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Insel der Freibeuter
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Автор книги: Alberto Vazquez-Figueroa



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»Der Kommandant der Festung La Galera?« Als sein Gegenüber nickte, schüttelte Don Hernando Pedrárias den Kopf. »Er haßt mich.«

»Zum Teufel, Hernando…!« lachte der andere. »Nicht so bescheiden! Du weißt gut, daß die meisten Leute auf der Insel dich hassen. Mendana sollte da keine Ausnahme machen.« In einem vorwurfsvolleren Ton, der sich fast mehr gegen seine eigene Person zu richten schien, fuhr er fort. »Anders als wir, die wir unsere Pflichten aus reiner Bequemlichkeit vergessen haben, ist er ein guter Offizier, der die Piraten verabscheut. Vielleicht hilft er dir.«

»Glaubst du?«

»Was riskierst du schon? Du hast ohnehin schon alles verloren!«

»Wohl wahr«, räumte sein Gegenüber ein und ließ sich in einen Sessel fallen, als hätte ihn sein Energieausbruch plötzlich erschöpft. »Ich habe alles verloren außer meiner Wut im Bauch. Ich werde ein Schiff ausrüsten. Das beste, das es gibt! Und ich werde diesen Hurensohn fangen.«

»Das beste Schiff, das es gibt, ist die Jacare«, erinnerte ihn Oberst Arismendi. »Wenn du es mit einem schweren Flottenschiff zu jagen versuchst, auch wenn es noch so gut bewaffnet ist, kannst du ebensogut versuchen, einen Delphin am Schwanz zu packen.«

»Ich werde schon eine Möglichkeit finden.«

Der Offizier stand mühevoll auf und ging zur Tür, als sähe er nicht nur das Gespräch, sondern auch die unbequeme Beziehung für beendet an.

»Das hoffe ich für dich, und ich sollte dir Glück wünschen. Allerdings weiß ich in diesem besonderen Fall nicht recht, ob ich auf der Seite eines ehrenwerten schottischen Piraten oder der eines unwürdigen spanischen Edelmanns stehen soll. Gute Nacht!«

Unter anderen Umständen hätte Don Hernando Pedrárias Gotarredona eine solche Behandlung niemals hingenommen, sondern die Person, die ihn derart beleidigt hatte, unverzüglich zum Duell gefordert. Aber das war nicht der Augenblick, mit einem vorzüglichen Fechter und sicheren Pistolenschützen die Waffen zu kreuzen. Daher schluckte er seinen Groll hinunter, denn es war ihm klar, daß die meisten Menschen ihn von nun an auf diese Weise behandeln würden.

Nachdem er sich vergewissert hatte, daß Oberst Arcadio Arismendi das Haus tatsächlich verlassen hatte, goß er sich ein weiteres Glas Rum ein, leerte es in einem Zuge und läutete mehrere Male ein Glöckchen, bis ein Diener auf der Türschwelle erschien.

»Wo bleibt Don Samuel? Warum ist er nicht gekommen?«

»Seine Frau versichert, daß er in Porlamar ist, Senor«, erwiderte der arme Mann, also fürchtete er, daß man ihm nicht glauben würde. »Er kommt erst übermorgen zurück.«

Sein ungeduldiger Herr wollte gerade eine ärgerliche Antwort geben, als er es sich anders überlegte und befahl:

»Sattle mein Pferd. Ich reite nach Juan Griego.«

»Um diese Zeit, Senor?« wollte der beunruhigte Diener wissen. »Es wird bald Nacht.«

»Wir haben Vollmond, und ich kenne den Weg. Um so kühler wird der Ritt sein.«

Es war tatsächlich ein kühler Ritt und in mancher Hinsicht wesentlich angenehmer als unter der brennenden Sonne Margaritas, doch während er auf dem engen Pfad zur Westküste hinuntergaloppierte, hatte Don Hernando Pedrárias ein bohrendes Gefühl im Magen, wenn er diesen fast verstohlenen Ritt mit der Fahrt verglich, die er vor Jahren mit seiner Kutsche und einem Dutzend Mann Begleitung gemacht hatte, die auf Schritt und Tritt für seine Sicherheit sorgte.

Weder der wirtschaftliche Ruin noch der Verrat Celestes oder die Aussicht, den Rest seines Lebens in der Festung des feuchtheißen Cumaná zu verbringen, machten dem Ex-Gesandten der Casa de Contratación von Sevilla so sehr zu schaffen wie die Tatsache, daß er all seine Macht verloren hatte. Bitter mußte er feststellen, daß nur noch zwei alte Diener seine Befehle ausführten und kein einziger Leibwächter mehr bereit war, sein Leben für ihn aufs Spiel zu setzen.

Don Hernando Pedrárias, Sohn eines geachteten Staatsanwalts der Casa de Contratación von Sevilla und Enkel eines ihrer tüchtigsten obersten Richter, war in der unerschütterlichen Überzeugung aufgewachsen, daß die Angehörigen seines Geschlechts dazu berufen waren, über die Geschicke der Neuen Welt zu schalten und zu walten. Ihre Autorität war ebenso unantastbar wie die der Personen königlichen Geblüts.

Über Jahre hinweg hatte er die Beamtenschule der Casa besucht, gemeinsam mit vielen anderen Söhnen und Enkeln hoher Würdenträger, und die gesamte Zeit über hatten weder Lehrer noch Schüler auch nur ein einziges Mal die Tatsache in Frage gestellt, daß nur sie wußten, und niemand sonst, was die fernen Länder jenseits der Meere benötigten und was gut für deren Einwohner war.

Die Pfarrer waren für die Religion, die Höflinge für die Politik und die Offiziere für die Schlachten zuständig, doch die Beamten der Casa kontrollierten die Wirtschaft des Landes, und das bedeutete, daß auf die eine oder andere Weise Pfarrer, Politiker und Militär von ihnen abhängig waren.

Und jetzt wagte es eine Marionette wie Oberst Arismendi, der jahrelang vor ihm gekatzbuckelt und von ihm profitiert hatte, ihn zu beleidigen, jetzt wo der Offizier wußte, daß Don Hernando keine Fäden mehr ziehen konnte, um ihn sofort in das übelste Urwaldkaff versetzen zu lassen.

Macht!

Macht war die sanfte Geliebte, mit der er jahrelang geschlafen hatte, und in jener Nacht, in der er allein den staubigen Weg nach Juan Griego entlangritt, kam Don Hernando Pedrárias zur schmerzlichen Erkenntnis, daß sie niemals mehr sein Bett teilen würde.

Der Morgen graute, als er in der Ferne die schwarzen Mauern des Forts erkennen konnte, und als die ersten Sonnenstrahlen über Cabo Negro blinzelten, stand er vor Hauptmann Sancho Mendana, der gerade sein Frühstück auf der riesigen Seeterrasse beendet hatte.

»Oberst Arismendi hat mir empfohlen, zu Euch zu kommen«, bog Don Hernando die Wahrheit zurecht. »Er hat mir versichert, daß ihr mir vielleicht die Information geben könnt, die ich benötige.«

»Über?«

»Kapitän Jacare Jack.«

»Und was soll ich dem Oberst nach über Kapitän Jacare Jack wissen?« lautete die mißmutige Antwort des Hauptmanns, die vermuten ließ, daß er tatsächlich eine Menge wußte. »Ein Pirat ist er, nichts weiter.«

»Der Oberst hält Euch für eine Autorität in Sachen Piraten. Ihr sollt gegen viele gekämpft haben.«

»Ich war bei einem gescheiterten Angriff auf Tortuga dabei, habe mit meinen Kanonen Mombars, den Todesengel, in die Flucht geschlagen, und einmal habe ich an einer Treibjagd teilgenommen, auf der wir achtzehn Freibeuter aufgehängt haben, aber deshalb sehe ich mich noch nicht als Autorität in dieser Angelegenheit.« Bedächtig zündete der phlegmatische Hauptmann seine Pfeife an und fügte mit gezwungener Natürlichkeit hinzu: »Jeder Offizier, der so lange wie ich in diesen Breiten gedient hat, dürfte ähnliche Erfahrungen haben.«

»Nichtsdestotrotz!« rief Don Hernando Pedrárias aus. »Ich weiß, daß die Jacare mehrere Male in der Bucht vor Anker gegangen ist.«

»Immer schön außer Reichweite meiner Kanonen«, stellte sein Gastgeber spöttisch klar. »Seit Jahren mache ich Eingaben, daß man diese alten Schrotthaufen austauscht und Munition schickt, doch keiner hat sich je darum geschert. O ja, die Jacare ist in der Bucht von Kap zu Kap gefahren, weil sie genau wußte, daß ich ihr mit meinen vier Fischerkähnen und einem halben Dutzend Reservisten nichts anhaben konnte.« Wütend blickte er sein Gegenüber an, als dächte er darüber nach, ob es sich lohnte, seine Spucke an ihn zu verschwenden: »Alle Piraten und Korsaren, Engländer, Franzosen, Holländer, Portugiesen, ja sogar Chinesen, falls es in China Korsaren gibt, wissen nur zu gut, daß sie uns ungestraft plündern, schänden und töten können, weil die Casa lieber ein Schiff mit Ölfässern schickt, um es gegen Perlen einzutauschen, statt ein Schiff mit Pulverfässern, die verhindern könnten, daß man uns diese Perlen raubt…« Er deutete auf die alte Kanone, deren schwarze Mündung fast direkt über ihren Köpfen schwebte: »Wißt Ihr, wie oft ich sie bei einem Angriff abfeuern kann? Einmal! Nur ein einziges Mal! Und der Schuß erreicht nicht einmal dieses gelbe Boot dort.«

»Ich hätte nie gedacht, daß die Situation so kritisch ist«, gab Don Hernando mit absoluter Ehrlichkeit zu.

»Als ob ich Euch nicht über die Jahre hinweg ein gutes Dutzend Berichte geschickt hätte«, tönte es fast zornig zurück. »Wir wollen das größte Reich sein, das jemals ein allmächtiger Souverän regiert hat, das Reich, in dem die Sonne niemals untergeht, doch anderthalb Jahrhunderte, nachdem wir dieses Reich erobert haben, lassen wir zu, daß man uns Stück um Stück entreißt. Hier in der Karibik haben wir schon Jamaika, Barbados, Guadeloupe, Aruba, Martinique und Curacao verloren. Was müssen wir noch alles verlieren, bis die Casa sich endlich entschließt, uns Waffen zu schicken, damit wir uns verteidigen können? Wenn die Piraten, die gerade im Hafen von Port-Royal liegen, ihre Kräfte vereinen würden, brauchten sie nicht einmal 24 Stunden, um Margarita einzunehmen.«

»Das ist doch ein Scherz…!«

»Was denn für ein Scherz…?« erregte sich der Offizier. »Im Augenblick dürften dort die Schiffe von Laurent de Graaf, Michel el Vasco und wahrscheinlich auch Moses van Klijn vor Anker liegen. Zusammen bringen es die drei auf über tausend gut bewaffnete Männer und über zweihundert Kanonen. Und wie viele, glaubt Ihr, haben wir?« Er sah ihn spöttisch an. »Wißt Ihr das nicht? Ich werde es Euch sagen: Auf der Insel gibt es genau 22 Kanonen und etwa achtzig Musketen, und die Hälfte von ihnen bringen eher den Schützen um als ihr Ziel.«

»Ich verstehe! Ist Jacare Jack vielleicht in Port-Royal?«

»Nur das ist Euch wichtig, nicht wahr? Jacare Jack.« Hauptmann Mendana schüttelte überzeugt den Kopf. »Ich bezweifle es. Er taucht nur selten dort auf, auch Tortuga läuft er gewöhnlich nicht an. Er soll seinen eigenen Ankerplatz zwischen den Jungferninseln haben, vielleicht auch im Jardin de la Reina, im Süden von Kuba.«

»Wer könnte es wissen?«

»Niemand, den ich kenne.«

»Ich habe eine großzügige Belohnung für Hinweise auf dieses Schiff ausgesetzt. Glaubt Ihr, das bringt etwas?«

»Aber sicher doch…!« entgegnete der Hauptmann mit sichtlicher Ironie. »Ein gutes Dutzend vorgeblicher Verräter wird Euch wie einen Hampelmann von einem Ort zum anderen führen. Aber ich versichere Euch, am Ende habt Ihr nur Zeit und Geld verschwendet.«

»Was ratet Ihr mir also?«

»Daß Ihr Euch Probleme erspart, wenn Ihr Euch in einen Teil der Welt verzieht, in dem Euch niemand kennt.«

»Das kann ich nicht tun.«

»Und warum nicht?«

»Man würde mich des Verrats anklagen.«

Hauptmann Mendana betrachtete ihn perplex:

»Nach allem, was mir zu Ohren gekommen ist, Don Hernando, klagt man Euch an, weil Ihr mit Sklaven handelt, ein Mädchen verdorben habt, illoyal, pflichtvergessen, unfähig, ja sogar ein Bandit seid. Welche Bedeutung hat da noch ein weiterer Vorwurf, wenn es um Euer Leben geht?« Er stand auf, ging ein wenig auf der Terrasse hin und her und setzte sich auf den Rand der massiven Mauer. »Wißt Ihr was? Ich habe Emiliana Matamoros geliebt. Für mich war sie wie eine Göttin, die ich stets wie ein Denkmal verehrt habe, ohne daß mir jemals ein unlauterer Gedanke gekommen wäre. Doch eines Tages tauchte der Gesandte der Casa de Contratación von Sevilla mit seiner riesigen goldenen Kutsche auf, verführte sie und zerstörte damit das einzige reine und edle Gefühl, das ich je hatte.« Er sah ihm herausfordernd in die Augen: »Wie könnt Ihr nur zu mir kommen, um mich um Hilfe zu bitten? Weder ich noch ein anderer auf dieser Insel, ja, ich hoffe auf der ganzen Welt, wird Euch zuliebe auch nur einen Finger rühren. Das sollte Euch so schnell wie möglich in Fleisch und Blut übergehen, wenn Ihr am Leben bleiben wollt.«

Nachdem man die Beute aufgeteilt hatte, segelte das Schiff durch ein ruhiges Meer. Die Sonne brannte, und kaum ein Lüftchen fächelte die Segel. Lucas Castano setzte sich zu seinem Kapitän, der es sich im alten Sessel des Schotten bequem gemacht hatte. Einige Minuten lang schaute er schweigend den fliegenden Fischen zu, die vor dem Bug aus dem Wasser hüpften, auf der spiegelglatten Oberfläche dahinglitten und ohne Spritzer wieder in der Tiefe verschwanden, dann gab er mit Bedauern in der Stimme zu bedenken:

»Die Männer sind unruhig.«

Sein junger Kapitän blickte ihn verblüfft an.

»Wie das? Es ist doch gerecht verteilt worden… Oder etwa nicht?«

»Doch, doch«, räumte der Panamese ein. »Gerecht schon, aber halt zu wenig. Zweitausend Perlen, so prächtig sie auch sein mögen, sind keine Beute, für die man monatelang auf hoher See kreuzt und darauf wartet, jeden Augenblick ergriffen und aufgehängt zu werden. Seeräuberei ist ein hartes und gefährliches Geschäft, das einen nur mit Abenteuer und einer guten Beute entschädigt.« Er schnalzte verdrossen mit der Zunge. »Und seit Jahren haben sie weder das eine noch das andere gehabt.«

»Was wollen sie denn?«

»Keine Pötte mit Piken und Schaufeln mehr überfallen, sondern lieber Goldschiffe entern, auch wenn wir dabei vielleicht draufgehen.« Er zuckte hilflos mit den Schultern: »Mit einem Wort: Wir sollen uns wie echte Piraten verhalten.«

»Verstehe«, sagte der Margariteno. »Und was denkst du darüber?«

»Wenn wir unsere Zeit nicht nutzen, sind wir bald alt und werden als Bettler in irgendeinem schmutzigen Hafen enden.« Er deutete auf die Kajüte des Achterkastells, in der sich Celeste aufhielt. »Und eine Frau an Bord macht die Dinge nicht besser, im Gegenteil: Sie bringt Unglück.«

»Das ist meine Schwester.«

»Alle wissen das, aber alle wissen auch, daß sie ein sehr attraktives Mädchen ist, und die meisten haben seit sechs Monaten an keiner Feige mehr gerochen. Darüber solltest du nachdenken.«

»Das tue ich längst, aber es will mir keine passende Lösung einfallen. Was soll ich bloß mit ihr machen?«

»Alles, außer sie noch länger an Bord eines Piratenschiffs zu lassen… Das geht einfach nicht!«

»Aber wo könnte ich sie an Land gehen lassen? Das Winterquartier in den Grenadinen ist doch nichts für sie. Da gibt es nur Huren.«

»Die Welt ist groß.«

»Nicht groß genug für die Casa de Contratación. Ihr Arm reicht überall hin.«

»Nicht nach Jamaika. Niemand, der mit der Casa zu tun hat, wagt es, Jamaika auch nur zu betreten, denn am nächsten Tag würden sie ihn dort öffentlich verbrennen. Deine Schwester ist dort völlig sicher, und wir können uns in der Zwischenzeit mit anderen Schiffen in Verbindung setzen, um vielleicht eine gemeinsame Aktion zu planen. In drei Monaten bricht die Flotte von Cartagena de las Indias nach Kuba auf und segelt von dort aus weiter zu den Azoren und nach Sevilla. Das wäre eine Gelegenheit, sie zu überfallen.«

»Gemeinsam mit den Korsaren?« wollte der junge Kapitän Jacare Jack bestürzt wissen. »Ich hasse Massaker!«

»Hör mal zu…!« erwiderte sein Stellvertreter und bemühte sich, die Ruhe zu bewahren. »Wichtig ist lediglich, das richtige Schiff auszuwählen, das Kampfgetümmel auszunutzen, es von der Flotte wegzutreiben und blitzschnell zu entern. Dafür schickt man am besten Spione in die Abfahrtshäfen, um herauszufinden, welche Schiffe Gold geladen haben und welche nicht. Oft erweisen sich die spektakulärsten Schiffe als Nieten.«

»Hast du das schon früher gemacht?«

»Schon oft. Der Alte verwandte viel daran, ein unversehrtes Schaf zu reißen, während sich die Wölfe und Hunde gegenseitig in Klump schossen. Dann kamst du, und er tauschte die Schafe gegen Maultiere ein.«

»Und das stört dich?«

»Und ob! In den letzten Jahren hat die Jacare fast nur noch Warnschüsse abgegeben. Reines Feuerwerk, das ihrem Ruf nicht gerecht wird.«

»Einverstanden!« räumte der Junge ein. »Ich werde darüber nachdenken.«

»So schnell wie möglich, das rate ich dir, sonst erleben wir am Ende noch eine unliebsame Überraschung. Und mit diesem Mädchen an Bord gäbe das eine Tragödie.«

Sebastián Heredia sah sich die Gesichter der Männer an, die gerade auf Deck Wache standen, und kam zum bitteren Schluß, daß der treue Panamese wieder einmal recht hatte. Ein Piratenschiff war für ein junges Mädchen wirklich nicht angebracht. Auch ohne Argusaugen waren die Gesten und Blicke nicht zu übersehen, die sich die schäbige sabbernde Schar jedesmal zuwarf, wenn Celeste aus der Kajüte trat, um frische Luft zu schöpfen.

Nachdem der Schotte von Bord gegangen war, hatte sich die Jacare gewissermaßen in ein schwimmendes Pulverfaß verwandelt. Die reizvollen Brüste und der sinnliche, stets feuchte Mund eines Mädchens, das zum Teil die erotische Ausstrahlung der Mutter geerbt hatte, konnten sehr gut der Funke sein, der dieses Pulverfaß in die Luft gehen ließ.

Nach dem Abendessen setzte sich Sebastián mit Celeste und seinem Vater in der Kajüte, die er ihnen überlassen hatte, zusammen, und kam ohne Umschweife zur Sache.

»Ich denke, Lucas hat recht. Am besten, ihr geht in Jamaika von Bord. Dort könnt ihr ohne Furcht vor Repressalien leben, und ich kann euch häufig besuchen.«

»Und warum machst du es nicht genauso?« fragte Celeste. »Verkauf das Schiff, kauf dir eine gute Zuckerhazienda und leb fortan in Frieden.«

»Ich wurde nicht geboren, um Sklaven mit der Peitsche zum Zuckerrohrschneiden anzutreiben. Und ohne Sklaven ist keine Hazienda rentabel, nicht einmal auf Jamaika.«

»Willst du lieber weiter Schiffe überfallen?«

»Wenn sie der Casa gehören, ja. Und wenn du mich fragst, ob ich lieber Pirat als Sklavenhändler bin, dann heißt die Antwort ebenfalls ja.«

»Sklaven zu haben heißt nicht unbedingt, mit Sklaven zu handeln«, gab sein Vater zu bedenken.

»Keine Käufer, keine Händler«, entgegnete Sebastian unwirsch. »Daß alle Welt Sklaven hat, ist keine Entschuldigung, selbst welche zu halten. Wenn du sie gesehen hättest wie ich, in schmutzige Laderäume gepfercht, in denen sie kaum atmen konnten, würdest du meine Haltung verstehen. Sklavenhandel ist das unmenschlichste, bestialischste und würdeloseste Geschäft auf Erden. Ein Schiff zu entern und zu plündern ist dagegen ein Bubenstreich.«

»Heute denken die meisten Menschen nicht so.«

»Was die Mehrheit denkt, ist nicht wichtig«, beharrte sein Sohn mit rauher Stimme. »Wichtig ist nur, was ich denke. Pirat zu sein ist die gefährlichste Art, frei zu sein, und wer sein Leben für seine Freiheit aufs Spiel setzt, sollte seine Prinzipien nicht verraten und anderen die Freiheit rauben, wie schwarz ihre Haut auch sein mag.«

»So habe ich dich noch nie reden hören!« bemerkte Miguel Heredia.

»Wahrscheinlich deshalb, weil du mir früher nur selten zugehört hast«, erinnerte ihn der Margariteno. »Vielleicht aber auch, weil du dieses Schiff nicht gesehen hast.«

Celeste tätschelte liebevoll die Wange ihres Bruders:

»Es gefällt mir, wie du denkst. Wäre ich ein Mann, würde ich auch so denken und wie du zum Piraten werden, aber ich verstehe natürlich, daß meine Anwesenheit an Bord die Dinge verkompliziert.« Sie blinzelte ihn schelmisch an. »Diese armen Jungs scheinen es ja wirklich sehr nötig zu haben.«

Die kriminelle Besatzung der Jacare »arme Jungs« zu nennen, war wieder typisch für Celeste Heredia, die offensichtlich das Leben als riesigen Spaß betrachtete, auch wenn dieser Spaß noch vor kurzer Zeit ein Alptraum gewesen war.

Jetzt, wo sie weit weg von Don Hernando Pedrárias und ihrer Mutter war, schien ihr jegliches Problem bedeutungslos zu sein. Sie schien sich als das glücklichste Geschöpf auf Erden zu fühlen, das ohne Ziel die warme Karibische See befuhr, und das auf einem Schiff, dessen fünfzig Mann Besatzung das letzte Hemd dafür hergeben würde, sie zu vergewaltigen.

»Wir suchen uns ein schönes Haus auf Jamaika«, fuhr sie etwas später mit ihrem üblichen Enthusiasmus fort. »Papa und ich werden Hühner züchten und Englisch lernen, und du kommst uns besuchen, wenn du nicht zu sehr damit beschäftigt bist, Schiffe zu entern und Festungen zu überfallen.«

»Wie kannst du das alles so leichtnehmen?« empörte sich Miguel Heredia. »Du redest von Seeräuberei!«

»Nach allem, was ich gehört habe«, erwiderte seine Tochter mit verblüffender Gelassenheit, »sind fast alle Einwohner Jamaikas Piraten oder Korsaren, von den Huren, Sklaven und Sklavenhändlern einmal abgesehen. Glaubst du, daß wir dort aus dem Rahmen fallen?«

»Du bist unmöglich!«

»Nein, Papa, ich bin nicht unmöglich. Ich bin nur ein Kind meiner Zeit. Seit ich denken kann, habe ich nur von Gewalt, Plünderungen, Überfällen oder versenkten Flotten gehört, und schon als kleines Kind habe ich gesehen, wie du aufs Meer hinausfuhrst, um in haiverseuchten Gewässern nach Perlen zu tauchen, die sie dir zu lächerlichen Preisen abkauften. War das vielleicht ein vernünftigerer Beruf, als Pirat zu sein?«

»Jedenfalls war er ehrenwerter.«

»Und wer entscheidet, was ehrenwert ist und was nicht?« erboste sich Celeste. »Hernando wollte ehrenwert sein, dabei preßte er die Armen aus und handelte mit Sklaven. Mein Gott! Warum wurde ich nicht als Mann geboren? Wir würden ein großartiges Gespann abgeben.« Sie wandte sich ihrem Bruder zu. »Hat es denn niemals weibliche Piraten gegeben?«

»Einige«, gab er zu. »Lucas will eine kennen, die zwei Jahre in Männerkleidung herumgelaufen ist, bis man entdeckt hat, daß sie eine Frau und schwanger war. Sie wollte ihren Liebhaber nicht verraten, weil die Gesetze der Bruderschaft der Küste denjenigen mit dem Tod bestrafen, der eine als Mann verkleidete Frau an Bord nimmt. Deshalb hat man sie auf einer einsamen Insel ausgesetzt.«

»Eine schöne Liebesgeschichte«, murmelte das Mädchen. »Zwei Jahre wie ein Pirat zu leben und sich dann auf einer einsamen Insel aussetzen zu lassen, um dem Geliebten das Leben zu retten: Das gefällt mir. Was ist aus ihr geworden?«

»Sie hat wohl ihr Kind auf der Insel zur Welt gebracht, aber da sie fast verhungerte, hat sie es aufgegessen.«

»Das glaubst du doch selber nicht!«

»Natürlich nicht!« lachte ihr Bruder. »Keiner weiß, auf welcher Insel sie geblieben ist. Vielleicht ist sie noch immer dort.« Nacheinander sah er seinen Vater und seine Schwester an. »Na gut! Also Kurs Jamaika?«

»Was bleibt uns anderes übrig?« versetzte Miguel Heredia. »Also geht’s jetzt von der Perlen– auf die Ruminsel.«

Sein Sohn öffnete die Tür und rief dem Algerier am Steuerrad zu:

»Mubarrak! Achtung an Deck! Kurs Westnordwest.«

»Westnordwest Kapitän?« wiederholte der Steuermann sichtlich erfreut. »Geht es vielleicht nach Jamaika?«

»Direkt nach Port-Royal…«

Wenige Augenblicke später schäumte die ganze Jacare vor Begeisterung.

»Port-Royal! Hurra! Nächster Halt, die Huren von Port-Royal!«

Port-Royal lag auf der heißen fruchtbaren Insel Jamaika, auf einer Landzunge, die im Süden die riesige Bucht von Kingston abschloß. In jenen Zeiten galt es als sicherster Hafen, der die schönsten Huren und den besten Rum des Kontinents hatte. Jedes Schiff, so bestimmte es eine alte Tradition, das die Riffbarriere mit gehißter weißer Flagge und geschlossenen Kanonenluken passierte, durfte unbehelligt in den Gewässern von Port-Royal verweilen, solange es wollte, ohne daß jemand nach Herkunft, Grund des Aufenthalts oder Ziel gefragt hätte.

Die Besatzungen mußten allerdings Feuerwaffen und Macheten an Bord lassen. Lediglich die Degen durften am Gürtel blitzen, denn ein anständiges Duell unter nicht allzu betrunkenen Gegnern galt stets als dankbares Schauspiel.

Die größte Schenke von Port-Royal, »Die Tausend Jakobiner«, verdankte ihren seltsamen Namen der weltberühmten Würfelpartie, die man hier ausgetragen hatte. Allenfalls die Partie, in der ein Offizier namens Francisco Pizarro, genannt der Gelassene, in einer einzigen Nacht die märchenhafte, zwei Meter große Goldsonne verlor, die er für seinen Heldenmut bei der Eroberung Perus erhalten hatte, war ähnlich spektakulär verlaufen.

Kontrahenten der besagten Würfelpartie in Port-Royal waren ein verrückter Pirat namens Vent en Panne und ein steinreicher Großgrundbesitzer jüdischer Herkunft namens Stern.

Der Pirat hatte wohl unter dem Oberbefehl des gebrechlichen Kapitäns Mansfield am wenig einträglichen Angriff auf die Insel Santa Catalina teilgenommen und lediglich hundert Dublonen Anteil an der lächerlichen Beute erhalten.

Er setzte sie aufs Spiel, und obwohl ansonsten das Pech an seinen Hacken klebte, gewann er über zehntausend Dublonen.

Daraufhin fand er, daß es Zeit war, ins heimatliche Frankreich zurückzukehren, buchte eine Überfahrt, kehrte jedoch einige Stunden vor Abfahrt des Schiffs in die damals noch »Zum Hinkebein« genannte Schenke zurück, um ein letztes Glas zu leeren.

Um die Zeit totzuschlagen, beschloß man, »ein paar Knochen zu werfen«, und in kurzer Zeit hatte Vent en Panne 15000 Silbertaler gewonnen. Darauf setzte der Jude eine Ladung Zucker im Wert von hunderttausend Pfund und verlor auch die.

Inzwischen hatte Vent en Panne sein Schiff verpaßt, dessen Kapitän das Warten satt und mit dem Gepäck des Piraten in See gestochen war.

Als es Abend wurde, erschien der verzweifelte Stern, der binnen weniger Stunden seinen gesamten Besitz verspielt hatte, mit dem einzigen, was ihm auf dieser Welt geblieben war: einem riesigen Ballen goldbestickter Seide aus China, den die Experten auf die fabelhafte Summe von »Tausend Jacobinern« schätzten.

Vent en Panne akzeptierte den Einsatz und ließ die Würfel rollen, während alle Gäste, die sich in der geräumigen Schenke drängten, den Atem anhielten.

Er warf eine Neun.

Zitternd nahm der Jude die Würfel aus Bein in die Hand, schloß die Augen und warf.

Er hatte eine Elf, und die nächsten acht Male ebenfalls.

Bei Tagesanbruch hatte Vent en Panne alles verloren, sogar das Hemd, das er am Leibe trug.

Am gleichen Tag heuerte er auf dem Schiff des sadistischen L’Olonnois an, um am Angriff auf Maracaibo teilzunehmen.

Mit einer beträchtlichen Beute kehrte er zurück, ging schnurstracks zur alten Schenke, die inzwischen ihm zu Ehren ihren Namen geändert hatte und ließ nach dem Juden Stern schicken.

Wer allerdings kam, war der Gouverneur der Insel, der alles konfiszierte, was er bei sich hatte, und ihm dafür einen Kreditbrief ausstellte, der nur in einer Bank in Frankreich einzulösen war, brachte ihn an Bord des ersten Schiffs, das nach Europa segelte, und verabschiedete ihn mit diesen weisen Worten:

»Was die Flut bringt, nimmt die Ebbe mit, doch in deinem Fall, mein Sohn, ist mir das zuviel.«

Vent en Panne kam Jahre später ums Leben, als ein spanisches Kriegsschiff mit einem Schmugglerschiff aneinandergeriet, auf dem der Pirat nach Jamaika zurückkehren wollte. Dort wollte er ein riesiges Vermögen aufs Spiel setzen, das er als Importeur von Zucker und Rum angehäuft hatte. In Europa hatte er offensichtlich keinen Gegenspieler gefunden, der es mit dem Juden Stern hätte aufnehmen können.

In diese verrückte Welt des Spiels, der Frauen, des Alkohols und der Verschwendung, in der die bestialischsten und ungebildetsten Piraten in Luxuskaleschen herumfuhren, Seidenhemden trugen und sich mit Perlen und Smaragden behängten, hielt eines heißen Mittags die Jacare ihren Einzug. Nachdem sie die gefährlichen Riffe geschickt umsegelt hatte, glitt sie mit weißer Flagge und verdeckten Kanonen in die Bucht hinein, um ihre Anker zu werfen, nur einen Steinwurf entfernt von einer riesigen Galeone, die fast dreimal soviel Takelage und Tonnage aufwies.

Niemand schien sich auch nur einen Deut um ihre Anwesenheit zu scheren.

Zu dieser brüllendheißen Stunde, in der nicht die leiseste Brise wehte und die hohe Luftfeuchtigkeit den Schweiß in Strömen fließen ließ, schliefen die Besatzungen der zwei Dutzend Schiffe, deren Masten in der Bucht schaukelten, wie fast die gesamte Bevölkerung von Port-Royal eine friedliche und wohlverdiente Siesta, um für die näherrückende lange Nacht der Orgien wieder Kraft zu schöpfen.

In Port-Royal war es strengstens verboten, etwas zu tun, was die Schläfer während ihrer so notwendigen Siesta stören konnte. Eines unglücklichen Tages nämlich war Kapitän John Davis mit übler Laune aufgewacht, hatte einen Kanonenschacht geöffnet, sorgfältig gezielt und ein Haus, das gerade am Strand errichtet wurde, mitsamt sieben lärmenden Zimmerleuten in die Luft gejagt.

Jamaika war geradezu par excellence der Ort, wo sich Piraten und Korsaren entspannen und zerstreuen konnten. Es lebte von deren Beute und wuchs mit deren Plünderungen. Die Spanier hatten die Insel nicht überfallen, da sie nur zu gut wußten, daß sie auf keine Flotte zählen konnten, die auch nur den Hauch einer Chance gehabt hätte, es mit den vereinten Kräften der Engländer, Piraten und Korsaren aufzunehmen.

Kein Wunder, daß dieses Zentrum fabelhafter Reichtümer und Zerstreuungen Abenteurer, Prostituierte, Glücksritter und Vagabunden aus aller Herren Länder anzog wie Honig die Fliegen, denn an keinem anderen Ort konnte ein Hungerleider binnen Stunden zum schwerreichen Mann werden und umgekehrt.

Einige Meilen von Rocky Point entfernt hatte sich ein gutes Jahrhundert lang ein Barockpalast mit weißen Marmorsäulen erhoben, den ein verrückt gewordener Wucherer zwei wunderschönen türkischen Zwillingen geschenkt hatte, kaum hatten die beiden ihre zarten Füße in das beste Bordell der Stadt gesetzt. Einzige Bedingung war, daß kein anderer Mann die Mädchen jemals mehr zu Gesicht bekommen sollte.

Man erzählte sich, daß die Zwillinge, die sich in sexueller Hinsicht am liebsten miteinander vergnügten, das Angebot nur zu gerne annahmen und den Rest ihres langen Lebens in dem prunkvollen Herrenhaus verbrachten. Ihre einzige Verpflichtung bestand darin, jedes Wochenende den lüsternen Wucherer mit ihren erotischen Spielen zu unterhalten.

Nachdem Sebastián Heredia lange Zeit durch das Achterfenster seiner Kajüte die ruhige Bucht beobachtet hatte, über der zur Mittagszeit nicht mal die Reiher flogen, vielleicht aus Furcht, einen Kanonenschuß abzubekommen, schaute er zunächst Celeste an, die in ihrer Koje lag und sich vor Spannung sprühend Luft zufächelte, dann wandte er sich seinem Vater zu, der in einen alten Sessel versunken war und sich nur mit Mühe wachhielt.

»Ihr müßt euch hier einige Zeit einschließen«, gab er ihnen schließlich mit Bedauern zu verstehen. »Ihr solltet den ganzen Tag über nicht an Deck erscheinen, damit man euch nicht von den Nachbarschiffen aus sehen kann, denn wenn man euch später an Land wiedererkennt, sind wir in Gefahr.«

»Wie lange?« wollte seine Schwester wissen.

»Bis ich ein Haus gefunden habe, abgelegen, komfortabel und diskret. Wichtig ist, daß niemand euch mit der Jacare in Verbindung bringt.«


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