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Lügendetektor
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Текст книги "Lügendetektor"


Автор книги: A. I. Nebelkrähe



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1.12.txt

Unser Training geht weiter. Wir führen die Teilnehmer in die Theorie von Erik Berne ein – erzählen von Prinzen und Fröschen.

Die Frösche leben sein Leben mit dem Gefühl der Hilfslosigkeit und Abhängigkeit von anderen Menschen. Die meisten Frösche beschweren sich ihr ganzes Leben lang:

Im meinen Leben habe ich nur Pech! Warum passiert das alles nur mir? – oder beschuldigen anderen –

Deinetwegen ist mein Leben zugrunde gegangen! Was macht einen Mann fertig? Böse Frau und Schnaps!

Einige Frösche tun es so, als ob sie weg von ihrem Sumpf sind und sagen, dass sie ganz erfolgreich wären, aber... Dieses Wort Aber ist ein echtes Merkmal des Frosches. Wenn Sie hören:

Ich hätte gut mit meiner Frau gelebt, aber diese Schwiegermutter...

Ich hätte glänzende Karriere gemacht, aber dieser dumme Chef...,

dann wissen Sie, dass Sie einen Frosch vor sich haben.

Immer gibt es jemand, der den Fröschen im Wege steht – hinterlistige umstehende Leute, oder sie selber, oder Wetter, Land, Rezession u.s.w. Es gibt aber Frösche, die sogar es nicht versuchen, ihren Erfolg zu simulieren. Sie reden offen, dass sie wertlos sind und keine Ziele im Leben haben.

Frösche leben nie in der Gegenwart. Sie vergeuden ihre Zeit erinnernd an Vergangenheit oder wartend auf glänzende Zukunft. Grammatisch gesehen, leben Frösche im Konjunktiv. Die in Vergangenheit lebende Frösche benutzen gewöhnlicherweise Konjunktiv und beginnen die Fragen mit „Wenn...“:

Wenn ich andere (vermögende, einflussreiche, kluge u.s.w. ) Eltern hätte!

Wenn meine Verwandten eine Stunde später käme!

Wenn ich sie nicht verheiratet hätte!

Wenn ich der Boss wäre!

Die in Vergangenheit lebende Frösche ununterbrochen zählen die Möglichkeiten, die sie versäumten und machen sich selbst oder anderen verantwortlich dafür.

Es gibt auch zwei Arten von Fröschen, die in Zukunft leben. Die Ersten klagen mit „Wenn...“, aber ohne Konjunktiv:

W e nn ich sie heirate, ...

W e nn diese Ausbildung hinter mir wird, ...

W e nn die Kinder groß werden, …

Wenn ich meine Karriere mache, …

Wenn ich mich scheiden lasse, …

Wenn ich sterbe, …

XXXX XXX XX XXXX

XXXX  XXXX XXX XX

Die Frösche dieser Art warten das ganze Leben auf die Zukunft, in der sie alle ihre Probleme loswerden, auf einmal durch eine Magie, jedenfalls sollen sie selbst nichts tun. Das Glück kommt von alleine, man muss nur geduldig darauf warten, nur alles aushalten. Dann bekommt man plötzlich große Erbschaft von unbekannten Verwandten, oder ein Millionär macht einen Heiratsantrag... So warten diese Frösche auf ein Wunder, das kommt aber nie.

Die Zweiten klagen mit „Was wird, wenn...“, auch ohne Konjunktiv:

Was wird, wenn ich diese Ausbildung nicht bekomme?

Was wird, wenn ich gefeuert sein werde? 

Was wird, wenn ich einen Fehler mache?

Was wird, wenn mir meine Rente nicht reicht?

Für die Frösche dieser Art ist die Zukunft ein totaler Alptraum, der kommt ungeachtet ihrer Bemühungen. Man kann sich von dieser schrecklichen Zukunft nirgendwo verstecken und sie erstarren, wie vor der Schlange, und leben in diesem Zustand des Stupors ihr ganzes Leben.

Die Frösche konzentrieren sich so sehr auf Vergangenheit oder Zukunft, dass sie überhaupt nicht merken können, was mit ihnen im Gegenwart passiert. Ihre ganzen Kräfte vergeuden sie bemitleidend ihr eigenes Unglück oder zürnend auf Gemeinheit anderen Menschen. Sie haben keine Kraft oder Zeit, um das Geschehenes zu analysieren. Deswegen wissen sie nie, warum sie verlieren und machen immer wieder die gleichen Fehler. Die Welt der Frösche ist die Welt der Gefühle, deshalb können sie nicht nur aus der Erfahrung der Anderen, sondern auch aus eigener Erfahrung lernen.

Weil die Frösche nicht wissen können, was in realer Welt passiert, denken sie ihre eigene Welt aus, die nur wenig mit Realität zu tun hat. Die schwer im Gegenwart orientierenden Frösche fürchten sich vor allem Neuen und halten fest an allem Alten (wie es bei einem Blinden vorkommt, wenn man Möbel in seiner Wohnung umstellt). Sie mögen strenge Regeln und Verbote, aber sie denken über den Sinn diesen Regeln und Verbote nur selten nach. Sie nehmen an, dass wenn es streng ist, dann ist es sinnvoll:

Wenn jemand den Eintritt verboten hat, dann hat er darüber nachgedacht, ich bin dafür nicht verantwortlich.

X XXXXXXX XX XXX XX XXXXXXXXXXXXXXX XXX XX XXX XXXX XX XXX XXXXX XX XXX XXXXXX XX XXXX XX.

Die Frösche meinen, dass die ganze Welt um sie Sorgen machen soll, und wenn das nicht stimmt, sind sie sehr enttäuscht. Wenn sie in einer Situation eine Entscheidung treffen müssen, empfinden sie das als Mangel an Aufmerksamkeit. Aber wenn jemand (Eltern, Freund, Ehepartner, Boss, Beamter u.s.w.) ihnen befiehlt, so und so zu machen, dann fühlen sie sich zufrieden, sie müssen um nichts besorgt sein. Je strenger Regeln und Verbote sind, desto mehr sorgt jemand um Frösche. Das ist ein Paradox in Wahrnehmung der Welt von Fröschen: sie haben kein Vertrauen zu ihren nahestehenden Menschen und gleichzeitig voll Vertrauen zu Unbekannten, wenn die Letzten hohe Positionen bekleiden.

Ein männlicher Frosch kann seiner Geliebte, Frau, seinen Eltern, Kinder total nicht vertrauen, aber er glaubt dem Politiker, den er überhaupt nicht kennt. Die Frösche mögen Menschen en masse, aber sie hassen oft ihre Nahestehenden, insbesondere Verwandten.

Die Frösche leben in einer Welt der Gefühle, keineswegs des Verstands, trotzdem sind sie sich diesen Gefühlen nicht bewusst. Umgekehrt, sie meinen, dass es sehr unhöflich ist, unverhohlen Emotionen zu zeigen. Deswegen ist es ihnen so schwer, offene, echte Beziehungen mit Menschen anzuknüpfen. Für sie ist es unerträglich, einem Mensch zu sagen, was sie in der Tat wollen, deshalb sind sie gezwungen, sich zu verstellen. Sie müssen sich verstellen, weil sie fürchten, dass jemand genau erkennen könnte, wer sie tatsächlich sind. Sie manipulieren Menschen, zwingen anderen das machen, was die Frösche wünschen, ohne preiszugeben, dass sie diese Wünsche überhaupt haben.

Zweifel – das ist für Frösche ein wichtiges Wort. Sie bezweifeln alles – ihr Recht zu leben, zu lieben und beliebt zu sein, ihre Wichtigkeit und Wertigkeit, ihr Recht Wünsche, oder Dinge, oder Freunde zu haben u.s.w.

Die Frösche sind im nebligen für sie Gegenwart verloren. Sie können die engen Beziehungen mit anderen Menschen nicht herstellen und nicht ertragen. Sie versuchen alle Menschen, die mit ihnen kommunizieren, in die illusorischen, von ihnen selbst geschaffenen Gestalten, hineinzupressen. Sie sind von Erwartungen der Anderen abhängig. Die Frösche machen sich stets Sorgen darum, was andere von ihnen halten. Sie trauen ihrer eigenen Meinung nicht. Wenn Freundinnen sagen, dass das Kleid steht dem Frosch nicht, dann zieht sie das nie mehr an. Wenn Kollegen meinen, dass jemand ein schlechter Mensch ist, glaubt der Frosch gleich daran und niemals wird er versuchen, diese Behauptung zu prüfen. Beziehungen mit Menschen beginnen Frösche mit Misstrauen, Zweifel an Aufrichtigkeit und Offenheit. Sie suchen immer eigennützige Gründe für Verhalten der anderen.

Wie dem auch sei, die illusorische Welt der Frösche stimmt nur sehr selten mit realer Welt anderer Menschen überein. Die Frösche sind ständig enttäuscht von der Welt, von sich selbst, von anderen. Sie sagen:

Ich hab ja nie gedacht, dass er so ein schlechter Mensch ist!

Ich konnte mich nicht vorstellen, dass sie mein Vertrauen missbraucht! 

Wenn ich diese Entscheidung getroffen habe, dachte ich an

Konsequenzen überhaupt nicht!

Die Frösche suchen die Ursachen seines Misserfolges nie, stattdessen erfinden sie passende Erklärungen. Wie, z. B., die globale Ungerechtigkeit der Welt:

Solche Menschen wie ich, können in diesem Land nie Erfolg haben!

Die Ursache könnte auch angeborene Neigung zum Unglück sein:

In meinem Leben gibt es Platz nur für Unannehmlichkeiten! 

Oder man findet, dass die Ursache in Machenschaften der anderen stecken könnte:

Das sind sie, die in meinem Missgeschick schuldig sind!

Nun lassen wir mal die Frösche und erzählen über die Prinzen. Sie fühlen, dass sie besondere, einzigartige, einmalige Menschen sind. Solche Menschen gibt es in der Welt nicht mehr. Sie versuchen es nicht, ihre Einmaligkeit zu beweisen, genauso wie jemandem ähnlich zu sein. Sie nehmen sich selbst wie sie sind. Die Prinzessin kann krumme Beine haben, oder dünne Haare, kleine Brüste oder Zahnprothese – das alles hindert sie nicht, eine Prinzessin zu sein. Aber sie tut sich nicht groß damit.

Die Prinzen wissen, dass sie sind wie sie sind. Sie vergeuden keine Zeit, nehmend ihren Eltern übel, weil diese Eltern sie so schlecht produzierten, oder Herrn Gott, weil er das erlaubte. Sie haben kein Mitleid mit sich. Stattdessen denken sie danach, wie das benutzbar zu machen, was sie haben. Es gilt nicht nur für äußere Erscheinung, sondern auch für psychologische Merkmale.

Die Prinzen versuchen es nicht, sein Charakter zu ändern. Sie meinen, dass wenn sie, z. B., zu faul sind, könnte das für sie nützlich sein und bewahrt sie vor schnellen Entscheidungen. Oder wenn sie hartnäckig sind, könnte das für sie nützlich sein, eine sehr schwere Aufgabe zu erledigen. Sie schätzen ihre Persönlichkeitseigenschaften nie als „gute“ oder „schlechte“ ab. Sie benutzen alles, was sie haben, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Das Problem ist, wann man dieses oder jenes Persönlichkeitsmerkmal einschalten soll. Deshalb denken Prinzen daran, wie man etwas besser tun kann und machen sich keine Vorwürfe in der Nacht.

Die Prinzen sind nicht ideale Persönlichkeiten, die alles nur richtig mit ruhigem Gesichtsausdruck machen. Sie können auch, wie alle Normalsterblichen, Fehler machen, weinen, sich ärgern. Aber, im Unterschied zu Fröschen, geben sie sich selbst, als auch anderen, das Recht auf Fehler und auf Gefühle. Die Prinzen wissen, dass wenn sie jemanden zürnen, dann ist es O.K., genauso wie jemand ihnen zürnt. Ihnen ist es bewusst, dass sie einzigartig sind und sie lassen anderen einzigartig sein. Sie denken nicht, dass sie besser oder schlechter als andere Menschen sind. Sie brauchen es nicht, einem Vorbild nacheifern. Sie können alles verlieren, außer Selbstbeachtung, Selbstvertrauen, dass sie alles überwinden.

Die Prinzen können frei in der Öffentlichkeit lachen und weinen, und sie können es dulden, wenn andere in ihrer Anwesenheit dasselbe tun. Sie wissen, dass wenn man weint, braucht man das aus irgendwelchen Gründen und versucht es nicht, weinenden gleich zu trösten.

XXXXXX XXXX XXX XXXX XX XXXXXXX XXX XXXXXXXXXXX XX XXX XX XXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXX XX XXXX XXX XXXX XX XXXXX XX XXX XXXXXX XXXXXX XXXXXXXXXXX XX.

Die Prinzen fürchten es nicht, über sich selbst nachzudenken. Damit geht es nicht um schlaflose Nächte, wenn man sich quellt mit Warum bin ich so unglücklich? oder Warum passiert das alles ausgerechnet mir? sondern sie reflektieren über ihre Möglichkeiten und Grenzen. Sie kennen ihre Grenze, ihre Kenntnisse, und sie tun es nicht so, als ob sie alles wissen. Es ist normal, nicht alles zu wissen.

Die Prinzen können bewundern oder lieben andere Menschen, aber sie lassen diese Menschen nicht ihr Leben bestimmen. Prinzen gehören niemandem. Sie laufen von seiner Vergangenheit nicht weg und sie versuchen es nicht, die Zukunft zu meiden. Sie erinnern sich gut daran, was früher war, wissen Bescheid, was momentan passiert und interessieren sich dafür, was noch kommt. Wenn ihnen etwas in ihrem früheren, jetzigen oder kommenden Leben nicht gefällt, dann modifizieren sie das. Die Prinzen planen gern sein Leben, sind aber keineswegs Sklaven seiner Pläne. Sie können die neu gestalten, wenn die Umgebung anders wird.

Die Prinzen versuchen immer das zu tun, was ihnen Freude macht. Wenn sie doch gezwungen sind das zu machen, was keinen Spaß bringt, dann finden sie die Wege heraus, um notwendige Veränderungen zu unternehmen. Falls alle ihre Bemühungen umsonst sind, dann machen sie nicht weiter, sondern suchen eine andere Tätigkeit. Dabei beherrschen sie Selbstdisziplin, um „jetzt und hier“ etwas nicht besonders attraktives zu tun, was später das Vergnügen bringt. Sie genießen ihre Leistungen und fühlen keine Schuld daran. Sie beneiden andere Menschen um nichts und leiden nicht an Selbstzufriedenheit.

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Heute will Alina ein kaukasisches Mittagessen zubereiten. Es soll Hammelfleisch mit getrockneten entsteinten Aprikosen sein. Man schneidet Hammelfleisch in kleinen Würfel und kocht es auf halber Flamme im Topf vor. Danach seiht man die Bouillon durch. Hammelfleisch soll man auf der Pfanne in Bratbutter noch braten, dann in Topf wieder legen, genauso wie gebratenen Zwiebel, Salz, gebratene Tomaten, Pfeffer und im Voraus gequollene getrocknete Aprikosen ohne Steine. Man gießt noch durchgeseihte Bouillon und kocht das Gericht fertig. Der Geschmack ist fabelhaft. Dazu passt „Schwarze Anna“ – ein Bier mit seiner Dunkelholzfarbe und sahnig malzigen Charakter, natürlich, leicht warm, um würzigen Geruch zu verstärken.


1.13.txt

Sischa Wjagin hebt das Metzgerbeil mit seiner rechten Hand und hackt Schweinekadaver mit voller Kraft. Sischa ist einer der besten Metzger am Staryj Basar in Rostow. Der Schweinekopf fällt herunter. Er nimmt den vom Boden und legt auf nebenstehenden Tisch. Jetzt wird er den Schlachttierkörper in zwei Hälften teilen. Er hebt das Metzgerbeil erneut und hakt den Kadaver weiter. Kleine Teilchen vom Fleisch und Bluttropfen fliegen überall, bespritzen alles herum. Seine Metzgerschürze, Brille und sogar Haare (Sischa trägt prinzipiell keine Metzgermütze, er sagt, dass er liebt es, im frischen weichen Fleisch zu wühlen) sind vom Fleisch und Blut übersät. Sischa hackt weiter. Er mag es, Schlachttierkörper zu zerstückeln. Die Arbeit macht ihm Spaß. Beim Zerlegen des Kadavers erinnert er manchmal an seine Ex-Frau, an seine Ex-Freunde, an seine Mutter... Sischa hackt noch ungestümer – jetzt erinnert er an seinen früheren Chef...

Sischa kann den ganzen Tag das Fleisch zerlegen. Er ist sehr kräftig. Seine muskulöse Figur zieht die Blicke der Frauen an sich. So war es aber nicht immer. Im seinen „früheren“ Leben, wie Sischa das so nennt, war er körperlich ganz schwach. In der Schule mied er Sportunterrichte auf jeden Preis. Er zog er vor, gute Bücher zu lesen, als seine Muskeln zu quälen.

XXXXXXXXXXX XX XXX XXXXXXXXXXX XX XXX XXXXXXXXXX XX XXX XX XXXXXXX XXXX XXXXXXXXXXXXXXXX XX XXX XXXXXX XX XXX XX XXXXXXXX XXX XXXXXXXXXXXXXXXX XX XXX XXXX XX XXX XX XXX XX XXXXXXXXXXXXXXXXX XX.

Sischa wuchs in einer „akademischen“ Familie, das heißt, sein Großvater war ein Professor zu medizinischem Institut von Rostow. Sein Großgroßvater war eine bedeutende Person in den Zeiten der Revolution und seitdem wohnte die Wjagins Familie im Zentrum der Stadt in einer riesigen Wohnung, was man nur privilegierten Parteigenossen erlaubte. Für das Privileg in dieser Wohnung zu leben bezahlte Sischas Großvater aber sehr teuer. Sischa ist diese Geschichte bekannt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Genosse Stalin zur Idee, seine Nationalpolitik etwas zu modernisieren, im Besonderen traf das die Judenfrage. Genosse Stalin hatte schon seit langem den Verdacht, dass es zu viele Juden in Russland gab. In den dreißiger Jahren der zwanzigsten Jahrhundert kümmerte er um die richtige Proportion zwischen Juden und andere Nationalitäten in der Partei. Nach dem Krieg musste man diese Proportion für die gesamte Bevölkerung geltend machen.

Die Methode, die diese Entscheidung realisieren sollte, war schon seit langem entwickelt, das waren nämlich die KZs. Aber gleichzeitig Millionen Juden dorthin zu schicken war viel zu teuer, weil sogar in der UdSSR man zuerst verurteilt werden musste, um in einem KZ zu landen, und diese Verurteilungen kosteten Geld und Zeit. Ja doch, „das Genie aller Zeiten und Völker“ fand die Lösung – man sollte ein besonderes, extra für Juden, KZ kreieren und sie alle dorthin ohne Verurteilungen schicken. Und man nennt dieses KZ – Autonome Republik der Juden. Genosse Stalin lächelte in Schnurrbart – diese Amateure in Deutschland dachten daran, Juden nach Madagaskar zu bannen. Idioten! Nach Sibirien! Und sie werden dort Taiga abholzen, wie es sich KZ-Häftlingen gehört!

So begann am Ende der Vierziger die größte vom Staat inspirierende antisemitische Aktion in der UdSSR. Zuerst beklagte man jüdische Ärzte, dass sie die ganze sowjetische Bevölkerung vergiften wollten (nicht umsonst lernte Koba im Priesterseminar europäische Geschichte, besonders gut erinnerte er an Pest-Pogrome). Die „mutige“ Krankenschwester, die als Erste die Ärzte anzeigte, erhielt sogar einen Orden. Ihr Name ist bis heute nicht vergessen – der klingt als ein Song in Ohren – Lidia Timaschuk.

Als Folge verzichtete sowjetische Bevölkerung freiwillig an Behandlung bei jüdischen Ärzten, diesen „Mörderärzten“. Sowjetische Propaganda arbeitete unermüdlich, um antisemitische Stimmung zu stärken. Es gab keine Hindernisse mehr, um alle Juden, Männer wie Frauen, umzusiedeln. Man stellte die Listen aller lebenden in der UdSSR Juden auf, man bereitete schon Züge fürs Transportieren, wollte der Judenfrage endlich Garaus machen... Im Keim zu ersticken... Diese Frage würde nie in Russland weder Hand noch Fuß haben. Dazwischen kam was: plötzlich starb Genosse Stalin und die Realisierung seines Plans fand nie statt, aber Judenhass blieb. XXX XX XXX XX XXX XXXXXXXXXXXXXXX XXX XX XXXXXXXX XXX XXXXXXXXXX XX XXX XX XXXXX XX.

Kurz und gut war damals ein NKWD-Offizier, der daran dachte, wie man seine Wohnungsverhältnisse verbessern könnte. Mal entdeckte er die Wjagins Wohnung und war von der bezaubert. Jetzt lag es nur daran, die Bewohner dieser Wohnung zu beseitigen. Zum Glück des NKWD-Offiziers begann „der Fall der Mörderärzte“ sich zu entwickeln. Jetzt brauchte er nichts mehr als die Nationalität des Sischas Großvaters und seinen Beruf (Arzt) zu erwähnen, um ihn als „Feind des Volkes“ zu beklagen. Der Großvater wurde zu den fünfundzwanzig Jahren des KZs verurteilt. Seine Familie wurde aus ihrer Wohnung exmittiert. Die Nachbarn stahlen ihr Möbel. Der NKWD-Offizier mit Kind und Kegel umsiedelte in die wunderschöne Wohnung.

Sischas Großvater fühlte sich im KZ nicht besonders gut. Er erlebte sogar schnöden Undank. Außer sibirischem schönem Wetter hatte er, als „sozial fern Stehender“ (eine andere Bezeichnung für „Feind des Volkes“) mit Kriminellen – „sozial Nahestehenden“, zu tun. Diese „sozial Nahestehenden“ terrorisierten „Feinde des Volkes“ mit dem Segen der KZ-Obrigkeiten. Der Großvater war schon bereit, vom Leben Abschied zu nehmen, als Genosse Stalin das Zeitliche segnete. Dann, nach einiger Zeit, wurde er befreit und sogar rehabilitiert. Er kam zurück nach Rostow und konnte wieder in seiner ehemaligen Wohnung wohnen. Die stand sowieso leer, weil der NKWD-Offizier arbeitete jetzt in Moskau und zum KGB-Offizier wurde. Apropos, die Wjagins Nachbarn, die alle auch Professoren waren, gaben ihnen die früher ausgeliehenen Möbelstücke nie zurück. Ja, Kuchen!

Sischa lernte in der Schule mit beneidenswerter Leichtigkeit und bereitete keine Schwierigkeiten seinen Eltern. Bis er fünfzehn Jahre alt war. In diesem Alter entdeckte Sischa und seine Freunde den Wein. Diese Entdeckung gefiel ihm sehr, vielleicht zu sehr. Aber Sischa war jung und konnte im betrunkenen Zustand auch gut lernen. Mit siebzehn Jahren studierte er schon Philologie an der Rostower Uni. XXX XXXXX XXX XXX.

Die ersten zwei Jahre des Studentenlebens waren schön, rochen aber nach Wein. Am Ende des zweiten Jahres wurde Sischa zu Quartalssäufer. Er besuchte Uni nicht mehr, lernte echte Alkoholiker kennen und trank mit ihnen „Solnzedar“ im Hof des Kindergartens, wie es üblich in Russland war, in der Laube. Nach einiger Zeit kam er nicht mehr nach Hause und übernachtete im Freien.

Sischas Opa duldete solche Freiheit nicht lange und brachte ihn in geschlossene psychiatrische Anstalt – anonym, natürlich. Gleichzeitig besorge er ihm einen Urlaub wegen Krankheit. Die geschlossene psychiatrische Anstalt gefiel Sischa nicht und sein drittes Jahr an der Uni begann er ganz nüchtern. Doch sein Schicksal stellte ihn immer auf die Probe. Diesmal kam zu ihm das Schicksal in Gestalt eines Mädchens.

Dieses Mädchen namens Ksücha – einige Jahre älter als er, war blond (im besten Sinne des Wortes), mit großen grauen Augen und hervorstehenden Schneidezähnen. Sie war sehr belesen, verfügte wie Sischa über eine gute Eloquenz, hatte einen Großvater mit derselben Geschichte wie von Sischa, und suchte nach einem Mann. Außer des letzten Punkts passte sie zu Sischa ausgezeichnet. Obendrein – beide hatten Telefone, das kam in der Sowjetunion echt selten vor. Einige sowjetische Bürger sollten bis zu zwanzig Jahren Schlange stehen, um eine Festnetznummer zu bekommen. Die beiden Telefonbesitzer nutzten ihr Glück und telefonierten sehr oft miteinander.

Sischa und Ksücha lernten sich an einer Geburtstagsfeier von gemeinsamem Freund kennen und die Blitzliebe begann. Hin oder her war Sischa ganz von den Socken. Ksücha wohnte am Rand der Stadt im Sapadnyj Gebiet und verliebter Sischa, der sie immer bis zu ihrem Haus begleitete (was in Russland selbstverständlich zum Umwerben gehört), sollte jedes Mal mit dem Taxi nach Hause fahren, weil keine anderen Verkehrsmöglichkeiten in der Nacht existierten. Das machte ihn schnell knapp bei der Kasse. Dazu galt Sapadnyj Gebiet als hoch gefährlich wegen herumlaufenden Kriminellen verschiedenen Arten, so fühlte Sischa eine heftige Angst, wenn er ein Taxi suchte.

Ksücha war schon seit einer Woche im Besitz ihres Diploms, als sie Sischa begegnete. Sie war zweiundzwanzig und ein halb Jahre alt und war schon alte Jungfer für russische Verhältnisse. Was Jungfer betrifft, so konnte sie über nichts klagen. Ksücha war sehr emanzipiert und wusste genau, dass sie einen Mann brauchte ehe als Prestigeobjekt, weil alle ihre Bekannten schon einen hatten und einige sogar erlaubte sich ein zweites Exemplar wegen Defektes des Erstes. Ihr Vater besorgte für sie eine Stelle am Lehrstuhl für Philosophie der Uni und sie wollte dort als ganz erwachsene Frau erscheinen – das heißt, verheiratete. Was Sischa betraf, so ihre Pläne bestanden darin, ihn kirre zu machen.

Ksücha kannte die prekäre Sischas Geldsituation. Dazu blieb es so wenig Zeit bis zum Beginn des Semesters an der Uni und sie war noch nicht vermählt! Also entschied sie mit Sischa reinen Tisch machen. Sie erzählte ihm, dass es viel praktischer wäre, wenn er nicht nach Hause mit dem Taxi fahren sollte, sondern bei ihr bleiben konnte. Noch zusätzlich erwähnte sie, dass sie im nächsten Semester an seiner Fakultät als Dozentin für Ethik eintreten sollte. Sischa verstand die Argumentation sehr gut. Eigentlich hatte er nichts gegen Ehe. Ksücha war nicht sein erstes Mädchen, sondern das dritte. Warum denn nicht? Er war einverstanden. Ksücha war fast genau seine Kragenweite.

Hochzeit fand in einem Café des Sapadnyj Gebiets statt. Man lud etwa hundert Gäste ein. Außer Verwandten, bekannten und unbekannten den Neuvermählten, waren Sischas Freunde und Ksüchas Freunde und Bekannten anwesend. Von der Letzten war es besonders viel, weil junge Frau Gemahlin ihnen allen ihren Erfolg zeigen wollte. Das junge Paar tanzte ihr ersten Walzer. Die Braut trug ein rosa Kleid, der Bräutigam – einen braun und gelb karierten Anzug. Sie bewegten sich schwer und sehr langsam, weil, erstens – Sischa konnte überhaupt nicht tanzen und trat immer wieder auf den Fuß der Braut, zweitens – die Braut trug zu kleine Schuhe. So erfuhr Sischa, dass seine Auserwählte einen seltsamen Komplex hatte, der die Größe ihrer Füße betraf. Sie war fester Überzeugung, dass es sich einer anständigen Dame gehörte, kleine Füße zu haben. Deswegen kaufte sie sich immer Schuhe, die drei Größen kleiner waren, als sie brauchte. Ksücha litt übermäßig, wenn sie in diesen Schuhen humpelte, aber Schönheit nimmt doch seinen Tribut, oder?

Also, die Neuvermählten tanzten ihren Heiratswalzer. Mit Trennen in Augen – Ksücha wegen Schmerzen in Füßen, Sischa – wegen verlorener Freiheit und heldenhafter Versuchen sich wach halten, weil er wahnsinnig schlafen wollte – es gelang ihm, schon etwas intus zu besorgen. Der Anblick an leidendes tanzendes Paar war so trüb, dass einige Gäste begannen auch zu weinen. Die achtzigjährige Ksüchas Großgroßmutter nahm ihre Arznei gegen Herzschmerzen ein. Nach dem Tanz applaudierten nur zwei Menschen – die beiden Mütter der Neuvermählten. Sie waren sehr froh, dass es Sischa und Ksücha gelang, den Tanz zum Ende zu bringen. Andere Gäste, tief beeindruckt, tranken einige Gläser ein nach einender ohne Pause, um wieder in Stimmung zu kommen.

Die Hochzeitfeier war ein großer Erfolg. Gäste tranken mit überschwänglichem Lob sehr geschätzte in der UdSSR georgische Weine – das war das Verdienst der Sischas Mutter, die in der Handel arbeitete und nutzte alle ihre Beziehungen, um diese Weine zu bekommen. Man aß Kiew-Koteletten und Apfelsinen. So war alles auf höchstem Niveau. Sischa gelang es, nur einmal mit dem Gesicht in den Salat hinzufallen – ein Jahr in geschlossener psychiatrischer Anstalt war doch nicht umsonst! Die Braut konnte Fußschmerzen nicht mehr ertragen und begann sich mit wunderschönem Wein „Kindzmarauli“ schnell zu betäuben und das auch mit großem Erfolg. Wie dem auch sei, bald brachten die Verwandten beider betrunkenen Neuvermählten nach Hause und ließen sie dort ausschlafen. Die Hochzeitsnacht sollte wohl an einem anderen Tag stattfinden.

In Abwesenheit des frisch vermählten Brautpaares wurde die Feierlichkeit etwas lebendiger. Die beiden Schwiegermütter erzählten gegenseitig, was für einen Schatz ihr Kind sei und was für ein Glück das Kind der anderen habe, so ein schönes und kluges Geschöpf in eigenen Besitz zu bekommen. Dabei gratulierten sie gegenseitig und tranken tüchtig „Twischi“. Nach einigen Flaschen kamen sie zur Frage, wer von beiden Kindern den größten Profit bekam und hier stimmten ihre Meinungen nicht überein. Und zwar – überhaupt nicht. Überhaupt nicht. Weil Herr Gott Ksüchas Mutter etwas mehr Eloquenz segnete, verzichtete Sischas Mutter auf „Twischi“, schenkte sich „Chwantschkara“ (ein roter Wein) und goss den langsam auf das Kleid Ksüchas Mutter. Der Wein machte einen schönen Fleck, der mit der Form an Halbinsel Krim erinnerte. Ksüchas Mutter bevorzugte in Urlaub ehe nach Kaukasus zu fahren, als nach Krim, so antwortete sie alsbald mit Eiersalat, der mit der Form an Elbrus, der höchsten Berg des Großen Kaukasus, erinnerte.

Während die Schwiegermütter sich so friedlich unterhielten, tanzten die jüngeren Gäste bis zur Extase und versuchten sich in diesem Zustand mithilfe des Weins zu halten und zwar so erfolgreich, dass sie einige Stühle und ein Fenster zerbrachen. So konnte man die Hochzeit als gelungene betrachten. Ein besonderer Bonus für das frisch vermählte Brautpaar war, dass die beiden Schwiegermütter gewisser Umstände halber nie mehr miteinander sprachen.

Drei weitere Jahre vergangen für die Ehe fast gut. Sischa lernte ausgezeichnet und Ksücha versuchte einen Platz in Aspirantur zu bekommen, um Doktorarbeit zu schreiben. Mit der Zeit schöpfte Sischa den Verdacht, dass seine Frau, ungeachtet davon, dass sie sehr belesen war, nicht genauso klug war. Sie hielt sich aber als enorm schlaues Mädchen. Um das zu beweisen, versuchte sie immer wieder andere Menschen zu verspotten, sie zu erniedrigen. Aber genau hier, wie es Sischa feststellte, zeigte sich der Mangel an Klugheit – Ksücha fehlte die Eleganz der echten Intrigantin. Sie beleidigte bloß die Leute und verlor dabei fast alle ihre Freunde und Bekannten. Wann der Vorrat von denen ausgeschöpft war, begann sie Sischas Freunde und Bekannten zu eliminieren. So blieb ihnen nur ein bekanntes Paar übrig, mit dem sie eine schwache Beziehung hatten – Goscha Mogilez und seine Frau.

Die beiden Paare begegneten sich oft und gleich begann Ksücha ihre Versuche, Goscha Mogilez zu beleidigen, das alles aber umsonst war, weil Mogilez sehr dickfellig war. Alle Ksüchas Attacken machte er zunichte mit nur einem Satz: Ach, Ksücha, wollen wir lieber in den Busch gehen und dort uns der Unzucht hingeben?  Seit Jahren suchte Ksücha nach passender Antwort und konnte sie nicht finden. Mogilez fiel immer Zigarettenstummel aus der Hand auf sehr geschätzten von Ksücha Bodenteppich hin. Er mochte es auch, auf diesen Teppich roten Wein zu gießen. Aber Mogilez hatte noch einen Trumpf, um Ksücha zu erniedrigen. Jedes Mal war er damit beschäftigt, Sischa betrunken zu machen. Ksücha wurde gezwungen nicht nur Mogilez, sondern auch ihren eigenen Mann angreifen. Nach einigen Jahren gewöhnte sie daran und griff Sischa automatisch immer an, als sie irgendwelche Getränke mit Alkoholinhalt am Tisch sah. Sischa fühlte sich zuerst gekränkt, doch sehr schnell bekam er einen bedingten Reflex – alles, was Ksücha sagte, glücklicherweise zu überhören.

Sischa studierte so leicht, dass er manchmal dachte, ob er wissenschaftliche Karriere wählen sollte. Sischa fand einen seinen Kommilitonen, der schon einige wissenschaftliche Artikel veröffentlichte, lud ihn ein, um Bier zu trinken und überzeugte ihn an wissenschaftlicher Studentenkonferenz teilzunehmen. Alsbald in Sischas Küche schrieben sie den Vortrag. Eigentlich schrieb der Kommilitone, während Sischa mit Bier beschäftigt war. Ganz unerwartet war ihr Vortrag als bester bezeichnet. Sischa war begeistert und sah eigene wissenschaftliche Bahn ganz klar. Seine Frau war schon in Aspirantur und schrieb ihre Doktorarbeit.

Es war Sischas letztes Jahr an der Uni und er sollte wissenschaftliches Praktikum an der Akademie der Wissenschaft in Moskau bekommen, was aber nicht der Fall war, weil Leiter des Lehrstuhls für Semiotik einfach vergaß, seine Papiere dorthin zu schicken. Stattdessen wurde Sischa in Kolchos geschickt, um sowjetische Landwirtschaft zu unterstützen. Streng genommen war das keinen Kolchos, sondern eine Konservenfabrik in Staniza (ein übergroßes Dorf) Bagaewskaja. Studenten wohnten außer der Staniza in Zelten. Hauptziel der Organisatoren dieses Lagers war – Studenten so fern wie möglich weg von Stirituosenladen zu halten. Das lag aber an der Hand, dass solch ein Ziel niemand zu realisieren vermag.


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