Текст книги "Packeis"
Автор книги: Clive Cussler
Жанр:
Триллеры
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36
Karla betrachtete die Männer im Grau der Konföderierten und im Unions-Blau, die die ländlichen Straßen mit ihren Pick-ups und Geländefahrzeugen verstopften.
»Ich muss mich wohl geirrt haben«, sagte sie. »Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass der Bürgerkrieg vorüber sei.«
»Sie haben wirklich ein abgeschiedenes Leben geführt«, sagte Austin. »Der Krieg der nördlichen Aggression, wie der Bürgerkrieg von den Südstaaten auch gerne genannt wurde, ist in den Köpfen der Leute immer noch in vollem Gang. Sie brauchen bloß den Namen Robert E. Lee aus dem Fenster zu rufen, und Sie finden genug Freiwillige für die Rebellenarmee, um die Schlacht von Gettysburg zu wiederholen.«
Austin folgte dem Verkehr zu einem Parkplatz, der sich am Rand eines einige Hektar großen Feldes befand. Nachdem er den NUMA-Wagen geparkt hatte, schlossen sie sich dem Strom von Zuschauern und Bürgerkriegsdarstellern an, die zu dem Feld zogen. Schilder am Weg verkündeten, dass die militärische Demonstration und die Dampfmaschinenparade abgehalten wurden, um Spenden für den Verein der Freunde des Manassas National Battlefield zu sammeln.
Austin hielt einen bärtigen Mann in der grauen Uniform eines Offiziers der Lee-Armee an, um sich nach dem Weg zu erkundigen.
»Stonewall Jackson stets zu Diensten«, sagte der Mann mit einer höflichen Verbeugung.
»Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, General. In Anbetracht der historischen Umstände sehen Sie noch sehr gut aus. Ich frage mich, ob Sie wissen, wo sich die Dampfautos sammeln«, sagte Austin.
Jackson blickte mit zusammengekniffenen Augen in die Ferne und zupfte nachdenklich an seinem Bart. »Genau genommen wurden Autos erst 1861 erfunden, daher weiß ich nicht, wovon Sie reden, Sir. Aber wenn ich es wüsste, würde ich meinen, dass Sie das, was Sie suchen, in der Nähe der Porta Pottis finden, die es zu meiner Zeit noch gar nicht gab.«
»Vielen Dank, General Jackson. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Schlacht.«
»Es war mir ein Vergnügen«, erwiderte der Soldat, lächelte Karla an und tippte gegen seine Mütze.
Während sie ihm nachschaute, als er in der Menge verschwand, sagte sie: »Er nimmt seine Rolle wirklich ernst, nicht wahr?«
Austin lächelte. »In Manassas fand die erste große Schlacht des Bürgerkriegs statt. Die Unionstruppen glaubten, sie würden die Rebellen überrennen. Sogar aus Washington kamen Leute mit Picknickkörben angereist, um sich die Schlacht anzusehen. Es war beinahe so wie heute. Die Konföderierten hatten an diesem Tag ein Mordsglück, aber am Ende behielt die Union die Oberhand.«
»Warum gehen wir nicht zum originalen Schlachtfeld?«, wollte Karla wissen.
»Sie haben vor einigen Jahren eine Nachinszenierung der Schlacht versucht. Aber das Spektakel lief derart aus dem Ruder, dass sie das Ganze heute auf privatem Land veranstalten.«
Karla schaute sich um. »Ich glaube, ich verstehe, was Sie mit ›aus dem Ruder laufen‹ meinen. Die Leute spielen ja völlig verrückt.«
Austin grinste.
»Wie der alte Stonewall vielleicht gesagt hätte: ›Nicht verzagen. Der Süden wird wieder aufstehen!‹«
Die sechs Männer, die mit ihren Motorrädern vor dem geparkten Van vorfuhren, sahen aus, als wären sie in einem einzigen Labor geklont worden. Alle trugen Spitzbärte, und ihre Geheimratsecken waren zu nadelscharfen Witwenspitzen ausrasiert.
Lucifer’s Legion war eine Gruppe von extremen Neo-Anarchisten, die die Auffassung vertraten, dass Gewalt zur Durchsetzung ihres Anliegens nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar notwendig war. Wie ihre wild dreinblickenden, Bomben legenden Vorgänger agierten sie am Rand der vorwiegend gewaltlosen Anarchistenbewegung, die nichts mit ihnen zu tun haben wollte. Sie zogen auf ihren Motorrädern von Stadt zu Stadt und hinterließen eine breite Spur aus Chaos und Gewalt.
Als Margrave zur neo-anarchistischen Bewegung stieß, versicherte er sich der Unterstützung der Legion. Er argumentierte, dass weil die Eliten die Polizei hatten, die befugt war, physische Gewalt auszuüben und, in entsprechenden Situationen, sogar zu töten, er und seine Helfer die gleichen Möglichkeiten haben sollten. Er finanzierte die Legion und benutzte sie als seine Prätorianer-Garde. Anfangs amüsierte es ihn, als sie sich Bärte wachsen ließen und ihre Haartracht veränderten, um sich ein ähnlich satanisches Aussehen zuzulegen, wie Margrave es von Natur aus vorweisen konnte. Nachdem mehrere anarchistische Demonstrationen, an denen sie beteiligt waren, einen unerwartet blutigen Verlauf genommen hatten, begriff er allmählich, dass sie zunehmend außer Kontrolle gerieten.
Er behielt sie weiter auf seiner Lohnliste, beschäftigte sie aber immer seltener. Er hatte bereitwillig Gants Vorschlag angenommen, die Sicherheitsfirma für die alltäglichen Operationen zu engagieren. Margrave war anfangs überrascht, als Gant ihm empfahl, die Legion einzusetzen, um Austin und Karla zu töten, aber er akzeptierte die Begründung, dass für den Fall, dass irgendetwas schiefgehen sollte, die Behörden zu dem Schluss kämen, es würde sich um eine Bande von Kriminellen handeln, die ihre eigenen Ziele verfolgten.
Margrave kannte die psychopathischen Tendenzen der Legion um einiges besser als Gant, weshalb er darauf bestanden hatte, dass Doyle sie im Auge behielt. Doyle hatte mittlerweile die Aufschrift METROPOLITAN TRANSIT AUTHORITY, die lediglich aus aufgeklebten Lettern bestand, vom Kleinbus entfernt. Als die Motorradfahrer neben dem Kleinbus stoppten, verließ Doyle den Wagen und empfing die seltsame Truppe, die gerade von den Maschinen abstieg, mit einem Grinsen, das seine Verachtung kaschierte.
Doyle war ein kaltblütiger Mörder, aber diese Typen mit ihrem glasigen Blick, dem starren Grinsen und den leisen Stimmen jagten ihm Angst ein. Er hoffte, dass Gant wusste, was er tat. Er hatte, wenn auch widerstrebend, von Zeit zu Zeit mit der Gruppe zusammengearbeitet. Seine eigenen tödlichen Gewaltausbrüche erfolgten stets kontrolliert und genau kalkuliert. Er tötete aus rein geschäftlichen Gründen: um einen Konkurrenten auszuschalten; um einen Informanten zum Schweigen zu bringen. Das undisziplinierte Verhalten von Lucifer’s Legion beleidigte seinen Ordnungssinn.
Er deutete auf einen türkisfarbenen Jeep in einer angrenzenden Reihe. »Austin und die Frau sind unterwegs zum Schlachtfeld. Wir müssen sie finden.«
Die Angehörigen der Legion schienen ohne Worte miteinander kommunizieren zu können und bewegten sich unisono wie ein Vogelschwarm oder ein Schwarm Fische. Wie eine Einheit reagierend, verteilten sie sich auf dem Parkplatz. Sie entdeckten den Lieferwagen einer Firma namens Gone With The Wind Costumes. Ein Angestellter lud gerade einen Ständer mit Kostümen für die weniger traditionsbewussten Darsteller ab, die keine eigenen Uniformen besaßen. Er fand sich plötzlich von sechs grinsenden Klons umringt. Einer schlug ihn mit einem Teleskopschlagstock bewusstlos, während die anderen die Szene mit ihren Körpern vor unliebsamen Zuschauern abschirmten.
Sie schoben den ohnmächtigen Mann in den Lieferwagen und durchwühlten die Kleiderkollektion, bis sie fanden, was sie suchten. Sie trugen ihre Beute zu Doyles Van und zogen sich um. Kurz darauf war von den Bikern in Jeans und T-Shirts nichts mehr zu sehen. An ihre Stelle waren drei konföderierte und drei Soldaten der Union getreten. Sie schoben sich abgesägte Schrotflinten in den Hosenbund, dann schwangen sie sich wieder auf ihre Motorräder und begaben sich wie hungrige Wölfe auf die Suche nach ihrer Beute.
Doyle ließ den Van stehen und mischte sich unter den Fußgängerverkehr. Während er durch die Scharen von Zuschauern und kostümierten Teilnehmern schlenderte, suchte er die Menge ab wie ein Radar. Doyle hatte eine nahezu perfekte Sicht, ein großer Vorteil für einen Jäger, und seine scharfen Augen entdeckten Austins helles Haar. Nur wenige Sekunden später sah Doyle auch die hübsche blonde Frau an Austins Seite. Ihr Gesicht war das gleiche, das der Computer im Kleinbus als das von Karla Janos identifiziert hatte.
Er hakte das Sprechfunkgerät von seinem Gürtel los und schickte Lucifer’s Legion eine kurze Nachricht.
Austin hatte die Dampfwagen gefunden. Ungefähr zwanzig antike Stanleys waren am Rand des Feldes aufgereiht. Ein Mann in mittlerem Alter mit einem Klemmbrett in der Hand wanderte an der Wagenreihe entlang.
»Ich suche jemanden, der sich hier ein wenig auskennt«, sagte Austin und spielte ganz bewusst den Unbedarften.
Der Mann grinste. »Kommt ganz darauf an, worin ich mich auskennen soll.« Er streckte ihm eine Hand entgegen. »Doug Reilly. Ich bin der Präsident des Virginia Stanley Steamer Clubs. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich suche einen Wagenbesitzer namens Dirk Pitt.«
»Oh sicher, Pitts Wagen ist die Kopie des 1906 Vanderbilt Cup Racer da drüben.« Reilly deutete auf einen offenen roten Wagen, dessen lange Motorhaube geformt war wie ein Sarg. »Es gab davon nur zwei Originale, und soweit wir wissen, existiert keins mehr. Die Motoren kommen allerdings von Stanley. In den Bergen absolut unschlagbar.«
»Und welcher ist Ihrer?«
Reilly führte sie zu einer glänzenden schwarzen Limousine Baujahr 1926 und zählte wie ein stolzer Vater die Besonderheiten des Wagens auf. »Kennen Sie sich bei diesen alten Kisten ein wenig aus?«
»Ich bin ein einziges Mal bei einer Dampfwagen-Rallye mitgefahren. Dabei habe ich mehr Zeit damit verbracht, auf die Anzeigeinstrumente zu achten als auf die Straße.«
»Das sagt mir in etwa alles«, meinte Reilly kichernd. »Der Stanley Steamer war der schnellste und stärkste Wagen seiner Zeit. Ein Stanley mit ›Kanu‹-Karosserie brach 1906 mit 220 Kilometern in der Stunde den Geschwindigkeitsweltrekord. Sie liefern schon volle Kraft, wenn man den Gashebel nur anschaut. Mit ihrem Dieselantrieb konnten sie innerhalb kürzester Zeit vom Stand auf hundert Stundenkilometer beschleunigen, während die Fahrer der meisten benzingetriebenen Fahrzeuge noch in den Gängen herumrührten.«
»Eigentlich ist es überraschend, dass wir heute keine Dampfwagen mehr fahren«, sagte Austin.
»Die Stanley-Brüder wollten ihre Wagen nicht in Massenproduktion herstellen. Henry Ford produzierte an einem Tag so viele Fahrzeuge wie sie in einem Jahr. 1912 stellte Cadillac dann den elektrischen Starter vor. Diese Wagen stehen alle unter Dampf, um Zeit zu sparen. Wenn die Stanley-Brüder etwas erfunden hätten, damit ihre Wagen schneller starten, und ihre Produktion und ihr Marketing verbessert hätten, dann würde heute niemand von uns das fahren, was die Stanleys als ›Vehikel mit Explosionsmotor‹ bezeichneten. Aber entschuldigen Sie, dass ich ein wenig vom Thema abgekommen bin.«
»Es braucht Ihnen nicht leid zu tun«, sagte Karla. »Es war höchst interessant.«
Reilly errötete. »Alle anderen Wagenbesitzer sind rübergegangen, um sich das Schlachtspektakel anzusehen. Ich halte ein wachsames Auge auf das hier. Wenn die Schlacht vorüber ist, führen wir eine Parade um das ganze Schlachtfeld an.«
Austin bedankte sich bei Reilly und ging dann mit Karla zum Schlachtfeld. Dem Krachen der Musketen und der Artillerie nach zu urteilen, hatte der Kampf bereits begonnen. Während sie über das weite Feld gingen, konnten sie die Zuschauermassen sehen, die verfolgten, wie Schützenlinien in Grau und in Blau gegeneinander vorrückten. Das Knallen der Musketen klang aus der Ferne wie das Explodieren von Knallfröschen, und der Geruch von Schießpulver wehte ihnen entgegen.
Etwa zwei Dutzend andere Nachzügler waren unterwegs zum Schlachtspektakel. Austin hielt Karla einen kleinen Vortrag zur Geschichte der Schlachten von Bull Run, als er, aus den Augenwinkeln, jemanden quer zum Strom der Fußgänger über das Feld gehen sah. Der Mann kreuzte in etwa zwanzig Metern Entfernung ihren voraussichtlichen Weg, blieb stehen und drehte sich zu ihnen um. Es war Doyle, Gants Handlanger.
Doyle war nahe genug, so dass der entschlossene Ausdruck auf seinem harten Gesicht deutlich zu erkennen war.
Er starrte sie für einen kurzen Moment an, dann griff er in seine Jacke. Austin sah, wie die Sonne von einem Stück Metall in seiner Hand reflektiert wurde. Er ergriff Karlas Arm und machte auf der Stelle mit ihr kehrt.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte sie.
Austins Antwort ging in einem dumpfen Dröhnen unter. Sechs Harley-Davidsons pflügten über das Feld in ihre Richtung. Drei Biker in Konföderiertenuniformen näherten sich von links, und drei in Unionsblau kamen von rechts.
Austin trieb Karla zur Eile an. Sie sprinteten über das Feld, während die Biker sich in einem klassischen Zangenmanöver in ihre Richtung bewegten, jedoch schlingernd zum Stehen kamen, ehe sie die Zange schlossen. Ein Streifenwagen mit rotierendem Blaulicht raste über das Feld. Der Wagen schoss an Karla und Austin vorbei und stoppte. Der Polizist sprang aus dem Wagen und winkte aufgeregt.
Er griff nach seinem Strafzettelblock, als ein Motorradfahrer in Blau eine Schrotflinte unter seinem Uniformrock hervorzog und zielte. Der Knall der Schrotflinte mischte sich mit dem Knattern der Musketen. Ins Bein getroffen, stürzte der Polizist zu Boden. Ohne sich umzudrehen, vereinigten die Biker sich wieder zu einer Reihe und setzten die Verfolgung fort.
Reilly polierte gerade an seiner Limousine herum, als er das dumpfe Blubbern der Motorräder hörte. Er blickte auf und sah Austin und Karla auf sich zurennen. Sein Lächeln verwandelte sich in einen Ausdruck der Verwunderung und steigerte sich zu Entsetzen, als er die vom Jagdfieber gepackten Motorradfahrer sah.
Austin näherte sich den Dampfwagen und wies Karla an, in den schwarzen Wagen mit dem sargähnlichen Vorbau zu steigen. Er rutschte hinter das Lenkrad. Reilly kam zum Wagen gerannt.
»Was haben Sie vor?«
»Rufen Sie die Polizei!«, brüllte Austin.
Reilly sah ihn verständnislos an. »Weshalb?«
»Um einen Autodiebstahl zu melden«, antwortete Austin.
Austin hörte das Röhren der Motorräder. Die Biker hatten sie beinahe eingeholt. Er löste die Handbremse und schraubte die Verriegelung des Fahrthebels an der Lenksäule ab. Dann schob er den Antriebshebel nach vorne. Dampf strömte in den Motor.
Die Biker waren nur noch wenige Schritte entfernt, als der Wagen mit einem Minimum an Lärm fließend beschleunigte. Austin riss das Lenkrad herum. Der Stanley verfehlte nur knapp den nächsten Wagen in der Reihe.
Austin rammte den Fuß auf die Bremse und kurbelte ein zweites Mal am Lenkrad, diesmal um eine Kollision mit einer Familie mit zwei Kindern zu vermeiden, die soeben die Straße überquerten. Austin lenkte den Wagen ins Feld. Doyle versuchte, ihnen den Fluchtweg abzuschneiden. Er stand direkt auf ihrem Weg, hielt seine Pistole mit beiden Händen wie auf einem Schießstand und zielte auf sie.
Austin rief Karla zu, sie solle sich ducken. Sich mit dem Kopf so tief wie möglich hinter das Lenkrad duckend, lenkte Austin den Wagen genau auf Doyle zu, der zur Seite sprang, um von dem Dampfwagen nicht erwischt zu werden. Er versuchte, einen Schuss abzufeuern. Der Kotflügel des Wagens streifte sein Knie, und der Schuss ging in den Himmel.
Der Dampfwagen schaukelte über das Feld. Austin erinnerte sich daran, dass man mit einem Dampfwagen stets nur langsam beschleunigen durfte, um den Dampfdruck hoch zu halten. Er musste seine gesamte Konzentration aufwenden, um mit den Ventilen und den Anzeigeinstrumenten für ein halbes Dutzend verschiedener Funktionen zurechtzukommen.
Er schaute in den Rückspiegel. Die Motorräder befanden sich etwa dreißig Meter hinter dem Wagen und kamen schnell näher. Sie waren aufgefächert zu einem Manöver, das den Wagen zwischen zwei Reihen Motorrädern einschließen würde. Währenddessen rasten der Wagen und seine zweiräderigen Verfolger auf die Zuschauermenge zu, die die militärische Demonstration verfolgte.
Austin stützte sich auf die Hupe. Ein paar Leute blickten in seine Richtung, doch das Blöken der Hupe wurde vom Musketen– und Kanonenfeuer verschluckt. Er bremste den Stanley ab und betätigte abermals die Hupe. Endlich bemerkte ihn jemand. Die Menge begann auseinanderzuweichen. Mittlerweile steuerten die Biker von beiden Seiten auf den Stanley zu.
Der Dampfwagen und seine Motorradeskorte jagten zwischen den Unions– und den konföderierten Truppen, die einander in langen Reihen gegenüberstanden, über das mit Rauchschwaden verhüllte freie Feld. Die Musketen und die Kanonen verstummten. Austin hörte ein Geräusch, das er nicht erwartet hatte: Applaus.
»Warum klatschen diese Idioten?«, fragte Karla.
»Sie denken anscheinend, dass dies zu dem Schlacht-Spektakel gehört.« Austin stieß einen markerschütternden Schrei aus, während sie zwischen den gegnerischen Armeen hindurchfuhren.
Karlas Gesicht zeigte namenloses Erschrecken. »Sind Sie noch bei Trost?«
Austin grinste sie an. »Na klar doch. Ich habe mir schon immer gewünscht, einmal einen Rebellenschrei ausstoßen zu können. Halten Sie sich fest.«
Sie hatten das Schlachtfeld hinter sich und steuerten jetzt auf eine Reihe Kanonen zu. Austin bremste, damit er zur Seite ausweichen konnte, ohne sich zu überschlagen. Die Motorradfahrer behielten ihr Tempo bei und nutzten diese Möglichkeit aufzurücken. Die beiden führenden Biker waren nur wenige Schritte vom linken und rechten Kotflügel des Dampfwagens entfernt.
Karla blickte zu dem Motorradcowboy auf der rechten Seite und rief: »Er hat eine Schrotflinte!«
Der Biker lenkte seine Maschine mit einer Hand und zielte mit der Flinte in der anderen Hand auf Karlas Kopf. Austin dachte gar nicht nach. Er reagierte einfach. Er riss das Lenkrad einmal zur Seite und sofort wieder zurück.
Die schwere Stoßstange zerquetschte das rechte Bein des Bikers. Das Motorrad begann zu schwanken und zu schlingern, als kämpfte es um sein Gleichgewicht. Dann bockte es und bäumte sich auf, wobei es den Biker abwarf wie ein wütender Stier. Austin versuchte, auch das andere Motorrad auszuschalten, aber dessen Fahrer hatte mitverfolgen können, was mit seinem Gefährten geschehen war, und zog sich außer Reichweite zurück.
Der Wagen flog einen Hügel hinauf, ohne langsamer zu werden, und auf der anderen Seite wieder hinunter. Austin konnte vor sich Autos sehen, die über eine Straße am Rand des Schlachtfeldes rollten. Er musste einer Steinmauer und einem Zaun ausweichen, aber einen kurzen Moment später hüpfte der Stanley über das Bankett und landete auf zwei Highwayfahrbahnen.
Er richtete den Wagen aus und steigerte die Geschwindigkeit. Auf dem harten Asphalt verwandelte der Wagen sich in ein verspieltes junges Füllen, das einfach nur rennen wollte. Die Hartgummiräder summten auf dem Asphalt. Er überholte mit den Bikern im Schlepptau einige Fahrzeuge, und sobald er freie Bahn hatte, beschleunigte Austin den Wagen bis auf hundertvierzig Stundenkilometer. Er entdeckte ein Schild, das auf eine Ausfahrt aufmerksam machte, und betätigte behutsam die Bremsen. Die Biker ließen sich zurückfallen, weil sie mit einer List rechneten.
Austin lenkte den Wagen in eine Auffahrt. Der Stanley gelangte auf den Haupthighway. Austin lenkte hin und her, aber jedes Mal, wenn er dieses Manöver ausführte, blieben die beweglicheren Motorradfahrer dicht an ihm dran. Er versuchte, sie mithilfe noch höherer Geschwindigkeit abzuschütteln. Er war jetzt mit fast hundertsechzig Sachen unterwegs, dann mit hundertachtzig. Aufgrund des Windes, der ihm heftig ins Gesicht peitschte, konnte er kaum etwas erkennen.
»Wo ist die Verkehrspolizei, wenn man sie dringend braucht?«
Karla kauerte sich in ihrem Sitz so gut es ging zusammen, während sie versuchte, dem eisigen Fahrtwind möglichst zu entgehen.
»Was ist?«
»Haben Sie ein Mobiltelefon?«
»Sagen Sie bloß, Sie wollen jetzt telefonieren«, fragte sie entgeistert.
»Nein, Siesollen telefonieren. Rufen Sie die Staatspolizei an und erklären Sie ihnen, ein Irrer sei in einem alten roten Wagen unterwegs und würde von einer Bande Biker in Bürgerkriegsuniformen verfolgt. Dasmüsste sie eigentlich aufscheuchen.«
Karla nickte und suchte in ihrer Tasche nach einem Telefon. Sie gab die Notrufnummer ein. Als sich am anderen Ende die Polizei meldete, gab sie Austins Meldung durch.
»Sie sagen, sie würden es von jemandem überprüfen lassen«, berichtete sie. »Ich bin mir nicht sicher, ob sie mir geglaubt haben.«
Die Motorradfahrer kamen wieder näher. Austin holte alles aus dem Wagen heraus. Er hätte sich eigentlich um die verschiedenen Kontrollen kümmern sollen, die den Wasserstand, den Dampfdruck und andere Funktionen überwachten, aber er war viel zu sehr damit beschäftigt, das Vehikel auf der Straße und auf geradem Kurs zu halten.
Ein beweglicher Schatten erschien plötzlich auf dem Highway. Austin blickte seitlich hoch. Ein Helikopter holte zu ihnen auf. » Daswar schnell!«
»Das ist nicht die Polizei«, sagte Karla. »Es ist der Verkehrshelikopter irgendeiner Fernsehstation.«
Der Hubschrauber erschien über ihnen und blieb ohne Schwierigkeiten auf gleicher Höhe. Austin zermarterte sein Gehirn auf der Suche nach einem Plan, aber er hatte alle Optionen ausgeschöpft. Der Wagen flog an einer Abfahrt vorbei. Austin schaute in den Rückspiegel und sah, wie die Motorräder langsamer wurden und dann in die Abfahrt einbogen.
»Unsere Freunde haben sich verabschiedet«, stellte er fest.
Karla drehte sich um, während der letzte Rebellensoldat den Highway verließ. »Warum?«, wollte sie wissen.
»Kamerascheu. Sie wollen nicht in den Sechs-Uhr-Nachrichten erscheinen.«
Er bremste den Wagen auf vergleichsweise gemütliche hundert Stundenkilometer ab. Er und Karla winkten dem Hubschrauber zu.
Sie winkten noch immer, als drei Streifenwagen der Virginia State Police sie einholten. Austin gehorchte der Phalanx rotierender Blaulichter und dem Geheul der Sirenen und fuhr vom Highway herunter. Der Stanley wurde sofort von bewaffneten Polizisten eingekreist. Austin empfahl Karla, die Hände so zu halten, dass die Polizisten sie ständig sehen konnten. Sobald die Polizisten ihre Nervosität überwunden und Austins Führerschein und seinen NUMA-Ausweis überprüft hatten, schienen sie sich mehr für den Dampfwagen als für seine Insassen zu interessieren.
Austin erzählte ihnen von den sechs Bikern, die versucht hatten, sie von der Straße zu drängen. Auf seine Bitte hin sprachen sie mit einem Vertreter der NUMA, der für Austin bürgte. Die Fernsehstation bestätigte die Biker-Geschichte. Nach etwa einer Stunde erhielt Austin seinen Führerschein zurück und die offizielle Erlaubnis, mit Karla den Ort des Geschehens unbehelligt zu verlassen.
Sie machten an einer Autowaschanlage Halt, um das Gras und sonstigen Schmutz von der Karosserie des Wagens zu entfernen. Austin stellte zu seiner Verblüffung fest, dass der Wagen keinerlei Schäden davongetragen hatte. Leute, die das Schlachtfeld verließen, lachten und winkten, als sie kurze Zeit später den Dampfwagen vorbeifahren sahen. Ein hochgewachsener Mann mit dunklem Haar und bläulich schillernden Augen wartete geduldig auf sie.
Austin brachte den Wagen zum Stehen und lächelte. »Hi, Dirk. Vielen Dank für die Familienkutsche.«
»Ich habe euch zwischen den Schlachtlinien hindurchbrettern gesehen mit den Hell’s Angels im Nacken. Was ist eigentlich los?«
»Das ist Karla Janos. Karla, Dirk Pitt.«
Pitt strahlte Karla gewinnend an. »Ich habe schon ungeduldig darauf gewartet, Sie endlich persönlich kennen zu lernen, Miss Janos.«
»Vielen Dank«, sagte sie.
»Wie schnell wart ihr mit dem Schlitten?«, erkundigte er sich beiläufig bei Austin.
»Etwa hundertachtzig.«
»Beeindruckend«, sagte Pitt. »Ich habe nur ein einziges Mal knapp hundertsechzig aus ihm rausgeholt.«
»Tut mir leid, dass ich mir den Wagen ausborgen musste, ohne zu fragen. Aber wir mussten schnellstens von hier weg. Jemand wollte uns vom Leben zum Tode befördern.«
»Das ist nur eine Kopie. Mach dir keine Sorgen.« Pitt überprüfte den Dampfwagen auf Schäden und sagte, als er nichts dergleichen finden konnte: »Nicht jeder besitzt einen Wagen, der an der dritten Schlacht von Bull Run teilgenommen hat.«
Austins Mobiltelefon meldete sich mit einem polyphonen Blues-Rufzeichen. Er entschuldigte sich und nahm den Anruf an. Barrett war am anderen Ende, und er klang aufgeregt. Im Hintergrund war gedämpftes Motorengeräusch zu hören.
»Ich kann Sie kaum verstehen«, sagte Austin. »Was hat dieser Lärm zu bedeuten?«
»Ich denke immer besser, wenn ich fahre. Ich glaube, ich hab’s.«
»Was haben Sie?«
»Der Kinderreim. Es war ein Code. Ich habe die Formel für die Gegenmaßnahme, das Alarmprogramm.«
Austin traute seinen Ohren nicht. »Sagen Sie das noch mal.«
»Die Rettung« ,rief Barrett, der annahm, dass Austin ihn bei dem Dröhnen seines Motorrads nicht hören konnte. »Ich habe Lazio Kovacs’ Gegenmaßnahme zur Umkehrung des Polsprungs!«