Текст книги "Die weisse Massai"
Автор книги: Corinne Hofmann
Жанр:
Биографии и мемуары
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Einige Männer schlendern herbei, doch als sie merken, um was es geht, traut sich keiner in den Raum.
Nach kurzer Zeit stehen etwa sechs Personen herum, aber keiner tut etwas, bis ein großer Turkana-Mann mit einem langen Stock kommt. Vorsichtig geht er hinein und stochert in dem Holzhaufen herum. Holz für Holz stößt er weg, bis die etwa einen Meter lange Schlange hervorschnellt. Wie wild versucht der Turkana, sie zu erschlagen, doch trotz der Schläge kriecht sie schnell durch den Ausgang auf uns zu.
Blitzschnell stößt ein Samburu-Boy seinen Speer in das gefährliche Tier. Erst als ich erfahre, wie gefährlich die Situation war, zittern meine Knie.
Mein Mann kommt etwa eine Stunde später. Er war beim Veterinär, der ihm das Schreiben gab, aber mit der Auflage, innerhalb eines Monats ein Plumpsklo außerhalb des Shops zu errichten. Auch das noch! Es melden sich ein paar Freiwil ige, vor al em Turkana-Leute, die bereit sind, das drei Meter tiefe Loch zu graben und den Rest zu erstel en. Inklusive Material kostet dies fast 600 Franken.
Das Zahlen nimmt kein Ende, und ich hoffe, daß bald Geld verdient wird.
Pater Giuliano und Roberto berichte ich von meinem Vorhaben, ein Geschäft zu eröffnen. Sie sind begeistert, weil hier das halbe Jahr kein Mais erhältlich ist. Meine Schwangerschaft erwähne ich nicht, auch in keinem Brief in die Schweiz. Obwohl ich mich sehr freue, weiß ich, wie schnel man hier krank werden kann, und ich möchte niemanden beunruhigen.
Endlich kommt unser großer Tag. Wir fahren los, um mit einem vol en Lastwagen zurückzukommen. Eine angenehme Verkaufshilfe haben wir ebenfalls gefunden, Anna, die Frau des Dorfpolizisten. Sie ist robust und hat schon in Maralal gearbeitet.
Mit gutem Wil en versteht sie sogar etwas Englisch.
In Maralal gehen wir zur Commercial Bank, um nachzufragen, ob mein bestelltes Geld aus der Schweiz eingetroffen ist. Wir haben Glück, und so hebe ich umgerechnet fast 5000 Franken ab, um die Ware einkaufen zu können. Wir bekommen bündelweise Kenia-Schillinge. Lketinga hat in seinem Leben noch nie soviel Geld gesehen. Beim Somali-Großhändler fragen wir nach, wann ein Laster für eine Fahrt nach Barsaloi zur Verfügung steht. Im Moment sind al e Flüsse ohne Wasser, und deshalb ist der Weg für die schweren Loris kein Problem, in zwei Tagen sei einer frei.
Jetzt kaufen wir ein. Der Laster kostet 300 Franken, deshalb müssen wir sein Ladegewicht von zehn Tonnen voll ausnützen. Ich bestelle 80 mal 100 kg Maismehl sowie 15 mal 100 kg Zucker, ein Vermögen für hier. Als ich gegen Quittung bezahle, nimmt Lketinga die Geldbündel wieder an sich und behauptet, ich gebe diesen Somalis viel zu viel Geld. Er möchte al es kontrol ieren. Mir ist es fast peinlich, da er diese Leute beleidigt und gar nicht so weit rechnen kann. Er bildet Häufchen um Häufchen, und kein Mensch versteht, wozu er mit dem Geld herumspielt. Mit Engelszungen rede ich auf meinen Mann ein, bis er bereit ist, mir das Geld wiederzugeben. Vor seinen Augen zähle ich noch einmal ab. Als dann 3000
Schillinge übrig sind, meint er böse: „Siehst du, das ist viel zu viel!“ Ich beruhige ihn und erkläre, dies sei die Miete für den Laster. Etwas irritiert schauen sich die drei Somalis an. Schließlich ist die Ware bestellt und wird für uns reserviert, bis der Lastwagen kommt. Nun fahre ich durch das Dorf und kaufe hier 100 kg Reis, dort 100 kg Kartoffeln und woanders Kohl und Zwiebeln.
Am späten Nachmittag ist der Laster endlich beladen. Es wird wohl elf Uhr nachts werden, bis er Barsaloi erreicht. Die zerbrechlichen Sachen wie Mineralwasser, Cola und Fanta lade ich in meinen Landrover, darüber hinaus Tomaten, Bananen, Brot, Omo, Margarine, Tee und andere Artikel. Das Auto ist voll bis unters Dach. Ich will nicht den weiten Weg nehmen, sondern durch den Wald fahren, da ich dann in zwei Stunden in Barsaloi sein kann. Lketinga fährt im Lastwagen mit, er hat berechtigte Bedenken, daß unterwegs Ware verschwindet.
Der Wildhüter und zwei Frauen fahren mit mir. Beladen wie der Wagen ist, muß ich schon bald in den Vierrad schalten, damit er die Steigung in den Wald schaffen kann.
An das Fahren mit soviel Gewicht muß ich mich erst gewöhnen, immerhin sind es etwa 700 kg. Ab und zu durchqueren wir Wasserlöcher, die hier im Dickicht selten ganz austrocknen.
Die Wiese, wo ich die Büffel sah, liegt heute verlassen da. Mit meinem Beifahrer unterhalte ich mich mühsam in Suaheli über unser Geschäft. Kurz vor dem schrägen
„Todeshang“ kommt eine steile S-Kurve. Als ich in den Hohlweg einbiege, steht eine große graue Mauer vor uns. Wie verrückt bremse ich, doch der Wagen rutscht durch das Ladegewicht langsam auf den Elefantenbullen zu. „Stop, stop the car!“
schreit der Wildhüter. Ich versuche al es, einschließlich Handbremse, die aber nicht mehr gut funktioniert. Etwa drei Meter vor dem riesigen Hinterteil bleiben wir endlich stehen. Das Tier versucht, sich langsam auf dem schmalen Weg zu drehen.
Schnel lege ich den Rückwärtsgang ein. Die Frauen kreischen im hinteren Teil des Wagens und wollen raus. Der Elefant hat sich nun gedreht und starrt uns aus seinen Knopfaugen an. Er schwingt den Rüssel in die Höhe und trompetet. Durch seine gewaltigen Stoßzähne wirkt er noch bedrohlicher. Unser Wagen schleicht langsam rückwärts, und der Abstand beträgt inzwischen sechs Meter. Der Wildhüter aber mahnt, wir seien erst außer Lebensgefahr, wenn wir uns unsichtbar machen, das heißt, hinter der Kurve verschwinden. Weil der Wagen vol gestopft ist und keinen Rückspiegel besitzt, kann ich nicht nach hinten schauen. So muß mich der Wildhüter dirigieren, und ich hoffe nur, daß ich alles richtig interpretiere.
Endlich ist der Abstand so groß, daß wir den Elefanten nur noch hören, aber nicht mehr sehen. Erst jetzt spüre ich, wie meine Knie zittern. Ich darf nicht daran denken, was passiert wäre, wenn der Wagen in den Koloß gefahren oder mir beim Zurücksetzen der Motor abgestorben wäre.
Der Wildhüter riecht den Elefanten noch. Wie zum Hohn hat er heute sein Gewehr nicht dabei. Wir sind jetzt sicher achtzig Meter entfernt, doch hören wir ihn immer noch Bäume umknicken. Nachdem wir eine Weile nichts mehr vernehmen, schleicht sich der Wildhüter langsam zur Kurve vor. Er kommt zurück und berichtet, daß der Elefant sein Revier verteidigt und genüßlich auf dem Weg weidet. Links und rechts der Straße lägen kleinere Bäume. Allmählich wird es finster. Bremsen kleben an uns und stechen übel zu. Außer dem Wildhüter steigt niemand aus. Eine Stunde später ist der Bulle nach wie vor auf dem Weg.
Es nervt mich, da wir noch eine weite Strecke vor uns haben und ich die Geröllhalde schwer beladen im Dunkeln überwinden muß. Als sich an unserer Lage nichts ändert, sammelt der Mann große Steine und schleicht wieder zur Kurve. Von dort aus wirft er sie in den dichten Wald, was ein lautes Rascheln und Poltern verursacht. Tatsächlich dauert es nicht lange, und der Elefant verläßt den Weg.
In Barsaloi fahre ich direkt zum Shop und lade im Licht der Scheinwerfer aus. Gott sei Dank helfen mir einige Leute. Anschließend gehe ich zu unserer Manyatta. Einige Zeit später kommt der Nachbarsbursche und berichtet, er habe in der Ferne zwei Lichter gesehen. Auch der ältere Bruder hält Ausschau. Jetzt sind al e sehr gespannt. Unser Lastwagen kommt, ein Samburu-Laster!
Mit dem Bruder gehe ich in den Shop, um dort zu warten. Der Veterinär erscheint ebenfal s und bringt aus seiner Blockhütte eine Petroleumlampe mit. Wir stel en sie auf die Theke, und sofort ist der Shop heimelig erhel t. Ich überlege, wo wir was abladen und aufstellen. Immer mehr Menschen schleichen um den Shop herum und warten auf den Lori.
Endlich fährt er mit dröhnendem Lärm vor. Es ist für mich ein überwältigender Augenblick und gleichzeitig überkommt mich ein Glücksgefühl bei dem Gedanken, daß nun in Barsaloi ein Shop steht, der immer Eßbares anbieten kann. Nun muß niemand mehr hungern, weil es genug zu kaufen gibt. Lketinga steigt stolz aus dem Laster und begrüßt einige, darunter auch den Wildhüter. Entsetzt hört er sich dessen Erzählung an, kommt dann aber lachend auf mich zu und fragt: „Hello, wife, real y you have seen an elefant?“ „Yes, sure!“
Er faßt sich an den Kopf: „Crazy, this is very dangerous, real y Corinne, very dangerous!“ „Yes, I know, but now we are okay“,
erwidere ich und schaue, wer abladen kann.
Es wird verhandelt, und wir bestimmen drei Männer, die auch bei den Somalis damit gelegentlich Geld verdienen. Zuerst werden die Kartoffel– und Reissäcke verstaut, und der hintere Raum, der als Lager dienen soll, mit Mais– und Zuckersäcken gefüllt. Die restlichen Waren werden im Laden gestapelt.
Es herrscht rege Betriebsamkeit. Nach einer halben Stunde ist der Lastwagen leer und tritt in der stockfinsteren Nacht den Heimweg nach Maralal an. Zwischen Omo und Teeschachteln stehen wir in einem totalen Chaos. Die ersten Kunden erscheinen und wollen Zucker kaufen. Doch ich verweigere den Verkauf, weil es viel zu spät ist und wir erst einräumen müssen. Wir schließen den Laden ab und gehen zu unserer Manyatta.
Wie gewohnt stehen wir am Morgen auf und sitzen mit den Tieren in der Sonne, als einige Frauen auf unsere Manyatta zukommen. Lketinga fragt sie, was los sei.
Wann wir denn den Shop öffnen, wollen sie wissen. Lketinga will gleich los, doch ich sage ihm, er solle ausrichten, vor Mittag verkaufe ich nichts, weil zuerst ausgepackt werden muß und Anna noch nicht da ist.
Anna hat ein Auge dafür, wie die Waren sinnvol aufgestel t werden. Nach zwei Stunden sieht der Shop fast perfekt aus. Vor dem Geschäft hocken sicher fünfzig Frauen und Männer und warten auf die Eröffnung. Der Maschendraht macht sich gut.
Unter der Theke habe ich Kartoffeln, Kohl, Karotten, Zwiebeln, Orangen und Mangos ausgestel t. An einer Schnur von der Decke hängen Bananenstauden. Hinten in den Gestel en reihen sich die verschiedenen Größen von Omo, Kimbo-Fettbüchsen, Teepulver, Toilettenpapier, das später erstaunlichen Absatz findet, diverse Seifen, Süßigkeiten jeder Art sowie Streichhölzer. Neben die Waage stellen wir je einen Sack mit Zucker, Maismehl und Reis. Wir putzen noch mal den Boden und öffnen das Ladentor.
Für einen kurzen Moment blendet uns hereinflutendes Sonnenlicht, dann stürmen die Frauen herein. Wie eine Woge kommen mir die farbenprächtig geschmückten Menschen entgegen. Der Laden ist zum Bersten vol. Alle strecken uns ihren Kanga oder von Hand genähte Stoffsäcke entgegen. Anna beginnt mit dem Abfül en von Maismehl. Damit nicht zuviel daneben fällt, haben wir aus Karton eine Art Schaufel gefertigt. Nun fülle ich auch Zucker oder Maismehl ab. Die meisten legen einfach Geld auf die Theke und wollen dafür verschiedene Artikel. Das erfordert schnelles Rechnen.
Der erste große Maissack ist in einer knappen Stunde verkauft, der Zucker zur Hälfte. Ich bin froh, daß ich vorher alle Preise an die Artikel geschrieben habe.
Dennoch herrscht ein heil oses Durcheinander. Die Schachtel, die als Kasse dient, quil t über, als wir am Abend fast 600 kg Maismehl, 200 kg Zucker und diverse andere Artikel verkauft haben. Als es zu dämmern beginnt, mochten wir schließen, doch es kommt noch das eine oder andere Kind und will Zucker oder Mais für das Abendessen. Um sieben Uhr machen wir endlich zu. Ich kann mich fast nicht mehr auf den Beinen halten und meine Arme kaum bewegen. Anna geht ebenfal s müde und erschöpft nach Hause.
Auf der einen Seite war es heute ein Riesenerfolg, andererseits gibt mir dieser Ansturm zu denken. Morgen wird das von früh bis spät so weitergehen. Waschen muß ich mich auch wieder einmal am River. Doch wann?
Um acht sind wir wieder im Laden, und Anna wartet bereits. Das Geschäft läuft langsam an, doch nach neun ist der Laden bis zum Nachmittag gerammelt vol. Die Kästen mit Mineralwasser, Cola, Fanta und Sprite leeren sich schnell. Zu lange mußte man hier darauf verzichten. Viele der Krieger oder Boys stehen stundenlang einfach im oder vor dem Laden, um sich mit jemandem zu unterhalten. Die Frauen und Mädchen sitzen im Schatten des Shops. Auch die Frau des Veterinärs, der Arzt und der Buschlehrer kommen und kaufen kiloweise Kartoffeln und Früchte. Alle freuen sich über den tollen Laden. Natürlich stel e ich schon jetzt fest, daß vieles fehlt.
Lketinga ist die meiste Zeit bei uns und unterhält sich mit Leuten oder verkauft die einfachen Sachen, wie Seifen oder Omo. Er hilft, so gut es geht. Mama kommt heute zum erstenmal seit langem ins Dorf, um unseren Shop zu besichtigen.
Am Ende des zweiten Tages beherrsche ich schon al e Zahlen in der Maa-Sprache. Ich habe eine Tabel e erstellt, von der wir den Preis für die verschiedenen Mengen von Mais oder Zucker direkt ablesen können, was das Ausrechnen wesentlich erleichtert. Auch an diesem Tag arbeiten wir durch und schleppen uns müde nach Hause. Natürlich konnten wir wieder keine warme Mahlzeit zu uns nehmen, was in meinem Zustand nicht sinnvoll ist. Mein Rücken schmerzt vom ständigen Bücken. Allein heute haben wir acht Sack Mais und fast 300 kg Zucker abgewogen und verkauft.
Mama kocht für mich Maismehl mit etwas Fleisch, und ich bespreche mit Lketinga die unhaltbare Situation. Anna und ich brauchen einfach eine Ruhepause, um zu essen und um uns zu waschen. Wir entscheiden, ab morgen den Laden von 12 bis 14 Uhr zu schließen. Auch Anna ist froh über die neue Regelung. Wir bringen vierzig Liter Wasser in den Shop, damit ich mich im hinteren Teil wenigstens waschen kann.
Allmählich schwinden die Früchte und das Gemüse. Sogar vom teuren Reis ist nichts mehr da. Für uns habe ich lediglich drei Kilogramm nach Hause gebracht.
Giuliano und Roberto schauen an diesem Tag das erste Mal vorbei und sprechen ihre Bewunderung aus, was mir gut tut. Ich erkundige mich, ob ich das eingenommene Geld bei ihnen deponieren kann, weil mir nichts einfäl t, wo ich soviel Geld aufbewahren könnte. Giuliano ist einverstanden, und so gehe ich jeden Abend bei der Mission vorbei und gebe ein mit Geld gefülltes Kuvert ab.
Mit den neuen Öffnungszeiten kommen die Leute nicht klar, weil die meisten keine Uhr besitzen. Entweder müssen wir fast gewaltsam schließen, oder es sind so viele Menschen da, daß wir doch durcharbeiten. Nach neun Tagen ist unser Shop fast leer, fünf Maissäcke sind noch da, Zucker gibt es seit zwei Tagen keinen mehr. Also müssen wir wieder nach Maralal fahren. Mit etwas Glück sind wir am dritten Tag mit einem Laster zurück. Anna bleibt im Laden, da ohne Zucker wesentlich weniger Betrieb ist.
In Maralal herrscht ebenfalls Zuckerknappheit. Es werden keine Hundertkilosäcke verkauft, der Nachschub ist noch nicht eingetroffen. Ohne Zucker lohnt es sich nicht, nach Barsaloi zurückzufahren. Als nach drei Tagen endlich Zucker eintrifft, werden die Säcke rationiert vergeben. Statt zwanzig Säcken bekommen wir nur acht. Am fünften Tag können wir wieder mit einem Lastwagen abfahren.
In den Tagen in Maralal habe ich einige neue Sachen besorgt, die begehrten Kangas, Kautabak für die Alten und sogar zwanzig Paar Reifen-Sandalen in jeder Größe. Leider reicht das verdiente Geld nicht aus für die Neuanschaffungen. Ich brauche Geld von der Bank und nehme mir vor, den Kilopreis für Mais und Zucker etwas zu erhöhen, obwohl er staatlich vorgeschrieben ist. Aber bei den hohen Transportkosten ist es unmöglich, denselben Preis wie in Maralal zu verlangen.
Zusätzlich müssen wir das 200-Liter-Faß mit Benzin auffüllen.
Diesmal läßt mich Lketinga nicht al ein mit dem Landrover fahren, weil er befürchtet, erneut auf Elefanten oder Büffel zu stoßen. Doch wer sol den Lori begleiten? Lketinga schickt einen Bekannten mit, dem er glaubt vertrauen zu können.
Gegen Mittag fahren wir los und erreichen Barsaloi ohne Schwierigkeiten. Es ist wirklich merkwürdig: Wenn mein Mann dabei ist, läuft al es problemlos.
Im Shop herrscht absolute Ruhe. Anna kommt uns gelangweilt entgegen. In den fünf Tagen ist auch der Rest Maismehl verkauft worden. Nur ab und zu erscheint jemand, um Teepulver oder Omo zu erwerben. Die Kasse ist halb vol mit Scheinen, doch kontrol ieren kann ich es kaum, da ja noch einiges im Lager ist. Ich vertraue Anna.
Wir kehren in unsere Manyatta zurück, in der zwei Krieger friedlich schlafen. Ich bin nicht besonders erbaut, meine Manyatta besetzt vorzufinden, doch weiß ich, daß dies das Gastrecht gebietet. Alle Männer, die zur Altersgruppe von Lketinga gehören, haben das Recht, in unserer Hütte auszuruhen oder zu übernachten. Auch Chai muß ich ihnen anbieten. Während ich das Feuer entfache, unterhalten sich die drei Männer. Lketinga übersetzt mir, daß in Sitedi einem Krieger der Oberschenkel von einem Büffel aufgeschlitzt wurde. Er muß sofort mit dem Auto hin und ihn zum Arzt bringen. Ich bleibe da, weil der Lori in den nächsten zwei Stunden eintreffen muß. Mit ungutem Gefühl gebe ich meinem Mann den Autoschlüssel. Es ist die gleiche Strecke, auf der er vor einem Jahr den Wagen demolierte.
Ich gehe hinunter zu Anna, und wir bringen den Shop in Ordnung, damit alles bereit ist zum Abladen. Gegen Abend zünden wir die zwei neuen Petroleumlampen an. Zudem habe ich einen einfachen Holzkohle-Kocher besorgt, damit ich gelegentlich im hinteren Teil des Shops Tee oder Essen kochen kann.
Endlich kommt der Lori. Bald stehen wieder eine Menge Leute um den Shop. Das Abladen ist schnel erledigt. Diesmal zähle ich die Säcke mit, um sicher zu sein, ob alles dabei ist, doch wie sich herausstellt, ist mein Mißtrauen nicht angebracht. Als die Ware abgeladen ist, herrscht Chaos. Überall türmen sich Kartons, die wir noch ausräumen müssen.
Plötzlich steht mein Mann im Shop. Ich möchte wissen, ob alles in Ordnung ist. „No problem, Corinne, but this man has a big problem“, ist seine Antwort. Er hat den Verwundeten zum Buscharzt gebracht, der das Bein gesäubert und die 20 cm lange Wunde ohne Narkose genäht hat. Jetzt sei er bei uns in der Manyatta, weil er jeden Tag zur Kontrolle muß.
Lketinga hat in Maralal kiloweise Miraa eingekauft, das er zu guten Preisen weiterverkauft. Die ganzen Townpeople kommen wegen des Krautes, sogar zwei Somalis betreten zum ersten Mal unseren Shop. Auch sie sind scharf auf Miraa.
Mein Mann schaut sie böse an und fragt herablassend, was sie hier wollen. Mir ist sein Verhalten peinlich, weil die beiden freundlich sind und sie durch unser Business schon genug Schaden haben. Sie bekommen ihr Miraa und gehen. Gegen 21 Uhr ist der Shop soweit, daß wir morgen den Verkauf weiterführen können.
Als ich in meine Hütte krieche, liegt dort ein stämmiger Krieger mit einem dick verbundenen Bein. Er stöhnt leise vor sich hin. Ich frage, wie es ihm geht. Okay, ist seine Antwort. Doch das heißt hier noch lange nichts. Kein Sambura würde jemals das Gegenteil behaupten, auch wenn er kurz vor dem letzten Atemzug steht. Er schwitzt sehr, und es riecht stark nach einem Gemisch aus Schweiß und Jod. Als kurze Zeit später Lketinga in die Hütte kommt, hat er zwei Bündel Miraa dabei. Er spricht den Verletzten an, doch die Antwort kommt nur stockend. Vermutlich hat der Mann hohes Fieber. Nach einigem Hin und Her darf ich seine Temperatur messen.
Das Fieberthermometer zeigt 40,5 °C. Ich gebe dem Krieger fiebersenkende Medikamente, und kurze Zeit später schläft er ein. In dieser Nacht schlafe ich schlecht. Mein Mann kaut die ganze Nacht Miraa, und der verletzte Krieger stöhnt und schreit manchmal.
Während Lketinga bei seinem Gefährten bleibt, gehe ich am nächsten Morgen zum Laden. Das Geschäft läuft wie verrückt, da sich die Nachricht vom Zucker– und Maismehlnachschub wie ein Lauffeuer verbreitet hat. An diesem Tag macht Anna einen schlappen Eindruck. Immer wieder setzt sie sich. Zwischendurch rennt sie nach draußen und übergibt sich. Beunruhigt frage ich, was los ist. Doch Anna meint, es geht schon, viel eicht habe sie leichte Malaria. Ich schicke sie nach Hause, und der Mann, der unseren Lori begleitet hat, bietet sich an, mir zu helfen. Ich bin froh über diese Unterstützung, da er wirklich zupacken kann. Nach mehreren Stunden schmerzt mein Kreuz wieder fürchterlich. Ob es an der Schwangerschaft oder am ewigen Bücken liegt, weiß ich nicht. Nun bin ich Ende des dritten Monats, vermute ich. Außer einer kleinen Wölbung sieht man noch nichts. Mein Mann zweifelt inzwischen meine Mutterschaft an und meint statt dessen, ich hätte vielleicht ein Geschwür im Bauch.
Nach geraumer Zeit betritt Lketinga den Laden. Im ersten Moment stutzt er und herrscht den Mann an, was er hinter der Theke mache. Ich bediene weiter. Der Mann erzählt von Annas schlechtem Befinden und daß sie deswegen nach Hause ging. Wir arbeiten weiter, und mein Mann sitzt da und kaut immer noch Miraa, was mich ungehalten werden läßt. Ich schicke ihn zum Veterinär, um nachzuschauen, ob heute eine Ziege getötet worden ist, denn ich wil ein gutes Essen mit Fleisch und Kartoffeln machen. Mittags wil ich schließen, damit ich im hinteren Teil kochen und mich waschen kann. Doch Lketinga und der Helfer wollen durcharbeiten. Auf meinem neuen Holzkohleofen koche ich ein schmackhaftes Eintopfgericht. Endlich kann ich wieder einmal in Ruhe essen. Die Hälfte hebe ich für Lketinga auf. Mit vol em Magen kann ich besser arbeiten.
Nach 19 Uhr sind wir zu Hause. Der Verwundete hockt in unserer Hütte. Es scheint ihm besser zu gehen. Doch welch ein Chaos herrscht hier! Überall liegen abgefressene Miraa-Stengel und zerkaute Kaugummi-Klumpen herum. Der Kochtopf steht mit angeklebtem Maisessen neben der Feuerstelle, und rundherum liegen Essensbrocken, auf denen sich Ameisen tummeln. Dazu kommt der üble Geruch in der Hütte. Mir verschlägt es fast den Atem. Ich komme müde von der Arbeit und muß nun erst die Hütte säubern, ganz zu schweigen vom Topf für den Chai, den ich mit den Fingernägeln sauber kratzen muß.
Als ich meinen Unmut meinem Mann gegenüber äußere, stoße ich auf Unverständnis. In seinem Miraarausch fühlt er sich angegriffen und meint, ich wol e seinem Freund, der gerade mit dem Leben davongekommen ist, nicht helfen. Dabei verlange ich nur etwas Ordnung. Humpelnd verläßt der Krieger mit meinem Mann die Hütte, und sie gehen zu Mama. Ich höre eine heftige Diskussion und fühle mich ausgestoßen und einsam. Um meine Fassung nicht zu verlieren, krame ich meinen Kassettenrecorder hervor und höre deutsche Musik. Nach einiger Zeit streckt Lketinga seinen Kopf in die Hütte und schaut mich mißmutig an. „Corinne, what's the problem? Why you hear this music? What's the meaning?“
O Gott, wie soll ich ihm erklären, daß ich mich mißverstanden und ausgenützt fühle und Trost in der Musik suche? Er kann das nicht verstehen.
Ich nehme seine Hand und bitte ihn, sich neben mich zu setzen. Wir hören gemeinsam Musik und starren ins Feuer. Dabei spüre ich, wie langsam eine erotische Spannung entsteht, und kann sie genießen. Im Feuerschein sieht Lketinga phantastisch aus. Ich lege meine Hand auf seinen dunklen nackten Oberschenkel und fühle auch seine Erregung. Er schaut mich wild an, und plötzlich liegen wir uns in den Armen. Wir küssen uns. Zum ersten Mal habe ich den Eindruck, daß auch er Gefal en daran findet. Obwohl ich es immer wieder probiert habe, hatte Lketinga bis jetzt nie richtig Spaß daran, und deshalb scheiterten meine Versuche meistens sehr rasch. Doch nun küßt er mich und wird immer ungestümer. Endlich schlafen wir wieder miteinander. Es ist wunderschön. Als sich seine Anspannung löst, streicht er mir liebevol über meinen kleinen Bauch und fragt: „Corinne, you are sure, you have now a baby?“
Glücklich lache ich: „Yes!“ „Corinne, if you have a baby, why you want love? Now it's okay, I have given you a baby, now I wait for it.“
Natürlich bin ich etwas ernüchtert über diese Einstellung, doch nehme ich sie nicht mehr ganz so ernst. Wir schlafen zufrieden ein.
Der nächste Tag ist ein Sonntag. Unser Shop ist geschlossen, und wir beschließen, eine Messe von Giuliano anzuhören. Die kleine Kirche ist brechend vol.
Es sind fast nur Frauen und Kinder da. Einige Männer, wie der Veterinär mit Familie, der Arzt und der Buschlehrer sitzen auf einer Seite. Giuliano liest die Messe in Suaheli, und der Lehrer übersetzt in Samburu. Zwischendurch singen und trommeln die Frauen und Kinder. Im großen und ganzen läuft al es fröhlich ab. Lketinga ist der einzige Krieger, und dieser Kirchenbesuch ist sein erster und letzter zugleich.
Den Nachmittag verbringen wir gemeinsam am River. Ich wasche Kleider, und er putzt unser Auto. Endlich haben wir genügend Zeit für das Ritual des gegenseitigen Waschens. Es ist wie früher, und mit Wehmut denke ich an die Zeit zurück. Natürlich gefällt mir der Shop, unser Essen ist abwechslungsreicher geworden. Doch wir haben nicht mehr soviel Zeit für uns. Alles ist hektischer geworden. Trotzdem freue ich mich nach jedem Sonntag auf den Shop. Ich habe mich mit den Town-Frauen und einem Teil ihrer Männer angefreundet, die etwas Englisch sprechen. Langsam weiß ich, wer zu wem gehört.
Anna ist mir inzwischen ans Herz gewachsen. Seit ein paar Tagen hockt ihr Mann im Shop, da er Urlaub hat. Mich stört es nicht, im Gegensatz zu Lketinga. Bei jedem Soda, das Annas Mann trinkt, fragt er auf peinliche Weise nach, ob Anna dies verrechnet.
Es ist Zeit, erneut Zucker zu organisieren. Die Säcke sind seit ein paar Tagen leer, und deshalb kommen weniger Leute. Auch stehen die Schulferien an. So kann ich in Maralal Zucker besorgen und James nach Hause holen. Lketinga bleibt im Shop und wil Anna helfen, denn vom Maismehl haben wir noch etwa zwanzig Säcke, die wir verkaufen müssen, damit das Geld für eine Lastwagenfahrt reicht.
Ich nehme den bewährten Helfer mit. Er arbeitet gut und kann mir die schweren Säcke in den Landrover wuchten. Wie üblich wollen zwanzig andere Leute mit. Weil es jedesmal Ärger gibt, beschließe ich, etwas zu verlangen, damit ich die Benzinkosten nicht allein tragen muß. Sicher kommen dann nur diejenigen mit, die wirklich einen Grund haben. Die Menschentraube löst sich bei meiner Mitteilung rasch auf, übrig bleiben, fünf Personen, die den geforderten Betrag bezahlen.
Deshalb ist der Landrover nicht überfüllt. Wir fahren früh los, weil ich abends zurück sein will. Mit von der Partie ist der Wildhüter, der diesmal ebenfal s zahlen muß.
In Maralal steigen alle aus, und ich fahre zur Schule hinunter. Der Headmaster erklärt mir, die Schüler hätten erst ab 16 Uhr frei. Ich vereinbare mit ihm, drei bis vier Schüler nach Barsaloi mitzunehmen. Mein Helfer und ich besorgen in der Zwischenzeit drei Säcke Zucker, etwas Früchte und Gemüse. Mehr kann ich nicht laden, wenn ich die Burschen abholen will. Es bleiben mir zwei Stunden, und ich nutze die Zeit, um Sophia zu besuchen.
Sophia ist überglücklich, mich zu sehen. Im Gegensatz zu mir hat sie einige Kilo zugenommen, und ihr geht es gut. Sie kocht mir Spaghetti, ein Festessen nach so langer Zeit ohne Teigwaren. Kein Wunder, daß sie so rapide zunimmt! Ihr Rasta-Freund taucht kurz auf und verschwindet mit ein paar Freunden. Sophia beschwert sich, daß er sie seit der Schwangerschaft fast nicht mehr anschaut. Arbeiten will er auch nicht und verbraucht statt dessen ihr Geld für Bier und Freunde. Trotz der Bequemlichkeiten, die sie sich zugelegt hat, beneide ich sie nicht. Im Gegenteil: An Sophias Beispiel wird mir bewußt, wieviel Lketinga leistet. Ich verabschiede mich mit dem Versprechen, jedesmal wenn ich in Maralal bin, kurz vorbeizukommen. Meinen Helfer und den Wildhüter hole ich beim vereinbarten Treffpunkt ab. Wir fahren zur Schule, und drei Burschen stehen bereit. James freut sich sehr, daß er abgeholt wird. Wir brechen sofort auf, weil wir vor der Dunkelheit zu Hause sein wollen.
Ende des 2. Bandes
Es folgt Band 3
Dschungelpfade
Der Wagen schlängelt sich die rote, staubige Straße hoch. Kurz vor der S-Kurve müssen der Wildhüter und ich lachen, denn wir denken beide an unser Elefantenerlebnis. Hinten im Wagen quatschen und lachen die Burschen. Kurz vor dem steilen Schräghang will ich den Vierrad einschalten. Ich bremse und bremse noch mal, doch der Wagen fährt einfach weiter auf den Todeshang zu. Entsetzt schreie ich: „No brakes!“ Gleichzeitig sehe ich, rechts geht nichts, da unmittelbar neben dem Weg die Schlucht beginnt, die von den Bäumen verdeckt ist. Also reiße ich, ohne weiter zu überlegen, das Steuer nach links, während der Wildhüter an der Tür manipuliert.
Wie durch ein Wunder kracht der Wagen über den Beginn der immer höher werdenden Felsmauer. Wo ich auffahre, beträgt die Höhe etwa 30 cm. Wären wir nur ein kleines Stück weiter gewesen, wäre mir nichts anderes übrig geblieben, als frontal auf die Felswand zu fahren. Ich bete, der Wagen möge in den Büschen hängen bleiben, die Plattform beträgt höchstens fünf bis sechs Meter, dann geht es steil in den Dschungel hinunter.
Die Burschen sind in heller Aufregung, und der Wildhüter ist grau im Gesicht.
Endlich bleibt der Wagen hängen, etwa einen Meter vor dem Ende des Plateaus. Ich zittere so sehr am ganzen Körper, daß ich unfähig bin auszusteigen. Die Schüler klettern aus den Fenstern, da wir vorne bewegungslos hocken und dadurch die hintere Wagentüre verschlossen bleibt. Mit weichen Knien steige ich nun doch aus, um den Schaden zu begutachten. In diesem Moment beginnt der Wagen, sich langsam zu bewegen. Geistesgegenwärtig schnappe ich den erstbesten Stein und lege ihn unter ein Rad. Die Burschen finden heraus, daß das Bremskabel herausgerissen ist. Ratlos und geschockt stehen wir um das Fahrzeug, keine drei Meter vom Todeshang entfernt.
Wir können unmöglich hier im Busch bleiben, meint der Wildhüter, obwohl er diesmal bewaffnet ist. Es wird außerdem verdammt kalt, sobald es dunkel ist. Nach Barsaloi ohne Bremse weiterzufahren, ist genauso unmöglich. So bleibt nur der Rückweg nach Maralal, den ich, schlimmstenfalls im Vierrad, auch ohne Bremse schaffe. Zuerst muß der lange Wagen auf diesem schmalen Plateau gewendet werden. Wir suchen große Steine, und ich fahre vorsichtig an. Mehr als einen halben Meter nach vorne kann ich nicht, deshalb müssen mich die Burschen mit Steinen unter jedem Rad stoppen. Dann folgt dasselbe Manöver rückwärts, wobei ich nahezu nichts sehen kann. Mir läuft der Schweiß über das Gesicht, und ich bete zu Gott, daß er uns helfen möge. Nach diesem Erlebnis, bei dem wir knapp dem Tod entronnen sind, bin ich absolut überzeugt, daß es ihn gibt. Nach mehr als einer Stunde ist das zweite Wunder vollbracht, der Wagen ist gewendet.