hier nicht so schreien, sonst gibt es Probleme mit dem Vermieter. Dann zieht sie sich wieder zurück.
Als ich am nächsten Tag wie gewohnt mit William ins Geschäft gehe, weiß ich nicht, wo mein Mann die Nacht verbracht hat. Die Stimmung ist gedrückt, das Kindermädchen und William sprechen nicht viel. Wir sind um jede Abwechslung durch Touristen froh, obwohl ich mich heute aus den Verkaufsgesprächen heraushalte.
Lketinga taucht erst gegen Mittag auf. Ständig hetzt er William herum. Er geht nicht mehr selber zur Straße hinüber, um die Zettel zu verteilen, sondern schickt Wil iam.
Zum Mittagessen wil er ihn nicht mitnehmen, obwohl wir nur nach Ukunda fahren. Zu Sophia darf ich auch nicht mehr, weil er nicht versteht, was ich mit ihr zu besprechen habe.
Seit einigen Tagen scheint in der Kasse Geld zu fehlen. Mit Bestimmtheit kann ich es nicht sagen, da ich nicht mehr täglich zur Bank fahre. Mein Mann nimmt auch hin und wieder Geld heraus, und ich kaufe von den Händlern Ware. Aber mein Gefühl sagt mir, daß etwas nicht stimmt. Meinen Mann darauf anzusprechen, wage ich allerdings nicht.
Der Urlaub meiner Schwester geht zu Ende, ohne daß wir viel zusammen waren.
Am vorletzten Tag besuchen wir abends zusammen mit ihr und Edy die Disco. Es ist ihr Wunsch, vermutlich, weil sie mich unter Menschen bringen möchte. Napirai lassen wir bei Priscilla. Während Lketinga und ich am Tisch sitzen, tanzen Sabine und Edy ausgelassen. Seit langem trinke ich wieder einmal Alkohol. Meine Gedanken wandern zurück zu der Zeit, als ich mit Marco hier war und fast einer Ohnmacht nahe, als Lketinga zur Tür hereinkam. Was ist alles geschehen in der Zwischenzeit! Meine aufsteigenden Tränen versuche ich zu verbergen. Ich will Sabine den Abschied nicht vermiesen und andererseits auch keine Auseinandersetzung mit meinem Mann. Auch er war damals sicher glücklicher als jetzt.
Meine Schwester kommt wieder an den Tisch zurück und merkt sofort, daß es mir nicht gut geht. Ich eile zur Toilette. Als ich mein Gesicht kalt abwasche, steht sie neben mir und nimmt mich in die Arme. Schweigend stehen wir einfach da. Dann steckt sie mir eine Zigarette zu und sagt, ich solle sie später gemütlich rauchen. Es täte mir sicher gut, denn sie sei mit Marihuana gemischt. Fal s ich mehr benötige, sollte ich mich nur an Edy wenden.
Wir kehren an den Tisch zurück, und Lketinga fordert Sabine zum Tanz auf.
Während sie tanzen, fragt Edy, ob ich mit Lketinga Probleme habe. „Manchmal schon“, ist meine kurze Antwort. Edy möchte ebenfalls tanzen, doch ich lehne ab.
Kurze Zeit später brechen Lketinga und ich auf, da ich Napirai zum ersten Mal bei Priscil a gelassen habe und unruhig bin. Ich verabschiede mich von Sabine und wünsche ihr eine gute Heimreise.
Im Dunkeln stapfen wir zum Vil age. Schon von weitem höre ich mein Mädchen, doch Priscilla beruhigt mich, da Napirai gerade erst aufgewacht ist und natürlich die gewohnte Brust vermißt. Während Lketinga sich mit Priscilla unterhält, gehe ich in unser Zimmer. Als Napirai wieder schläft, setze ich mich draußen in die schwüle Nachtluft, zünde den Joint an und ziehe gierig den Rauch in die Lungen. Gerade als ich den Rest auslösche, kommt Lketinga, und ich hoffe, daß er den Geruch nicht wahrnimmt.
Ich fühle mich freier und besser und schmunzle vor mich hin. Als sich al es in meinem Kopf dreht, lege ich mich aufs Bett. Lketinga merkt, daß ich verändert bin, doch ich erkläre es mit dem ungewohnten Alkohol. Heute fällt es mir nicht schwer, meine Ehepflicht zu erfüllen. Selbst Lketinga ist erstaunt über meine Bereitschaft.
In der Nacht erwache ich, weil meine Blase drückt. Ich schleiche hinaus und erledige es gleich hinter dem Häuschen, da die Plumpsklos zu weit weg sind und mein Kopf noch schwirrt. Als ich zurück in unser großes Bett steige, fragt mein Mann in die Dunkelheit, woher ich komme. Erschrocken erkläre ich ihm den Grund. Er steht auf, nimmt die Taschenlampe und verlangt von mir, ihm die Stel e zu zeigen. In meinem anhaltenden „Flash“ muß ich lachen, mir kommt alles sehr komisch vor.
Lketinga jedoch schließt aus meiner Fröhlichkeit, daß ich mich mit jemandem verabredet hatte. Ich kann das nicht ernst nehmen und zeige ihm den nassen Ring am Boden. Schweigend gehen wir wieder schlafen.
Am Morgen brummt mein Kopf, und das volle Elend kehrt zurück. Nach dem Frühstück fahren wir zum Laden, und William ist zum ersten Mal nicht auffindbar.
Doch als wir beim Laden vorfahren, steht er bereits da. Natürlich geht es mich nichts an, und so frage ich auch nicht, wo er war. Er ist nervös und zurückhaltender als sonst. Heute läuft nicht sehr viel, und nach Ladenschluß fällt mir auf, daß tatsächlich jemand Geld aus meiner Tasche genommen hat. Aber was soll ich tun? Immer öfter beobachte ich William und meinen Mann, sofern er anwesend ist. Mir fällt nichts auf, und dem Kindermädchen traue ich es schon gar nicht zu.
Als ich vom Waschen komme, sitzt Priscil a bei uns und spricht mit Lketinga. Sie erzählt, William gebe jeden Abend in Ukunda viel Geld aus. Wir sollten besser aufpassen, sie kann sich nicht erklären, woher er das viele Geld hat. Mir ist unwohl bei dem Gedanken, daß mir Geld gestohlen wurde, doch ich behalte es für mich und nehme mir vor, mit William unter vier Augen zu sprechen. Mein Mann würde ihn sofort entlassen, und dann bliebe mir die ganze Arbeit. Bis jetzt war ich ja sehr zufrieden mit ihm.
Tags darauf kommt er wieder direkt von Ukunda zur Arbeit. Lketinga stellt ihn zur Rede, aber er bestreitet al es. Als die ersten Touristen kommen, arbeitet Wil iam wie gewohnt weiter. Mein Mann fährt nach Ukunda. Ich nehme an, er will sich umhören, wo William gewesen ist.
Als ich mit William al ein bin, sage ich ihm auf den Kopf zu, ich wisse, daß er mir Geld gestohlen hat und zwar täglich. Lketinga werde ich nichts erzählen, wenn er verspricht, in Zukunft seriös zu arbeiten. Dann werde ich ihn auch nicht entlassen.
Sobald in zwei Monaten die Hochsaison beginnt, bekomme er auch mehr Lohn. Er schaut mich an und sagt nichts. Ich bin mir sicher, daß es ihm leid tut und daß er nur gestohlen hat, um sich für die schlechte Behandlung durch meinen Mann zu rächen.
Als wir allein waren, hat nie ein Schilling gefehlt.
Als Lketinga von Ukunda zurückkommt, weiß er, daß William die Nacht in einer Disco verbracht hat. Erneut stellt er ihn zur Rede. Diesmal mische ich mich ein und erkläre, daß er gestern ja den Vorschuß bezogen hat. Langsam kehrt Ruhe ein, aber die Atmosphäre ist angespannt.
Nach dem harten Arbeitstag vermisse ich den Joint, der mir angenehme Entspannung bringen könnte und überlege, wo ich Edy treffen kann. Für heute fällt mir nichts ein, aber morgen gehe ich ins Africa-Sea-Lodge, um meine Haare zöpfeln zu lassen. Das dauert sicher drei Stunden, und somit ist meine Chance groß, Edy an der Bar zu finden.
Nach dem Mittagessen fahre ich mit dem Wagen ins Hotel. Beide Friseusen sind beschäftigt, und ich muß eine halbe Stunde warten. Dann beginnt die schmerzhafte Prozedur. Meine Haare werden zusammen mit Wollfäden am Kopf entlang nach oben gezöpfelt und am Ende jedes Zöpfchens stecken farbige Glasperlen. Da ich auf vielen feinen Zöpfchen bestehe, dauert es mehr als drei Stunden. Es ist fast halb sechs, und die Prozedur ist noch nicht ganz überstanden.