Текст книги "Packeis"
Автор книги: Clive Cussler
Жанр:
Триллеры
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3
New York City
Ehe Frank Malloy die Funktion eines hoch bezahlten Beraters der Polizeidienste der Nation ausübte, war er der Inbegriff des Cops gewesen. Er verabscheute Unordnung jeglicher Art. Seine Uniformen waren stets frisch gereinigt und sorgfältig gebügelt. Im Andenken an seine Zeit im Marine Corps trug er sein grau meliertes Haar militärisch kurz geschnitten. Regelmäßiges Krafttraining hielt seinen Körper fit und muskulös.
Im Gegensatz zu vielen Polizeibeamten, die Überwachungen einfach nur lästig und unangenehm fanden, genoss Malloy es, stundenlang in einem Auto zu sitzen und das Auf und Ab des Verkehrs und der Fußgänger zu beobachten und gleichzeitig auf die kleinste Unregelmäßigkeit im Gefüge der Gesellschaft zu achten. Geholfen hatte ihm in dieser Zeit auch die Tatsache, dass er eine eiserne Blase besaß.
Malloy parkte auf dem Broadway und betrachtete die stetige Parade eiliger Fußgänger und gaffender Touristen, als sich ein Mann aus der Menschenmenge löste und direkt auf den neutralen Streifenwagen des NYPD zuging.
Der Mann war groß und schlank und sah aus, als wäre er höchstens in den Dreißigern. Er trug einen hellbraunen, an den Knien ausgebeulten Sommeranzug und an den Füßen abgestoßene New-Balance-Laufschuhe. Er hatte rote Haare und einen roten Spitzbart, der makellos gestutzt war. Der oberste Knopf seines Oberhemds stand offen, und seine Krawatte hing lose herab. Jahre als Streifenpolizist hatten Malloys Fähigkeit verfeinert, Menschen mit einem einzigen schnellen Blick einzuschätzen. Malloy versah den Mann mit dem Etikett »Zeitungsreporter«.
Der Mann kam zum Wagen, bückte sich, so dass sein Gesicht sich mit dem Seitenfenster auf gleicher Höhe befand, und zeigte seinen mit Passbild versehenen Ausweis.
»Ich heiße Lance Barnes und bin Reporter bei der Times.Sind Sie Frank Malloy?«
Die Frage dämpfte Malloys Triumphgefühl nachhaltig.
»Ja, ich bin Malloy«, gab er mit finsterer Miene zu. »Wie haben Sie mich erkannt, Mr. Barnes?«
»Das war einfach«, erwiderte der Reporter mit einem Achselzucken. »Sie sitzen alleine in einem dunkelblauen Ford in einer Gegend, wo es so gut wie unmöglich ist, einen Parkplatz zu finden.«
»Offenbar bin ich dabei, den Anschluss zu verlieren«, stellte Malloy traurig fest. »Entweder das, oder ich trage immer noch weithin erkennbar die Aufschrift ›Cop‹.«
»Nee, ich hab geschwindelt«, gestand Barnes grinsend. »Man hat mir beim MACC verraten, dass Sie hier sein würden.«
MACC war die Abkürzung für Multi-Agency Control Center, die Einrichtung, die für die Koordinierung der Sicherheitsmaßnahmen für die internationale Wirtschaftskonferenz verantwortlich war, die in New York City abgehalten wurde. Politische und wirtschaftliche Führer aus aller Welt kamen im Big Apple zusammen.
»Ich habe auch geschwindelt«, gab Malloy mit einem verhaltenen Kichern zu. »Das MACC hat angerufen und Bescheid gesagt, dass Sie herüberkämen.« Er studierte das Gesicht des Reporters und stellte fest, dass es ihm bekannt vorkam. »Sind wir uns schon mal irgendwo begegnet, Mr. Barnes?«
»Ich glaube, Sie haben mich mal erwischt, wie ich bei Rot über die Straße ging, und mir einen Strafzettel verpasst.«
Malloy lachte. Er vergaß niemals ein Gesicht. Irgendwann würde es ihm sicher einfallen. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich arbeite an einem Artikel über die Konferenz. Soweit ich gehört habe, sind Sie der wichtigste Berater weit und breit, wenn es um wirkungsvolle Techniken zur Zerstreuung größerer Menschenmengen geht. Ich hatte überlegt, ob ich Ihnen einige Fragen darüber stellen darf, wie Sie den geplanten Protesten begegnen wollen.«
Malloy besaß eine Firma in Arlington, Virginia, die die Polizeidienste im ganzen Land in Fragen der Kontrolle von Menschenmengen beriet. Er saß im Aufsichtsrat verschiedener Firmen, die Vorrichtungen zur Beeinflussung von Krawallen und gewaltbereiten Menschenansammlungen herstellten, und seine geschäftlichen wie politischen Kontakte und Beziehungen hatten ihm zu beträchtlichem Wohlstand verholfen. Eine positive Story in der New York Timeskönnte sich für seine Beratungstätigkeit als förderlich erweisen.
»Steigen Sie ein«, sagte er und griff zur Seite, um die Beifahrertür zu öffnen. Barnes folgte der Aufforderung, und sie schüttelten sich die Hand. Der Reporter schob seine Sonnenbrille nach oben auf die Stirn und enthüllte hellwache grüne Augen und markante Augenbrauen, die ein V ähnlich der Form seines Mundes und seines Kinns formten. Er holte ein Notizbuch und einen digitalen Minirecorder aus der Tasche. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich unser Gespräch aufnehme. Es ist nur eine Art Sicherheitskopie, damit ich am Ende richtig zitiere.«
»Kein Problem«, sagte Malloy. »Sie können über mich berichten, was Sie wollen, Hauptsache, Sie schreiben meinen Namen richtig.« Seitdem er den Polizeidienst verlassen und seine Beratungsfirma gegründet hatte, war Malloy ein absoluter Profi im Umgang mit Reportern geworden. »Waren Sie bei der Pressekonferenz?«
»Na klar«, antwortete Barnes. »Ein beeindruckendes Arsenal! Die Long Range Acoustic Devices, die Sie auf den Hummvees installiert haben, waren der absolute Hammer. Stimmt es, dass diese Dinger im Irak eingesetzt wurden?«
»Sie werden als nicht-tödliche Waffen eingestuft. Sie können einen ohrenbetäubenden Lärm erzeugen, der sogar die lautesten Demonstranten übertönt.«
»Wenn mir jemand hundertfünfzig Dezibel in die Ohren bläst, dann hätte ich kaum mehr Lust, nach Frieden und Gerechtigkeit zu rufen.«
»Wir benutzen diese Lärmkanonen nur, um uns bei größeren Menschenmengen Gehör zu verschaffen. Wir haben sie gerade neulich noch getestet. Damit kommt man mindestens vier Blocks weit.«
»Hm-hm«, sagte der Reporter und machte sich ein paar Notizen. »Ich denke, das dürfte den Anarchisten klarmachen, was Sache ist.«
»Ich schätze, dass wir die dicke Artillerie gar nicht brauchen werden. Es sind eher die kleinen Dinge, die zählen, wie die Motorrollerstreifen und die Straßensperren.«
»Wie ich hörte, haben Sie aber auch eine Menge Hightechgerät zur Verfügung.«
»Das stimmt«, sagte Malloy. »Die effektivste Methode, diese Verrückten unter Kontrolle zu halten, ist mit Softwareund nicht mit Hardware.«
»Wie das?«
»Fahren wir ein wenig herum.« Malloy startete den Wagen und schaltete das Funkgerät ein. »Hier spricht Nomad. Ich fahre auf dem Broadway nach Norden.«
» Nomad?« ,fragte Barnes, nachdem Malloy sich abgemeldet hatte.
»Ich bin viel unterwegs. Halte die Augen offen. Die Verrückten wissen, dass ich meine Runden mache, aber sie wissen nicht, wo ich bin. Das macht sie nervös.« Er wandte sich nach Osten, fuhr ein kurzes Stück über die Park Avenue, dann kehrte er zum Broadway zurück.
»Wer sind diese ›Verrückten‹, wie Sie sie nennen?«
»Wenn es auf Anarchisten hinausläuft, dann weiß man nie, mit wem oder was man es zu tun hat. Damals in Seattle hatten wir Ökofreaks und Friedensengel. Wir hatten Wicca-Anhänger und feministische Neopaganisten, die nach der WTO und der Göttin riefen, wer immer die sein mag. Die meisten Mainstream-Anarchisten sind gegen die Weltwirtschaftsordnung. Soweit es um Menschen geht, sind sie nicht gewalttätig, aber manche sind der Meinung, dass man sich durchaus an Firmeneigentum vergreifen kann. Ihre Hauptwaffe ist das Chaos. Sie sind gewöhnlich in autonomen Kollektiven oder in Sympathisantengruppen organisiert. Sie agieren nach dem Prinzip der geistigen Gemeinschaft und vermeiden jegliche Art von Hierarchie.«
»Vorausgesetzt, sie sind tatsächlich nicht straff organisiert, wonach genau halten Sie eigentlich Ausschau?«
»Das ist schwer zu beschreiben«, sagte Malloy. »Im Großen und Ganzen nach dem Gleichen wie damals, als ich selbst noch vor Ort im Einsatz war. Die Verrückten teilen sich in kleine Gruppen auf. Oder sie tun sich zu zweit zusammen oder bleiben alleine. Ich achte lediglich auf bestimmte Verhaltensmuster.«
»Ich habe über die Krawalle in Seattle gelesen. Es klang, als wäre das der reinste Alptraum gewesen.«
Malloy stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich habe als Beweis immer noch die Narben am Körper. Eine Riesenschweinerei!«
»Was ist schiefgegangen?«
»Die Verrückten hatten es auf die Welthandelsorganisation abgesehen. Sie nennen das die ›Machtelite‹. Ich war zu dem Zeitpunkt Distriktbeauftragter für die Kontrolle größerer Menschenansammlungen und sollte gegebenenfalls die Menschenmengen in Schach halten. Wir wurden mit heruntergelassener Hose erwischt. Am Ende standen wir hunderttausend Demonstranten gegenüber, die ihre Wut über das kundtaten, was sie als unterdrückendes Welthandelssystem bezeichneten. Es kam zu Plünderungen, Ausgangssperren. Polizisten und Nationalgardisten schossen mit Gummigeschossen oder Tränengas sowohl auf die friedlichen wie auch die gewaltbereiten Demonstranten. Am Ende hatte die Stadt sich vor der Weltöffentlichkeit ein blaues Auge geholt und musste sich mit einer langen Latte von Bürgerklagen herumschlagen. Einige Beobachter meinten, die Polizei hätte überreagiert. Andere meinten, sie hätte zu wenig getan. Man konnte es so oder so sehen.«
»Wie Sie schon sagten, eine Riesenschweinerei.«
Malloy nickte. »Aber die Schlacht von Seattle stellte den Wendepunkt dar.«
»In welcher Hinsicht?«
»Die Demonstranten lernten, dass es nicht ausreichte, einfach nur durch die Straßen zu marschieren, wenn man Aufsehen erregen wollte. Die Aufmerksamkeit erhielt man ausschließlich durch direkte Aktionen. Man musste Dinge zerstören, Menschen beeinträchtigen, die Repräsentanten dessen, was man bekämpfte, selbst zu Zielscheiben machen.«
»Nach dem, was ich heute in der Stadt gesehen habe, hat die Machtelite seit Seattle ihre Lektion gelernt.«
»Aber hundertprozentig«, sagte Malloy. »Ich war in Philadelphia anlässlich der GOP Convention, als die Anarchisten uns abermals ziemlich dumm aussehen ließen. Sie veranstalteten einen Riesenterror und rannten dann durch die Straßen, verfolgt von einem Haufen übergewichtiger Cops. Sie erzeugten ein totales Chaos. Desgleichen bei der WTO-Konferenz in Miami. Erst beim Weltwirtschaftsforum, das 2002 hier in New York stattfand, bekamen wir die Dinge allmählich in den Griff, und schon 2004, zum Parteitag der Republikaner, hatten wir eine richtige Strategie entwickelt.«
»Die Störungen wurden auf ein Minimum beschränkt, aber es wurden Klagen laut, dass fundamentale Bürgerrechte verletzt worden seien.«
»Das gehört zur Proteststrategie. Diese Typen sind wirklich raffiniert. Es handelt sich vorwiegend um eine kleine Gruppe von kompromisslosen Aufrührern, die von Stadt zu Stadt ziehen. Sie provozieren die staatlichen Organe in der Hoffnung, dass wir übertrieben zurückschlagen. Hey, Moment mal!«
Malloy lenkte den Wagen an die Seite und parkte in zweiter Reihe in der Nähe einer Gruppe Leute, die Musikinstrumente bei sich hatten. Dann gab er über Funk einige knappe Anweisungen.
»Nomad an MACC. Straßenmusiker versammeln sich soeben zu einem ungenehmigten Marsch vom Union Square zum Madison Square Garden.«
Barnes ließ den Blick über die Bürgersteige auf beiden Straßenseiten wandern. »Ich sehe niemanden marschieren.«
»Im Augenblick gehen sie zu zwei und zwei. Das ist nicht illegal. Sie kommen in einer Minute zusammen – nein, Moment, da gehen sie schon.«
Die Musiker vereinigten sich zu größeren Gruppen, verließen den Bürgersteig und bildeten auf der Fahrbahn eine Prozession. Aber ehe die Parade begann, tauchten von beiden Seiten Polizisten auf Fahrrädern und Motorrollern auf und nahmen erste Verhaftungen vor.
Barnes schrieb wie wild auf seinem Notizblock.
»Ich bin tief beeindruckt«, sagte er. »Das funktionierte wie ein Uhrwerk.«
»Das sollte es auch. Das kleine Manöver war das Ergebnis jahrelanger Erfahrung. Wir haben es zwar nur mit einer kurzfristig anberaumten Zwischen-Wirtschaftskonferenz zu tun, aber auch jetzt gibt es Hunderte von Gästen und Demonstranten, daher ist durchaus mit einigem Ärger zu rechnen. Die Verrückten versuchen stets, uns mindestens einen Schritt voraus zu sein.«
»Wie unterscheiden Sie die echten Fanatiker von harmlosen Demonstranten?«
»Das ist ziemlich schwierig. Wir verhaften jeden, der irgendwie Verdruss macht, und klären alles andere später.« Er nahm ein summendes Mobiltelefon aus der Halterung am Armaturenbrett und reichte es Barnes. »Sehen Sie sich das mal an.«
Der Reporter las den Text auf dem Display des Mobiltelefons. »Es heißt hier, dass die Motorrollertruppe die Musiker eingekreist hat. Den Leuten wird geraten, diese Gegend zu meiden. Sie verlangen Kameras. Dazu Sanitäter und rechtskundige Beobachter. Cops sollen davon abgehalten werden, Demonstranten zu verhaften, die Passanten im Theater-Distrikt belästigen. Woher kommt diese Nachricht?«
»Von den Verrückten.Die Cops sind nicht die Einzigen, die aus Seattle gelernt haben. Die Anarchisten verfügen über ihr eigenes Medienzentrum ähnlich dem MACC. Sie geben den Aktivisten Tipps, welche Routen sie nehmen sollen, um den Cops zu entgehen. Während wir die eine Aktion abbrechen, starten sie woanders eine neue.« Er lachte. »Wir geben alljährlich viele Millionen für Sicherheitsmaßnahmen aus, während sie eine Technologie benutzen, die praktisch kostenlos ist.«
»Wissen sie denn nicht, dass Sie ihre Nachrichten lesen können?«
»Doch, das wissen sie. Aber die Demonstrationen sind spontaner, daher spielen wir ständig Katz und Maus miteinander. Intellautet der wahre Name des Spiels. Sie sind schnell, aber letztendlich zählt die Menge. Wir haben siebenunddreißigtausend Cops, einen Zeppelin, Hubschrauber, Videokameras, und zweihundert unserer Leute haben Helm-Videokameras, die an unser Sicherheitszentrum angeschlossen sind.«
»Können sie nicht die Polizeiscanner überwachen?«
»Wir wissen,dass sie das tun. Schnelle Reaktion ist der Schlüssel. Sie wissen, was man beim Boxen sagt: Ein guter großer Mann kann einen guten kleinen Mann jederzeit schlagen. Unter normalen Umständen bleiben wir gewöhnlich Sieger.«
Barnes gab Malloy das Telefon zurück. »Das scheint für Sie zu sein.«
Auf dem Display war mittlerweile ein anderer Text zu lesen.
GUTEN MORGEN, NOMAD. ODER SOLLEN WIR SIE FRANK NENNEN, MR. MALLOY?
»Häh?«, sagte Malloy. Er starrte das Telefon in seiner Hand an, als hätte es sich plötzlich in eine Schlange verwandelt.
»Wie zum Teufel machen sie das?«, fragte er und wandte sich an Barnes. Der Reporter zuckte die Achseln und machte sich weitere Notizen. Malloy versuchte, die Nachricht vom Display zu löschen, als eine neue Nachricht erschien.
DAS SPIEL BEGINNT.
Der Bildschirm leerte sich. Malloy schnappte sich das Sprechfunkgerät und versuchte, das MACC zu erreichen, doch sein Ruf blieb unbeantwortet. Das Mobiltelefon piepte abermals. Malloy lauschte einige Sekunden lang und sagte: »Ich kümmere mich sofort darum.« Er wandte sich zu Barnes um, das Gesicht totenbleich. »Das war das MACC. Sie melden, dass in der Zentrale die Klimaanlage zusammengebrochen ist. Das gesamte Kommunikationssystem spielt verrückt. Niemand weiß, wo sich die verschiedenen Trupps zur Zeit befinden. Sämtliche Verkehrsampeln in der Stadt sind auf Rot geschaltet.«
Sie näherten sich dem Times Square. Zu Hunderten strömten Demonstranten, offensichtlich von der Polizei unbehelligt, aus den Nebenstraßen auf den Platz. Dort herrschte so viel Gedränge wie am Silvesterabend.
Malloys Streifenwagen schob sich langsam durch die Menschenmenge, die um ihn herum wogte. Während sie sich dem alten New York Times Building näherten, verschwand die Disney-Figur auf dem riesigen Videoschirm, und er wurde schwarz.
»Hey, sehen Sie mal«, sagte Barnes und deutete auf den Bildschirm.
Große weiße Lettern erschienen und liefen über das ABC-Nachrichtensymbol.
SEID GEGRÜSST, NEO-ANARCHISTEN, MITREISENDE UND TOURISTEN. WIR HABEN DIE UNTERDRÜCKUNGSKOMMANDOS DER MACHTELITE LAHMGELEGT. DIES IST NUR EIN KLEINER VORGESCHMACK AUF DIE ZUKUNFT. HEUTE IST ES NEW YORK. ALS NÄCHSTES LEGEN WIR DIE GANZE WELT LAHM. BERUFT EINE GIPFELKONFERENZ ZUR ABSCHAFFUNG DER GLOBALISIERUNG EIN, ODER WIR ZERSCHLAGEN SIE FÜR EUCH.
WIR WÜNSCHEN EUCH EINEN SCHÖNEN TAG!
Ein grinsender gehörnter Smiley erschien zusammen mit einem einzigen Wort:
LUCIFER.
»Wer zur Hölle ist Lucifer?« ,fragte Malloy, während er durch die Windschutzscheibe starrte.
»Keine Ahnung«, sagte Barnes. Er legte die Hand auf den Türgriff. »Danke fürs Mitnehmen. Ich muss eine Story schreiben und in die Redaktion geben.«
Dann verschwand das Wort, und FRANK MALLOY erschien auf jeder Schrifttafel in jeder Größe auf dem Platz. Panasonic. LG. NASDAQ.
Malloy fluchte und kämpfte sich aus dem Wagen. Er suchte das Menschengewimmel ab. Barnes war von den Tausenden von Demonstranten verschluckt worden. Er murmelte den Namen »Lucifer«, und es rieselte ihm kalt über den Rücken. Ihm fiel ein, wo er das Gesicht des Reporters schon einmal gesehen hatte. Der Spitzbart, die roten Haare und V-förmigen Augenbrauen und der Mund und die grünen Augen hatten ihn unwillkürlich an die Satan-Darstellungen denken lassen, die er verschiedentlich schon mal gesehen hatte.
Während Malloy in der Menge stand und überlegte, ob er im Begriff war, den Verstand zu verlieren, bemerkte er nicht, dass er gerade von jenen jadegrünen Augen beobachtet wurde. Barnes hatte sich in den Eingang eines Bürogebäudes zurückgezogen, von wo aus er Malloy ständig im Blick hatte. Er hielt ein Mobiltelefon ans Ohr und lachte.
»Ich wollte nur Bescheid sagen, dass Ihr Plan perfekt funktioniert hat. In der City ist alles zusammengebrochen.«
»Das ist hervorragend«, erwiderte die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Hören Sie, wir müssen uns unterhalten. Es ist wichtig.«
»Nicht jetzt. Kommen Sie raus zum Leuchtturm, damit ich mich persönlich bei Ihnen bedanken kann.«
Er verstaute das Telefon in der Tasche und blickte hinaus auf den Times Square. Ein junger Mann hatte einen Ziegelstein ins Schaufenster des Disney-Ladens geschleudert. Andere folgten seinem Beispiel, und innerhalb weniger Minuten waren die Bürgersteige mit Glasscherben übersät. Ein Auto wurde in Brand gesetzt, und dicke schwarze Qualmwolken stiegen in den Himmel. Der beißende Gestank von brennendem Plastik und Polsterstoff breitete sich aus. Eine Musikkapelle marschierte die Straße hinunter und spielte gerade das Thema aus Die Brücke am Kwai.Über dem Lärm der blökenden Autohupen war die Musik kaum zu hören.
Barnes verfolgte die Szene mit einem seligen Grinsen auf seinem Satansgesicht.
»Chaos«, murmelte er wie ein Mönch bei seinem Gebet.
»Wundervolles Chaos.«
4
Die Decksbeleuchtung war eingeschaltet, als der Wagen der NUMA mit Austin und Zavala auf dem Kai in Norfolk vorfuhr und anhielt. Austin eilte mit beschwingtem Schritt über die Gangway. Er war glücklich, bald wieder in See stechen zu können. Besonders erfreut war er darüber, dass es mit dem Forschungsschiff Peter Throckmortongeschehen sollte, einem der neuesten Schiffe der NUMA-Flotte. Er war dem geheimnisvollen Dr. Adler einiges dafür schuldig, dass er ihn eingeladen hatte, an der Suchexpedition teilzunehmen.
Das 275 Fuß lange Schiff war nach einem der frühen Pioniere der Meeresarchäologie benannt worden. Throckmorton hatte bewiesen, dass archäologische Techniken auch unter Wasser angewendet werden konnten, und damit für eine ganze Reihe bedeutender Entdeckungen gesorgt. Das Schiff war im Grunde ein seetüchtiges Arbeitspferd. Es war im Hinblick auf möglichst vielseitige Verwendbarkeit konstruiert worden, und seine ferngesteuerten Suchvorrichtungen konnten sowohl eine versunkene Stadt wie auch ein Feld hyperthermaler Schlote erforschen.
Wie die meisten Forschungsschiffe war die Throckmortoneine seetüchtige Plattform, von der Wissenschaftler sowohl Vehikel als auch Sonden starten konnten, um ihre Experimente durchzuführen. Auf Achterdeck und Vorschiff ragte ein Wald von Ladebäumen und Kränen auf, die benutzt werden konnten, um die verschiedenen Unterwassersonden und Tauchfahrzeuge einzusetzen, die das Schiff mitführte. Entsprechend leistungsfähige Winden und Flaschenzüge waren an Backbord und Steuerbord installiert.
Einer der Schiffsoffiziere begrüßte die NUMA-Männer am Ende der Gangway.
»Kapitän Cabral heißt Sie an Bord der Throckmortonherzlich willkommen und wünscht Ihnen eine angenehme Reise.«
Austin kannte den Kapitän, Tony Cabral, von anderen NUMA-Expeditionen und freute sich darauf, ihn wiederzusehen.
»Bitte bedanken Sie sich in unserem Namen beim Kapitän und bestellen Sie ihm, es sei uns ein Vergnügen, unter seinem Kommando unterwegs zu sein.«
Nach diesem kurzen Austausch von Formalitäten brachte ein Matrose sie zu ihren komfortablen Kabinen. Sie stellten dort ihre Reisetaschen ab und machten sich auf die Suche nach Adler. Auf Empfehlung des Matrosen versuchten sie ihr Glück zuerst im Suchkontrollzentrum des Schiffs.
Dieses Zentrum war ein großzügiger halbdunkler Raum auf dem Hauptdeck. Die Wände bestanden aus Reihen von Monitoren, die die Augen und Ohren der ferngesteuerten Suchvorrichtungen des Schiffs darstellten. Wenn eine Sonde zu Wasser gelassen wurde, gelangten die Informationen, die die Sonde sammelte, zwecks Analyse direkt in das Zentrum. Da das Schiff noch im Hafen lag, war der Raum verlassen bis auf einen Mann, der an einem Tisch saß und auf einer Computertastatur herumtippte.
»Dr. Adler?«, fragte Kurt.
Der Mann blickte von seinem Keyboard hoch und lächelte. »Ja. Und Sie müssen die Leute von der NUMA sein.«
Austin und Zavala stellten sich vor und schüttelten nacheinander Adler die Hand.
Der Wellenforscher war ein leicht zerknitterter, grobknochiger Mann mit der Statur eines Holzfällers und einem Wust welliger silbergrauer Haare, die aussahen wie Spanisches Moos auf dem Stamm einer ehrwürdigen Eiche. Seine Oberlippe zierte ein krummer Schnurrbart, der wirkte, als sei er nachträglich seinem Gesicht hinzugefügt worden. Er hatte eine tiefe Stimme und eine knurrige Redeweise, als wäre er soeben erst aus einem Nickerchen aufgewacht. Die wachen, grauen Augen, die sie durch eine randlose Brille hindurch anblinzelten, funkelten jedoch fröhlich. Er bedankte sich bei ihnen für ihr Kommen und schob für sie zwei Stühle zurecht.
»Sie ahnen ja gar nicht, wie froh ich bin, Sie hier zu sehen. Ich war mir nicht sicher, ob Rudi Gunn mir die Bitte erfüllen würde, Sie dieser Expedition zuzuteilen, Kurt. Auch noch Joe zu bekommen, betrachte ich als einen unerwarteten Bonus. Wahrscheinlich habe ich meine Bitte ein wenig zu hartnäckig vorgetragen. Daran ist wohl meine Herkunft als Quäker schuld. Ich denke an unsere durchaus freundliche Beharrlichkeit und so weiter. Wir bedrängen niemanden, sondern wir bringen uns bei den Leuten nur so lange in Erinnerung, bis sie uns bemerken und nicht mehr ignorieren können.«
Der Professor würde sich niemals Sorgen machen müssen, nicht bemerkt zu werden, dachte Austin. »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, sagte er. »Für eine Kreuzfahrt bin ich immer zu haben. Ich war nur überrascht, dass Sie ausgerechnet mich an Bord haben wollten. Wir sind uns schließlich noch nie begegnet.«
»Aber ich habe schon viel von Ihnen gehört. Und ich weiß, dass die NUMA gerne mit ihren Leistungen wirbt, ohne sie ausdrücklich dem Wirken Ihres Spezialteams für Sonderaufträge zuzuschreiben.«
Das Team war die Idee Admiral Sandeckers gewesen, der die NUMA geleitet hatte, ehe Dirk Pitt den Posten des Direktors übernahm. Er wollte eine Gruppe von Experten für Unterwasseroperationen, die manchmal ohne offiziellen Regierungsauftrag durchgeführt werden mussten. Gleichzeitig benutzte er die spektakuläreren Missionen des Teams, um im Kongress weitere Gelder locker zu machen.
»Sie haben Recht. Wir ziehen es vor, hinsichtlich unserer Rolle den Ball flach zu halten.«
Adler quittierte dieses Geständnis mit einem breiten Grinsen. »Es ist verdammt schwierig, die Entdeckung des Körpers von Columbus in einem versunkenen Mayatempel als nicht so bedeutend herunterzuspielen. Oder den Schutz der Ostküste vor einer alles verschlingenden Methanhydratwelle als routinemäßige Allerweltsaktion zu deklarieren.«
»Das war reines Glück«, wiegelte Austin ab. »Wir machen im Grunde nichts anderes, als kleinere Probleme zu beseitigen.«
Zavala verdrehte die Augen. »Kurt sagt, dass das einzige Problem eines Problembeseitigers darin besteht, dass Probleme manchmal zurückschießen.«
»Ich gebe zu, dass das Spezialteam einige heikle Missionen durchgeführt hat, aber die NUMA verfügt über Dutzende von Technikern, die bei der Durchführung von Suchaktionen um einiges fähiger sind als ich. Warum haben Sie ausgerechnet mich angefordert?«
Adlers Miene wurde ernst. »Im Ozean ist etwas höchst Seltsames im Gange.«
»Das ist nichts Neues«, erwiderte Austin. »Das Meer ist um einiges fremdartiger als der Weltraum. Über die Sterne wissen wir viel mehr als über den Planeten, auf dem wir stehen.«
»Darin gebe ich Ihnen uneingeschränkt Recht«, sagte Adler. »Es ist nur so, dass mir einige ziemlich verrückte Ideen im Kopf herumgehen.«
»Joe und ich haben schon vor langer Zeit lernen müssen, dass die Grenze zwischen verrückt und rational ziemlich schmal ist. Wir würden uns gerne anhören, was Sie zu erzählen haben.«
»Das werde ich auch beizeiten gerne tun, aber ich würde damit lieber warten, bis wir die Southern Bellegefunden haben.«
»Wir haben es nicht eilig. Erzählen Sie uns vom Verschwinden der Belle.Soweit ich mich erinnere, war sie im Atlantik unterwegs. Sie sendete SOS mit dem Hinweis, dass sie in Schwierigkeiten sei, und dann verschwand sie spurlos.«
»Das ist richtig. Innerhalb weniger Stunden wurde eine intensive Suche eingeleitet. Das Meer schien sie verschlungen zu haben. Es ist hart für die Familien der Besatzungsmitglieder, nicht zu wissen, was ihren Angehörigen zugestoßen ist. Von einem rein praktischen Gesichtspunkt aus betrachtet, sind die Eigner daran interessiert, juristisch auf der sicheren Seite zu sein.«
»Schon vor Hunderten von Jahren sind Schiffe spurlos verschwunden«, sagte Austin. »Es passiert immer noch, und das sogar bei den direkten und weltweiten Kommunikationsmöglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen.«
»Aber die Bellewar nicht irgendein Schiff. Wenn überhaupt so etwas möglich ist, dann traf auf sie wie auf kein anderes Schiff die Einstufung ›unsinkbar‹ zu.«
Austin grinste. »Irgendwie kommt mir das bekannt vor.«
Adler hob einen Finger. »Ich weiß. Das Gleiche wurde auch über die Titanicgesagt. Aber seit dem Untergang der Titanicwurden im Schiffsbau Riesenfortschritte gemacht. Die Bellewar ein völlig neuer Typ Hochseefrachter. Sie war widerstandsfähig genug, um auch dem schwersten Wetter zu trotzen. Sie meinten, es sei nicht das erste Mal, dass ein solide gebautes Schiff verschwand. Das ist absolut richtig. Ein Frachtschiff namens Münchenverschwand 1978 in einem Unwetter, während es den Atlantik überquerte. Genauso wie die Bellesendete es SOS und meldete, es befände sich in Schwierigkeiten. Niemand konnte nachvollziehen, was einem derart modernen Schiff hatte zustoßen können. Siebenundzwanzig Matrosen wurden vermisst.«
»Tragisch. Wurde von dem Schiff jemals eine Spur gefunden?«, fragte Austin.
»Gleich nach dem SOS wurden Rettungsversuche gestartet. Mehr als hundert Schiffe durchkämmten den Ozean. Sie fanden einige Wrackteile und ein leeres Rettungsboot, das einen verwertbaren Hinweis lieferte. Das Boot hatte auf der Steuerbordseite an Bolzen mehr als zwanzig Meter über dem Wasser gehangen. Man stellte fest, dass die Stahlbolzen von vorne nach hinten verbogen waren.«
Zavalas technisch geschulter Verstand erkannte sofort die Bedeutung dieses Schadens. »Die Erklärung liegt auf der Hand«, sagte er. »Eine etwa zwanzig Meter hohe Krafteinwirkung hat das Rettungsboot aus seiner Halterung gerissen.«
»Das Seefahrtsgericht entschied, dass das Schiff gesunken ist, als schlechtes Wetter einen ›ungewöhnlichen Vorfall‹ ausgelöst hat.«
Austin gestattete sich ein verhaltenes Kichern. »Das klingt, als hätte das Seefahrtsgericht sich um die zutreffende Schlussfolgerung drücken wollen.«
»Die Seefahrtexperten, die von der Entscheidung des Gerichts erfuhren, waren derselben Meinung wie Sie. Sie waren empört. Sie wussten genau, was den Untergang der Münchenbewirkt hatte. Seeleute erzählten schon seit Jahren von ihren Begegnungen mit fünfundzwanzig bis dreißig Meter hohen Wellen, aber die Wissenschaftler schenkten ihren Berichten keinen Glauben.«
»Ich habe auch schon Geschichten von Monsterwellen gehört, habe aber selbst noch nie eine mit eigenen Augen gesehen.«
»Seien Sie froh, denn wenn Sie einem solchen Ungeheuer begegnet wären, würden wir jetzt nicht diese Unterhaltung führen.«
»In gewisser Weise mache ich dem Seefahrtsgericht keinen Vorwurf, mit seinem Urteil vorsichtig zu sein«, sagte Austin.
»Seeleute haben den Ruf, die Wahrheit gerne zu übertreiben.«
»Das kann ich nur unterstreichen«, meinte Zavala mit einem wehmütigen Lächeln. »Seit Jahren höre ich immer wieder Schilderungen von Meerjungfrauen, ohne jemals eine zu Gesicht bekommen zu haben.«
»Zweifellos stand das Gericht Schlagzeilen über vampirhafte Killerwellen misstrauisch gegenüber«, sagte Adler.
»Laut den allgemein bekannten wissenschaftlichen Erkenntnissen jener Zeit war die Existenz von Wellen, wie die Seeleute sie beschrieben, theoretisch unmöglich. Wir Wissenschaftler hatten uns einer Reihe von mathematischen Gleichungen bedient, die man als Lineares Modell bezeichnete. Es besagte, dass eine dreißig Meter hohe Welle nur einmal in zehntausend Jahren vorkommt.«
»Offenbar haben wir demnach nach dem Verlust der Münchenwährend der nächsten hundert Jahrhunderte nichts zu befürchten«, stellte Austin mit einem schiefen Grinsen fest.
»Genau das dachte ich auch vor der Draupner-Geschichte.«
»Meinen Sie die Draupner-Ölbohrinsel vor Norwegen?«
»Sie haben davon gehört?«
»Ich habe sechs Jahre lang auf Ölbohrinseln in der Nordsee gearbeitet«, erwiderte Austin. »Es dürfte schwierig sein, auf einer Bohrinsel jemanden zu finden, der noch nie von der Welle gehört hat, die den Draupner-Turm erwischte.«
»Die Insel steht knapp zweihundert Kilometer weit draußen im Meer«, erklärte Adler Joe Zavala. »Die Nordsee ist berüchtigt für ihr schlechtes Wetter, aber am Neujahrstag 1985 tobte da draußen ein entsetzlicher Orkan. Die Insel wurde von zehn bis fünfzehn Meter hohen Wellen attackiert. Dann wurde sie von einer Welle getroffen, die laut den Sensoren der Insel dreißig Meter hoch war. Mir bleibt jetzt noch die Luft weg, wenn ich nur daran denke.«