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Packeis
  • Текст добавлен: 12 октября 2016, 05:46

Текст книги "Packeis"


Автор книги: Clive Cussler


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Триллеры


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43

Doyle war froh, dass dies sein letzter Ausflug zur Leuchtturminsel sein würde. Er hatte diesen Ort noch nie gemocht. Er war in der Stadt aufgewachsen, und jeder Zugang zu der abgelegenen Schönheit war ihm völlig verschlossen. Er wäre noch glücklicher, sobald er Lucifer’s Legion beseitigt und die Insel für immer verlassen hatte.

Er landete mit seinem Flugzeug in der Nähe der Insel, machte es an einer Vertäuboje fest und ruderte zum Pier, wo einer der Lucifer-Irren ihn bereits erwartete, um ihn zu begrüßen. Er konnte sich ihre Namen einfach nicht merken und hielt sie nur nach ihrer Haarfarbe auseinander. Dies war der rothaarige Kerl, der, weil er die größte Ähnlichkeit mit Margrave hatte, einen etwas höheren Status in der Gruppe einnahm. Allerdings war er kein Anführer, eine Position, die unter reinrassigen Anarchisten grundsätzlich verpönt war.

»Ich hab’ Sie seit unserer Jagd in Washington nicht mehr gesehen«, sagte der Mann mit einer leisen Stimme, die klang wie das Rascheln einer Schlange in trockenem Herbstlaub. »Zu schade, dass Ihre Freunde entkommen konnten.«

»Es gibt immer eine zweite Chance«, sagte Doyle. »Wir kümmern uns um Austin und seine Freunde, sobald wir mit den Eliten fertig sind.«

»Darauf freue ich mich schon. Sie hätten uns mitteilen sollen, dass Sie herkommen«, sagte der Mann.

Doyle hob den Seesack hoch, den er bei sich hatte. »Tris wollte euch überraschen.«

Die Antwort schien den Legionär zufriedenzustellen. Er nickte und begleitete Doyle zum Fahrstuhl, der sie nach oben auf die Klippe brachte.

Die anderen Lucifer-Mitglieder warteten auf dem Leuchtturmfelsen, und als Doyle auch ihnen den Grund für seinen Besuch auf der Insel erläuterte, reagierten sie mit diesem seltsamen Grinsen. Sie machten sich auf den Weg zum Wärterhaus. Doyle ging voraus in Margraves Küche. Er holte sechs Gläser und eine Dose Bier und stellte alles auf den Tisch.

Dann zauberte er eine Flasche Champagner aus seinem Seesack hervor und füllte die Gläser. Anschließend öffnete er die Bierdose und hob sie hoch.

»Auf die unmittelbar bevorstehende Vernichtung der Eliten.«

Der rothaarige Mann lachte. »Sie sind schon viel zu lange mit uns Anarchisten zusammen, Doyle. Sie klingen schon fast genauso verrückt wie wir.«

Doyle zwinkerte ihm belustigt zu. »Es ist wohl ansteckend. Prost.«

Er setzte die Bierdose an die Lippen und leerte sie zur Hälfte. Dann wischte er sich den Mund mit dem Handrücken ab und schaute zufrieden zu, wie die Lucifers den Champagner in sich hineinschütteten, als sei er Wasser.

»Übrigens, Margrave wollte, dass ich euch dies hier gebe.«

Das Päckchen war am Vortag angekommen. Dazu gehörte eine Nachricht, die von Gant unterschrieben war.

Die Nachricht lautete: »Pläne für den PS bis nächste Woche verschoben. Bitte gib dieses Geschenk unseren Freunden in Maine, nachdem du mit ihnen eine ganz spezielleFlasche Champagner geleert hast. Sag ihnen, es sei ein Geschenk von Margrave. Es ist wichtig, dass du wartest, bis sie den Champagner getrunken haben.«

Der rothaarige Lucifer öffnete das Päckchen. Es war eine DVD. Er zuckte die Achseln und legte sie in den DVD-Player ein. Einige Sekunden später erschien Gants Gesicht auf dem Bildschirm.

»Ich will, dass Lucifer’s Legion ausgelöscht wird«, sagte Gants Stimme.

»Und wie sollen wir das bewerkstelligen?«

Unmöglich.Es war die Unterhaltung, die er und Gant nach der Fuchsjagd geführt hatten.

»Flieg zu Margraves Insel in Maine, erzähl ihnen, du hättest ein Geschenk für sie. Sag ihnen, es käme von Margrave. Dann schick sie mit einem Glas Bubbelwasser zur Hölle, wo sie hingehören.«

Alle Augen im Raum richteten sich auf Doyle.

»Es ist nicht so, wie ihr denkt«, sagte er und zauberte sein charmantestes irisches Lächeln hervor.

Doyle hatte nicht den Hauch einer Chance. Er war schon in dem Moment verloren gewesen, als er die Disk erhalten hatte. Er würde niemals erfahren, dass die Disk von Barrett stammte und nicht von Gant. Und dass die Wanze, die Austin unter dem Gartentisch angebracht hatte, ordnungsgemäß funktioniert und Gants Instruktionen für die Ermordung von Lucifer’s Legion aufgenommen hatte.

Er stand auf und versuchte, zur Tür zu rennen, doch einer der Lucifers stellte ihm ein Bein, und er stürzte zu Boden. Er kam wieder auf die Füße und griff nach der Pistole in seinem Knöchelhalfter, doch er wurde auf den Fußboden zurückgestoßen, und ihm wurde seine Waffe abgenommen. Er blickte zu den sechs satanischen Gesichtern hoch, die sich über ihn beugten.

Er konnte es nicht begreifen. Die Lucifers wussten, dass er sie vergiftet hatte, trotzdem lächelten sie. Doyle würde niemals verstehen, dass die Gelegenheit zu töten jedes andere Gefühl überstieg, selbst die Angst vor dem eigenen Tod.

Er hörte, wie die Messerschublade geöffnet wurde, und dann kamen sie …

Epilog

Dreihundertfünfzig Kilometer östlich von Norfolk, Virginia, stampften das NUMA-Forschungsschiff Peter Throckmortonund das NOAA-Vermessungsschiff Benjamin Franklinnebeneinander durch die glasig grüne See wie ein Paar moderner Korsaren.

Während die Buge durchs Wasser zischten und die Decks von fliegenden Gischtflocken durchnässt wurden, war die Atmosphäre im matt beleuchteten Sensorkontrollraum der Throckmortongedämpft. Spider Barrett saß an einem Computerterminal und hatte den Blick auf die Mercator-Projektion der Welt auf dem Schirm vor ihm geheftet. Obgleich das Kontrollzentrum klimatisiert war, glänzte Schweiß auf Barretts tätowiertem Schädel.

Fasziniert von der Geschwindigkeit, mit der Barretts Finger über die Tastatur flogen, waren Joe Zavala, Al Hibbet und Jerry Adler, der Wellenexperte, den Joe und Austin auf der Throckmortonkennen gelernt hatten. Mehrere Schiffstechniker hatten sich ebenfalls in dem Raum versammelt.

Barrett hielt inne und rieb sich die Augen, als sei er im Begriff, eine Niederlage einzugestehen. Dann wanderten seine Hände über die Tasten wie die eines Konzertpianisten. Blinkende rote Punkte erschienen nach und nach auf den Weltmeeren. Er lehnte sich mit einem breiten Grinsen in seinem Sessel zurück. »Meine Herren«, sagte er würdevoll, »wir sind im Geschäft.«

Das Zentrum hallte von Applaus wider.

»Bemerkenswert!«, rief Dr. Adler. »Ich kann kaum glauben, dass es so viele Brutstätten für Monsterwellen gibt.«

Barrett führte den Cursor auf einen roten Punkt und klickte. Statistische Angaben erschienen und lieferten Informationen über die augenblicklichen See-, Wetter– und Strömungsverhältnisse an diesem speziellen Ort. Die wichtigste Information war eine Wahrscheinlichkeitsberechnung für die Möglichkeit und die voraussichtlichen Ausmaße einer Riesenwelle.

Diese Demonstration löste eine weitere Runde begeisterten Applaus aus.

Zavala holte sein Mobiltelefon aus der Tasche und rief auf der Benjamin Franklinan. Gamay wartete zusammen mit Paul in einem ähnlich ausgestatteten Kontrollzentrum an Bord des NOAA-Schiffs auf seinen Anruf. »Bestell Paul, dass der Adler gelandet ist«, teilte Zavala ihr mit. »Einzelheiten folgen in Kürze.«

Er unterbrach die Verbindung und ging in eine Ecke des Raums, wo er einen Rucksack abgestellt hatte. Er öffnete ihn und holte zwei Flaschen Tequila und einen Stapel Pappbecher heraus. Er schenkte eine Runde Tequila aus und hob seinen Becher.

»Auf Lazio Kovacs«, sagte er.

»Und auf Spider Barrett«, schloss Hibbet sich an. »Spider hat eine Kraft mit vernichtender Wirkung in etwas Gutes verwandelt. Seine Arbeit wird die Leben Hunderter, wenn nicht Tausender Seeleute retten.«

Barrett hatte während des Rückflugs von der Südatlantischen Anomalie, nachdem er deren unkontrollierbare Kraft völlig entfesselt erlebt hatte, seinen Denkapparat in Gang gebracht. Er suchte nach einer Möglichkeit, die Kovacs-Theoreme für heilbringende Zwecke zu benutzen. Nachdem das Flugzeug in Washington gelandet war, verschwand er für mehrere Tage in der Versenkung und tauchte dann unerwartet in der NUMA-Zentrale auf, wo er Al Hibbet seine Ideen unterbreitete.

Was er Hibbet vorschlug, war in seiner Weitsicht und seiner Bedeutung atemberaubend und dennoch erstaunlich simpel. Sein Plan sah vor, abgeschwächte Versionen der elektromagnetischen Wellen Kovacs’ zu verwenden, um Anomalien auf dem Meeresboden aufzuspüren, die möglicherweise Störungen an der Meeresoberfläche auslösen konnten. Jedes seetüchtige Schiff ab einer bestimmten Größe würde mit einem am Kiel befestigten Kovacs-Sensor ausgerüstet. Die Sensoren würden ständig Informationen liefern, die mit Satellitenfotos und globalen elektromagnetischen Messungen abgeglichen würden.

Diese Daten würden in Computer eingespeist, analysiert und als Warnungen vor Brutstätten für Riesenwellen ausgegeben. Schiffe könnten dann Routen um diese gefährlichen Brutstätten herum berechnen. Es wurde vereinbart, Tests in der Nachbarschaft der Riesenwellen durchzuführen, die die Southern Belleversenkt hatten. Aufgrund ihres Interesses an ozeanischen Wirbeln wurde die NOAA gebeten, sich an den Untersuchungen zu beteiligen, wodurch die Trouts involviert wurden.

Die beiden Schiffe trafen sich über dem Fundort der gesunkenen Southern Belle.Im Andenken an deren Mannschaft wurde ein Kranz ins Wasser geworfen. Dann begannen die Tests, die sich über einen Zeitraum von mehreren Tagen erstreckten. Dabei ergaben sich einige Fehler und Ungenauigkeiten, die schnell ausgemerzt wurden. Nun, da das System offenbar erfolgreich arbeitete, wurde die Stimmung im Kontrollraum geradezu ausgelassen – vor allem, nachdem sie durch großzügige Portionen Tequila angeheizt worden war.

Irgendwann wandte ein überschwänglicher und leicht berauschter Al Hibbet sich an Zavala und sagte: »Es ist schade, dass Kurt nicht hier sein kann. Er kriegt von dem ganzen Spaß überhaupt nichts mit.«

Zavala grinste wissend. »Ich bin sicher, dass es ihm gut geht.«

Karla Janos kam aus dem Tunnel und blinzelte wie ein Grottenolm. Ihr Gesicht war schmutzig, und ihr einteiliger Overall war mit Staub bedeckt. Sie schüttelte staunend den Kopf, immer noch zutiefst beeindruckt von der Szene, die sich ihren Augen darbot. Ein kleines Dorf war in der mit Gras bewachsenen Schüssel auf dem Grund der Caldera entstanden. Mindestens zwei Dutzend große Zelte mit Schlafgelegenheiten und den nötigen Einrichtungen zum Kochen und Forschen waren in akkuraten Reihen aufgestellt worden. Mehrere Helikopter parkten in ihrer Nähe.

In der Umgebung der Zelte herrschte hektische Betriebsamkeit. Der Zugang zu der Kristallstadt war durch Bohren eines Tunnels und durch Entfernen der Gesteinstrümmer, die den Weg versperrten, erheblich erleichtert worden. Kabel von benzinbetriebenen Generatoren schlängelten sich in den Tunnel. Ein nicht enden wollender Strom von Wissenschaftlern und ihren Assistenten ging in der Stadt ein und aus.

Karla war begeistert und erschöpft zugleich. Die wissenschaftlichen Teams hatten, auf drei Schichten verteilt, vierundzwanzig Stunden am Tag gearbeitet. Einige, wie Karla, hatten sich derart in ihre Arbeit vertieft, dass sie mehr als eine Schicht hintereinander gearbeitet hatten. Sie legte den Kopf in den Nacken und pumpte gierig die frische Luft in ihre Lungen. Im blaugrauen Licht sah sie, wie über dem Kraterrand ein winziger Punkt erschien und sich anschickte, sich ins Tal herunterzuschwingen.

Während sich das Objekt näherte, konnte sie erkennen, dass es ein großer, farbenfroher Baldachin mit einem darunter baumelnden Menschen war. Das konnte doch nicht wahr sein!Voller Hoffnung, obgleich jegliche Vernunft dagegensprach, entfernte sie sich von den Zelten und ging zu einem freien Platz, wobei sie wild mit ihrer Baseballmütze winkte.

Der Paraglider war spiralförmig heruntergekommen. Doch dann schwenkte er in ihre Richtung, flog einen Halbkreis und landete nur wenige Schritte von ihr entfernt. Kurt Austin befreite sich aus den Gurten und rollte das Segel zusammen. Er kam mit einem fröhlichen Grinsen auf den Lippen zu ihr herüber und sagte: »Guten Morgen.«

Sie hatte während der letzten Wochen des Öfteren an Austin gedacht. Ihre Begegnung war kurz und vielversprechend gewesen. Und dann war sie schon wieder nach Sibirien abgereist. Aber es kam häufig vor, dass sie sich wünschte, den attraktiven Mann von der NUMA ein wenig besser kennen gelernt zu haben.

»Was treiben Sie denn hier?«, fragte Karla mit einer Mischung aus Freude und Staunen.

»Ich bin gekommen, um Sie zum Mittagessen einzuladen.«

Sie blickte auf ihre Uhr. »Es ist drei Uhr morgens.«

»Irgendwo auf der Welt ist sicher Mittagszeit. Ich bin nicht den weiten Weg hierhergekommen, um mir anzuhören, dass meine Einladung zurückgewiesen wird.«

Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Sie sind verrückt.«

Austins blaue Augen funkelten belustigt. »Verrücktheit ist ein Teil meiner Arbeitsplatzbeschreibung bei der NUMA.«

Er ergriff ihre Hand. »Wie heißt es so schön in dem alten Frank-Sinatra-Song, ›Come fly with me‹.«

Sie wischte sich eine blonde Strähne aus den Augen. »Ich habe die ganze Nacht gearbeitet. Ich sehe schrecklich aus.«

»In dem Etablissement, das ich im Sinn habe, gibt es keine Bekleidungsvorschriften«, wiegelte Austin ab. »Nun kommen Sie schon.«

Er bat sie, ihm dabei zu helfen, seinen neuen Paraglider zu einem freien Platz zu tragen, wo er Karla eine kurze Lektion erteilte. Sie breiteten das Segel auf dem Erdboden aus, schnallten sich in den Tandemsitz, blähten das Segel mithilfe des Propellerluftstroms auf und sprangen in den Wind. Karla war als Fliegerin ein Naturtalent, und der Start gelang viel glatter als der erste, den Austin mit Zavala versucht hatte. Sobald sie in der Luft waren, kreiste Austin über dem Zeltdorf und ging dann in den Steigflug.

»Hier hat sich in den wenigen Wochen aber eine Menge verändert«, sagte Austin, während die Erde unter ihnen vorbeiglitt.

»Es ist schwer zu glauben, dass die führenden Paläontologen, Archäologen und Biologen der ganzen Welt da unten an der wissenschaftlichen Entdeckung des Jahrhunderts arbeiten.«

»Eine Entdeckung, die gemacht zu haben Sie für sich beanspruchen können.«

»Es waren auch noch andere daran beteiligt, aber trotzdem vielen Dank. Und vielen Dank für den Flug. Das ist einfach wunderbar.«

»Ja, das ist es«, sagte Austin, allerdings aus völlig anderen, nämlich typisch männlichen Gründen. Er befand sich auf Tuchfühlung mit einer schönen und intelligenten jungen Frau und konnte die Wärme ihres Körpers dicht an seinem spüren.

Der Paraglider und seine beiden Passagiere stiegen aus der Caldera auf. Austin gab Karla einige kurze Instruktionen für die Landung und steuerte dann auf einen relativ flachen Bereich des Kraterrandes zu. Die Landung war ein wenig rau, aber nicht übel. Karla schlüpfte aus dem Geschirr und ging dorthin, wo ein rot-weiß kariertes Tischtuch auf der Erde ausgebreitet und an vier Ecken mit Steinen beschwert war. In der Mitte der Tischdecke stand eine winzige Vase mit einer Wildblume darin. Daneben lag eine Hüfttasche.

Austin beschrieb mit der Hand eine ausholende Geste.

»Ein Tisch mit Aussicht, Mademoiselle.«

Sie schüttelte den Kopf. »Sie sind wirklich verrückt. Aber auf eine sehr nette Art.«

Austin öffnete die Tasche und holte mehrere Gläser, Dosen und Flaschen heraus. »Mit den besten Grüßen von Kapitän Ivanov. Als Vorspeise Champignons à la mosliak,dann folgt Rinderfilet à la tushonkaund als Dessert roter Kaviar auf Roggenbrot. Zum Hinunterspülen gibt es einen guten georgischen Rotwein.«

»Wie sind Sie hierhergekommen?«, wollte sie wissen.

»Ich hörte, dass Kapitän Ivanov eine Gruppe Wissenschaftler, darunter auch einige Leute von der NUMA, auf die Insel bringen sollte. Ich habe mich ihnen angeschlossen und ebenfalls einen Platz auf der Kotelnyergattert.« Austin öffnete die Gläser und Dosen und schenkte Wein in zwei Gläser. »Nun, da Sie die Gelegenheit hatten, sich ausgiebig umzusehen, was können Sie über die Kristallstadt sagen?«

»Es sind noch jahrzehntelange Studien nötig, ehe wir die ganze Geschichte kennen, aber ich glaube, dass die Stadt während der Steinzeit in der Magmakammer erbaut wurde, nachdem der Vulkan schon lange erkaltet war.«

»Warum unterirdisch?«

»Aus den üblichen Gründen. Weil sie sich dort besser verteidigen ließ oder wegen drastischer Klimaveränderungen. Sie haben Mammuts als Lasttiere eingesetzt, wodurch sie in der Lage waren, die riesigen Steinblöcke vom Fleck zu bewegen.«

»Und was geschah mit den Bewohnern?«

»Die Klimaveränderungen können zur Folge gehabt haben, dass sie keine Nahrung mehr anbauen konnten. Ein Polsprung könnte ein Hochwasser oder ein Erdbeben ausgelöst haben, was zu einem teilweisen Zusammenbruch der Kammerdecke geführt hat, wodurch sich auch die seltsame Form der Caldera erklären ließe. Dieser Weg an der Bergseite deutet darauf hin, dass der gewöhnliche Zugang zur Stadt aus irgendeinem Grund verschüttet wurde.«

»Haben Sie auch schon eine Idee, wie die Mammuts es schaffen konnten zu überleben?«

»Aufgrund reiner Anpassungsfähigkeit. Da die Nahrungsquellen geringer wurden, reduzierte sich auch ihr Größenwachstum, um sie an die Umweltbedingungen anzupassen. Außerdem scheinen sie die Fähigkeit erlangt zu haben, die kälteste Zeit des Jahres im Winterschlaf zu überdauern.«

»Was ist mit den Stadtbewohnern? Wer waren sie?«

»Das ist ein großes Rätsel. Durchaus möglich, dass jahrzehntelange Forschungen nötig sind, ehe man auch nur eine vage Vorstellung davon hat, wer sie waren und was ihnen zugestoßen ist.«

»Wie geht es den kleinen Wollknäueln?«

»Den Mammuts? Bestens. Sie scheinen sich in dem Pferch, den wir für sie gebaut haben, wohlzufühlen, solange wir sie regelmäßig füttern. Dafür ist Maria Arbatov zuständig. Am schwierigsten wird es sein, sie vor der Welt draußen zu beschützen. Wir kriegen jede Menge Presseanfragen, wie Sie sich sicher vorstellen können, und wir versuchen, das Ganze ein wenig einzudämmen.«

Er ließ den Blick über die Insel schweifen. »Ich hoffe, dass dies alles unseren aggressiven Forscherdrang übersteht.«

»Ich denke schon. Diese Forschungsbemühungen erscheinen mir um einiges seriöser und vielversprechender als der Versuch, Mammuts zu klonen.«

»Was kommt als Nächstes?«

»Ich werde noch ein paar Wochen hierbleiben und dann zurückkehren, um Onkel Karl in Montana zu besuchen. Im nächsten Monat bin ich in Washington, wo ich im Smithsonian einen Vortrag halten werde.«

»Das ist eine gute Nachricht. Wenn Sie in Washington sind, wie wäre es dann mit ein paar Cocktails, einem Abendessen und was sich sonst noch ergibt?«

Die rauchgrauen Augen musterten ihn über den Glasrand. »Vor allem bin ich auf das was sich sonst noch ergibtgespannt.«

»Dann steht die Verabredung. Ich denke, es wird Zeit, einen Toast auszubringen. Ladies first.«

Sie brauchte nur eine Sekunde lang nachzudenken.

»Auf Onkel Karl. Wenn er nicht meinem Großvater das Leben gerettet hätte, dann wäre all das hier nicht möglich gewesen.«

»Darauf trinke ich. Ohne Onkel Karl wären auch Sienicht möglich.«

Sie schenkte Austin ein verheißungsvolles Lächeln. Dann, im Licht der arktischen Morgendämmerung, hoben sie ihre Gläser und stießen miteinander an.

Obwohl der Tod ihm für einen großen Teil seines Lebens ein enger und vertrauter Gefährte gewesen war, konnte Schroeder sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal an einer Beerdigung teilgenommen hatte. Er wollte Schatsky stilvoll und mit allen Ehren begraben. Der kleine Dackel, der von einem von Gants Killern getötet worden war, hatte sich immer als ein guter Gefährte erwiesen. Glücklicherweise war die Temperatur in seiner Berghütte über längere Zeit so niedrig gewesen, dass Schatskys Kadaver während seiner Abwesenheit erhalten geblieben war.

Er nahm den kleinen Körper, wusch das Blut ab, so gut er konnte, und wickelte den Hund in seine Lieblingsdecke. Indem er das Hundebett als Sarg benutzte, trug er ihn in den Wald hinter seinem Haus. Er grub ein tiefes Loch, wickelte den Hund mitsamt seinem Bett in Segeltuch ein und vergrub ihn dann zusammen mit einem Karton Hundeknochen und Schatskys liebstem Kauspielzeug.

Das Grab markierte Schroeder mit einem großen Stein. Danach kehrte er in seine Hütte zurück, wuchtete eine Holzkiste hoch und schleppte sie in den Wald, wo er nicht weit vom Grab des Hundes entfernt ein zweites Loch aushob. Er kippte die Kollektion automatischer und halbautomatischer Waffen in die Grube und bedeckte sie mit Erde. Die Schrotflinte hatte er im Haus behalten, nur für alle Fälle, aber die tödlichen Waffen, die er unter dem Fußboden versteckt hatte, brauchte er nicht mehr.

Es war seine Art, das Ende eines Kapitels seines Lebens zu zelebrieren. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass ihn etwas Unangenehmes aus seiner Vergangenheit einholte, aber das wurde im gleichen Maße unwahrscheinlicher, wie er älter wurde. Karla würde ihn bald besuchen, und er hatte eine Menge Arbeit vor sich, die Kajaks und Kanus für seinen Job als Jagdführer einsatzfähig zu machen. Aber ohne den kleinen Hund, der ihm ständig zwischen den Füßen herumgelaufen war, erschien die Hütte furchtbar einsam.

Er stieg in seinen Pick-up und fuhr vom Berg hinunter zu seiner Stammkneipe. Es war noch früh am Tag, und in der Bar herrschte wenig Betrieb. Ohne einige Stammgäste, die ihn begrüßt hätten, fühlte er sich sogar noch einsamer.

Ach, zum Teufel damit. Er setzte sich an die Bar und bestellte ein Bier. Und ein zweites. Er fing gerade an, sich selbst leid zu tun, als ihm jemand auf die Schulter klopfte. Er drehte sich um und sah eine Frau, wahrscheinlich Mitte sechzig, hinter sich stehen. Sie hatte langes silbergraues Haar, große braune Augen, und ihre gebräunte Haut wies kaum nennenswerte Falten auf.

Sie stellte sich als Künstlerin vor, die von New York nach Montana umgezogen war. Sie hatte ein offenes, freundliches Gesicht und ein ansteckendes Lachen sowie einen wachen Sinn für Humor, den sie demonstrierte, als sie die kulturellen Unterschiede zwischen beiden Orten beschrieb. Schroeder war von ihr derart fasziniert, dass er völlig vergaß, sich vorzustellen.

»Ich glaube, bei Ihnen einen leichten Akzent herauszuhören«, sagte sie.

Schroeder wollte schon zu seiner üblichen Erklärung ansetzen, dass er Schwede sei und Arne Svensen hieße, aber er hielt inne. Irgendwann würde eine Zeit kommen, wenn er beginnen würde, anderen Menschen zu vertrauen, und damit könnte er genauso gut schon jetzt anfangen. »Sie haben gute Ohren. Ich bin Österreicher. Mein Name ist Karl Schroeder.«

»Nett, Sie kennen zu lernen, Karl«, sagte sie mit einem aufrichtigen Lächeln. »Ich würde gerne Forellen fischen, aber ich weiß nicht wo. Können Sie mir einen zuverlässigen Führer empfehlen?«

Schroeder schenkte ihr sein fröhlichstes Grinsen. »Aber sicher«, sagte er. »Da kenne ich genau den richtigen für Sie.«


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