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Packeis
  • Текст добавлен: 12 октября 2016, 05:46

Текст книги "Packeis"


Автор книги: Clive Cussler


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Триллеры


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Текущая страница: 22 (всего у книги 31 страниц)

Zavala deutete nach unten. »Da liegt ein Körper!«

Austin brachte den Paraglider tiefer herunter. Der Körper lag in einem kleinen aufblasbaren Floß, das an den Strand und ein Stück vom Fluss weg gezogen worden war. Er sah, dass die Gestalt langes graues Haar hatte. Er lenkte den Flugapparat in den Wind, schaltete den Motor aus und zog an beiden Bremsleinen.

Das Segel sollte eigentlich wie ein Fallschirm funktionieren und aufrechte Landungen ermöglichen. Aber sie kamen zu schnell und zu steil herunter. Ihre Knie gaben nach, und sie bohrten synchron ihre Nasen in den Sand, doch wenigstens waren sie unten.

Sie klappten das Segel zusammen, lösten sich aus dem Rucksackgestell und näherten sich dem Körper der Frau, der zusammengerollt in dem Floß lag. Austin ging neben dem Floß in die Knie und fühlte nach dem Puls der Frau. Er war schwach, aber sie war am Leben. Er und Zavala drehten sie behutsam auf den Rücken. Blutflecken waren auf ihrer Jacke an der linken Schulter zu sehen. Austin holte den Erste-Hilfe-Kasten aus seinem Gepäck, und Zavala öffnete die Jacke, damit sie sich die Wunde ansehen konnten. Die Frau stöhnte und schlug die Augen auf. Sie flackerten vor Angst, als sie die beiden Fremden vor sich sah.

»Es ist alles in Ordnung«, beruhigte Zavala sie mit seiner sanften Stimme. »Wir sind hier, um Ihnen zu helfen.«

Austin setzte seine Feldflasche an ihre Lippen und gab ihr zu trinken.

»Mein Name ist Kurt, und das ist mein Freund Joe«, sagte Austin, als ein wenig Farbe in ihr Gesicht zurückkehrte.

»Können Sie uns verraten, wie Sie heißen?«

»Maria Arbatov«, antwortete sie mit matter Stimme. »Mein Mann …« Ihre Stimme versiegte.

»Gehören Sie zu der Expedition, Maria?«

»Ja.«

»Wo sind die anderen?«

»Tot. Alle tot.«

Austin hatte das Gefühl, als ob jemand ihm in den Bauch getreten hätte. »Was ist mit der jungen Frau? Karla Janos?«

»Ich weiß nicht, was mit ihr geschehen ist. Sie haben sie mitgenommen.«

»Dieselben Leute, die auf Sie geschossen haben?«

»Ja. Elfenbeinjäger. Sie haben meinen Mann, Sergei, getötet, und die beiden Japaner.«

»Wo ist das passiert?«

»Im alten Flussbett. Ich bin zum Lagerplatz zurückgekrochen und habe das Floß in den Fluss geschoben.« Ihre Augen flackerten, und sie wurde ohnmächtig.

Sie untersuchten die Schulter genauer. Die Wunde war nicht tödlich, aber Maria hatte eine Menge Blut verloren. Zavala säuberte und verband die Wunde. Austin rief währenddessen die Kotelnyüber sein Sprechfunkgerät.

»Wir haben eine verletzte Frau am Strand gefunden«, meldete er dem Kapitän.

»Miss Janos?«

»Nein. Maria Arbatov, eine der Wissenschaftlerinnen der Expedition. Sie braucht medizinische Hilfe.«

»Ich schicke sofort ein Boot mit meinem Arzt zu Ihnen rüber.«

Austin und Zavala machten es Maria Arbatov so bequem wie möglich. Das Boot traf mit dem Arzt und zwei Matrosen ein. Sie luden die Frau vorsichtig an Bord und kehrten zum Eisbrecher zurück.

Austin und Zavala hängten sich wieder in den Paraglider. Diesmal erfolgte der Start viel glatter als vom Eisbrecher aus … Sobald sie an Höhe gewonnen hatten, lenkte Austin den Paraglider am Fluss entlang. Durch Maria gewarnt, hielten sie aufmerksam Ausschau nach Elfenbeinjägern. Minuten später landeten sie weich auf dem Permafrost in der Nähe der alten Baracken und Hütten. Sie holten ihre Waffen aus den Halftern und schlichen langsam auf die Siedlung zu.

Während Joe ihm Rückendeckung gab, untersuchte Austin das Hauptzelt. Im Abfalleimer fand er frische Eierschalen, Beweis für ein kürzlich eingenommenes Frühstück. Sie warfen einen Blick ins kleinere Zelt, dann gingen sie weiter zu den Schuppen. Alle Gebäude waren unverschlossen bis auf eins. Sie zerschmetterten das Vorhängeschloss mit einem Felsbrocken. Das Schloss selbst hielt der Attacke stand, aber die Nägel, die den Verschluss um das morsche Holz herum festhielten, gaben nach. Sie öffneten die Tür und traten ein. Ein moschusartiger Tiergeruch legte sich auf ihre Schleimhäute. Der Lichtbalken, der durch die Türöffnung drang, fiel auf ein mit Pelz bedecktes Lebewesen, das auf dem Tisch ruhte.

»So etwas dürftest du im Zoo in Washington nicht zu sehen bekommen«, sagte Zavala.

Austin beugte sich über den gefrorenen Kadaver und untersuchte den kurzen Rüssel und die viel zu kleinen Stoßzähne. »Jedenfalls nicht, solange sie keine Prähistorische Abteilung eingerichtet haben. Der Größe nach zu urteilen dürfte das der Kadaver eines Mammutbabys sein.«

»Der Konservierungszustand ist unglaublich«, sagte Zavala. »Es sieht aus wie gefriergetrocknet.«

Nachdem sie das gefrorene Tier einige Minuten lang untersucht hatten, gingen sie wieder nach draußen. Austin entdeckte Stiefelabdrücke im Permafrost, die zu einem Pfad führten, der entlang des Flusses verlief. Sie starteten mit dem Paraglider von einem niedrigen Hügel und folgten dem gewundenen Verlauf des Flusses, weil sie davon ausgingen, dass Maria Arbatov nicht allzu weit von dem Wasserlauf entfernt gewesen war, als sie angeschossen wurde. Unweit einer Gabelung in einer schmalen Schlucht sah Austin schließlich drei Gestalten liegen. Er kreiste über der Gegend, fand jedoch keinerlei Anzeichen für die Anwesenheit von Elfenbeinjägern und landete deshalb in nächster Nähe zu der Erdrinne.

Sie kletterten die Böschung hinunter und näherten sich den drei Gestalten. Die drei Männer waren erschossen worden. Austin biss die Zähne zusammen, und aus seinen hellblauen Augen verflüchtigte sich auch noch der letzte Rest von Wärme. Er dachte an Maria Arbatovs qualvolle Flucht flussabwärts und schwor sich, dass wer immer dieses Werk vollbracht hatte, in voller Höhe dafür bezahlen würde.

Zavala beugte sich über Fußspuren im groben Sand. »Diese Kerle haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihre Spuren zu verwischen. Ihnen zu folgen dürfte nicht allzu schwierig sein.«

»Dann los, machen wir ihnen unsere Aufwartung«, entschied Austin.

Mit den Pistolen schussbereit in den Händen, folgten sie den Fußabdrücken durch den gewundenen Canyon. Als sie um eine Ecke bogen, stießen sie auf eine vierte Leiche.

Zavala kniete sich neben den Mann. »Eine Messerwunde zwischen den Schulterblättern. Seltsam. Dieser Gentleman wurde nicht erschossen wie die anderen Leute. Ich wüsste gerne, wer er ist.«

Austin drehte die Leiche auf den Rücken und blickte in ein unrasiertes Gesicht. »Nicht gerade die Art von Physiognomie, die man bei einer Handelskonferenz erwarten würde.«

Der Boden in der näheren Umgebung des Mannes wies Spuren eines Ringkampfs auf, und Fußabdrücke führten von der Leiche weg. Austin glaubte die kleineren Fußabdrücke einer Frau zwischen den anderen erkennen zu können. Sich noch leiser bewegend, setzten sie den Weg durch die Schlucht fort und gelangten zu einer Stelle, wo die Fußabdrücke endeten und wo die Böschung abgerutscht war.

Sie kletterten aus der Schlucht heraus und nahmen die Spur wieder im Permafrost auf. Obgleich die Landschaft eben war und sie kilometerweit blicken konnten, entdeckten sie bis auf ein paar in der Luft kreisende Seevögel keinerlei Lebenszeichen. Die Spur führte zu einer flachen Senke, die vor einem Höhleneingang endete.

»Jemand hat hier offensichtlich gegraben«, stellte Zavala fest.

»Sehr gut kombiniert, Sherlock.« Austin hob einen Presslufthammer hoch, der mit einem tragbaren Kompressor verbunden war. Beides hatte unweit des Höhleneingangs im Gesteinsschutt gelegen.

Zavalas scharfer Blick untersuchte das teilweise geschwärzte Geröll rund um die Höhlenöffnung. »Okay, Watson, gesprengt wurde hier ebenfalls.«

Austin schüttelte den Kopf. »Wir sind zwar erst weniger als eine Stunde hier, aber ich entwickle schon jetzt eine tiefe Abneigung gegen Ivory Island.«

Er kroch in das Loch und kam eine Minute später kopfschüttelnd wieder heraus. »Es wäre der reinste Selbstmord. Wir wissen nicht, wie weit es hineingeht. Und wir haben noch nicht einmal eine Taschenlampe.«

Sie kehrten zu ihrem Paraglider zurück, riefen den Eisbrecher und baten Ivanov, ein paar Männer herüberzuschicken, um die Toten einzusammeln und Lampen heranzuschaffen. Austin empfahl, die Männer mit Waffen auszurüsten. Das besondere Interesse des Kapitäns berücksichtigend, meinte Austin noch, er hoffe, dass Karla noch am Leben war. Der Kapitän meldete, Maria Arbatov sei fachkundig versorgt worden, und es gehe ihr den Umständen entsprechend gut. Dann wünschten sie einander Glück und unterbrachen die Verbindung.

Austin benutzte ihre Startposition als zentralen Bezugspunkt und flog dann eine weiter werdende Spirale, die den Überblick über ein großes Gebiet gestattete. Sie sahen jedoch nur gleichförmigen Permafrost. Austin war schon im Begriff, zum Strand zurückzukehren und dort auf das Boot des Eisbrechers zu warten, als Zavala ihm etwas ins Ohr rief.

Austins Blick folgte Zavalas deutendem Finger, und er entdeckte eine eindeutig identifizierbare Spur, die am Hang des Vulkans aufwärtsführte. Sie flogen zum Vulkan und sahen, dass der Weg nicht natürlichen Ursprungs war, sondern dass es sich um eine Reihe von Serpentinen handelte, die in den Berghang hineingeschnitten worden waren. Austin vermutete, dass hier die Hand eines Menschen mit im Spiel gewesen sein musste.

»Das sieht fast so aus wie eine Art Straße«, sagte Austin.

»Genau das habe ich mir auch gedacht. Sollen wir es uns mal ansehen?«

Die Frage war unnötig. Austin hatte mit dem Paraglider bereits eine Kehre geflogen, und sie steuerten auf den Rand der Caldera zu.

30

Die unterirdische Stadt erstreckte sich schachbrettartig unter der kuppelförmig gewölbten Decke einer riesigen Höhle. Die uralte Metropole war von der Sonne abgeschnitten und hätte in totaler Dunkelheit liegen müssen, jedoch erstrahlte sie in einem silbrig grünen Licht, das von jedem Gebäude und jeder Straße ausgestrahlt zu werden schien.

»Wie kommt es, dass alles so hell leuchtet?«, fragte Schroeder, während er mit Karla an seiner Seite durch eine Straße humpelte.

»Ich habe mich im Zuge eines Kurses in Geologie auch mit Licht aussendenden Mineralien beschäftigt«, sagte Karla.

»Einige Mineralien beginnen unter dem Einfluss von ultravioletter Strahlung zu leuchten. Andere leuchten aufgrund von Strahlung oder chemischer Veränderung. Aber wenn wir richtig liegen und dies ein alter Vulkan ist, dann haben wir es vielleicht mit einem thermoluminiszenten Effekt zu tun, der durch Wärme ausgelöst wird.«

»Könnte dies eine alte Magmakammer sein?«, fragte Schroeder.

»Möglich ist das schon. Aber ich weiß es nicht. In einem Punkt bin ich mir jedoch ganz sicher.«

»Und der wäre, meine Liebe?«

Sie blickte geradezu andächtig auf die leuchtenden Bauwerke, die sich in jede Richtung erstreckten. »Wir sind Fremde in einem fremden Land.«

Nachdem sie den Tunnel verlassen hatten, der zu der Stadt führte, waren sie unter einem Spitzbogen hindurch– und über eine breite Rampe zu einem offenen Platz hinuntergegangen, in dessen Mitte sich eine aus massiven Steinquadern erbaute Stufenpyramide erhob. Das Prozessionsmotiv inklusive der domestizierten Wollhaarmammuts setzte sich auf den äußeren Etagen der Pyramide fort, obgleich hier die Farben bei Weitem nicht so kräftig waren wie im Tunnel. Karla vermutete, dass dies ein Tempel oder ein Podium für Priester oder Redner war, von wo aus sie sich an die Menschen wandten, die sich auf dem Platz versammelt hatten.

Eine gepflasterte Prachtstraße von etwa zwanzig Metern Breite führte ins Zentrum der Stadt. Sie waren über den Boulevard geschlendert wie ein Touristenpaar, das von den Neonreklamen des Broadway verzaubert wurde. Die Gebäude waren viel kleiner als die Wolkenkratzer Manhattans – höchstens drei Stockwerke hoch –, dennoch waren sie architektonische Wunderwerke, wenn man ihr vermutliches Alter berücksichtigte.

Die Promenade war mit Podesten gesäumt. Die Statuen, die einst auf ihnen gestanden hatten, lagen als nicht identifizierbare Schutthaufen neben und hinter ihnen, als wären sie von Vandalen mutwillig umgestoßen worden.

Schroeder entlastete seinen lädierten Fußknöchel ein wenig, dann untersuchten er und Karla zwei Gebäude, doch sie waren so leer, als wären sie von einem riesigen Besen ausgefegt worden.

»Was meinst du, wie alt dies hier ist?«, fragte Schroeder, während sie tiefer in die Stadt eindrangen.

»Jedes Mal, wenn ich versuche, mich auf ein Datum festzulegen, entdecke ich neue Widersprüche. Die Tatsache, dass die Wandmalereien Menschen und Mammuts in friedlicher Koexistenz zeigen, verlegt diese Stadt ins Pleistozän. Dies war ein Zeitraum, der sich von vor eins Komma acht Millionen Jahren bis vor zehntausend Jahren erstreckte. Selbst wenn wir uns auf das jüngste Datum von zehntausend Jahren festlegen, ist der hohe Grad von Zivilisation, den wir hier erkennen können, absolut erstaunlich. Wir sind immer davon ausgegangen, dass der Mensch sich erst sehr viel später aus seinem primitiven Stadium weiterentwickelt hat. Die ägyptische Zivilisation ist erst fünftausend Jahre alt.«

»Was meinst du, wer diese wunderschöne Stadt erbaut hat?«

»Alte Sibirer. Diese Insel war mit einem arktischen Kontinentalsockel verbunden, der zum Festland gehörte. Ich habe keine Zeichnungen von Booten gesehen, was darauf schließen lässt, dass es sich um eine ans Festland gebundene Gesellschaft gehandelt hat. Dem äußeren Anschein nach war dies eine reiche Stadt.«

»Wenn es eine derart blühende Gesellschaft war, weshalb ist sie untergegangen?«

»Vielleicht ist sie gar nicht untergegangen. Vielleicht ist sie ganz einfach an einen anderen Ort umgezogen und bildete dort die Basis für eine ganz andere Gesellschaft. Es gibt Hinweise, dass sowohl Europäer wie auch Asiaten Nordamerika bevölkert haben.«

Während Schroeder sich die aus Karlas Analyse ergebenden Schlussfolgerungen durch den Kopf gehen ließ, waren hinter ihnen aus Richtung des Stadttors aufgeregte Stimmen zu vernehmen. Er drehte sich um und schaute zurück. Lichtpunkte bewegten sich im Bereich des großen Platzes. Die Elfenbeinjäger waren ebenfalls auf die Stadt gestoßen.

»Wir sind hier draußen im Freien eine leichte Beute für unsere Verfolger«, sagte Schroeder. »Wir können sie leicht abschütteln, wenn wir diese schöne Avenue schnellstens verlassen.«

Er schlüpfte in eine Gasse, die zu einer schmalen Seitenstraße führte. Hier waren die Häuser kleiner als auf dem Hauptboulevard. Keins war höher als ein Stockwerk. Sie schienen eher als Wohnhäuser gedient zu haben und waren keine großartigen, für bestimmte Zeremonien reservierte Gebäude, wie sie die Hauptstraße säumten.

Als ehemaliger Soldat hatte Schroeder mit einem Blick ihre Verteidigungsmöglichkeiten beurteilt. Die Stadt war ein riesiges Labyrinth von Hunderten von Straßen. Selbst bei dem ständig vorhandenen Lichtschein, der die Stadt einhüllte, würden ihre Verfolger sie niemals fangen können, wenn sie nur wachsam waren und ständig in Bewegung blieben. Gleichzeitig war Schroeder sich bewusst, dass sie nicht ewig auf der Flucht sein könnten. Irgendwann würde ihnen die Nahrung und das Wasser ausgehen. Oder ihr Glück.

Er hatte die Absicht, zur anderen Seite der Stadt zu gelangen. Er hatte die Hoffnung, gestützt durch die relativ gute Luftqualität, dass dort ein Ausweg existierte. Die Menschen, die diese unterirdische Metropole erbaut hatten, schienen dies mit einer gewissen Logik und Vernunft getan zu haben. Daraus folgerte er, dass es nur logisch und vernünftig war, wenn es mehr als nur eine Möglichkeit gab, die Stadt zu betreten und wieder zu verlassen. Sie hatten die Stadt fast zur Hälfte durchquert, als Karla einen erschreckten Schrei ausstieß.

Sie krampfte ihre Finger um Schroeders Arm, und er riss die Maschinenpistole von seiner Schulter. »Was ist los?« Er ließ den Blick über die stummen Hausfassaden gleiten, als ob er erwartete, die grinsenden Gesichter der Elfenbeinjäger hinter den Fenstern zu sehen.

»Jemand ist diese Gasse dort hinuntergerannt.«

Schroeder folgte ihrem Finger mit den Augen. Obgleich die Gebäude ihr eigenes Licht produzierten, standen sie dicht beieinander, und der wenige Platz zwischen ihnen lag in tiefem Schatten.

»Etwas oder jemand?«

»Ich – ich weiß es nicht.« Sie lachte. »Vielleicht bin ich schon zu lange hier unten.«

Schroeder hatte schon immer seinen Sinnen mehr vertraut als seinen analytischen Fähigkeiten. »Warte hier«, sagte er. Er näherte sich der Gasse, wobei er den Finger am Abzug hatte. Er schlich sich an die Mündung der Gasse heran, schob den Kopf um die Ecke und knipste die Taschenlampe an. Nach ein paar Sekunden machte er kehrt und kam zurück. »Nichts«, sagte er.

»Tut mir leid. Dann habe ich es mir nur eingebildet.«

»Komm«, sagte er und ging zu Karlas Überraschung auf die Gasse zu.

»Wo willst du hin?«

»Falls da draußen irgendetwas ist, dann sollten lieber wir uns anschleichen als umgekehrt.«

Karla zögerte. Ihr erster Impuls war gewesen, in die andere Richtung zu flüchten. Aber Schroeder schien zu wissen, was er tat. Sie beeilte sich, ihn einzuholen.

Die Gasse führte zu einer anderen Straße, die ähnlich mit Gebäuden gesäumt war. Ansonsten war sie verlassen. Zu sehen waren kleine gedrungene Bauten, deren Fenster wie tote Augen in das seltsame Zwielicht blickten. Schroeder überprüfte seinen inneren Kompass und schlug abermals eine Richtung ein, von der er hoffte, dass sie auf diesem Weg das andere Ende der Stadt erreichen würden.

Nachdem sie ein paar Blocks weit gegangen waren, blieb Schroeder plötzlich stehen und brachte seine Maschinenpistole in Anschlag. Nach ein paar Sekunden ließ er die Waffe sinken und rieb sich die Augen. »Dieses seltsame Licht macht mich noch verrückt. Jetzt fange ich sogar schon an, irgendwelche Dinge zu sehen. Bei mir war es jemand, der von einer Straßenseite auf die andere rannte.«

»Nein. Ich habe es ebenfalls gesehen«, sagte Karla. »Es war groß. Ich glaube nicht, dass es ein Mensch war.«

Schroeder setzte den Weg fort. »Das ist gut. Mit Menschen haben wir nämlich in der letzten Zeit wenig Glück gehabt.«

Karlas Nase fing einen vertrauten moschusartigen Geruch auf. In dem Schuppen, in dem das Mammutjunge lag, hatte es genauso gerochen. Schroeders Schleimhäute hatten den Geruch ebenfalls wahrgenommen.

»Das riecht wie in einer Scheune«, sagte er.

Die Mischung aus Morast, Tieren und Mist wurde intensiver, während sie durch die Gasse zu einer weiteren Straße gingen. Diese Straße endete auf einem Platz ähnlich dem, den sie am Eingang zur Stadt gesehen hatten. Dieser Platz hier hatte einen rechteckigen Grundriss mit einer Seitenlänge von ungefähr siebzig Metern. Ebenso wie der erste Platz wurde er von einer etwa zwanzig Meter hohen Stufenpyramide beherrscht. Was Karlas Aufmerksamkeit jedoch viel mehr fesselte, war die unmittelbare Umgebung der Pyramide.

Im Gegensatz zum ersten Platz, dessen Pflaster aus den gleichen leuchtenden Steinen bestand wie die restliche Stadt, sah dieser Platz hier aus, als ob er mit einer dichten Schicht Unkraut oder Gras bedeckt wäre. Karlas erster Eindruck war, dass sie einen unbearbeiteten Garten vor sich hatte, wie man sie manchmal in öffentlichen Parks sehen kann. Das ergab keinen Sinn, wenn man sich den Mangel an Sonnenlicht vor Augen hielt. Von ihrer natürlichen Neugier angetrieben, ging sie auf die Pyramide zu.

Die Vegetation begann sich zu bewegen.

Schroeders vom Alter müde Augen hatten Schwierigkeiten, in dem Zwielicht etwas zu erkennen, aber die Bewegung entging ihm nicht. Das jahrelange Training meldete sich. Ihm war beigebracht worden, dass die beste Versicherung, wenn man sich einer möglichen Gefahr gegenübersieht, immer ein Bleivorhang ist. Er trat vor Karla und brachte die Maschinenpistole in der Hüfte in Anschlag. Sein Finger spannte sich um den Abzug, während er sich innerlich darauf vorbereitete, den Platz mit einem Bleiregen einzudecken.

»Nein!«, schrie Karla.

Sie legte eine Hand auf seine Brust.

Der Platz geriet in Wallung, und aus der sich bewegenden Masse drang ein Schnauben und ein Ächzen und das Geraschel schwerer Körper, die anfingen, sich zu bewegen. Was ausgesehen hatte wie Vegetation, löste sich auf und wurde durch große pelzige Klumpen von den Ausmaßen großer Schweine ersetzt.

Schroeder starrte die Kreaturen an, die sich auf dem Platz drängten. Sie hatten kurze Rüssel und aufwärtsgerichtete Stoßzähne, und ihre Körper waren mit Pelz bedeckt. Die Bedeutung dessen, was er sah, dämmerte ihm nur langsam.

»Elefantenbabys!«

»Nein«, sagte Karla, die trotz ihrer namenlosen Aufregung erstaunlich ruhig war. »Es sind Zwergmammuts.«

»Das kann nicht sein. Mammuts sind ausgestorben.«

»Ich weiß, aber sieh genau hin.« Sie richtete die Taschenlampe auf die Tiere. Ein paar blickten zum Licht und zeigten ihre glänzenden runden Augen, die bernsteinfarben schimmerten. »Elefanten haben keinen solchen Pelz.«

»Das ist unmöglich«, sagte Schroeder, als hätte er Schwierigkeiten, sich selbst zu überzeugen.

»Nicht ganz. Spuren von Zwergmammuts, die auf der Wrangelinsel gefunden wurden, ließen sich bis 2000 vor Christus zurückdatieren. Das ist nur ein winziger Moment in der langen Erdgeschichte. Aber du hast Recht, wenn du sagst, es sei unglaublich. Näher als bis an die versteinerten Knochen ihrer Vorfahren bin ich an diese Tiere noch nie herangekommen.«

Schroeder schüttelte entgeistert den Kopf. »Weshalb rennen sie nicht weg?«

Die Mammuts schienen geschlafen zu haben, als sie von den menschlichen Eindringlingen gestört worden waren, aber sie hatten keine Angst. Sie trotteten einzeln, zu zweit oder in kleinen Gruppen auf dem Platz herum und zeigten nur wenig oder keinerlei Neugier an den Fremden.

»Sie erwarten nicht, dass wir ihnen irgendeinen Schaden zufügen«, sagte Karla. »Wahrscheinlich haben sie noch nie Menschen gesehen. Ich vermute, dass sie aus den ausgewachsenen Tieren hervorgingen, die wir auf den Wandgemälden gesehen haben. Im Laufe der Generationen haben sie sich an den Mangel an Sonnenlicht und Nahrung angepasst.«

Schroeder betrachtete die Herde Zwergmammuts und fragte: »Karla, wie leben sie?«

»Es gibt genug Luft. Vielleicht dringt sie durch die Decke oder durch Risse, von denen wir keine Ahnung haben. Vielleicht haben sie auch gelernt, Winterschlaf zu halten, um Nahrung zu sparen.«

»Ja, ja, aber was fressen sie?«

Sie schaute sich um. »Irgendwo muss es eine Nahrungsquelle geben. Vielleicht gehen sie hinaus ins Freie. Moment mal! Vielleicht ist dies dem sogenannten Baby zugestoßen, das die Expedition gefunden hat. Es war auf Nahrungssuche!«

»Wir müssen in Erfahrung bringen, wohin sie gehen«, sagte Schroeder. Er ging in Richtung Pyramide, mit Karla im Schlepptau. Die Mammuts wichen aus und machten Platz. Einige ließen sich Zeit dabei, den Weg freizumachen, und streiften die Menschen, die sich einen Pfad zwischen riesigen Dunghaufen hindurch suchen mussten. Sie erreichten die Pyramide und begannen, ihre Stufen zu erklettern. Das war Gift für Schroeders Fußknöchel, und er musste auf Händen und Knien klettern, doch er schaffte es schließlich bis auf die flache Spitze des Bauwerks.

Von dort aus hatten sie einen freien Blick auf den gesamten Platz. Die Tiere liefen immer noch unkontrolliert und ohne Sinn und Verstand herum.

Karla zählte die Tiere und rechnete sich aus, dass es an die zweihundert waren. Schroeder hatte das Durcheinander aus ganz anderen Gründen beobachtet und fand nach einigen Minuten, wonach er Ausschau hielt.

»Sieh mal«, sagte er. »Die Mammuts bilden da drüben an der Ecke des Platzes eine Schlange.«

Karla schaute in die Richtung, in die Schroeder deutete. Die Tiere hatten sich in eine Straße gedrängt, als hätten sie plötzlich ein gemeinsames Ziel. Andere Mammuts folgten ihnen, und schon bald drängte die ganze Gruppe sich zum selben Teil des Platzes. Mit Karlas Hilfe stieg Schroeder von der Pyramide herab und folgte der abziehenden Herde.

Als sie zur Ecke kamen, war die gesamte Herde vom Platz verschwunden und zog nun durch eine enge Straße, die zum Hauptboulevard zurückführte. Sie gaben sich alle Mühe, die Tiere nicht zu erschrecken, obgleich diese Gefahr offenbar überhaupt nicht bestand. Die Mammuts schienen die Fremden als neue Mitglieder der Herde akzeptiert zu haben.

Nach etwa zehn Minuten beobachteten sie, wie die Stadt sich zu verändern begann. Einige der Häuser auf beiden Seiten waren beschädigt. Ihre Mauern waren eingestürzt, als wären sie von Planierraupen gerammt worden. Schließlich gelangten sie in eine Region, die aussah, als sei sie mit Bomben eingedeckt worden. Es gab keine frei stehenden Gebäude mehr, nur noch leuchtende Schutthaufen, die sich mit riesigen Brocken abwechselten, die aus einem anderen, nicht leuchtenden Mineral bestanden.

Der Anblick weckte bei Schroeder unliebsame Erinnerungen. Er blieb stehen, um seinen Knöchel zu schonen, und betrachtete die zerstörte Landschaft. »Das erinnert mich an Berlin am Ende des Zweiten Weltkriegs. Komm. Wir müssen uns beeilen, sonst verlieren wir sie.«

Karla wich einem weiteren Dunghaufen aus. »Ich glaube, bei der Spur, die sie hinterlassen, brauchen wir uns darum keine Sorgen zu machen.«

Schroeders tiefes Lachen hallte von Schuttwänden wider, die nun auf beiden Straßenseiten aufragten. Karla stimmte trotz ihrer Erschöpfung und Ängste mit ein, aber sie legten nun mehr Eile an den Tag, und zwar eher aus dem Bestreben heraus, einen Ausweg aus dieser Lage zu finden, und nicht so sehr, um die Herde nicht zu verlieren.

Mehr Steine bestanden aus dem nicht leuchtenden Material. Dann war von den leuchtenden Felsen gar nichts mehr zu sehen, und der Weg vor ihnen verdunkelte sich. Karla knipste ihre Taschenlampe an, und ihr matter Strahl beleuchtete die Schwänze der Mammuts. Die Lebewesen hatten keine Schwierigkeiten, in der Dunkelheit ihren Weg zu finden, Karla vermutete, dass ihre Augen sich an den Lichtmangel ebenso angepasst hatten wie ihre zusammengeschrumpften Körper an den beschränkten Nahrungsvorrat.

Dann erlosch die Taschenlampe. Sie folgten der Herde, indem sie sich am Schlurfen und Scharren der zahlreichen Füße und dem Chor der Grunzlaute und des Schnaubens orientierten. Die totale Finsternis nahm einen bläulichen Schimmer an und färbte sich langsam dunkelgrau. Sie konnten die pelzigen Leiber etwa zwanzig Meter vor sich erkennen. Die Tiere schienen jetzt schneller unterwegs zu sein. Aus Grau wurde Weiß. Der Weg machte einen Schwenk nach rechts, dann nach links, und plötzlich waren sie draußen im Freien und blinzelten geblendet im Sonnenschein.

Die Mammuts zogen weiter, doch die beiden Menschen blieben stehen und überschatteten ihre Augen mit den Händen. Während sich ihre Pupillen an die ungewohnte Helligkeit anpassten, betrachteten sie ihre Umgebung durch zusammengekniffene Lider. Sie waren durch einen Spalt in einem niedrigen Felsvorbau ins Freie gelangt und standen nun am Rand einer natürlichen Schüssel, die einen Durchmesser von einigen hundert Metern hatte. Hungrig weideten die Mammuts den kümmerlichen Grasbewuchs ab, der den Boden der Schüssel bedeckte.

»Das ist geradezu unglaublich«, sagte Karla. »Diese Wesen haben sich an zwei Welten angepasst: an eine Welt der Dunkelheit und an eine Welt des Lichts. Sie sind ein wahres Wunder an Anpassungsfähigkeit und zugleich ein totaler Anachronismus.«

»Hm, ja, sehr interessant«, sagte Schroeder mit desinteressierter Stimme. Er war nicht unhöflich, sondern er dachte nur praktisch. Ihm war klar, dass sie alles andere als sicher waren. Ihre Verfolger konnten ihnen dicht auf den Fersen sein. Er ließ den Blick über die Wand aus wuchtigen, geschwärzten Felsklötzen gleiten, die das natürliche Becken umrahmten, und schlug vor, den Rand des Beckens aufzusuchen und nach einem Weg hinaus Ausschau zu halten.

Karla trennte sich nur ungern von der Mammutherde, doch sie kletterte mit Schroeder auf einen Hügel am Rand des Feldes mit den mächtigen Felsbrocken. Teils waren sie so groß wie Autos, teils so groß wie Häuser. Stellenweise türmten sie sich zu fast dreißig Meter hohen Haufen auf. Einige der Felsbrocken waren so dicht zusammengefügt, dass man nicht einmal eine Messerklinge hätte dazwischenschieben können.

Es gab Öffnungen in der Felsmauer, doch die waren nur wenige Meter tief. Während sie an der undurchdringlich erscheinenden Mauer entlangwanderten, verließ Karla der Mut. Sie waren dem Feuer entkommen, nur um in einer riesigen Bratpfanne zu enden. Schroeder hingegen schien durch die frische Luft regelrecht wiederbelebt zu werden. Er ignorierte die Schmerzen in seinem Knöchel und suchte stattdessen mit aufmerksamen Blicken die Gesteinsmauer ab. Er verschwand in einem Spalt und stieß nach wenigen Minuten einen Freudenschrei aus.

Schroeder tauchte in der Spaltöffnung auf und verkündete, dass er einen Weg durch die Barriere gefunden hatte. Er ergriff Karlas Hand, als müsste er ein kleines Kind führen, und sie drangen ein in das Gewirr von Monolithen. Sie waren nur ein paar Schritte weit gekommen, als hinter einem alleinstehenden Felsklotz ein Mann hervortrat. Es war Grisha, der Anführer der mörderischen Elfenbeinjäger.


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