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Packeis
  • Текст добавлен: 12 октября 2016, 05:46

Текст книги "Packeis"


Автор книги: Clive Cussler


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Триллеры


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»Das stimmt. Haben Sie irgendwelche Vorschläge?«

»Ja«, schaltete Zavala sich ein. »Hat Veronika eine Telefonnummer?«

»Das können Sie sie selbst fragen«, erwiderte Petrow.

Er leerte sein Wodkaglas, schraubte den Verschluss wieder auf die Flasche und klemmte sie sich unter den Arm. Dann verließ er mit den anderen den Raum und das Gebäude. Ein Fahrer mit Wagen wartete auf sie.

»Wir haben noch ein wenig Sondergepäck«, sagte Austin. Er deutete auf zwei überdimensionierte Koffer. »Bitte gehen Sie besonders vorsichtig damit um.«

»Alles wird ordnungsgemäß weitergeleitet.«

Sie stiegen in den Wagen, der sie zu der dem Meer zugewandten Seite des Flughafens und weiter zu einem breiten, durchhängenden Pier brachte. Ein Boot, etwa zwanzig Meter lang, war am Ende des Piers vertäut. Mehrere Männer warteten an der Gangway.

Austin stieg aus dem Wagen und erkundigte sich nach der Bedeutung der Worte in kyrillischer Schrift auf dem weißen Rumpf.

»Arctic Tours. Es ist ein real existierendes Reiseunternehmen, das reiche Amerikaner für horrende Geldsummen zu den gottverlassensten Orten bringt. Ich habe das Boot für ein paar Tage gechartert. Falls jemand fragt, zeigen wir ein paar Pfadfindern unsere schöne Natur.«

Während Petrow die beiden Männer über die Gangway begleitete, sah Austin zu seiner Erleichterung, dass ihr Gepäck wie durch Zauberhand an Deck gebracht worden war. Viel hatten sie nicht mitgenommen, jeder nur einen Seesack und die beiden Koffer, die laut Austin sorgfältig behandelt werden sollten.

Petrow führte sie zur Hauptkabine. Austin brauchte sich nur kurz umzusehen, um zu erkennen, dass dies kein Ausflugsboot war. Der größte Teil der normalen Möblierung war entfernt worden, bis auf einen großen, am Boden festgeschraubten Tisch in der Mitte und gepolsterte Bänke an den Seiten. Dimitri und Veronika saßen zusammen mit vier Männern in Tarnanzügen auf der Bank. Sie waren damit beschäftigt, eine eindrucksvolle Kollektion von automatischen Waffen zu reinigen.

»Wie ich sehe, bereiten Ihre Pfadfinder sich darauf vor, ihre Leistungsprüfung im Scharfschießen abzulegen. Was denkst du, Joe?«

»Ich interessiere mich viel mehr für die Pfadfinderin«, erwiderte Zavala. Er ging hinüber und begann mit der jungen Russin eine Unterhaltung.

Austin warf Petrow einen fragenden Blick zu.

»Ich weiß, dass Sie meinten, ein möglichst unauffälliges Auftreten sei notwendig«, erklärte Petrow. »Das ist auch meine Meinung. Diese Leute sind nur eine Art Rückversicherung. Sehen Sie, es sind nur sechs an der Zahl. Keine Armee.«

»Sie haben aber mehr Feuerkraft, als beide Seiten während der Schlacht von Gettysburg zusammen«, stellte Austin fest.

»Möglicherweise brauchen wir sie«, sagte Petrow. »Kommen Sie in meine Kabine, damit ich Sie auf den neuesten Stand bringen kann.«

Petrow ging voraus zu einer kleinen Kabine und nahm dort einen dicken Umschlag von der Schlafkoje. Er holte einige Fotografien aus dem Umschlag und reichte sie Austin, der sie ins Licht hielt, das durch das Bullauge hereindrang. Die Fotos zeigten verschiedene Ansichten von einer langen, grauen Insel mit einem donutförmigen Berg in der Mitte.

»Ivory Island?«, fragte er.

»Die Fotos wurden während der letzten Tage von Satelliten geschossen.« Petrow angelte ein kleines Vergrößerungsglas aus der Tasche. Er deutete auf eine Einbuchtung an der Südseite der Insel. »Das ist der natürliche Hafen, den der Eisbrecher benutzt, der den Nachschub bringt und die Expedition transportiert. Das Schiff hat Karla Janos hier vor zwei Tagen abgesetzt, um sie zu einer Expeditionsgruppe zu bringen, die bereits seit einiger Zeit auf der Insel arbeitet.«

»Und was ist die Aufgabe dieser Expedition?«

»Reinste Science-Fiction. Ein paar verrückte Russen und Japaner hoffen, DNS eines Wollhaarmammuts zu finden, mit dem sie ein lebendiges Exemplar klonen können. Sehen Sie, auf der anderen Seite der Insel, wo der Permafrost abgetragen wurde, befinden sich natürliche Buchten.«

Austin entdeckte in einer dieser Buchten eine längliche Form. »Ein Boot?«

»Wer immer es sein mag, wollte nicht gesehen werden, sonst hätte er den natürlichen Hafen benutzt. Ich glaube, dass die Mörder eingetroffen sind.«

»Wie schnell können wir dort sein?«

»In zehn Stunden. Das Boot schafft vierzig Knoten, aber die Entfernungen hier sind riesig, und wir könnten durch Treibeis aufgehalten werden.«

»So viel Zeit haben wir nicht.«

»Das ist richtig. Deshalb haben wir einen Ersatzplan vorbereitet.« Er schaute auf seine Uhr. »In einer Dreiviertelstunde kommt ein Wasserflugzeug vom Festland. Nach dem Auftanken fliegt es Sie und Zavala zum Eisbrecher Kotelny,der zwischen der Wrangelinsel und dem Polareis liegt. Ein Flug von etwa drei Stunden. Der Eisbrecher bringt Sie dann nach Ivory Island.«

»Was ist mit Ihnen und Ihren Freunden?«

»Wir starten zum gleichen Zeitpunkt wie Sie und hoffen, irgendwann morgen einzutreffen.«

Austin streckte Petrow eine Hand entgegen. »Ich kann Ihnen nicht genug danken, Iwan.«

»Eigentlich sollte ich mich bei Ihnen bedanken. Gestern war ich noch im Begriff, in meinem Moskauer Büro zu versauern. Und heute bin ich schon unterwegs, um eine schöne Frau aus großer Not zu retten.«

»Ich könnte Probleme haben, Zavala von hier wegzulocken«, sagte Austin.

Wie sich herausstellte, waren seine Befürchtungen unbegründet. Als er in die Hauptkabine zurückkehrte, unterhielt Zavala sich mit einem der Männer über seine Waffe. Veronika und Dimitri saßen ein wenig abseits und waren in ein lebhaftes Gespräch vertieft.

»Tut mir leid, die junge Liebe zu stören«, sagte Austin.

»Das braucht es nicht. Petrow hat versäumt, mich darauf aufmerksam zu machen, dass Veronika und Dimitri verheiratet sind. Und zwar miteinander. Wohin geht’s?«

Austin erläuterte Petrows Plan, und sie gingen hinaus auf den Pier, um zu warten. Das Wasserflugzeug erschien eine Viertelstunde früher als erwartet. Es begab sich auf eine Position am Tankanschluss am Ende des Piers. Austin überwachte das Verladen seines Gepäcks, während das Flugzeug aufgetankt wurde, dann stiegen er und Zavala in die Maschine. Kurz darauf jagte es über die Bucht, hob die Nase und stieg in scharfem Winkel über die zerklüfteten grauen Bergspitzen, die die Bucht umschlossen, dann ging es auf nördlichen Kurs ins Ungewisse.

25

Karlas Augenlider öffneten sich flatternd. Sie sah nur Schwärze, aber Sinne, die vorübergehend abgeschaltet worden waren, erwachten nach und nach zum Leben. Sie hatte einen Kupfergeschmack von altem Blut im Mund. Ihr Rücken fühlte sich an, als läge er auf einem Nagelbrett. Dann hörte sie in nächster Nähe ein Rascheln. Sie erinnerte sich an ihren Angreifer mit den gelben Zähnen. Immer noch nur halb bei Bewusstsein, hob sie ihre Arme und schlug in der Dunkelheit um sich, um ihren unsichtbaren Angreifer abzuwehren.

»Nein!«, schrie sie ängstlich und wütend zugleich.

Ihre wild rudernden Arme trafen auf Fleisch. Eine große Hand mit Fingern wie Stahl legte sich auf ihren Mund. Eine Lampe blitzte auf. Ihr Lichtstrahl beleuchtete ein körperloses Gesicht, das vor ihr in der Dunkelheit schwebte.

Sie brach ihren Kampf ab. Das markante Gesicht war dramatisch gealtert, seit sie es das letzte Mal gesehen hatte. Da waren mehr Falten und eine allgemeine Schlaffheit der Haut, die mal so glatt und straff wie ein Trommelfell gewesen war. Die aufmerksamen Augen waren von Krähenfüßen, Tränensäcken und weißen Brauen umrahmt, aber die Iris zeigte das gleiche durchdringende Blau wie in ihrer Erinnerung. Er nahm die Hand von ihrem Mund.

Sie lächelte. »Onkel Karl.«

Seine schmalen Lippen krümmten sich. »Rein technisch betrachtet, bin ich dein Pate. Aber ja, ich bin’s. Dein Onkel Karl. Wie fühlst du dich?«

»Ich bin okay.« Sie zwang sich, sich aufzurichten, obwohl ihr dabei gleich wieder schwarz vor Augen wurde. Während sie mit der Zungenspitze über ihre geschwollenen Lippen leckte, kam die Erinnerung an den Angriff zurück.

»Da waren vier andere Wissenschaftler. Sie haben sie mitgenommen, und dann habe ich Schüsse gehört.«

Ein gequälter Ausdruck trat in die blauen Augen. »Ich fürchte, sie alle wurden getötet.«

»Getötet! Aber warum?«

»Die Männer, die sie getötet haben, wollten keine Zeugen.«

»Zeugen wovon?«

»Von deiner Ermordung. Oder Entführung. Ich bin mir nicht sicher, was sie vorhatten, nur dass es nichts Gutes war.«

»Das ergibt keinen Sinn. Ich bin erst vor zwei Tagen hier angekommen. Ich bin völlig fremd in diesem Land. Ich bin wie die anderen nicht mehr als ein ordinärer Knochensammler. Welchen Grund sollte jemand haben, mich zu ermorden?«

Schroeder wandte den Kopf ein wenig zur Seite, als ob er auf etwas lauschte, dann knipste er die Lampe aus. Seine weiche Stimme klang kühl und tröstend durch die Dunkelheit. »Sie glauben, dass dein Großvater ein Geheimnis von höchster Bedeutung kannte. Sie glauben, dass er es an dich weitergegeben hat, und sie wollen dafür sorgen, dass niemand anderer jemals davon erfährt.«

»Großvater!« Karla lachte beinahe trotz ihrer Schmerzen. »Das ist lächerlich. Ich kenne kein Geheimnis.«

»Trotzdem glauben sie es, und das alleine ist wichtig.«

»Dann ist es meineSchuld, dass diese Wissenschaftler sterben mussten.«

»Ganz sicher nicht. Die Männer, die abgedrückt haben, sind die einzigen Schuldigen.«

Er drückte ihr die Taschenlampe in die Hand, um bei ihr wenigstens ein Minimum an Kontrolle über ihre angeschlagene Psyche wiederherzustellen. Sie knipste die Lampe wieder an und ließ den Lichtstrahl über schwarzen Fels wandern, der Decke und Wände ihrer Umgebung bildete.

»Wo sind wir?«, fragte sie.

»In einer Höhle. Ich habe dich hierher getragen. Es war reines Glück, dass ich eine niedrige Stelle gefunden habe, wo ich aus dem Graben herausklettern konnte und sofort auf eine natürliche Felswand stieß. Sie war von Rissen durchzogen, und ich dachte, wir könnten uns in einer der engen Felsspalten verstecken. Dann entdeckte ich eine Öffnung am Ende einer dieser Spalten. Ich habe ein paar Büsche abgeschnitten und um den Eingang zu dieser Höhle drapiert.«

Sie griff in die Dunkelheit und fand seine große Hand.

»Vielen Dank, Onkel Karl. Du bist ein richtiger Schutzengel.«

»Ich habe deinem Großvater versprochen, dass ich auf dich aufpassen würde.«

Karla saß in der Dunkelheit und dachte an das erste Mal, als sie Schroeder begegnet war. Sie war ein junges Mädchen gewesen und lebte im Haus ihres Großvaters, nachdem ihre Eltern gestorben waren. Eines Tages erschien er mit einem Arm voller Geschenke. Er kam ihr damals riesengroß und stark vor, mehr wie ein wandelnder Baum als wie ein Mensch. Trotz der Kraft, die er ausstrahlte, schien er fast schüchtern zu sein, aber ihr kindliches Auge hatte auf Anhieb etwas Gütiges, Entgegenkommendes in seinem Verhalten entdeckt, und sie freundete sich schnell mit ihm an.

Das letzte Mal hatte sie ihn anlässlich der Beerdigung ihres Großvaters gesehen. Er vergaß niemals ihren Geburtstag und schickte ihr jedes Jahr eine Glückwunschkarte mit Geld in einem Briefumschlag, bis sie das College beendete. Sie hatte keine Ahnung von der Verbindung zwischen Schroeder und ihrer Familie, aber sie wusste, weil sie die Geschichte mehrmals gehört hatte, dass ihr Großvater ihre Eltern nach ihrer Geburt gedrängt hatte, sie nach dem geheimnisvollen Onkel zu benennen.

»Ich habe keine Ahnung, wie du mich an diesem abgelegenen Ort finden konntest«, sagte Karla.

»Das war nicht schwierig. Die Universität verriet mir, wo du bist. Hierherzugelangen war der schwierige Teil. Ich habe ein Fischerboot gemietet, das mich herbrachte. Als ich in eurem Lager niemanden antraf, folgte ich eurer Spur. Wenn du das nächste Mal eine Expedition unternimmst, dann bitte nicht ganz so weit weg. Ich werde allmählich zu alt für solche Abenteuer.« Er spitzte die Ohren. » Pssst.«

Sie saßen stumm in der Dunkelheit und lauschten. Sie hörten gedämpfte Stimmen und das Scharren von Schuhsohlen auf Fels und Geröll am Höhleneingang. Dann wurde die Dunkelheit durch gelbliches Licht aufgehellt, als die Büsche, die den Eingang versperrten, beiseite geräumt wurden.

»Hey da drin!«, rief eine männliche Stimme auf Russisch.

Schroeder drückte Karlas Hand als Aufforderung, still zu sein. Es war eine unnötige Geste, denn sie war starr vor Angst.

»Wir wissen, dass ihr da drin seid«, sagte die Stimme.

»Wir können genau sehen, wo jemand die Büsche abgeschnitten hat. Es ist nicht sehr höflich, nicht zu antworten, wenn man angesprochen wird.«

Schroeder kroch ein paar Schritte vorwärts, bis er den Höhleneingang sehen konnte.

»Es ist genauso wenig höflich, unschuldige Menschen zu töten.«

»Du hast einen meiner Männer umgebracht. Mein Freund war unschuldig.«

»Dein Freund war dumm und hat den Tod verdient«, sagte Schroeder.

Heiseres Gelächter belohnte seine Antwort.

»Hey, harter Kerl, ich heiße Grisha. Wer zum Teufel bist du?«

»Ich bin dein schlimmster Alptraum.«

»Ich habe mal einen amerikanischen Film gesehen, in dem jemand das gesagt hat«, erwiderte die Stimme. »Du bist ein alter Mann. Was willst du mit einer jungen Frau? Ich schlage dir ein Geschäft vor. Ich lasse dich laufen, wenn du uns das Mädchen gibst.«

»Ich habe auch mal einen Film gesehen, in dem jemand das gesagt hat«, sagte Schroeder. »Hältst du mich für dumm? Reden wir weiter. Verrat mir mal, weshalb ihr das Mädchen töten wollt.«

»Wir wollen sie gar nicht töten. Sie ist für uns eine Menge Geld wert.«

»Demnach werdet ihr der Kleinen nichts tun?«

»Nein, nein. Wie ich schon sagte, als Geisel ist sie viel mehr wert.«

Schroeder schwieg, als würde er ernsthaft über das Angebot nachdenken. »Ich habe auch sehr viel Geld. Ich kann es euch sofort geben, dann braucht ihr nicht zu warten. Was haltet ihr von einer Million Dollar?«

Eine geflüsterte Diskussion setzte ein, dann meldete der Russe sich wieder. »Meine Männer finden, es sei okay, aber sie wollen zuerst das Geld sehen.«

»In Ordnung. Kommt näher zur Höhle, und ich werfe es raus.«

Die Unterhaltung war auf Russisch geführt worden, und Karla hatte sie nur zum Teil verstanden. Schroeder erklärte Karla im Flüsterton, sie solle sich tiefer in die Höhle zurückziehen und sich die Ohren zuhalten. Er griff in seinen Seesack und holte einen Gegenstand heraus, der aussah wie eine Mini-Ananas aus Metall. Er wusste, dass sein Angebot die Angreifer wie Hyänen anlocken würde, und mit ein wenig Glück müsste er sie alle ausschalten können. Er stand auf. Der Schmerz schoss in sein rechtes Bein. Der Lauf und die Kletterpartie mit der jungen Frau auf den Armen hatte seine Knöchelverletzung verschlimmert.

Er schlich näher an den Höhleneingang heran. Er konnte Schatten erkennen, die näher kamen. Gut. Die Höhle beschrieb einen leichten Knick, und der Eingang war aus seiner Perspektive nur ein schmaler Spalt, daher müsste er genau zielen und werfen.

»Da ist euer Geld«, sagte er und zog den Sicherungsstift aus der Handgranate.

Während er einen Schritt vorwärts machte, um sie aus dem Loch in der Felswand zu schleudern, knickte sein verletztes Bein ein, und er stürzte, wobei er mit dem Kopf gegen die Höhlenwand knallte. Er wurde beinahe ohnmächtig. Während seine Augen sich schlossen, sah er, wie die Granate auf dem Boden landete, ein Stück weiterrollte und liegen blieb. Er riss sich in die Gegenwart zurück und zwang sich, wach zu bleiben. Er streckte sich nach der Granate, spürte das Metall in seiner Hand und warf sie abermals in Richtung Höhleneingang.

Diesmal zielte er besser, aber die Granate streifte die Wand und blieb mitten in der Höhlenöffnung liegen.

Schroeder warf sich nach hinten tiefer in die Höhle hinein und um den Knick herum, wo er sich Deckung suchend an die Wand drückte. Er presste sich die Hände gerade noch rechtzeitig auf die Ohren, als die Granate bereits explodierte. Ein Blitz zuckte auf, und ein Regen glühenden Metalls erfüllte den Höhleneingang. Dann ertönte ein dumpfes Grollen, als der Höhleneingang einstürzte.

Die Höhle war mit Staub erfüllt. Schroeder hob den Kopf und kroch in Richtung eines krampfhaften Hustens. Die Lampe wurde eingeschaltet, doch der Lichtstrahl wurde durch den braunen Staubvorhang, der in der Luft hing, zerstreut.

»Was ist passiert?«, erkundigte Karla sich, nachdem der Staub sich ein wenig gesetzt hatte.

Schroeder stöhnte und spuckte einen Mund voll Sand aus.

»Ich sagte dir schon, dass ich für solche Spielchen zu alt bin. Ich wollte die Granate werfen, als ich stolperte und mir den Kopf stieß. Warte mal einen Moment.« Er nahm ihr die Taschenlampe ab und kehrte zum Höhleneingang zurück. Nach einer Minute war er schon wieder zurück und berichtete: »Ich habe einen Volltreffer gelandet. Wir kommen nicht mehr raus, aber sie kommen auch nicht rein.«

»Na, ich weiß nicht«, sagte Karla. »Der Anführer dieser Männer meinte, sie hätten einen tragbaren Presslufthammer.«

Schroeder nahm diese Information nur ungern zur Kenntnis. »Das heißt, dass wir uns tiefer in die Höhle zurückziehen müssen.«

»Der Gang könnte kilometerweit in die Erde führen! Am Ende verirren wir uns noch hoffnungslos.«

»Ja, ich weiß. Wir gehen auch nur so weit wie nötig hinein, um einen Hinterhalt vorzubereiten. Ich versuche, das nächste Mal nicht so schlampig zu sein.«

Karla fragte sich, ob sie denselben Menschen vor sich hatte, der sie vor so vielen Jahren auf seinen Knien hatte reiten lassen. Er hatte den Mann, der versucht hatte, sie zu vergewaltigen, ausgeschaltet, in aller Ruhe mit einer Bande von Mördern verhandelt und dann, rein geschäftsmäßig, versucht, die ganze Bande zu töten.

»In Ordnung«, sagte sie. »Aber dieses Geheimnis, das du erwähnt hast … Was weißt du darüber?«

Karl angelte eine Kerze aus seinem Seesack, zündete den Docht an und befestigte sie mithilfe einiger Tropfen flüssigen Wachses auf einem kleinen Felsvorsprung.

»Ich habe deinen Großvater gegen Ende des Zweiten Weltkriegs kennen gelernt. Er war ein brillanter und mutiger Mann. Vor vielen Jahren stieß er auf ein physikalisches Prinzip, das, wenn unüberlegt angewendet, Tod und Vernichtung auslösen konnte. Er schrieb einen Aufsatz, in dem er warnend auf diese Möglichkeiten aufmerksam machte, und das Ergebnis fiel nicht so aus, wie er erwartet hatte. Die Nazis schnappten ihn und zwangen ihn, an der Entwicklung einer Superwaffe zu arbeiten, die auf seinen Theorien basierte.«

»Das ist unglaublich. Er hat niemals irgendeinen Hinweis darauf gegeben, dass er etwas anderes war als ein Erfinder und Geschäftsmann.«

»Das ist richtig. Wie dem auch sei, jedenfalls habe ich ihm damals geholfen, aus dem Labor zu fliehen. Er hatte sich geweigert, seine Geheimnisse preiszugeben, und seine Standhaftigkeit oder Sturheit, wie man’s nimmt, kostete ihn seine Familie. Ja, genauso war es. Er war verheiratet und hatte ein Kind, ehe er nach dem Zweiten Weltkrieg in die Vereinigten Staaten ging. Er nahm sein Geheimnis mit ins Grab, aber diese Männer, oder diejenigen, für die sie arbeiten, glauben, dass er das Geheimnis an dich weitergegeben hat.«

»Wie kommen sie darauf, dass ich so etwas weiß?«

»Die Geschichte wiederholt sich immer wieder. Du hast einen Artikel über das Aussterben der Wollhaarmammuts veröffentlicht.«

»Das ist richtig. Ich sagte, es sei auf Klimaveränderungen zurückzuführen, die durch eine Polverschiebung ausgelöst wurden. Ich benutzte einige Forschungsunterlagen meines Großvaters und seine Berechnungen, um meine Theorie zu untermauern. Du lieber Himmel! Ist es das, was sie wollen?«

»Das und mehr. Sie werden alles tun und jeden töten, um es zu kriegen.«

»Aber alles, was ich weiß, ist öffentlich bekannt. Ich weiß nichts von einem Geheimnis!«

»Dein Großvater hat den Nazis das Gleiche erzählt. Und sie haben ihm ebenfalls nicht geglaubt.«

»Was kann ich tun?«

»Einstweilen dafür sorgen, dass es dir gut geht.« Er tauchte die Hand wieder in seinen Seesack ein und förderte Dörrfleisch und Wasser zutage. »Nicht gerade ein Cordon bleu, aber fürs Erste wird es reichen. Vielleicht finden wir ein paar Fledermäuse, aus denen wir einen leckeren Eintopf zubereiten können.«

»Jetzt erinnere ich mich«, sagte Karla lächelnd. »Ständig hast du mir von irgendwelchen verrückten Dingen erzählt, die du für mich kochen wolltest. Schnecken. Junge Hunde. Rosenkohl. Igitt. Widerlich.«

»Das war das Beste, was ich zustande bringen konnte. Was das Beilaunehalten von Kindern anging, hatte ich nur sehr geringe Erfahrungen.«

Sie unterhielten sich über die Vergangenheit, während sie das zähe Dörrfleisch kauten. Sie spülten es mit Wasser herunter, als sie am Höhleneingang etwas hörten, das so klang wie ein riesiger Specht.

»Sie haben mit dem Bohren angefangen«, stellte Karla fest.

Schroeder sammelte seine Siebensachen ein. »Es wird Zeit weiterzuziehen.« Er reichte Karla eine Taschenlampe und empfahl ihr, sie nur sporadisch zu benutzen, obgleich er stets genügend frische Batterien bei sich hatte. Dann folgten sie dem Höhlengang tiefer in die Erde hinein.

Schroeder hatte erwartet, dass die Temperatur steigen würde, je tiefer sie gelangten, und stellte nun zu seiner Freude fest, dass sie konstant blieb und dass die Luft relativ frisch war. Er machte Karla auf dieses Phänomen aufmerksam und äußerte die Vermutung, dass die Höhle vielleicht einen zweiten Ausgang habe. Er wusste, dass dafür nur eine geringe Hoffnung bestand, zumal der Höhlenboden sich jetzt merklich senkte, aber es schien Karla neuen Mut zu geben.

Die Höhle schlängelte sich, schwenkte leicht nach links, dann nach rechts, aber stetig abwärts. Manchmal war die Decke hoch genug, so dass sie aufrecht gehen konnten. Einige Abschnitte waren hingegen nur wenig über einen Meter hoch, und sie mussten diese Strecken kriechend überwinden. Schroeder stellte zu seiner Erleichterung fest, dass es nur einen einzigen Tunnel gab, ohne Abzweigungen, die eine Entscheidung nötig gemacht und die Gefahr gesteigert hätten, sich hoffnungslos zu verirren.

Nachdem sie etwa eine Stunde lang gewandert waren, öffnete der Gang sich zu einem großen Saal. Sie hatten keine Ahnung, wie groß er war, bis sie begannen, ihn zu erkunden.

Während die Lichtstrahlen ihrer Taschenlampen von der Feuchtigkeit reflektiert wurden, die der hohen Decke und den fernen Wänden zu einem matten Glanz verhalf, wurde offensichtlich, dass der Saal mindestens ebenso groß war wie das Foyer eines Grandhotels. Der Boden war beinahe eben. Am anderen Ende, genau gegenüber dem Punkt, an dem sie hereingekommen waren, befand sich die einzige andere Öffnung, die so groß zu sein schien wie ein Garagentor.

Sie wanderten an der Wand des Saales entlang, tranken gelegentlich aus ihren Wasserflaschen und staunten über Form und Ausdehnung der Kaverne. Schroeder betrachtete sie unter dem Aspekt, einen geeigneten Ort für einen Hinterhalt zu finden, und entschied, dass sie mit ihren Winkeln und Nischen ein ideales Schlachtfeld abgeben würde. Karla war unterdessen zur anderen Öffnung weitergegangen, die sie mithilfe ihrer Taschenlampe untersuchte, bevor sie hindurchtrat.

»Onkel Karl«, rief sie wenig später mit lauter Stimme.

Er ging zu der Stelle hinüber, wo sie auf dem Höhlenboden kniete. Genau im Mittelpunkt des Lichtstrahls aus ihrer Taschenlampe befand sich eine braune Pflanzenmasse.

»Was ist das?«, fragte Schroeder.

Sie antwortete nicht sofort. Nach einigen Sekunden sagte sie: »Es sieht aus wie Elefantendung.«

Schroeder lachte schallend auf. »Meinst du, hier wäre ein Zirkus durchgezogen?«

Sie stand auf und berührte ihren Fund mit einer Schuhspitze. Ein Geruch von Moschus und Gras stieg von dem Haufen auf. »Ich glaube, ich muss mich setzen«, sagte sie.

Sie fanden einen Felsvorsprung, der ihnen Platz zum Sitzen bot, und sie erfrischten sich aus ihren Wasserflaschen. Karla erzählte Schroeder von dem Mammutjungen, das nicht weit vom Höhleneingang entfernt gefunden worden war. »Ich habe bis jetzt keine Idee, wie es so gut hatte erhalten bleiben können«, sagte sie. »Niemand hat jemals ein solches Exemplar gefunden. Es schien erst vor Tagen oder wenigen Wochen gestorben zu sein.«

»Willst du damit andeuten, dass vielleicht Wollhaarmammuts in diesen Höhlen leben?«

»Nein, natürlich nicht«, sagte sie lachend. »Das wäre absolut unmöglich. Vielleicht war das früher mal der Fall, und der Dung ist sehr alt. Ich will dir mal eine Geschichte erzählen. Im Jahr 1918 zog ein russischer Jäger durch die Taiga, den großen sibirischen Wald, als er riesige Spuren im Schnee entdeckte. Tagelang folgte er den Lebewesen, die sie hinterlassen hatten. Sie ließen haufenweise Dung und abgebrochene Baumäste zurück. Er berichtete anschließend, zwei riesige Elefanten mit kastanienbraunem Fell und mächtigen Stoßzähnen gesehen zu haben.«

»Eine zweifelhafte Jagdgeschichte ohne irgendeinen überzeugenden Beweis, mit der der Betreffende nur Eindruck schinden wollte?«

»Möglicherweise. Aber die Eskimos und die nordamerikanischen Indianer erinnerten sich ebenfalls an Legenden von riesigen zottigen Lebewesen. 1993 wurden die Skelette von Zwergmammuts auf der Wrangelinsel zwischen Sibirien und Alaska und gar nicht weit von hier gefunden. Das Alter der Knochen wurde auf dreieinhalbtausend bis siebentausend Jahre geschätzt, was bedeutet, dass Mammuts auch noch während des Paläolithikums über die Erde zogen, also zur gleichen Zeit, als der Mensch Stonehenge errichtete und Pyramiden baute.«

Schroeder lachte leise und sagte: »Du würdest am liebsten weiterforschen, nicht wahr?«

»Ich möchte keine so günstige Gelegenheit wie diese ungenutzt verstreichen lassen, indem ich herumsitze und Däumchen drehe. Vielleicht finden wir noch ein gut erhaltenes Exemplar.«

»Ich glaube nicht, dass man die Vorbereitungen dafür, eine Bande von geldgierigen Halsabschneidern aus der Welt zu schaffen, als Däumchen drehen bezeichnen kann. Aber überrascht bin ich nicht. Einmal, als du noch ein Kind warst, habe ich dir Alice im Wunderland vorgelesen. Nicht viel später ertappte ich dich draußen im Garten dabei, wie du versuchtest, deinen Kopf in ein Kaninchenloch zu zwängen. Du meintest, du wünschtest dir, irgendeinen Trank zu haben, der dich einschrumpfen lassen würde wie Alice.«

»Daran warst sicherlich du schuld, weil du mir solche Geschichten vorgelesen hast.«

»Nun scheint es, als hätten wir keine große Wahl mehr«, sagte er müde. Er schnappte sich seinen Seesack und humpelte auf die Öffnung in der Felswand zu. »Dann nichts wie rein ins Kaninchenloch.«


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