Текст книги "Packeis"
Автор книги: Clive Cussler
Жанр:
Триллеры
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20
Austin stand auf der Veranda seines Hauses und betrachtete das funkelnde Band, das hinter seinem Haus vorbeiströmte. Die Morgennebel hatten sich aufgelöst. Vom Potomac stieg ein Geruch von in der Sonne festgebackenem Schlamm und Wildblumen auf. Manchmal stellte er sich vor, dass der Fluss seine eigene Lorelei hatte, und zwar eine lüstern dreinblickende Südstaatenversion der deutschen Sirene, deren Gesang Rheinschiffer in den Tod lockte.
Ihrem unwiderstehlichen Ruf folgend, holte er sein sieben Meter langes Maas Rennskiff unter dem Bootshaus hervor und trug es vorsichtig die Rampe hinunter zum Wasser. Er stieg in das offene Cockpit, schob die Füße unter die Schlaufen, die mit dem Stemmbrett vernietet waren, fuhr auf dem Rollsitz einige Male vor und zurück, um seine Bauchmuskeln zu lockern, und justierte die Dollhaken am Ende der Ausleger auf maximale Leistung.
Dann stieß er sich ab in den Fluss, tauchte die Schaufeln seiner Concept 2 Composit Skulls ins Wasser, beugte sich vor und zog die Innenhebel zurück, wobei er sein Körpergewicht nutzte. Die drei Meter langen Skulls ließen das nadelschlanke Rennboot regelrecht durchs Wasser fliegen. Er steigerte seine Schlagzahl, bis die Anzeige des StrokeCoach ihm verriet, dass er seine übliche Frequenz von achtundzwanzig Schlägen pro Minute erreicht hatte.
Rudern war eine tägliche Routine und seine bevorzugte Trainingsart. Es erforderte mehr Technik als reine Kraft, und das Zusammenwirken von Geist und Körper, das nötig war, um das leichte Boot übers Wasser schießen zu lassen, war eine perfekte Methode, um das Geschnatter der Welt ringsum auszuschalten und seine Konzentration auf einen Punkt zu bündeln.
Während er an stattlichen alten Villen vorüberglitt, versuchte er, einen Sinn in den Ereignissen zu erkennen, die in seinem Kopf herumwirbelten wie der Strudel, der die Trouts beinahe in den Tod gezogen hatte. Eine Tatsache war wohl unwidersprochen. Jemand hatte eine Möglichkeit gefunden, die Ozeane gezielt und willkürlich in Wallung zu bringen.
Aber zu welchem Zweck? Welcher Gewinn war daraus zu ziehen, dass man Killerwellen und riesige Mahlströme erzeugte, die fähig waren, ganze Schiffe zu verschlingen? Und wer war in der Lage, derart unvorstellbare und gottgleiche Kräfte zu entwickeln?
Aus den Augenwinkeln bemerkte Austin eine Bewegung, die seine Überlegungen unterbrach. Ein anderes Skiff kam auf gleiche Höhe. Austin stellte seine Skullschaufeln auf und stoppte. Der andere Ruderer tat das Gleiche. Sie musterten einander. Sein unerwarteter Gefährte entsprach nicht den ordentlichen athletischen Typen, denen er bei seinen morgendlichen Ruderaktivitäten häufig begegnete. Zuerst einmal quollen lange Rastalocken unter seiner braunen Baseballmütze hervor. Dazu trug er eine Sonnenbrille mit blauen Gläsern.
»Guten Morgen«, sagte Austin.
Der Mann nahm die Mütze mit den daran befestigten Dreadlocks sowie die Sonnenbrille ab. »Verdammt, ist das Ding heiß!«, sagte er. Er grinste Austin an. »Haben Sie nicht vor kurzem an irgendwelchen Kajakrennen teilgenommen?«
Die Sonne beschien die bizarre Spinnentätowierung auf dem schweißnassen Schädel.
Austin lehnte sich nach vorne auf seine Skulls. »Hallo, Spider«, sagte er.
»Sie wissen, wer ich bin?«
Austin nickte. »Das Bob-Marley-Kostüm hatte mich für einen Moment getäuscht.«
Barrett zuckte die Achseln. »Das war das Beste, was mir auf die Schnelle einfiel. Ein Typ verhökerte diese Dinger am Andenkenstand in der Nähe der Bootsvermietung. Ich hatte die Wahl zwischen dem hier und Elvis.«
»Eine gute Entscheidung. Ich kann Sie mir wirklich nicht dabei vorstellen, wie Sie ›Hound Dog‹ singen«, sagte Austin. »Warum überhaupt eine Verkleidung?«
Barrett deutete auf einen Verband, der seinen Kopf zierte. »Jemand will mich töten.«
»Weshalb?«
»Das ist eine lange Geschichte, Kurt.«
Austin beschloss, einen Schuss ins Blaue abzufeuern. »Hat das etwas mit den niederfrequenten elektromagnetischen Impulsen zu tun?«
Der erstaunte Ausdruck auf Barretts Gesicht verriet, dass seine Frage ins Schwarze getroffen hatte. »Woher wissen Sie davon?«
»Das ist in etwa alles, was ich weiß.«
Barrett betrachtete blinzelnd die funkelnden Reflexe der Sonne auf den Wellen. »Wunderschön.«
»Das finde ich auch, aber Sie sind sicher nicht wegen der Landschaft hergekommen.«
»Da haben Sie Recht. Ich bin hier, weil ich einen Freund brauche.«
Austin machte mit dem Arm eine ausholende Bewegung.
»Sie befinden sich hier in freundlichen Gewässern. Wenn Sie und Ihr Boot nicht gewesen wären, hätten die Mörderwale mich als Imbiss verspeist. Kommen Sie mit in mein Haus und lassen Sie uns über alles reden.«
»Das ist keine gute Idee«, sagte Barrett mit einem verstohlenen Blick über die Schulter. Er griff in seine Hemdtasche und holte ein schwarzes Kästchen von der Größe einer Zigarettenschachtel hervor. »Dies verrät uns, ob in der Nähe irgendwelche elektronischen Überwachungseinrichtungen in Betrieb sind. Okay, im Augenblick ist alles sauber, aber ich möchte kein Risiko eingehen. Was dagegen, wenn wir weiterrudern? Mir macht es nämlich Spaß.«
»Nicht weit von hier ist eine Stelle, wo wir an Land gehen können«, sagte Austin. »Folgen Sie mir.«
Sie ruderten etwa dreihundert Meter und zogen dann die Boote auf ein flaches Ufer. Eine menschenfreundliche Seele hatte im Schatten der Bäume eine Picknickbank für müde Bootsfahrer aufgestellt. Austin teilte den Inhalt seiner Wasserflasche mit Barrett.
»Danke«, sagte dieser, nachdem er einige Schlucke getrunken hatte. »Ich bin total außer Form.«
»Aber nicht nach dem, was ich gesehen habe. Ich war ziemlich schnell unterwegs, als Sie mich einholten.«
»Ich gehörte zur Rudermannschaft des MIT. Ich war praktisch jeden Tag auf dem Charles River. Das ist schon lange her.« Er lächelte ein wenig wehmütig.
»Was war Ihr Hauptfach am MIT?«
»Quantenphysik mit Schwerpunkt Computerlogik.«
»Das sieht man Ihrem Hell’s-Angels-Look aber nicht an.«
Barrett lachte. »Das ist nur Schau. Ich war schon immer ein Computerfreak. Aufgewachsen bin ich in Kalifornien, wo meine Eltern beide Universitätsprofessoren waren. Zuerst war ich an der Caltech, um Computerwissenschaften zu studieren, dann ging ich ans MIT, um mein Diplom zu machen. Dort lernte ich Tris Margrave kennen. Wir setzten uns zusammen und kamen mit dem Bargrave Softwaresystem heraus. Wir verdienten uns damit mehrere goldene Nasen. Uns ging es richtig gut, bis Tris sich mit Lucifer einließ.«
»Lucifer? Dem Teufel?«
» Luciferwar eine Anarchistenzeitung, die im neunzehnten Jahrhundert in Kansas erschien. Damals nannten sie diese Leute ›Brandstifter‹. Es ist außerdem der Name einer kleinen Gruppe von Neo-Anarchisten, mit der Tris zu tun hat. Sie wollen die Leute stürzen, die sie die ›Eliten‹ nennen, nichtgewählte Persönlichkeiten, die den größten Teil des Reichtums und der Macht der Welt kontrollieren.«
»Wie passen Sie in dieses Bild?«
»Ich gehöre zu Lucifer. Das heißt, ich gehörtedazu.«
Austin betrachtete Barretts Kopftätowierung. »Sie kommen mir nicht gerade sehr konventionell vor, Spider, aber ist es nicht so, dass auch Sie und Ihr Partner einen beträchtlichen Anteil des Weltreichtums unter Kontrolle haben?«
» Absolut.Deshalb sind wir es, die diesen Kampf führen. Tris sagt, Männer von Reichtum und Bildung – also diejenigen, die am meisten zu verlieren hatten – starteten die amerikanische Revolution. Leute wie Hancock, Washington und Jefferson waren bekanntlich sehr wohlhabend.«
»Welche Rolle spielt Margrave bei Lucifer?«
»Tris bezeichnet sich selbst als die treibende Kraft Lucifers. Anarchisten haben wenig dafür übrig, einem Führer zu folgen. Es ist eine locker organisierte Gruppe von an die hundert gleichgesinnten Leuten, die mit einigen der aktiveren Neo-Anarchisten-Clubs sympathisieren. Einige Dutzend eher zur Gewalt neigende Typen nennen sich selbst ›Lucifer’s Legion‹. Ich hatte mehr mit der technischen als mit der politischen Seite des Projekts zu tun.«
»Was treibt Margrave an?«
»Tris ist brillant und skrupellos. Er fühlt sich schuldig wegen der Art und Weise, wie seine Familie ihr Vermögen mit Sklavenhandel und Alkoholschmuggel verdient hat, aber ich glaube, dass er im Wesentlichen von Macht besessen ist. Er hat mich in die Lucifer-Pläne eingeweiht.«
»Und wie sehen die aus?«
»Wir wollten die Machtgefüge der Eliten angreifen und erschüttern, damit sie unseren Wünschen nachgeben und auf einen Teil ihrer Macht verzichten.«
»Das ist aber ziemlich viel verlangt«, meinte Austin.
»Wem sagen Sie das? Wir gaben ihnen vor zwei Wochen in New York eine Kostprobe von dem, was ansonsten geschehen würde. Wir haben die Stadt für einen Zeitraum während einer großen Wirtschaftskonferenz lahmgelegt in der Hoffnung, sie zu Verhandlungen bewegen zu können, aber es war so ähnlich, als hätte eine Biene einen Elefanten gestochen.«
Austin hob eine Augenbraue. »Ich habe von dem Blackout gehört. Sie waren dafür verantwortlich?«
Barrett nickte. »Es war bloß eine kleine Demo, um ihnen zu beweisen, dass wir das totale Chaos auslösen können. Unsere langfristigen Pläne sehen vor, Kommunikation und Wirtschaft weltweit empfindlich zu stören.«
»Und wie wollen Sie das bewerkstelligen?«
»Indem wir eine Reihe von wissenschaftlichen Erkenntnissen benutzen, um ihre Kommunikations– und Transportsysteme zu stören und ein weltweites wirtschaftliches Chaos auszulösen.«
»Sie meinen wohl die Kovacs-Theoreme.«
Barrett starrte Austin an, als wäre ihm soeben ein zweiter Kopf gewachsen. »Sie haben wirklich Ihre Hausaufgaben gemacht. Was wissen Sie über die Theoreme?«
»Nicht viel. Ich weiß nur, dass Kovacs ein Genie war, das eine Möglichkeit gefunden hatte, mit niederfrequenten elektromagnetischen Impulsen die natürliche Ordnung durcheinanderzubringen. Er befürchtete, dass seine Theoreme, wenn sie in die falschen Hände geraten sollten, dazu benutzt werden könnten, das Wetter zu verändern und Erdbeben und andere Katastrophen auszulösen. Nach dem, was Sie mir über Ihre Lucifer-Freunde erzählt haben, scheinen sich seine Befürchtungen zu bewahrheiten.«
Barrett zuckte bei dem Begriff »Freunde« leicht zusammen, aber er nickte bestätigend. »Das ist insoweit richtig.«
»Wie weit geht es noch?«
»Wir haben versucht, eine polare Verschiebung auszulösen.«
»Sie meinen eine Verschiebung von Nord– und Südpol.«
»Der Magnetischen Pole. Wir wollten Kommunikationssatelliten ausschalten. Den weltweiten Handelsverkehr durcheinanderbringen und den Eliten einen Schuss vor den Bug geben. Absolut harmlose Dinge.«
Austins Miene verhärtete sich. »Seit wann werden Killerwellen, Schiffe verschlingende Strudel und der Verlust eines Frachtschiffs mitsamt Mannschaft als eher harmlos eingestuft?«
Barrett schien sich in sich selbst zu verkriechen. Austin befürchtete schon, dass sein heftiger Kommentar sein Gegenüber zum Schweigen gebracht haben könnte. Aber dann nickte Barrett bestätigend.
»Sie haben natürlich Recht. Wir haben nicht an die Konsequenzen gedacht, sondern uns nur mit den Mitteln dazu beschäftigt.«
»Und welche Mittel sind es?«
»Wir haben vier Schiffe gebaut und jedes mit einer Apparatur ausgerüstet, die auf den Kovacs-Theoremen beruht. Dann haben wir den Impuls in einem bestimmten Winkel auf einen besonders empfindlichen Punkt auf dem Meeresboden gelenkt. Die von jedem der Schiffe erzeugte Energie reicht aus, um eine Kleinstadt mit Strom zu versorgen, aber sie ist winzig klein im Vergleich mit der Erdmasse. An diesem Punkt greifen die Theoreme. Kovacs sagte, dass bei richtiger Frequenz die Impulse durch die Masse dessen verstärkt würden, in die sie eindringen sollen, so wie eine Tuba den Klang von Luft verstärkt, der durch einen Lippenspalt in sie hineingeblasen wird.«
»Ich habe den riesigen Strudel gesehen, den Sie erzeugt haben. Das war mehr als nur ein geschürztes Lippenpaar.«
»Einen Strudel?«
Austin lieferte ihm eine komprimierte, aber anschauliche Beschreibung des Mahlstroms und der Katastrophen, die er beinahe bewirkt hatte.
Barrett stieß einen Pfiff aus. »Ich weiß von den riesigen Wellen, die wir im Laufe eines unserer Tests erzeugt haben. Die Nebenwirkungen haben ein Frachtschiff und eines unserer Transmitter-Schiffe versenkt.«
»Manchmal gibt die See wieder heraus, was sie sich genommen hat. Der Strudel holte Ihr Transmitter-Schiff vom Meeresboden hoch. Ich konnte den Kahn untersuchen, ehe er endgültig versank.«
Barrett schien durch diese Enthüllung wie vor den Kopf geschlagen.
»Was geht da vor, Spider?«
Die Frage riss Barrett aus seiner kurzzeitigen Benommenheit.
»Wir hatten nicht mit den heftigen Meeresstörungen gerechnet, die durch die Veränderungen ausgelöst wurden, die wir am Magnetfeld der Erde vorgenommen haben. Nach dem, was Sie mir erzählen, dauerten die Störungen an, obgleich wir die Impulse gestoppt und die Schiffe ihre Positionen verlassen hatten. Offenbar hält die Bewegung des Magma unter der Erdkruste nach dem ersten Impuls an. Es ist ähnlich wie bei den Sekundärwellen auf einem Teich, nachdem man einen Stein ins Wasser geworfen hat. Das ist der gefährliche Teil der Theoreme. Und es ist das, was Kovacs große Sorgen gemacht hat. Nämlich die Unvorhersehbarkeit und Unberechenbarkeit des Ganzen.«
»Was taten Sie, als ich Sie im Puget Sound traf?«
»Nachdem die Southern Bellegesunken war, kehrte ich an den Zeichentisch zurück. Ich entwickelte einen Test, bei dem eine verkleinerte Version des Impulsgebers verwendet wurde.«
»Und hat das die Orcas zur Raserei gebracht?«
Er nickte.
»Was war das Problem?«
»Die Wellen spielten völlig verrückt. Wir hatten genaue Berechnungen angestellt, aber selbst wenn die Abweichung nur Nanosekunden ausmacht, können die Impulse wer weiß wohin gehen und alles Mögliche anrichten.«
»Also hat Kovacs sich geirrt?«
Barrett breitete die Arme aus. »Er hatte seine allgemeine Theorie als Warnung an die Welt veröffentlicht, jedoch die Information zurückgehalten, mit der sie funktioniert hätte. Sehen Sie, es ist wie mit der Atombombe. Sie finden Pläne für den Bau einer A-Bombe im Internet, und Sie können sogar Material und Teile beschaffen, um sie zu bauen. Aber solange Sie nicht wissen, wie die einzelnen Teile zusammenwirken, wird diese Bombe nicht funktionieren. Bestenfalls haben Sie am Ende eine schmutzige radioaktive Bombe. Und genau das haben wir hier: das elektromagnetische Äquivalent einer schmutzigen Bombe.«
»Der Verlust Ihres Schiffs dürfte das Projekt gestoppt haben«, sagte Austin.
»Sein Fortgang wurde nur verzögert. Wir hatten ein Schiff in Reserve. Es wird soeben für den großen Knall in Position gebracht.«
»Und wo wird der stattfinden?«
»Das hat Tris mir nicht verraten. Es gab eine ganze Reihe möglicher Orte. Die letzte Entscheidung trifft er alleine.«
»Wie sind Sie nur in diesen ganzen Wahnsinn hineingeraten?«
»Auf ziemlich unspektakuläre Weise, wie man eben in so etwas hineingerät. Es begann damit, dass ich Tris auf die Kovacs-Theoreme aufmerksam machte. Ich dachte, wir könnten daraus einen Vorteil für unsere Firma ziehen, aber er sah darin sofort eine Möglichkeit, seinem anarchistischen Anliegen Nachdruck zu verleihen. Er bat mich, ein System zu entwickeln, mit dem sich eine vorübergehende magnetische Verschiebung erzielen ließe. Ich betrachtete das Ganze als rein technische Herausforderung. Indem ich Kovacs’ Arbeiten als Grundlage benutzte, füllte ich die offenen Lücken.«
»Erzählen Sie mal von dem Anschlag auf Sie.«
Barrett betastete behutsam die Seite seines Kopfes. »Ich besuchte Tris auf seiner Insel in Maine. Mickey Doyle, der Tris’ Privatmaschine lenkt, hat versucht, mich umzubringen. Er täuschte einen Motorschaden vor und landete auf einem See. Seine Kugel streifte meinen Kopf, ich verlor eine Menge Blut. Gerettet wurde ich von zwei Anglern aus Boston. Einer von ihnen war zufälligerweise Arzt. Ich nannte ihm einen falschen Namen und haute ab, sobald sich die Gelegenheit ergab. Deshalb diese Rasta-Nummer. Ich will nicht, dass irgendjemand erfährt, dass ich noch am Leben bin, sonst bin ich nämlich wirklich tot.«
»Meinen Sie, dass Doyle auf Befehl Margraves handelte?«
»Ich glaube nicht, dass Tris dahintersteckte. Er wurde mir immer unheimlicher. Er ist größenwahnsinnig geworden. Er hat mittlerweile seine eigene Armee angeheuert, Typen, von denen er behauptet, sie seien nur für seine Sicherheit zuständig. Aber als ich Tris nach dem Untergang der Belleund nach dem Vorfall mit den Orcas mitteilte, ich wolle aus dem Projekt aussteigen, sagte er, er werde das Ganze auf Eis legen, bis ich Gelegenheit gehabt hätte, einiges neues Material zu sichten, auf das er gestoßen sei. Kurz bevor er auf mich schoss, fragte ich Mickey, ob Tris ihm den Auftrag gegeben hätte. Er antwortete, er arbeite für jemand anderen. Ich glaube nicht, dass er gelogen hat.«
»Daraus ergibt sich eine zwingende Frage. Wer könnte den Wunsch haben, Sie auszuschalten?«
»Mickey versuchte, mich davor zu warnen, mit meinem Wissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Als ich mich weigerte, wollte er mich töten. Wer immer es war oder ist, für den er arbeitet, will nicht, dass das Projekt gestoppt wird.«
»Würde das Projekt denn nicht sowieso scheitern, wenn Sie tot sind?«
»Jetzt nicht mehr«, meinte Barrett mit einem traurigen Lächeln. »So wie ich die Sache vorbereitet habe, kann Tris mit einem Minimum an Personal und technischer Ausrüstung die Schiffe in Position bringen und ihre Energie freisetzen.«
»Wer sonst hätte ein Interesse daran, dass der Plan Erfolg hat?«
»Es gibt eigentlich nur einen, von dem ich weiß, dass er über alles informiert ist. Jordan Gant. Er leitet Global Interests Network, kurz GIN. Es ist eine Stiftung in Washington, die in etwa die gleichen Interessen wie Lucifer verfolgt, nämlich den Kampf gegen den Missbrauch von industrieller Macht. Gegen Zollvereinbarungen, die der Umwelt schaden. Gegen Waffenverkäufe an unterentwickelte Länder. Tris sagt, Gants Stiftung gleiche der Sinn Fein, dem politischen Flügel der Irish Republican Party. Sie halten sich im Hintergrund und machen sich die Hände nicht schmutzig, mehr oder weniger, während die IRA die Geheimorganisation ist, die Gewalt einsetzt.«
»Demnach wäre eine Bedrohung von Tris’ Projekt auch eine Gefährdung der Ziele Gants.«
»Das wäre eine logische Schlussfolgerung.«
»Woher kommt Gant?«
»Er ist eine Art Renegat der Wirtschaftswelt. Er hat für die gleichen Gruppen gearbeitet, denen wir den Kampf erklärt haben, ehe er erleuchtet wurde. Er ist im Wesentlichen nur ein Aushängeschild. Redet wie gedruckt. Hat einen schmierigen Charme. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er hinter einem Mordplan steckt, aber man weiß ja nie.«
»Es ist eine Spur, die zu verfolgen sich auf jeden Fall lohnt. Sie sagten vorhin, Margrave habe Ihnen Material übergeben, von dem er hofft, dass es Sie umstimmt.«
»Er sagte, dass Kovacs eine Möglichkeit entdeckt habe, die Polumkehr zu stoppen, selbst wenn der Prozess schon begonnen hätte. Ich sagte, ich würde nicht aussteigen, wenn er mir einen funktionierenden Alarmplan vorlegen könne.«
»Wo würde er so etwas suchen?«
»Es gibt Hinweise, dass Kovacs den Krieg überlebt hat und in die USA ausgewandert ist, wo er erneut heiratete. Ich glaube, seine Enkelin weiß etwas darüber, wie man die Polumkehr aufhält, wenn nicht gar rückgängig macht. Sie heißt Karla Janos.«
»Weiß Gant das?«
»Das wird er wohl, wenn wir bei Doyle richtig liegen.«
Austin überlegte, welche Folgerungen sich daraus ergeben könnten. »Ms. Janos könnte zur wandelnden Zielscheibe werden. Sie sollte erfahren, dass man es auf sie abgesehen hat. Wissen Sie, wo sie wohnt?«
»In Alaska. Sie arbeitet an der Universität von Alaska in Fairbanks. Aber Tris meinte, sie befände sich auf einer Expedition in Sibirien. Dort friert sie vielleicht, aber sie dürfte einigermaßen sicher sein.«
»Nach dem, was Sie mir erzählten, haben Margrave und Gant einen langen Arm.«
»Das stimmt. Was sollen wir tun?«
»Wir müssen sie warnen. Für Sie dürfte es am sichersten sein, wenn Sie ›tot‹ bleiben. Wissen Sie, wo Sie sich verkriechen können? Haben Sie eine Bleibe, von der Margrave und Gant nichts wissen?«
»Ich habe einen Schlafsack auf meiner Harley und die Taschen voller Bargeld, so dass ich keine Kreditkarte benutzen muss, die man zurückverfolgen könnte. Meine Anrufe per Mobiltelefon laufen über mehrere Stationen, so dass es praktisch unmöglich ist, mir auf die Spur zu kommen.« Er holte den kleinen Kasten wieder aus der Tasche. »Ich habe dieses Ding zum Spaß gebaut. Damit kann ich Telefonanrufe bis zum Mond umleiten, wenn ich will.«
»Ich empfehle Ihnen, ständig in Bewegung zu bleiben. Rufen Sie mich morgen um diese Uhrzeit an, und wir werden bis dahin einen Plan haben.«
Sie schüttelten sich die Hände und kehrten anschließend zu ihren Booten zurück. Austin winkte zum Abschied und ging dann bei seinem Haus an Land, während Barrett sein Skiff zur Bootsvermietung zurückruderte, die sich knapp einen Kilometer entfernt am Fluss befand. Austin verstaute sein Boot im Bootshaus. In den wenigen Sekunden, die er brauchte, um über die Treppe in sein Wohnzimmer zu gelangen, legte er sich einen Plan zurecht.