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Packeis
  • Текст добавлен: 12 октября 2016, 05:46

Текст книги "Packeis"


Автор книги: Clive Cussler


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Триллеры


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26

Der kastanienbraune Hengst galoppierte durch die saftig grüne Landschaft von Virginia, als kämpfte er um den ersten Platz im Kentucky Derby. Jordan Gant kauerte im Sattel wie ein zu groß geratener Jockey und prügelte mit seiner Gerte auf das Hinterteil des Pferdes ein. Der Hengst legte ein mörderisches Tempo vor. Seine Augen rollten, sein glattes Fell glänzte vor Schweiß, und ihm hing die Zunge aus dem Maul. Trotzdem kannte Gant kein Erbarmen. Es war nicht so sehr Grausamkeit, die bei ihm immerhin auf das Vorhandensein irgendeiner Emotion hätte schließen lassen können, sondern eher die totale Missachtung all dessen, das sich unter seiner Kontrolle befand.

Gant überquerte Wiesen und Weiden und ritt am Rand der Zufahrt entlang, die von Pappeln gesäumt wurde, bis er zu einem weitläufigen Landhaus kam. Er hielt auf einen Stall unweit des Wohnhauses zu, gestattete dem erschöpften Tier, in Trab zu fallen, dann in einen normalen Schritt und schließlich stehen zu bleiben. Gant glitt elegant aus dem Sattel, ließ sich von einem wartenden Pferdeknecht ein Handtuch reichen und warf ihm achtlos die Zügel zu. Das Pferd lahmte, als es weggeführt wurde.

Gant schlenderte über einen Steinplattenweg zur Haustür. Mit seinem schwarzen, kurzärmeligen Hemd und einer Reithose trug er den klassischen Polodress. Er hatte eine muskulöse, athletische Gestalt, und die Kleider hätten ihm auch dann gepasst wie angegossen, wenn sie nicht maßgeschneidert gewesen wären. Als ob sein Arm ein Eigenleben führte, ließ er die Reitgerte gegen seine kniehohen Stiefel aus Korduanleder klatschen, während er ging. Die massive Haustür schwang auf, als Gant sich ihr näherte, und schließlich betrat er eine riesige Eingangshalle, in deren Mitte ein Zierbrunnen plätscherte. Gant reichte seine Handschuhe und das Handtuch dem leichenblassen Butler, der die Tür geöffnet hatte.

Der Butler räusperte sich. »Ihr Gast ist eingetroffen, Sir. Er wartet in der Bibliothek.«

»Einen Bombay Sapphire Martini und das Übliche für mich.«

Der Butler verbeugte sich und verschwand in einem langen Flur. Gant ging durch eine Tür, die von der Halle in einen großzügigen Raum führte, dessen Wände mit deckenhohen Bücherregalen gesäumt waren, in denen reihenweise die wertvollen Bücher standen, die er sammelte. Margrave stand in der Nähe einer Terrassentür, die einen Blick auf gestutzte Rasenflächen gestattete, die so grün und eben waren wie die Spielfläche eines Billardtisches. Er blätterte in einem Buch mit einem Einband aus rotem, marokkanischem Leder.

»Das ist eine seltene Ausgabe der Göttlichen Komödieaus dem Jahr 1507«, sagte Gant. »Es gibt nur drei bekannte Exemplare. Ich besitze sie alle.«

»Sie haben eine wirklich umfangreiche Sammlung von Dante-Werken.«

»Tatsächlich ist es die beste der Welt«, meinte Gant völlig sachlich und ohne einen Anflug von Eitelkeit.

Margrave lächelte und stellte das Buch zurück ins Regal.

»Ich hatte auch nichts anderes erwartet. Hatten Sie einen angenehmen Ritt?«

Gant warf die Reitgerte auf einen kleinen Tisch. »Ich habe immereinen angenehmen Ritt. Das Pferd macht die ganze Arbeit. Das Tier, auf dem ich heute geritten bin, ist noch neu in meinen Ställen. Es ist ein Hengst, dem gezeigt werden musste, wer hier der Chef ist. Ich veranstalte mit jedem neuen Pferd einen Proberitt. Die Tiere, die ihn überleben, werden fürstlich behandelt. Die, die es nicht tun, enden in der Leimsiederei.«

»Nur die Stärksten überleben.«

»Ich glaube nun mal an Darwin.«

Der Butler erschien mit einem Tablett, auf dem zwei Drinks standen. Gant reichte Margrave ein Glas und nahm sich selbst den sechzehn Jahre alten, doppelt gereiften Scotch. Margrave kostete seinen Drink. »Ein perfekter Martini«, sagte er. »Sie wissen genau, was ich am liebsten trinke. Ich bin beeindruckt.«

»Sie vergessen, dass ich in einem Gewerbe tätig bin, wo geschäftliche Abschlüsse oft mit Alkohol geschmiert werden«, sagte Gant. »Nichts macht einen so günstigen Eindruck wie die Fähigkeit, sich an das spezielle Laster von jemandem zu erinnern.« Er ließ sich in einem bequemen Sessel nieder und gab Margrave ein Zeichen, ebenfalls Platz zu nehmen. »Wie ist der aktuelle Stand bei unserem Projekt?«

»Wir liegen in der Zeit. Aber ich mache mir wegen Spider Sorgen. Seit er die Insel vor ein paar Tagen verlassen hat, habe ich nichts mehr von ihm gehört.«

»Barrett ist ein großer Junge«, sagte Gant. »Er kann ganz gut auf sich selbst aufpassen.«

»Wegen seiner Gesundheit mache ich mir keine Gedanken. Es ist sein Mundwerk,das mich beunruhigt. Er hat im Augenblick einen akuten Anfall von Gewissen. Ich habe keine Lust, ihn irgendwann bei 60 Minutessehen zu müssen, wie er Mike Wallace von unserem Projekt erzählt.«

»Sie sagten, er habe sich bereit erklärt, weiter am Projekt mitzuarbeiten, bis Sie mit Karla Janos Kontakt aufgenommen hätten.«

»Das ist richtig. Er wollte so etwas wie einen Alarmplan, der erlaubt, das Projekt schnellstens abzubrechen.«

»Dann brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Barrett hat sich wahrscheinlich irgendwo verkrochen, wo er gerade vor sich hinschmollt. Die wesentlichere Frage ist, ob das Projekt ohne ihn weitergehen kann.«

»Das ist kein Problem. Spider hat bereits für die Grundlagen gesorgt, so dass er entbehrlich ist. Wir brauchen ihn nicht mehr. Alles läuft genau nach Plan. Ich habe eine Präsentation für Sie vorbereitet.«

Margrave öffnete einen Aktenkoffer und holte einen tragbaren DVD-Player heraus und stellte diesen auf dem Mahagonitisch auf. Er schaltete ihn ein, und auf dem Bildschirm erschien das schematische Profil eines Schiffs.

»Dies ist eins der Transmitter-Schiffe, die wir ursprünglich konstruiert haben. Dort im Frachtraum befinden sich die Stromgeneratoren, die mit den im Meer versenkbaren elektromagnetischen Niederfrequenzantennen verbunden sind.« Er ging weiter zum nächsten Bild. »Dies ist das neue Schiff, das die Arbeit unserer vier Experimentalschiffe übernehmen wird.«

»Ein kleiner Ozeankreuzer. Genial. Wann wird er an Ort und Stelle sein?«

»Die alten Transmitter-Schiffe haben die Werft in Mississippi verlassen und sind unterwegs zum Ausschiffungshafen in Rio. Sie können als Köder zur Rückversicherung immer noch nützlich sein. Der Name des neuen Kreuzers lautet Polar Adventure.Er wird ebenfalls in Rio sein, doch niemand wird dort auf die Idee kommen, dass er die eigentliche Ladung an Bord hat.«

»Demnach haben Sie sich endgültig für einen Zielort entschieden.«

Margrave drückte auf eine Taste des Players. Eine Landkarte der Südhalbkugel erschien auf dem Bildschirm. Die Karte zeigte einen rötlichen Fleck von der Form einer abgeflachten Kugel, der einen großen Teil des Ozeans zwischen Brasilien und Südafrika bedeckte.

»Die South Atlantic Anomaly.«

Margrave nickte. »Wie Sie wissen, ist die Anomalie eine Region, in der das elektromagnetische Feld der Erde in entgegengesetzter Richtung gepolt ist. Einige Wissenschaftler bezeichnen diese Stelle als ›Schlagloch‹ oder als Knick im Magnetfeld. Es gibt Bereiche, in denen das Feld total umgedreht und sehr stark geschwächt ist. Magsat hat jeweils eine Gegend im Nordpolargebiet und einen Punkt unterhalb von Südafrika ausgemacht, wo der Magnetismus extrem schwach ist. Wenn man diesen Schwachpunkt im Magnetfeld des südlichen Ozeans ausnutzt, wird eine ähnlich gelagerte Reaktion im Nordpolargebiet ausgelöst.«

Gant lachte verhalten. »Das ist das Schöne an der ganzen Geschichte. Wir setzen den Vorgang eigentlich gar nicht in Gang, sondern wir beschleunigen nur seinen Start.«

»Richtig. Der magnetische Nord– und Südpol haben in der Vergangenheit auch schon ohne Unterstützung von außen gewechselt, und das Magnetfeld der Erde begann vor etwa hundertfünfzig Jahren, von selbst zusammenzubrechen. Einige Experten meinen, ein Polsprung sei längst überfällig. Der Erdmagnetismus wird schon jetzt durch die Strömungen in der flüssigen Schicht unter der Erdkruste beeinflusst. Man braucht also nur die Turbulenzen ein wenig zu verstärken, und schon reicht ein minimaler Impuls aus, um einen Polsprung herbeizuführen. Wie Sie meinten, wir tun nichts anderes, als den Prozess, der sich schon lange ankündigt, einzuleiten.«

»Faszinierend«, sagte Gant. »Ich gehe davon aus, dass sich hinsichtlich unserer Erwartungen, was die Wirkung dieses kleinen Hüpfers betrifft, nichts geändert hat.«

»Die Computersimulation gilt nach wie vor. Die Hauptmagnetfelder werden schwächer und dann nahezu verschwinden. Etwa drei Tage lang existieren keine magnetischen Pole mehr. Dann werden sie wieder da sein, allerdings mit umgekehrter Polarität. Kompassnadeln, die normalerweise nach Norden zeigen, deuten dann nach Süden. Die wechselnden elektromagnetischen Kräfte dürften Satelliten und Stromnetze ausschalten. Vögel und andere Tiere verlieren jegliche Orientierung. Am Äquator erscheint das Polarlicht, und die Ozonlöcher werden größer. Ein Zeitraum höchster Gefahr bricht an. Der Zusammenbruch des Magnetfeldes neutralisiert vorübergehend den Schutz vor Sonnenstürmen. Auf lange Sicht wird sich die Anzahl der Menschen, die an Hautkrebs erkranken, drastisch erhöhen.«

»Das sind unglückliche Kollateralschäden«, stellte Gant kühl fest. »Unter diesem Haus befindet sich ein geräumiger Bunker. Ich gehe davon aus, dass Sie ähnliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen haben.«

»Das Schiff ist mit einem umfangreichen Strahlenschutz ausgestattet, damit es uns auf der Rückreise nicht erwischt. Unter dem Leuchtturm habe ich mir ebenfalls einen gemütlichen Schutzraum eingerichtet. Dort könnte ich in angenehmem Luxus gut hundert Jahre überstehen, allerdings dürfte sich die Periode akuter Gefahr sehr schnell verringern.«

»Werden die anderen Mitglieder von Lucifer Ihnen auf der Insel Gesellschaft leisten?«

»Nur ein paar ausgewählte. Anarchisten haben eine gewisse Begabung dafür, ein Chaos auszulösen, aber sie haben keine Ahnung, was sie anfangen sollen, sobald alle Fenster eingeworfen wurden und nichts mehr da ist, wogegen sie zu Felde ziehen könnten. Die anderen werden dann ihren Zweck erfüllt haben und müssen alleine sehen, wie sie zurechtkommen.«

»Sie sind bereit, Lucifer’s Legion möglicherweise einen qualvollen Tod sterben zu lassen?«, fragte Gant.

»Sie können Sie ja in IhrenBunker einladen«, sagte Margrave mit einem zynischen Grinsen.

»Ich brauche den Platz für meine Pferde«, erwiderte Gant.

»Das kann ich verstehen. Wie sind Ihre Pläne für die Zeit nach dem großen Knall?«

»Es wird erst einmal ein großes Durcheinander herrschen. Die Menschen werden weder miteinander kommunizieren noch irgendwelche Navigationssysteme nutzen können. Zeitweise wird der Strom ausfallen. Sobald die Kommunikation unter großem Aufwand an Mühe und Kosten wiederhergestellt wurde, werden wir den Weltführern eine Nachricht schicken, in der wir eine internationale Konferenz fordern, die das Ziel hat, die Instrumente der Globalisierung außer Kraft zu setzen. Zuerst einmal verlangen wir die sofortige Auflösung der Weltbank und der Welthandelsorganisation.«

»Und wenn sie unserer Aufforderung nicht nachkommen?«

»Denken Sie bloß nicht, dass das ein Problem sein wird«, sagte Gant. »Wir werden sie auf die Zerbrechlichkeit der globalen Infrastruktur aufmerksam machen und sie daran erinnern, dass, auch wenn sie sie wiederherstellen sollten, es ein Einfaches sein wird, sie abermals zu zerstören. Wenn sie es nicht anders wollen, können wir endlos mit den magnetischen Polen herumspielen.«

Margrave grinste. »Was für ein Gefühl ist es, einer der Götter des Olymp zu sein?«

Gant nahm einen Schluck von seinem Drink. »Berauschend. Aber sogar die Götter müssen sich gelegentlich mit ordinären hauswirtschaftlichen Problemen herumschlagen. Da ist noch diese Frau, Karla Janos.«

»Die letzten Meldungen besagen, dass ein Team nach Sibirien geschickt wurde, um sich ihrer anzunehmen.«

Gant erhob sich aus seinem Sessel und ging zur Terrassentür. Er blickte eine Zeit lang gedankenverloren hinaus auf die hügelige Landschaft, dann wandte er sich zu Margrave um. »Da draußen ist irgendetwas im Gange, und ich weiß nicht, was genau es ist. Das Vollstreckungsteam hat es nur bis Fairbanks, Alaska, geschafft. Sie wurden alle in ihren Hotelzimmern ermordet.«

Margrave stellte sein Glas beiseite. »Ermordet?«

»Genau. Sie wurden alle in den Kopf geschossen. Die Morde wurden absolut professionell ausgeführt. Die Männer waren Spitzenkräfte unserer Sicherheitsfirma. Es wurde kein Versuch unternommen, die Leichen zu beseitigen. Die Exekutionen erfolgten dreist, fast schon leichtsinnig, was mich zu dem Schluss bringt, dass der Täter in Eile gehandelt hat.«

»Wer wusste von dem Team?«

»Sie. Ich. Und natürlich die russische Mafia.«

»Meinen Sie, die Russen stecken dahinter?«

»Die sind zu allem fähig. Aber irgendwie würde das nicht passen. Sie wussten, dass ein Team unterwegs war, aber sie hatten keine Ahnung, wer dieses Team war oder wo es wohnte. Sie gaben sich als Fernsehteam aus und sollten nur wenige Stunden, ehe sie getötet wurden, nach Sibirien starten.«

»Hat die Polizei irgendwelche Spuren?«

»Eine einzige. Der Charterpilot, der das Team weiterfliegen sollte, erklärte, er habe mit demjenigen gesprochen, der möglicherweise der Letzte war, der das Team lebendig gesehen hatte. Der Betreffende nahm für den Charterflug nach Sibirien den Platz der Fernsehleute ein. Er soll ein älterer Mann um die siebzig gewesen sein.«

»Ihr ursprünglicher Kontakt zu Karla Janos, der Mann, der die beiden Sicherheitsleute umgebracht hat, war der nicht auch ein älterer Mann?«

»Ja«, sagte Gant. »Ich würde darauf tippen, dass die beiden ein und derselbe sind.«

»Wer ist dieser Kerl? Wir suchen Karla Janos und stoßen auf einen Killer, der schon im Rentenalter ist.«

»Als meine Leute in sein Haus eindrangen, fanden sie auf seinem Computer Briefe, die er an die Janos geschrieben hat, und Antworten von der Frau. Er bezeichnete sich selbst als ›Onkel Karl‹.«

Margrave runzelte die Stirn. »In dem Dossier, das wir über die Kovacs-Familie zusammentrugen, ist nirgendwo von irgendeinem Onkel die Rede.«

»Ich würde mir wegen ihm nicht zu viele Sorgen machen. Als ich die Russen informierte, dass das Team für Ms. Janos nicht mehr käme, fragten sie, was sie mit ihr tun sollten. Ich sagte, sie sollten sie töten und den alten Mann ebenfalls, falls sie ihm begegnen sollten, womit ich eigentlich rechne.«

Margrave nickte. »Sie waren sehr fleißig.«

»Ich mag keine losen Enden wie zum Beispiel Kurt Austin, den Mann von der NUMA. Ich finde, er sollte aus dem Verkehr gezogen werden.«

»Ich dachte, wir wollten abwarten und Austin beobachten, ob er sich zu einer Gefahr entwickelt.«

»Als Austin das erste Mal auftauchte, habe ich Informationen über ihn eingezogen. Er ist Schiffsingenieur und Bergungsexperte bei der NUMA, der an einigen hochkarätigen Missionen beteiligt war. Er hat den Apparat auf Barretts Boot gesehen. Er befindet sich in einer Position, in der er uns eine Menge Ärger machen kann.«

»Ich gebe zu, es könnte Ärger geben, aber es ist nichts, womit wir nicht fertig würden.«

»Wollen Sie damit sagen, Austin könnte unser Projekt torpedieren?«

»Nicht wenn er tot ist. Wie Joseph Stalin schon sagte: ›… kein Mann, kein Problem.‹ Doyle arbeitete bereits an einem Plan, sich um Austin zu kümmern. Unglücklicherweise hat Austin sein Haus mit unbekanntem Ziel verlassen.«

»Und was tun wir jetzt?«

»Wir behalten Austins Haus unter ständiger Beobachtung. Wenn er zurückkommt, lösen wir unser Problem. In der Zwischenzeit würde ich vorschlagen, dass Sie sich darum kümmern, sämtliche technischen Fragen des Projekts zu lösen.«

»Dann sollte ich mich lieber auf den Weg machen«, sagte Margrave.

Gant brachte seinen Gast hinaus zu seinem Wagen. Sie schüttelten sich die Hand und vereinbarten, miteinander in Verbindung zu bleiben. Gant kehrte in sein Haus zurück, als der Pferdeknecht auf ihn zukam.

»Wie ist das neue Pferd?«, fragte Gant.

»Es lahmt, Sir.«

»Erschießen Sie es«, befahl Gant. Dann verschwand er im Haus.

27

Die Räume und Gänge des Höhlensystems waren die reinste Traumwelt. Orangefarbene und gelbe Schleier aus Mineralien verhüllten die Wände, und Stalaktiten hingen teils als bleistiftdünne Nadeln, teils als wuchtige Säulenbündel von der Decke herab.

Die ätherische Schönheit seiner unterirdischen Umgebung hinterließ auf Schroeder nicht den geringsten Eindruck. Die Beule auf seiner Stirn dröhnte wie eine Trommel, und das Gehen auf dem unebenen Boden der Höhle war Gift für seinen geschwollenen Knöchel. Er kämpfte sich gerade eine natürliche Treppe hinauf, als die Anstrengung bei ihm einen leichten Schwächeanfall auslöste.

Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen, und er sah plötzlich alles doppelt. Die Verlust seines Gleichgewichts verursachte bei ihm heftige Übelkeit. Schweißtropfen perlten plötzlich auf seiner Stirn, obwohl die Luft ausgesprochen kühl war. Er blieb stehen und presste den Kopf gegen die Höhlenwand. Der kalte Stein hatte die beruhigende Wirkung eines Eisbeutels.

Karla befand sich dicht hinter ihm. Sie sah ihn schwanken und kam ihm zu Hilfe.

»Bist du okay?«

»Ich habe mir den Kopf am Höhleneingang gestoßen. Wahrscheinlich ist es eine leichte Gehirnerschütterung. Wenigstens lenkt mich das von meinem lädierten Knöchel ab.«

»Vielleicht sollten wir eine kurze Rast einlegen«, schlug Karla vor.

Schroeder entdeckte einen niedrigen Vorsprung. Er setzte sich, lehnte sich mit dem Rücken an die Felswand und schloss die Augen. Er fühlte sich, als sei er auf einen Schlag um zwanzig Jahre gealtert. Die Feuchtigkeit setzte seinen Gelenken zu, und das Atmen fiel ihm schwer. Sein Knöchel war so dick geworden, dass er nicht einmal mehr den Knochen sehen konnte.

Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich wie ein alter Mann. Verdammt, er warein alter Mann. Er warf Karla einen Seitenblick zu und war geradezu von Ehrfurcht ergriffen, als ihm bewusst wurde, wie dieses Baby, das er bei ihrer ersten Begegnung unbeholfen im Arm gehalten hatte, sich zu einer reizenden und intelligenten jungen Frau entwickelt hatte. Wie traurig, dass er es sich nie gestattet hatte, eine Familie zu haben. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass Karla seine Familie war.Selbst wenn da kein Versprechen an ihren Großvater gewesen wäre, hätte er alles in seiner Macht Stehende getan, um sie vor jeglichem Schaden zu bewahren.

Ihre Atempause war nur kurz. Gedämpfte Stimmen waren aus dem Gang zu hören, den sie gerade benutzt hatten. Schroeder war sofort wieder auf den Beinen. Er wies Karla im Flüsterton an, die Taschenlampe auszuknipsen. Sie standen reglos in der Dunkelheit und lauschten. Verzerrt durch die Biegungen und Windungen der Höhle waren die Echos der Stimmen wie das Gemurmel irgendeines Waldgeistes. Im gleichen Maß, wie die Stimmen lauter wurden, waren sie auch besser zu verstehen. Schließlich konnte man Männer ausmachen, die sich auf Russisch unterhielten.

Schroeder hatte gehofft, dass er und Karla nicht gezwungen würden, sich noch tiefer unter den Berg zu flüchten. Er hatte große Sorgen, den Rückweg nicht zu finden. Offensichtlich hatte er die Entschlossenheit von Grisha und seiner Mörderbande von Elfenbeinjägern völlig unterschätzt.

Seine Beschwerden und Schmerzen so gut wie möglich ignorierend, übernahm er wieder die Führung. Der Gang führte ein paar hundert Schritte mit einem leichten Gefälle abwärts, ehe er sich wieder horizontal ausrichtete. Die Wanderung forderte ihren Tribut von Schroeders Fußknöchel, und er musste sich mehrmals gegen die Wand lehnen, um nicht zu stürzen. Sie waren in akuter Gefahr, das Wettrennen gegen ihre Verfolger zu verlieren.

Karla sah den Spalt in der Wand als Erste. Schroeder konzentrierte sich derart ausschließlich darauf, möglichst viel Distanz zwischen sie und ihre Verfolger zu bringen, dass er an der Falte im Kalkstein, wo die Felswand sich einstülpte und eine winzige Öffnung schuf, kaum mehr als dreißig Zentimeter breit und knapp ein Meter fünfzig hoch, um ein Haar vorbeigelaufen wäre.

Schroeders erster Impuls trieb ihn an weiterzugehen. Die Öffnung könnte eine Todesfalle sein. Er schob den Kopf in den Spalt und erkannte, dass der Tunnel sich nach ein paar Schritten verbreiterte. Er erklärte Karla, sie solle warten, und drang dann etwa fünfzig Schritte weit in die Haupthöhle vor. Er legte seine Taschenlampe auf den Boden, als ob er sie in der Eile seiner Flucht verloren hätte.

Die Stimmen wurden lauter. Er kehrte dorthin zurück, wo Karla wartete, zwängte seinen Körper durch den Spalt, dann half er Karla hindurch. Sie gingen weiter, bis sie zu einer Stelle gelangten, wo der Höhlengang eine leichte Krümmung aufwies. Er nahm das Gewehr von der Schulter und presste den Rücken gegen die Wand. Der erste Mann, der sich durch die Öffnung wagte, wäre tot.

Sie konnten den geisterhaften Schimmer der Taschenlampen aus dem Haupttunnel erkennen. Grishas Stimme war deutlich zu identifizieren, während er seine Männer mit Drohungen und Scherzen zur Eile antrieb. Die Elfenbeinjäger passierten den Felsspalt, und dann ertönten aufgeregte Rufe. Sie hatten die Taschenlampe entdeckt. Die Stimmen entfernten sich.

Schroeder hatte die Absicht, über den Haupttunnel zurückzugehen, aber Grisha war nicht dumm. Er musste vermutet haben, dass die Lage der Taschenlampe einfach zu auffällig war, um einem Zufall entsprungen zu sein. Er und seine Männer machten kehrt und kamen zu dem Spalt in der Wand zurück.

Schroeder flüsterte Karla zu, sie solle sich beeilen. Während sie durch den gewundenen Felstunnel rannten, entschied Schroeder, dass sie nichts anderes tun konnten als zu flüchten. Der Lichtstrahl wurde schwächer, was darauf hinwies, dass die Leistung der Batterien nachließ. Er müsste sich schnellstens eine Position für einen Hinterhalt suchen, ehe sie sich verirrten oder tief im Berg ihr Licht erlosch und sie nicht mehr weiter vordringen konnten.

Sie gingen ungefähr zehn Minuten lang weiter. Die Luft war muffig, aber immer noch atembar, was den Schluss nahe legte, dass es einen Luftstrom mit Verbindung nach draußen geben musste. Die Höhle verengte sich, und Schroeder sah ein Stück voraus einen schmalen Spalt. Er schob sich durch diese Öffnung, und sein Fuß trat ins Leere. Er stürzte auf einen Abhang und rollte mehrere Schritte weit.

Er kroch ein Stück, hob seine Taschenlampe auf und richtete den Lichtstrahl auf Karla, die durch den Riss im Gestein blickte. Die Öffnung befand sich knapp zwei Meter über dem Boden. Karla war offensichtlich verwirrt. In der einen Sekunde war Schroeder noch vor ihr gewesen und hatte den Weg erkundet. In der nächsten war er schon verschwunden, die Taschenlampe flog durch die Luft, und sie hörte einen dumpfen Laut.

»Mir ist nichts passiert«, meldete er. »Sei bloß vorsichtig, es geht gleich steil abwärts.«

Sie schlängelte sich durch die Öffnung und rutschte langsam den Abhang herunter. Schroeder versuchte zu stehen.

Der Sturz hatte seinem verletzten Knöchel gar nicht gutgetan, und ein wahres Schmerzgewitter entlud sich in seinem Bein, als er sein Körpergewicht auf den Fuß verlagerte. Er stützte sich auf Karlas Schulter.

»Wo sind wir?«, fragte sie.

Schroeder untersuchte ihre Umgebung mit der Taschenlampe. Der Tunnel war rund zehn Meter breit und zehn Meter hoch. Ein Teil der Wand war zusammengebrochen und hatte das Loch freigelegt. Die Decke war gewölbt, und im Gegensatz zu der Höhle, durch die sie hierhergekommen waren, hatte diese einen Boden, der so flach und eben war wie ein Pfannkuchen.

»Das ist keine Höhle«, stellte Schroeder fest. »Das wurde von Menschenhand geschaffen.« Er richtete den Lichtstrahl auf die gegenüberliegende Wand. »Nun, es scheint, als ob wir Gesellschaft hätten.«

Lebensgroße Figuren von Männern und Frauen zierten die Wände. Sie waren im Profil gezeichnet, während sie in einer Prozession dahinzogen und Blumen, Krüge und Körbe voller Speisen trugen und Schafe, Kühe und Ziegen mithilfe großer, wolfsähnlicher Hunde vor sich hertrieben.

Die Frauen trugen lange, durchscheinende weiße Kleider und Sandalen. Die Männer waren mit Kilts und weit geschnittenen, langärmeligen Hemden bekleidet. Bäume und andere Grünpflanzen bildeten den Hintergrund der Parade.

Die Menschen hatten helle Haut, hohe Wangenknochen und schwarzes Haar, das die Frauen zu Knoten geflochten und die Männer kurz geschnitten trugen. Der Ausdruck ihrer Gesichter war weder richtig ernst noch ausgesprochen glücklich, sondern lag irgendwie dazwischen. Möglich, dass sie gerade einen Sonntagsspaziergang unternahmen. Die Farben waren so kräftig, als wären sie erst vor wenigen Tagen auf den Fels aufgetragen worden.

Die Gemälde bedeckten beide Wände. Keine Gestalt wiederholte sich. Die meisten waren jung, Teenager oder gerade über zwanzig, aber zu sehen war auch eine Anzahl von Kindern und alten Leuten, darunter grauhaarige Männer, die einen Kopfschmuck trugen und die Funktion von Priestern haben konnten.

»Es sieht aus wie eine religiöse Prozession«, sagte Karla.

»Sie tragen Geschenke für einen Gott oder für einen Führer.«

Schroeder stützte sich auf Karla, während er neben ihr herhumpelte. Sie gingen durch den Tunnel und konnten dabei feststellen, dass die Anzahl der Gestalten in die Hunderte ging »Auf jeden Fall tut es gut, Gesellschaft zu haben«, sagte Schroeder. »Vielleicht zeigen unsere neuen Freunde uns einen Weg nach draußen.«

»Zumindest sind sie eindeutig irgendwohin unterwegs. Sieh doch!«

Der Charakter der Wandgemälde hatte sich verändert. Neue Tiere tauchten auf – große, schwerfällige Lebewesen, die an Elefanten erinnerten, außer dass ein zottiger, graubrauner Pelz ihre Körper bedeckte. Die Tiere hatten hohe Schädel und verhältnismäßig kurze Rüssel. Einige besaßen Stoßzähne, die fast so lang waren wie ihre Körper und gebogen wie die Kufen von altmodischen Schlitten. Männer ritten auf den Tieren wie indische Elefantentreiber.

»Unmöglich«, sagte Schroeder.

Wie gebannt trat Karla näher heran, um die Kunstwerke besser erkennen zu können. In ihrem Eifer vergaß sie, dass Schroeder sie im Augenblick als Krücke benutzte. Er sank auf ein Knie.

»Tut mir leid«, sagte sie, als sie seine Schwierigkeiten bemerkte. Sie half ihm wieder hoch. »Weißt du, was diese Bilder bedeuten? Dass Angehörige einer hohen Zivilisationsstufe auf dieser Insel lebten, und das bereits Tausende von Jahren, bevor die Ägypter ihre Pyramiden bauten. Wahrscheinlich war die Insel damals noch mit dem Festland verbunden. Das alleine ist schon sensationell. Aber die Tatsache, dass sie offenbar wilde Mammuts domestiziert hatten, ist einfach unglaublich. Mein Aufsatz über die Ausrottung der Mammuts durch den Menschen ist Makulatur! Nach meiner Auffassung brauchten die primitiven Menschen die Mammuts als Nahrungsquelle und als Lieferanten von Knochen und Stoßzähnen zur Herstellung von Werkzeugen und Waffen. Was wir hier sehen, verrät uns, dass sie diese wilden Tiere als Lastenträger benutzten. Das dürfte die wissenschaftliche Entdeckung des Jahrhunderts sein. Ich glaube, wir können sämtliche Bücher über diese Zeit umschreiben.«

»Ich finde das Ganze sicher genauso aufregend wie du«, sagte Schroeder. »Aber ich glaube, wir sollten einen grundlegenden praktischen Aspekt nicht vergessen. Niemand wird jemals von dieser Entdeckung erfahren, wenn wir nicht irgendwie von hier wegkommen.«

»Entschuldige, aber das ist so …« Sie löste nur mit Mühe den Blick von den überwältigenden Wandmalereien. »Was sollen wir tun?«

Schroeder beleuchtete die Wand. »Das lassen wir uns von unseren Freunden erklären. Die hübschen jungen Damen da oben tragen Blumen in den Berg hinein. Ich schlage vor, wir überlegen uns, woher sie kommen, und sehen nach, ob dieser Tunnel nach draußen führt. Wie du sicher erkennen kannst, bin ich alles andere als fit genug, um als Läufer bei der Olympiade zu starten. Zudem gibt unsere Lampe bald den Geist auf.«

Karla warf einen sehnsuchtsvollen Blick auf die Gestalten.

»Du hast Recht. Gehen wir lieber weiter, ehe ich es mir noch anders überlege.«

Sie kehrten um. Sie hatten nur wenige Schritte gemacht, als sie Männerstimmen hörten, die russisch sprachen. Grisha und seine Männer hatten die Öffnung im Haupttunnel gefunden. Schroeder und Karla mussten abermals kehrtmachen und die andere Richtung einschlagen.

Schroeder verfiel in einen humpelnden Trab. Diese Gangart verstärkte den Druck auf sein geschwollenes Fußgelenk, aber er biss die Zähne zusammen und rannte weiter. Sich auf Karla zu stützen, half zwar, aber es bremste sie auch. Er empfahl ihr, die Taschenlampe auszuschalten. Der Lichtstrahl war mittlerweile so matt geworden, dass er so gut wie nutzlos war, allerdings war er immer noch hell genug, um ihren Verfolgern als Wegweiser zu dienen. Schroeder benutzte seine freie Hand als Führung, indem er mit den Fingern die Tunnelwand abtastete. Der Gang schien kein Ende zu nehmen.

Nach ein paar Minuten wurden die Stimmen lauter. Grisha und seine Bande waren ihnen dicht auf den Fersen. Schroeder versuchte, größere Schritte zu machen, aber diese Anstrengung störte die Koordination seiner Bewegungen und ließ sie letztendlich langsamer werden. Nicht lange, und er würde anhalten und Karla bitten müssen, die Flucht ohne ihn fortzusetzen. Er überlegte sich bereits, wie er auf ihren zu erwartenden Protest reagieren sollte, als Karla meinte: »Ich sehe Licht.«

Schroeder blinzelte sich den Schweiß aus den Augen und starrte in die Dunkelheit. Voraus nahm er einen hellen Fleck wahr, der sich nur unwesentlich von der totalen Finsternis abhob. Er war verwirrt. Vielleicht hatte er sich, was ihre Gehrichtung betraf, bei den Wandmalereien gründlich geirrt, und sie hatten sie tatsächlich aus dem Berg hinausgeführt.

Sie eilten weiter, und der Boden senkte sich leicht ab. Der Tunnel mündete in eine riesige Kaverne. Der Raum war, so weit das Auge reichte, mit zweistöckigen Gebäuden mit flachen Dächern gefüllt. Erbaut waren die Behausungen aus einem Material, das in einem silbrigen Grün schimmerte, das die gesamte Szenerie in ein geheimnisvolles Licht tauchte.

Raue Stimmen erklangen hinter ihnen und rissen sie aus ihrer Verzauberung. Mit einer Mischung aus Scheu und ängstlicher Erwartung schickten sie sich an, die kristallene Stadt zu betreten.


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