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Packeis
  • Текст добавлен: 12 октября 2016, 05:46

Текст книги "Packeis"


Автор книги: Clive Cussler


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Триллеры


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10

Der infernalische Lärm war der schlimmste Teil ihres Abstiegs in den Höllenschlund.

Die Trouts konnten die Augen zukneifen, damit sie nicht in den tiefen, wirbelnden Schacht blicken mussten, doch es war unmöglich, die betäubenden Lärmkaskaden auszublenden, die in einem fort auf sie einstürzten. Jedes Molekül in ihren Körpern schien von diesen Klang– und Geräuschattacken zu vibrieren. Der Lärm raubte ihnen ihre letzte Annehmlichkeit: die Fähigkeit zu reden. Sie konnten sich nur noch mit Gesten und dem Drücken der Hände untereinander verständigen.

Die herabstürzenden Wassermassen auf dem Grund des Strudels erzeugten ein stetiges Donnergrollen, als ob sich hundert Gewitter versammelt hätten, um sich gemeinsam zu entladen. Der Krach wurde durch die Trichterform des Wasserwirbels noch verstärkt. Noch entsetzlicher war das laute Schnauben und Schlürfen, das vom Grund heraufdrang, als würde das Zodiac in den gierigen Rachen eines riesigen gefräßigen Schweins hineingezogen.

Das Zodiac mit seinen beiden Passagieren war etwa zwei Drittel der steilen Innenwand des Trichters hinabgerutscht. Je mehr der Durchmesser des Trichters sich verringerte, desto schneller wurde die kreisförmige Strömung, bis das Schlauchboot herumgewirbelt wurde wie ein Salatblatt auf dem abfließenden Wasser in einer Küchenspüle.

Je tiefer das Boot sank, desto düsterer wurde das unterweltartige Szenario, das sie umgab. Die dichten Nebelschwaden, die vom Grund des Strudels hochwallten, verschluckten in zunehmendem Maß das wenige Sonnenlicht, das in den Trichter drang. Beide Trouts litten unter einem heftigen Schwindelgefühl, das durch die ständige Drehbewegung hervorgerufen wurde. Die mit Wasser gesättigte Luft wäre auch ohne die erstickenden Ausdünstungen vom Grund des Schachtes kaum atembar gewesen: eine Übelkeit erzeugende Mischung aus Salz, Fischen, Fäulnis und Unrat, die stank wie der seit Ewigkeiten nicht gesäuberte Laderaum eines Fischkutters.

Das Boot hatte die gleiche schräge Lage parallel zur Innenwand des Strudels beibehalten. Gamay und Paul saßen so dicht nebeneinander, als wären sie an den Hüften zusammengewachsen. Sie klammerten sich an die Sicherheitsleine des Bootes und gaben einander zusätzlichen Halt. Sie waren benommen vor Erschöpfung von ihrem Ritt in einer halb stehenden, halb sitzenden Position, die Körper verdreht und die Füße unter dem unteren Randwulst verkeilt. Nässe war durch ihre Regenhäute gedrungen, tränkte ihre Kleidung, und eisige Kälte verschlimmerte ihre prekäre Lage.

Je schneller sie sanken, desto klarer wurde ihnen, dass ihre Leiden schon in Kürze enden würden. Es konnte nur noch Minuten dauern, bis sie völlig von den hochgeschleuderten Nebelschwaden verschluckt würden. Gamay reckte den Kopf und blickte nach oben, um vielleicht ein letztes Mal die Sonne sehen zu können. Sie blinzelte und konnte nicht glauben, was ihre Augen registrierten.

Ein Mann baumelte über dem Schlauchboot. Er zeichnete sich als Silhouette vor dem matten Sonnenlicht ab, und obwohl sie sein Gesicht nicht erkennen konnte, ließen seine breiten Schultern keinen Zweifel zu.

Kurt Austin.

Er hing an einem Seil, das an einem Helikopter befestigt war. Er winkte mit einem Arm und brüllte sich fast die Seele aus dem Leib, doch das Getöse des Strudels übertönte sowohl seine Stimme als auch den Lärm der wirbelnden Rotoren.

Gamay rammte Paul einen Ellbogen in die Seite. Er brachte ein grimmiges Lächeln zustande, als er ihrem deutenden Finger folgte und Austin bei seiner Peter-Pan-Imitation über ihren Köpfen bemerkte.

Der Helikopter hielt sich über dem Zodiac und folgte seiner Bahn an der Innenseite des Wasserwirbels entlang. In einer atemberaubenden Demonstration seiner Flugkunst hatte Zavala den Hubschrauber in Schräglage versetzt, um zu vermeiden, dass die Rotoren die Wasserwand des Trichters berührten. Ein falsches Manöver, eine Kursabweichung von wenigen Zentimetern, und der Hubschrauber würde in einem Wirbel zerbrochener Rotorflügel auf das Schlauchboot stürzen.

Die Rettungsaktion war in höchster Eile improvisiert worden. Während der Helikopter in den Strudel hinabtauchte, hatte Austin einen winzigen gelben Fleck tief unten an der Innenseite des Trichters entdeckt. Er erkannte Trouts Regenanzug auf Anhieb und machte Zavala darauf aufmerksam.

Der Helikopter folgte dem rotierenden Schlauchboot wie ein Streifenwagen auf der Jagd nach einem Raser. Austin klinkte schnell einige Gurtsysteme in die Rettungsleine ein. Mit einem Fuß in einer dieser Schlingen und einer Hand in einer anderen schwang er in den von den Rotoren und von den rotierenden Wassermassen erzeugten Luftwirbeln hin und her.

Trout gab Gamay ein Zeichen, es als Erste zu versuchen. Sie gab Austin durch ein Winken zu verstehen, dass sie bereit war. Der Helikopter sank tiefer, bis die untere Schlinge der Strickleiter sich knapp dreißig Zentimeter über ihren ausgestreckten Händen befand.

Austin war bis zum unteren Ende der Behelfsleiter hinabgestiegen in der Hoffnung, dass sein Gewicht sie stabilisieren würde. Doch die Leine zuckte und schlug hin und her wie eine Bullenpeitsche.

Die Rettungsleine berührte Gamays Fingerspitzen, entglitt jedoch ihrem Zugriff. Sie versuchte noch zweimal, die Schlinge zu fassen, doch ohne Erfolg. In einer verzweifelten Aktion streckte sie ihren Körper und zog sich hoch, bis sie auf dem oberen Randwulst des Schlauchboots hockte.

Die Leine sank abermals herab. Gamay kämpfte um ihr Gleichgewicht, reckte die Arme hoch wie eine Volleyballspielerin beim Blocken und erwischte diesmal die untere Gurtschlinge mit beiden Händen.

Sie löste sich vom Boot und hing frei in der Luft. Dank des Gewichts von zwei Körpern ließ das Schaukeln der Rettungsleine deutlich nach. Sie hielt sich mit einer Hand fest, griff mit der anderen nach der nächsten Gurtschlinge und zog sich hoch. Das Seil begann sich zu drehen, während sie daran emporkletterte, und verstärkte ihr Schwindelgefühl.

Sie erlebte einen Moment der Schwäche und wäre sicherlich abgestürzt, doch Austin erkannte, dass sie in Schwierigkeiten war. Er verrenkte sich, beugte sich hinab, bekam ihr Handgelenk zu fassen und hievte sie zur nächsten Gurtschlinge hoch. Sie legte den Kopf in den Nacken, sah Austins angespanntes Lächeln dicht über ihr und schickte ihm einen stummen Dank.

Da die unterste Schlinge nun frei war, ergab sich für Trout die Chance, das Schlauchboot zu verlassen. Er reckte einen Arm zum Zeichen, dass er ebenfalls bereit war. Die Leine näherte sich bis auf wenige Zentimeter seiner ausgestreckten Hand. Während Trout sich bemühte, die Leine zu ergreifen, wurde der Helikopter von einem Luftwirbel herumgeworfen, so dass er der steilen Wasserwand gefährlich nahe kam. Trouts Finger griffen ins Leere, und er verlor beinahe sein Gleichgewicht.

Zavala hatte Mühe, das zusätzliche Gewicht auf der einen Seite des Helikopters auszugleichen. Mit unendlich behutsamen Manövern brachte er den Hubschrauber wieder in seine ursprüngliche Position. Trout konzentrierte sich auf die unterste Gurtschlinge, berechnete den Abstand und warf sich dann, indem er den Luftwulst des Schlauchbootes wie ein Sprungbrett benutzte, nach oben und packte die Leine. Mit einer Hand hing er nun an der Schlinge, schaffte es jedoch nicht, mit der anderen Hand die nächsthöhere Stufe zu erreichen, während er sich im Wind drehte.

Der Helikopter begann mit einem langsamen Aufstieg, wobei er sich schräg halbwegs parallel zur steilen Innenwand des Strudels bewegte. Die Wasserwände wichen zurück, während der Helikopter an Höhe gewann. Sie hatten etwa die Hälfte des Trichters erreicht, als das Schlauchboot eine letzte Kreisbahn ausführte und im schäumenden Inferno auf dem Grund des Kessels verschwand. Kurz darauf befand der Helikopter sich in gleicher Höhe der Meeresoberfläche, dann darüber. Schließlich lenkte Zavala zur Seite und entfernte sich von dem Strudel.

Trout hatte es nicht geschafft, sich zur nächsten Gurtschlinge hochzuziehen. Nach wie vor hing er mit einer Hand am Rettungsseil. Seine Finger waren wund vom rauen Material der Leine. Er hatte das Gefühl, als würde sein Ellenbogengelenk jeden Moment nachgeben. Während des gesamten Aufstiegs hatte er sich am Ende des hin und her schwingenden Seils gedreht.

Zavala bemühte sich, trotz der Notwendigkeit, eine sichere Distanz zwischen den Helikopter und den Strudel zu bringen, die zusätzliche Belastung, der seine menschliche Fracht durch die Erhöhung der Geschwindigkeit des Helikopters ausgesetzt würde, so gering wie möglich zu halten.

Der Helikopter hatte sich knapp achtzig Meter vom Rand des Strudels entfernt, als Trouts Kräfte versagten. Er verlor den Halt, stürzte ab und schlug hart aufs Wasser auf.

Er hatte das Glück, mit den Füßen zuerst einzutauchen. Seine Beine federten den Aufprall ab, doch seine Knie wurden bis in Brusthöhe hochgedrückt und pressten die Luft aus seiner Lunge. Er versank einige Meter tief, bevor der Auftrieb seiner Schwimmweste wirksam wurde. Meerwasser spuckend tauchte er auf. Trout hatte geglaubt, dass sein Körper nicht noch mehr abkühlen konnte, jedoch belehrte die eisige Atlantikkälte, die sofort in seine Knochen drang, ihn eines Besseren.

Zavala spürte einen leichten Ruck, als seine Last schlagartig leichter wurde, und gelangte sofort zu dem Schluss, dass er einen seiner Passagiere verloren hatte. Er flog mit dem Helikopter eine enge Kurve, blieb für einen kurzen Moment in der Luft stehen, dann ging er hinunter, damit sein Freund die Leiter erreichen konnte. Zum zweiten Mal an diesem Tag griff Trout nach dem Seil. Doch seine steifen, wunden Finger verfehlten die Schlinge um einige Zentimeter, und gleichzeitig spürte er, wie er von einem starken Sog erfasst wurde. Trout war ein guter Schwimmer, der sein ganzes Leben am Meer verbracht hatte, doch je energischer seine Schwimmzüge wurden, desto weiter entfernte er sich von dem Seil.

Der Helikopter versuchte, auf seiner Höhe zu bleiben.

Die Strömung zerrte Trout mit derartiger Gewalt mit sich, dass er sich nicht lange genug an einem Punkt im Wasser halten konnte, um die Gurtschlinge zu erreichen. Er versuchte es immer wieder. Schnell trieb er zurück zum Rand des Strudels, wurde in das ringförmige Wellensystem hineingezogen und glitt durch die schäumende Gischt.

Er konnte nichts anderes tun, als den Kopf über Wasser zu halten, um halbwegs atmen zu können. Der Strudel schien wenigstens einen der Menschen zurückzuholen, der die Dreistigkeit besaß, sich seinem Zugriff zu entziehen.

Die Strömung trug ihn in eine Kreisbahn. Trout kämpfte, um den Kopf unter den brandungsähnlichen Bedingungen, die in der Umgebung des Strudels herrschten, über Wasser zu halten.

Austin hatte nicht vor, seinen Freund aufzugeben. Er zog sich Hand über Hand nach oben und zurück in den Helikopter. Dann spreizte er die Beine, packte das Seil mit beiden Händen und hievte Gamay an Bord.

Er gab ihr einen eiligen Kuss auf die Wange, dann warf er das Seil wieder durch die offene Tür und kletterte hinunter zum Ende der Behelfsleiter.

Zavala folgte Trout auf seinem Weg durch den schäumenden Ring. Erneut brachte er den Hubschrauber nach unten, bis sich das Seil in Trouts Reichweite befand. Trout unternahm einen mühsamen Versuch, das Seil zu fassen, doch abermals entglitt es seinen Händen.

Austin vermutete, dass Trout zu schwach war, um sich aus eigener Kraft hochzuziehen. Er sah, wie Gamay ängstlich aus dem Helikopter zu ihm hinuntersah. Er winkte ihr zu, holte tief Luft und sprang aus dem Helikopter.

Er landete einige Meter von Trout entfernt im Wasser und schwamm auf seinen Freund zu. Trout krächzte wie ein Ochsenfrosch mit Halsentzündung.

»Was … zum … Teufel … tust … du … hier?«

»Es sah so aus, als würde dir das Bad Spaß machen, daher wollte ich dir ein wenig Gesellschaft leisten.«

»Du bist verrückt!«

Austin quittierte diese Feststellung mit einem müden Grinsen. Er verknüpfte ihre Schwimmwesten miteinander, schaute dann nach oben und sah den Helikopter über ihren Köpfen auftauchen.

Austin winkte, und Zavala leitete einen weiteren Rettungsversuch ein. Nach mehreren Anflügen erkannte Austin, dass er die Reflexe einer Klapperschlange entwickeln müsste, um das hin und her schlagende Seil zu erreichen. Das kalte Wasser zehrte seine Energie auf, und er wusste, dass er nur eine verschwindend geringe Chance hatte, sie beide aus dem Wasser zu ziehen. Doch er versuchte weiterhin sein Glück und bemerkte nicht, dass etwas Merkwürdiges geschah.

Sie bewegten sich merklich langsamer in dem Strudel. Die Steilheit der Wasserwände im Strudeltrichter nahm ab. Er glaubte, seine Sinne spielten ihm einen Streich oder er sei das Opfer einer optischen Täuschung, aber nach wenigen Sekunden erkannte er, dass der Boden des Strudels allmählich nach oben stieg und der Trichter die Form einer Schüssel annahm.

Der Schaumring schien sich ebenfalls zu beruhigen. Die Wellen glätteten sich.

Der Boden stieg weiter hoch. Gleichzeitig nahm die Geschwindigkeit, mit der die Strömung sie mit sich zog, ab, bis sie nur noch träge im Wasser trieben.

Zavala hatte die Veränderung des Wasserwirbels registriert und lenkte den Hubschrauber ein weiteres Mal dicht über die um ihr Leben kämpfenden Gestalten.

Austin verspürte einen adrenalinbedingten Schub neuer Energie. Er streckte sich, und seine Finger schlossen sich um das Seil. Gamay bediente es und ließ ausreichend Länge nach. Seine kalten Finger zogen das Seil unter Trouts Achselhöhlen hindurch, dann wickelte er es um seinen eigenen Körper. Anschließend gab er Zavala ein Zeichen, sie hochzuhieven.

Während sie in die Luft stiegen und die Wellen unter ihnen zurückblieben, konnte Austin beobachten, wie das NOAA-Schiff und die Throckmortonmit hoher Fahrt auf sie zusteuerten.

Er blickte nach unten, und seine Augen weiteten sich bei dem Anblick, der sich ihm darbot. Der Strudel war praktisch verschwunden, und an seiner Stelle befand sich ein weiter, dunkler Kreis langsam rotierenden Wassers, in dem jede Menge ozeanischen Mülls trieb.

In der Mitte des Kreises stiegen Luftblasen auf, wie sie entstehen, wenn ein Taucher im Begriff, ist zur Wasseroberfläche aufzusteigen, nur viel größer. Dann wölbte das Wasser sich zu einem grünlich weißen Hügel auf, und ein riesiges Objekt tauchte aus dem Meer auf und wälzte sich in den Wellen.

In seinem Todeskampf hatte der Mahlstrom ein Schiff herausgewürgt.

11

Das LA-250 Renegade Wasserflugzeug war der felsigen Küste von Maine bis nach Camden gefolgt, wo es über einer Kette schwanengleicher Segelschiffe kreiste, die soeben den malerischen Hafen verließen, und flog nun über die Penobscot Bay nach Osten. Sein Ziel war eine birnenförmige Insel, die durch den rot-weiß gestreiften Leuchtturm markiert wurde, der auf einer hohen Felsformation an ihrem schmalen Ende aufragte.

Das Flugzeug landete in der Nähe des Leuchtturms auf dem Wasser und steuerte eine Vertäuboje an. Zwei Männer stiegen aus dem Flugzeug und kletterten in ein Boot mit Außenbordmotor, das an der Boje vertäut war, und nahmen Kurs auf einen Holzpier, an dem ein Powerboot und ein Achtundvierzig-Fuß-Schoner lagen. Sie verließen das Boot und gingen über den Pier zu einer steilen Treppe, die an einer zerklüfteten Klippe nach oben führte.

Die Strahlen der hellen Mainesonne wurden von Spider Barretts kahl rasiertem Schädel und der farbigen Tätowierung reflektiert. Barrett sah aus, als könne er ganz alleine einen Biker-Aufstand anzetteln. Er trug schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt, das den Blick auf dicke, mit Schädeltätowierungen bedeckte Arme erlaubte. Seine Augen waren hinter den blau verspiegelten Gläsern einer Sonnenbrille verborgen. Ein goldener Ring baumelte an einem Ohrläppchen, ein silberner Knopf zierte seine Nase, und um den Hals trug er eine silberne Kette, an der ein Eisernes Kreuz hing.

Der Hell’s-Angels-Look war irreführend. Obgleich Barrett ein Vermögen an klassischen Harley-Davidson-Motorrädern besaß, war er ein Elitestudent des Massachusetts Institute of Technology, wo er ein Diplom in Quantenphysik erworben hatte.

Der Pilot, Mickey Doyle, war gedrungen und sah aus wie eine wandelnde Bar für Sportfans. Er trug ein Celtics-T-Shirt und ein New-England-Patriots-Sweatshirt mit Reißverschluss. Eine Red-Sox-Baseballmütze saß auf einem Wust widerspenstiger Haare, die die Farbe von Karottensaft hatten. Außerdem kaute er auf einem dicken Zigarrenstummel. Aufgewachsen war Doyle im verrufenen, vorwiegend von der Arbeiterklasse bewohnten South Boston. Er verfügte über eine wache, mit straßenköterhafter Raffinesse gepaarte Intelligenz und einen altmodischen irischen Humor. Hinzu kam ein stets entwaffnendes Lächeln, das den arglosen Gesprächspartner täuschte, jedoch die Härte in seinen blauen Augen nicht mildern konnte.

Ein Mann mit einer Maschinenpistole unter dem Arm tauchte aus einem Dickicht niedriger Blaubeerbüsche auf. Er trug einen Tarnanzug, und auf seinem Kopf saß schräg eine schwarze Baskenmütze, die ihm ein verwegenes Aussehen verlieh. Er betrachtete die Männer ausgesprochen feindselig, deutete mit dem Lauf der MP auf die Felswand und folgte ihnen dann mit einigen Schritten Abstand. Dabei hielt er seine Waffe wachsam im Anschlag.

Am Fuß des Felsens betätigte der Wächter eine Fernbedienung, und eine als Felsen getarnte Tür öffnete sich. Dahinter wartete eine Liftkabine, die sie schnell nach oben zum Leuchtturm brachte.

Als sie aus dem Leuchtturm traten, erblickten sie Tristan Margrave, der Holz gehackt hatte und es soeben zu einem Stapel aufschichtete. Er legte seine Axt beiseite, winkte dem bewaffneten Wächter und kam herüber, um die Neuankömmlinge mit Handschlag zu begrüßen.

»Damit dürften Ruhe und Frieden für mich wohl beendet sein«, stellte er fest, während die Andeutung eines Grinsens über sein schmales Satansgesicht glitt.

Er überragte seine beiden Besucher um etwa dreißig Zentimeter. Obgleich seine Hände vom Holzhacken Schwielen aufwiesen, war er weder ein Arbeiter noch ein Reporter der New York Timesnamens Barnes, als der er sich Detective Frank Malloy vorgestellt hatte. Er hatte Barrett am MIT kennen gelernt, wo er ein Diplom in Computertechnik erworben hatte. Während ihrer späteren Zusammenarbeit hatten sie innovative Computerprogramme entwickelt, die sie zu mehrfachen Millionären gemacht hatten.

Barrett verfolgte, wie der Wächter sich entfernte und zwischen den Bäumen verschwand. »Als ich das letzte Mal hier war, hattest du noch keinen Wachhund.«

»Er gehört zu der Sicherheitsfirma, die ich engagiert habe«, erwiderte Margrave wegwerfend. »Ein Trupp von ihnen kampiert ein Stück die Küste hinunter auf der Insel. Gant und ich fanden, dass es vielleicht ganz gut wäre, sie anzuheuern.«

»Und was Gant sich wünscht, das kriegt er.«

»Ich weiß, dass du den Burschen nicht magst, aber Jordan ist lebenswichtig für unsere Bemühungen. Wir brauchen seine Stiftung, um die politischen Zugeständnisse zu erreichen, über die wir nach Abschluss unserer Arbeit verhandeln werden.«

»Ist Lucifer’s Legion für dich nicht mehr gut genug?«

Margrave kicherte. »Meine sogenannte Legion begann sich aufzulösen, sobald von Disziplin die Rede war. Du weißt, dass Anarchisten Autorität per se hassen. Ich brauchte Profis. Heutzutage nennen sie sich ›Berater‹ und verlangen ein Vermögen für ihre Dienste. Er hat lediglich seinen Job gemacht.«

»Und was istsein Job?«

»Dafür zu sorgen, dass keine unbefugten Besucher sich auf die Insel verirren.«

»Hast du denn Besucher erwartet?«

»Unser Unternehmen ist zu wichtig, als dass wir uns einen Fehlschlag leisten können.« Margrave grinste. »Verdammt, was wäre, wenn jemand einen Typen mit einer Spinnentätowierung auf dem Schädel zu Gesicht bekäme und anfinge, neugierige Fragen zu stellen?«

Barrett zuckte die Achseln und warf einen Blick auf den Holzstapel. »Es freut mich, dass du konsequent nach deiner Retro-Philosophie lebst, aber das Zerkleinern des Holzes wäre mit einer Kettensäge erheblich einfacher gewesen. Du weißt, dass ich mir so ein Ding leisten kann.«

»Ich bin weder ein Neo-Anarchist noch ein Neo-Luddit. Ich glaube an die Technologie, wenn sie zum Nutzen der Menschheit eingesetzt wird. Außerdem ist die Kettensäge defekt.« Er wandte sich an den Piloten. »Wie war der Flug von Portland hierher, Mickey?«

»Gemütlich. Ich habe Kurs über Camden genommen in der Hoffnung, die schnuckeligen Segelboote würden deinen Partner aufheitern.«

»Warum muss er aufgeheitert werden?«, fragte Margrave. »Er ist im Begriff, in den Olymp der Wissenschaft aufgenommen zu werden. Was ist los, Spider?«

»Wir haben ein Problem.«

»Das hast du schon am Telefon angedeutet. Ich dachte, du hättest nur einen Witz gemacht.«

Barrett lächelte düster. »Diesmal nicht.«

»Ich glaube, in diesem Fall brauchen wir alle etwas zu trinken.« Margrave ging über einen gepflasterten Weg voraus und führte sie zu einem großen, zweistöckigen weißen Holzhaus, das neben dem Leuchtturm stand.

Als Margrave die Insel drei Jahre zuvor gekauft hatte, hatte er entschieden, das Wärterhaus in seinem alten Zustand zu belassen, in dem es die schweigsamen Männer beherbergt hatte, die den einsamen Leuchtturm bedienten. Die Kiefernholzwände waren getäfelt, und der abgewetzte Linoleumfußboden sowie die Spüle aus Schiefer und die Handwasserpumpe in der Küche gehörten zur ursprünglichen Einrichtung.

Margrave legte Doyle eine Hand auf die Schulter. »Hey, Mickey, Spider und ich haben einiges zu bereden. In der Speisekammer steht eine Flasche Bombay Sapphire. Sei so nett und mix uns ein paar Drinks. Im Kühlschrank steht Bier für dich.«

»Aye-aye, Captain«, sagte der Pilot lächelnd und salutierte.

Die beiden anderen Männer stiegen über eine eiserne Wendeltreppe in den zweiten Stock hinauf. Diese Etage, in der sich früher die Zimmer für den Leuchtturmwärter und seine Familie befunden hatten, war völlig entkernt und zu einem einzigen großen Raum umgebaut worden.

Die klinisch minimalistische Einrichtung bildete einen krassen Gegensatz zu dem altertümlichen Interieur im Parterre. Ein Laptopcomputer stand auf einem Tisch aus schwarzem Teakholz auf einer Seite des Raums. Ein Ledersofa mit verchromtem Stahlgestell und zwei Sessel auf der anderen Seite waren die einzigen Möbel. Fenster in drei Wänden boten einen atemberaubenden Blick auf die Insel mit ihren dichten Kiefernwäldern und auf das funkelnde Wasser der Bucht. Die Fenster standen offen, so dass der salzige Meergeruch hereindringen konnte.

Margrave gab Barrett durch ein Zeichen zu verstehen, er solle auf dem Sofa Platz nehmen, und ließ sich selbst in einen Sessel sinken. Wenige Minuten später erschien Doyle und servierte die Drinks. Er öffnete für sich eine Dose Budweiser und setzte sich an den Tisch.

Margrave hob das Glas zu einem Toast. »Auf dich, Spider. New York City mit seinem Lichterglanz wird nicht mehr so sein wie früher. Zu schade, dass niemand erfahren wird, was für ein Genie du bist.«

»Genie hat nichts damit zu tun. Der Elektromagnetismus bestimmt fast jeden Bereich unseres Lebens. Man braucht nur ein wenig mit den Magnetfeldern herumzuspielen, und schon löst man das größte Chaos aus.«

»Das dürfte die Untertreibung des Jahrhunderts sein«, erwiderte Margrave und brach in brüllendes Gelächter aus.

»Du hättest das Gesicht des Cops sehen sollen, als sein Name auf jeder Schrifttafel am Times Square und auf dem Broadway erschien.«

»Ich wünschte, ich hätte dabei sein können, aber es war ganz einfach von meinem Haus aus zu bewerkstelligen. Der Locator in deinem Recorder hat das Ganze ermöglicht. Die entscheidende Frage ist nur, ob unsere Demonstration uns unserem Ziel auch nur einen Deut nähergebracht hat.«

Margraves Miene schien sich kurz zu verdüstern. »Ich habe die Berichte in den Medien verfolgt«, sagte er kopfschüttelnd. »Die Sensationsmaschine läuft auf vollen Touren. Die Eliten erklären, es sei ein reiner Zufall, dass die Störungen mit dem Weltwirtschaftstreffen zusammenfielen. Sie sind zwar besorgt, aber die Narren haben unsere Warnung nicht ernst genommen.«

»Zeit für einen weiteren Schuss vor den Bug?«

Margrave stand auf und ging zum Tisch. Er kam mit dem Laptopcomputer zurück, setzte sich wieder in den Sessel und drückte auf einige Tasten. Die einzige kahle Wand im Raum erwachte zum Leben, leuchtete auf und zeigte eine riesige elektronische Karte von den Ozeanen und den Kontinenten.

Das globale Bild setzte sich aus Daten zusammen, die von Satelliten, Meeresbojen und Dutzenden von Bodenstationen rund um den Erdball aufgesammelt und zusammengetragen worden waren. Kontinente erschienen als schwarze Silhouetten im Blaugrün der Meere. Zahlen von 1 bis 4 blinkten im Atlantik, zwei oberhalb des Äquators, zwei unterhalb. Ein ähnliches Muster zeigte sich im Pazifik.

»Die Zahlen zeigen an, wo wir den Meeresboden untersucht haben. Das von mir programmierte Computermodell sagt aus, dass wir den gewünschten Effekt auslösen, wenn wir all unsere Ressourcen in diesem Bereich des Südatlantiks konzentrieren. Die Zeit für Warnungen ist verstrichen. Die Eliten sind entweder zu dumm oder zu arrogant. In beiden Fällen sollten wir den dicken Hammer herausholen.«

»Und wann soll das geschehen?«

»Sobald wir alle Vorbereitungen abgeschlossen haben und zuschlagen können. Die einzige Sprache, die die Eliten verstehen, ist die Sprache des Geldes. Wir müssen ihnen tief in ihre Brieftaschen greifen.«

Barrett nahm seine Brille ab und blickte, offensichtlich tief in Gedanken versunken, ins Leere.

»Was ist los, Spider?«

»Ich denke, wir sollten die ganze Angelegenheit abblasen«, antwortete Barrett.

Margraves Gesicht machte eine erstaunliche Veränderung durch. Die V-förmigen Augenbrauen und sein Mund zeichneten sich noch schärfer ab. Der teuflisch schelmische Ausdruck war verschwunden. An seine Stelle trat nackte Bosheit. »Dir kommen offensichtlich Bedenken.«

»Wir reden hier nicht von irgendeinem Studentenulk, Tris. Du weißt genau, mit welchen Schäden zu rechnen ist, wenn das Ganze außer Kontrolle gerät. Es könnte Millionen Todesopfer geben. Es käme in der Wirtschaft und in der Natur zu gigantischen Störungen, von denen die Welt sich jahrzehntelang nicht erholen würde.«

»Wie sollte die Sache außer Kontrolle geraten? Du sagtest, du hättest alles im Griff.«

Barrett schien in sich zusammenzusinken.

»Ich hab mir selbst etwas vorgemacht. Nach dieser Geschichte mit dem Frachtschiff bei Punkt Eins habe ich mich wieder ans Zeichenbrett gesetzt. Danach habe ich eine Mini-Version unserer Anlage im Puget Sound getestet. Die Mörderwale haben verrückt gespielt. Sie haben eine ganze Schar Kinder angegriffen. Und einen Typen hätten sie sicherlich aufgefressen, wenn ich ihn nicht rechtzeitig aus dem Wasser gefischt hätte.«

»Hat jemand den Zapper gesehen?«

»Ja, ein Mann namens Kurt Austin. Ich habe seinen Namen schon mal in der Zeitung gelesen. Er arbeitet für die NUMA und führte ein Kajakrennen an, das gewaltsam beendet wurde. Er hat das Gerät nur ganz kurz gesehen. Er hat nicht die geringste Ahnung, wofür es da ist.«

Abermals schien eine düstere Wolke Margraves Gesicht zu verdunkeln. »Hoffentlich hast du Recht. Anderenfalls müssen wir Mr. Austin nämlich eliminieren.«

Barrett riss entsetzt die Augen auf. »Das soll wohl ein Scherz sein!«

Margrave lächelte. »Natürlich habe ich nur einen Scherz gemacht, alter Junge. Ich habe die Berichte von dem Angriff der Orcas gesehen. Was willst du mir erzählen, Spider, dass Orcas Raubtiere sind?«

»Nein, ich sage, dass mein Experiment ihre sensorischen Fähigkeiten beeinflusst hat, weil ich das elektromagnetische Feld nicht steuern konnte.«

»Na und?« Margrave zuckte die Achseln. »Niemand ist zu Schaden gekommen.«

»Hast du vergessen, dass wir eins unserer eigenen Schiffe verloren haben?«

»Es war von vornherein ein Todeskommando. Die Besatzung kannte die Gefahr. Sie wurden alle fürstlich für das Risiko bezahlt.«

»Was ist mit der Southern Belle?Diese Leute haben kein Geld gekriegt, um an unserem Experiment teilzunehmen.«

»Das ist doch längst Geschichte. Es war ein Unfall, mein Freund.«

»Verdammt noch mal, das weiß ich. Aber wir waren für ihren Tod verantwortlich.«

Margrave beugte sich in seinem Sessel vor. Seine Augen glühten fanatisch.

»Du weißt, warum mir dieses Unternehmen so sehr am Herzen liegt.«

»Es geht um Schuld. Du willst für die Margraves Sühne tun, weil sie ihr Vermögen mit dem Blut von Sklaven und dem Leben Opiumsüchtiger begründet haben.«

Margrave schüttelte den Kopf.

»Meine Vorfahren waren kleine Fische verglichen mit dem, was auf uns zukommt. Wir kämpfen gegen eine Konzentration von Macht, wie die Welt sie bisher noch nicht erlebt hat. Nichts kann den multinationalen Konzernen Paroli bieten, die die Herrschaft über die Welt mithilfe der WTO, der Weltbank und der IMF an sich reißen. Diese nicht gewählten, undemokratischen Einrichtungen ignorieren die Menschenrechte und tun, was sie wollen, ganz gleich, wie es sich auf jeden von uns auswirkt. Ich möchte den Menschen die Macht über die Erde, auf der sie leben, wieder zurückgeben.«

»Das klingt wie aus dem Mund eines Anarchisten klassischer Prägung«, stellte Barrett fest. »Ich stehe voll und ganz auf deiner Seite, aber Menschen zu töten scheint mir nicht der richtige Weg zu sein, das zu bewerkstelligen.«

»Der Verlust dieser Schiffe und ihrer Besatzungen tut mir aufrichtig leid. Es waren Unglücksfälle, gegen die man nicht gefeit ist. Wir sind weder blutgierig noch verrückt. Wenn wir unseren Plan durchziehen, dann ist dieses Schiff nur ein vergleichsweise geringer Preis, den wir zahlen mussten. Manchmal sind Opfer für eine große Sache eben nicht zu umgehen.«

»Soll der Zweck die Mittel heiligen?«

»Wenn es nötig ist.«

»Vielen Dank, Mr. Karl Marx.«

»Marx war ein Scharlatan, ein geschwollen daherredender Theoretiker.«

»Du musst zugeben, dass dieses Projekt auf einigen ziemlich unkonventionellen Theorien basiert. Der Marxismus war nicht mehr als eine unausgegorene Idee, ehe Lenin Das Kapitallas und Russland in ein Arbeiterparadies verwandelte.«

»Darüber zu diskutieren hat sicher seinen Reiz, aber kehren wir zu etwas zurück, worin wir uns beide einig sind. Technologie. Als wir diese Geschichte starteten, sagtest du, du hättest volle Kontrolle über die Mächte, die wir entfesseln.«


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