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Lügendetektor
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Текст книги "Lügendetektor"


Автор книги: A. I. Nebelkrähe



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Valera flog mit Lufthansa von Rostow nach Frankfurt. Diesmal kamen ihm Strophen seines beliebtesten Dichters ganz recht:

Leb doch , ungewasch ' nes Russland, wohl,

Ein Land der Sklaven, ein Land der Herren,

Leben doch Sie, Gendarmen, wohl, 

Und Du, ihnen ergebenes Volk. 

Im Flughafen aß er mit großem Vergnügen Gegrillte Haxe mit Sauerkraut und trank Carolus Doppelbock. Jetzt sah es so aus, als ob das Leben ihm seine schöne Seite zeigte. Sehr begeistert vom Essen ging Valera zur Eisenbahnkasse und kaufte eine Fahrkarte nach Erfurt. Auf Deutsch! Und man verstand ihn! Nach solchem Erfolg machte ihm nichts aus, dass er die ganze Nacht im Flughafen auf seiner Zug warten musste, weil in Deutschland keine Züge nachts fahren. Am Morgen war er schon in Erfurt.

Valera fragte nach dem Weg, ging über die Brücke am anderen Ufer der Gera und näherte sich dem Wohnheim. Unterwegs sah er so viele verwahrloste Ruinen, dass er begann zu zweifeln, ob es Deutschland gut ginge. In Rostow gab es keine Ruinen, nur Neubauten, die er hier nirgendwo sah. Endlich kam er zum Wohnheim, fand den Leiter des Wohnheimes und übergab ihm seine Papiere. Der Mann zauberte etwas im Computer, machte ein paar Telefonate und teilte Valera mit, dass er umsonst in Erfurt ausstieg, weil man auf ihn in Jena wartete. Das war ein Schock für Valera. Er bereitete sich für Erfurt vor, las viel über die Stadt. Über Jena wusste er nur, dass man dort Ferngläser herstellte.

Valeras Kräfte wurden schon wegen seiner Reise so aufgerieben, dass er sich solch einen Luxus erlaubte, mit dem Taxi nach Jena zu fahren. In Erfurt lag überall Schnee, in Jena blühten Rosen. Der Taxifahrer fand mit der Mühe das Wohnheim am Rande der Stadt. Das war ein ehemaliger Kindergarten, der jemand mit seltsamer Fantasie in Wohnheim umbaute. Im Hof begegnete er einem fröhlichen Mann aus Sudan, der ihm in ungeheurem Englisch mitteilte, dass er der Sozialarbeiter war und dass der Wohnheimleiter im Büro sich befand. Valera atmete tief die Luft ein, die er sehr rein im Vergleich zu der in Rostow fand, und suchte nach Wohnheimleiter.

 Valera fand den Wohnheimleiter, stellte sich vor und erzählte, dass man ihm hierher aus Erfurt schickte. Alles auf Deutsch, seine Rede bereitete er im Taxi vor. Doch gutes Deutsch beeindruckte den Wohnheimleiter überhaupt nicht, eher irritierte ihn. Er antwortete im hervorragenden Russisch. Valera merkte es später, dass der Wohnheimleiter mochte es nicht, wenn man ihn auf Deutsch ansprach, als ob wollte er nicht, dass man Deutsch lernte.

Valera wurde zu seiner Bleibe hingebracht. Es war ein kleines – ungefähr 6 m² – langes Zimmer, in dem ein Bett, ein Tischchen, ein Stuhl und ein kleiner alter Kühlschrank (auf einem Schrotthaufen gefunden, zugab der Wohnheimleiter) standen. Mit dem Geschick konnte Valera bald durch das Zimmer laufen – es gab 15 cm Durchgang zwischen dem Bett und der Wand. Valera war so erschöpft, dass er gleich dieses Bett benutzte und schlief ungefähr zwei Stunden, als er von einem herzzerreißenden Schrei aufgeweckt wurde. Ein Kind schrie ums Leben. Valera lief halsbrecherisch, um das Leben des Kindes zu retten, und begegnete einem kleinen Mädchen, das in der Mitte der Küche stand und schrie. Aus dem Konzept gebracht fragte Valera, warum und wieso es schrie. Das Mädchen antwortete, dass es ihm gerade danach ist. Weitere Fragen konnte Valera nicht stellen, weil aus dem Zimmer der Nachbarn kam eine kleine kugelförmige Frau, die, die Arme in die Hüfte stemmend, ihn mit strenger kaukasischer Aussprache fragte, was er von ihrer armen Tochter wollte. Valera fragte die Mutter, warum ihre Tochter schrie. Die Frau antwortete, dass sie, als aserbaidschanische Flüchtlinge, die so viele Grausamkeiten von Armenier erlebten, Recht haben, vom Schreck von Zeit zu Zeit zu schreien. Interessanterweise erzählte sie Valera am nächsten Tag, dass sie, als armenische Flüchtlinge, die so viele Grausamkeiten von Aserbaidschaner erlebten, haben Recht, vom Schreck von Zeit zu Zeit zu schreien. Valera verstand es nie, wer sie eigentlich waren – die Familie wechselte ihre Nationalität wie das Hemd. So lernte Valera diese seltsamen Menschen kennen.

Die Familie bestand aus vier Mitgliedern – einem korpulenten Mann, die obenerwähnte kugelförmige Frau und zwei wohlbeleibten Töchter, die hiesige Schule besuchten. Die Hauptbeschäftigung der Familie war essen – sie machten das fast ununterbrochen. Die Frau schuftete in der Küche wie eine Sklavin. Wenn sie nicht aßen, dann schliefen sie. Die kleinen Pausen, während deren sie nicht gründlich aßen und nicht tief schliefen, widmeten sie den Sonnenblumenkernen, die sie tonnenweise aßen und spuckten die Schalen auf den Boden hinaus. XXXX XXXXX XXXX XXX XXXX XXXX XX.

Am dritten Tag Valeras neues Leben in Deutschland kam die kugelförmige Frau zu ihm und sagte, dass sie im viertem Monat schwanger war und dass das Zimmer, in dem Valera momentan wohnt, für ihre Familie vorgesehenen war und dass Valera sollte sich keine Illusionen bauten, sie würden ihn aus dieses Zimmer vertreiben. Valera antwortete, dass er dieses Zimmer nicht wählte und dass es eher das Bier des Wohnheimleiters war, Zimmer zu verteilen. Die kugelförmige Frau lächelte unheimlich und erwiderte, dass es ihm bald leidtun würde, dass er in diesem Zimmer wohnt.

Inzwischen wurde Valera zum Deutschkurs angemeldet. Es war nicht von Bedeutung, dass er schon Deutsch gut konnte und die andere mit dem Alphabet noch nicht Bekanntschaft machten – deutsche Vorkenntnisse wurden nicht vorgesehenen. Valera langweilte sich ungeheuerlich, schrieb Limericks auf Deutsch, aber die Langeweile war nicht sein größtes Problem, sondern ein chronischer Schlafmangel. Dieser Schlafmangel wurde von kaukasischer Familie ohne Nationalität verursacht.

Diese Menschen standen sehr früh auf, ungefähr um fünf Uhr morgens, um ersten Frühstück vorzubereiten und zu essen. Dann gingen Kinder in die Schule und die Eltern schliefen wieder ein. Um elf Uhr standen sie wieder auf, aßen, was vom Frühstück übrig blieb und bereitete Mittagessen vor. Die Kinder kamen zurück, sie aßen Mittagessen zusammen und schliefen erneut ein. Um neunzehn Uhr standen sie wieder auf, um Abendessen vorzubereiten. Sie aßen und klatschen danach etwas mit Nachbarn, um zwölf Uhr nahmen sie noch ein Häppchen zu sich, um die Nacht überzustehen, und schliefen wieder ein. Das war für Valera kein Problem, weil er auch am Tage sich ausschlafen konnte – bis der Deutschkurs begann.

Schon am ersten Tag fand Valera, dass man alle Wände im Wohnheim aus Pappe machte, wahrscheinlich, um Kosten zu reduzieren. Als Resultat konnte man das leiseste Rascheln in ganzem Block wahrnehmen, inklusive Geräusche aus Klo. Was die Toilette betraf, so sah Valera die von solcher Art nur in seiner Kindheit im Pionierlager, nämlich mit verkürzten Türen, um einem sehen zu erleichtern, wer da drin saß. Aber sogar im Pionierlager mischte man Frauen– und Männertoiletten miteinander nicht. Im Wohnheim dagegen, ungeachtet davon, dass man großzügig vier von denen baute, konnte man die Geschlechtszugehörigkeit der Toiletten nicht erkennen, was eigentlich für Menschen aus ehemaliger UdSSR nicht so gewöhnlich war. Vielleicht war es als erste Freiheitsübung für sie gedacht...

Wie dem auch sei, Valera wurde mit seinen Nachbarn aufzustehen gezwungen, weil sie miteinander wie die Schäfer sprachen, die auf verschiedenen Berggipfel standen. Dazu hatten sie Gewohnheit, immer wieder die Türen sehr laut zuzuwerfen. Valera versuchte sich von diesen Geräuschen abzuschirmen, indem er ein Radio kaufte und das laufen ließ. Aber die Nachbarn klagten beim Wohnheimleiter, dass das Radio störte sie. Der Wohnheimleiter erklärte Valera, dass er laut Gesetz nur so laut Radio hören darf, damit seine Nachbarn keinen Mucks von dem Radio hören könnten. Valera konterte, dass Nachbarn oft in der Nacht stritten, und zwar sehr laut. Ihm wurde geantwortet, dass ein Ehepaar laut Gesetz in der Nacht bis zu dreißig Minuten laut streiten darf. Valera sagte, dass sie immer wieder die Türen sehr laut zuwarfen. Der Wohnheimleiter antwortete, dass Valera zu kleinkariert war und vielleicht nicht richtig schlaffen wollte.

Da verstand Valera endlich, was die kugelförmige Frau (die er für sich in Weibchen und ihren Mann in Männchen umbenannt) meinte. Er konnte täglich nicht mehr als vier Stunden schlafen. Sehr bald sah er als ein Zombie aus.

Als Deutschkurs begann, irritierte er die Lehrerin mit seiner grammatischen Fragen, die weit über das geplante Programm lagen, aber besonders ärgerte sie die Frage, ob man die Leute mit verschiedenen Muttersprachen mit nur einem Lehrbuch lehren konnte, als auch die Frage, wie konnte man entscheiden, dass das schwierigste Problem für die zwei größten Teilen der Migranten in Deutschland – Türken und Russen – Genitiv wäre, wenn beide diese Sprachen sehr gut entwickelten Genitiv haben? Das wäre ein Problem für Chinesen oder Vietnamesen, die in ihren Sprachen gar keine Deklination haben.

Diese Zeiten, zum Glück der Lehrerin, waren schon längst vorbei. Jetzt saß Valera stumm im Halbtraum und konzentrierte seine gesamten Kräfte, um nicht einzuschlafen. Er fühlte, dass er an der Grenze der Psychose stand. Ihm konnte nur Wunder helfen. Valera besuchte regelmäßig den Wohnheimleiter mit einer einzigen Bitte, ihm ein anderes Zimmer zur Verfügung zu stellen, weil er wusste, dass es leere Zimmer gab. Der Wohnheimleiter antwortete immer wieder, dass es keine Möglichkeit gäbe, anderes Zimmer zur Verfügung zu stellen. Es schien, dass es ihm gefiel, Valeras ständig verschlechterten Gesundheitszustand zu beobachten. Also kam das Wunder nicht von dieser Seite, aber von Seite des Weibchens, das zwei Zwillingstöchter gebar. Der Wohnheimleiter wurde gezwungen, etwas zu unternehmen. Valera bekam ein neues, noch kleineres Zimmer, aber weit, weit weg vor Männchen und Weibchen und war grenzenlos glücklich. Die Letztere okkupierte Valeras frühere Bleibe, waren aber damit nicht glücklich und begannen gleich einen neuen Krieg gegen anderen Nachbarn, um ein anderes Zimmer, aber Valera interessierte sich nicht mehr dafür.

Nach dem Deutschkurs versuchte Valera sein Glück mit der Otto Benecke Stiftung. Er wusste, dass diese Stiftung ausländische Akademiker unterstützte. Doch die Stiftung teilte ihm mit, dass er zu alt für sie war. Das wunderte Valera. Er war erst fünfzig und musste noch mindestens fünfzehn Jahre arbeiten. Eine seine Bekannte, die neunundvierzig war, bekam eine Einladung von Otto Benecke. Spielte ein Jahr so 'ne große Rolle? XXX XX XXXXX XXXXX XXXXXXXXXX XXXXX XXXXXX XXXX XXXXX XXX XX.

Neben Valera wohnte ein Ehepaar aus Usbekistan, Jusuf und Larissa, die brachte einen kleinen Hund der Rasse Toy Terrier mit, namens Tjawa. Es war eigentlich streng verboten, Tiere im Wohnheim zu haben, ungeachtet davon, dass Jusuf und Larissa alle notwendige Papiere hatten und dem Hund wurde ein Chip implantiert. Das Ehepaar versuchte Tjawa zu verstecken, aber alle wussten Bescheid. Tjawa war ein sehr freundlicher Hund, der kläffte selten und hatte nur einen Makel – er war niemals satt. Einmal ließen die Besitzer vier Päckchen des Hackfleisches auftauen, gingen zum Deutschkurs und sperrten Tjawa mit dem Fleisch zusammen im Zimmer ein. Als sie zurückkamen, fanden sie winselnder Tjawa, der auf dem Fleisch lag. Der fleißige Hund aß das Fleisch die ganze Zeit der Abwesenheit von Besitzer, konnte aber alles nicht auffressen und das versetzte ihn in den Zustand des Weltschmerzes. Tjawa würde gern heulen, aber überfüllter Bauch hinderte den Hund genug Luft aufzuatmen.

Von Zeit zu Zeit besuchten das Wohnheim Vertreter der verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen. Jusuf und Larissa versteckten erfolgreich Tjawa jedes Mal von ihnen. Aber einmal passierte solch ein Besuch während jemand in der Küche Wiener Würstchen aß. Bei diesem Geruch konnte nichts und niemand Tjawa im Versteck halten. Der Hund befreite sich, rannte in die Küche und hatte seinen Anspruch auf ihm zustehenden Anteil der Würstchen geltend gemacht. Die Damen von Wohltätigkeitsorganisation waren echt schockiert. Fast hysterisch hielten sie eine Rede vor Jusuf, Larissa und noch einigen ihren Nachbarn. Leider konnte ihre Rede niemand verstehen. Dann holten die zornigen Damen den Wohnheimleiter und zwangen ihn zu übersetzen, dass in solcher unmenschlichen Umgebung keinen Hund existieren könnte. Der muss geschwind ins Tierheim, wo man ihm den notwendigen Lebensstandard ermöglichen würde. Die Damen waren sehr empört, als ihre Zuhörer vom Lachen kaum auf den Beinen stehen konnten. Danach begannen die Damen zusammen mit dem Wohnheimleiter Tjawa zu fangen. Die Aufgabe war nicht gerade leicht, weil Tjawa klein und flink war, was man über die Damen nicht sagen könnte. Der Hund rannte hin und her und beschimpfte seine Verfolger so laut, wie er nur konnte. Letzten Endes wurde Tjawa gefangen, was aber gefiel Jusuf nicht so sehr. Er kam zu Dame, die Tjawa in der Hand hielt, und begann die hinteren Pfoten den Hund zu sich zu ziehen. Die Dame drückte den Hund an die Brust. Jusuf zog kräftiger, genau so machte die Dame. Tjawa schrie von Schmerzen, aber, gepresst an der Brust, konnte der Hund nur seltsames Glucksen vor sich geben. Jusuf zog noch kräftiger. Das war für Tjawa zu viel. Er drehte sich wie eine Schlange und biss die Dame in den Daumen. Die Dame schrie und ließ den Hund fallen. Jusuf schrie, ließ den Hund fallen und brach zusammen. Tjawa fiel auf den Boden hin und schrie vor Wut und Schmerzen wie ein Ferkel.

In einer Stunde fuhren vom Wohnheim drei Autos hin. In einem lag Jusuf mit der Diagnose Myokardinfarkt. In anderem lag die Dame von Wohltätigkeitsorganisation mit dem blutenden Daumen. Das dritte Auto transportierte Tjawa ins Tierheim.

In einem Jahr bekam Valera die Erlaubnis eigene Wohnung zu mieten. Danach besorgte er sich einen Computer vom Schrott und begann ganz gemütlich nach Arbeit im Internet zu suchen. Es gab nicht so viele passende Arbeitsplätze, aber ihm gelang es, fünf oder sechs Bewerbungen pro Monat abzuschicken. Er bekam die höflichen Antworten fast auf alle seine Briefe. Vielleicht lag es daran, dass er am meisten an den Unis schrieb. Man teilte ihm mit, dass die Sache zugunsten der anderen entschieden wurde. Private Unternehmen würdigten ihn mit der Antwort eher selten. Was Valera wunderte, war folgendes – niemand wollte ihn zu einem Vorstellungsgespräch einladen.

Nach zwei Jahren Bewerbungsschreiben wollte Valera endlich die Ursache untersuchen. Er rief die Uni an, von der Valera die jüngste höfliche Antwort bekam und praktisch zwang sich zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine Woche später saß er gegen einen gut aussehenden alten Mann, der sich als Lehrstuhlleiter vorstellte. Valera fragte gleich, warum er keine Arbeit an dieser Uni bekommen konnte. Der Lehrstuhlleiter wurde etwas von Valeras Geradheit betroffen, aber er überwältigte sich und antwortete mit genauso großer Offenheit. Er sagte, dass Valera mehr als überqualifiziert für diesen Job war– Valera bewarb sich um den Platz des wissenschaftlichen Mitarbeiters. Zweitens, er war zu alt. Der Lehrstuhlleiter sagte, dass er am liebsten junge Doktoranden als wissenschaftliche Mitarbeiter nahm. Drittens, sagte er, Valera wäre nicht nur für diesen Job überqualifiziert, sondern für den Lehrstuhlleiter selbst, und, so gesehen, dazu zu jung. Jetzt war Valera etwas verwirrt und sah den Lehrstuhlleiter fragend an. Der Letzte erklärte, dass er nicht gerade so jung war, aber er wollte noch eine gewisse Zeit als Lehrstuhlleiter arbeiten. Momentan hatte er keine Konkurrenz und war seiner Zukunft sicher. Wiederum könnte Valera für ihn eine Konkurrenz darstellen. Man sollte sich doch nicht selbst zusätzliche Probleme aussuchen! Valera fragte, ob es eine Rolle spielte, dass er ein Ausländer war. Der Professor zögerte etwas, dann sagte er, dass das bestimmt eine große Rolle spielte und dass die Liebe zu Russen schon seit langem verging.

XXXXXXXXXXX XXXXXXXXXX XXXXXXXXXX XXXXX XXXXX XXX XX XX XXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX XXXXX XXXXXX XXXXXX XXX XX XXXXX XXXXXX XXXXX. Valera schrieb seine Bewerbungen weiter, aber mit etwas weniger Hoffnung, weil er sich in die Zeit schickte und die Mißgunst der Verhältnisse wahrnahm. Nach drei Jahren wurde er zur zuständigen Fallmanagerin eingeladen, die seine Bewerbungen las und stellte fest, dass Valera Deutsch überhaupt nicht konnte. So wurde er zum zweiten Mal zum Deutschkurs geschickt. Er wollte seinerseits nicht unnötig Porzellan zerbrechen und ging zum Kurs, wo er wieder kein Herzblatt der Lehrerin war. Nach dem Kurs schrieb er seine Bewerbungen weiter.

Es verging noch zwei Jahren und er wurde zur zuständigen Fallmanagerin eingeladen, die seine Bewerbungen las und stellte fest, dass Valera gar keine Bewerbungen schreiben konnte und er wurde zum Bewerbungskurs geschickt. Nach dem Kurs schrieb er seine Bewerbungen weiter.

Zwei Jahre später wurde Valera zur zuständigen Fallmanagerin eingeladen, die seine Bewerbungen las und stellte fest, dass Valera Deutsch überhaupt nicht konnte. So wurde er zum dritten Mal zum Deutschkurs geschickt. Nach dem Kurs schrieb er seine Bewerbungen weiter. Zwischen diesen Kursen belegte Valera noch andere, kleinere Kurse – Computerkurs für Anfänger, Fundraisingskurs, Vorstellungsgesprächskurs. Valera begann in verschiedenen freiwilligen Organisationen zu arbeiten, aber nicht als Physiker.

Valera kam zu sich in einem hellen Zimmer. Man legte ihm einen Verband um den Kopf an. Er fühlt sein linkes Bein nicht. Er sieht, dass das Bein geschient wurde. Ein Mädchen in blauem Kittel kommt ins Zimmer. Es begrüßt Valera freundlich. Valera denkt, dass sie Krankenschwester sein soll. Er fragt sie, was passiert ist. Die Krankenschwester erklärt ihm, dass es einen Unfall war. Sie teilte ihn mit, dass bald ein Arzt kommt und alle seine Fragen beantwortet. Dann verabschiedet sie sich und er schläft ein.

Valera wacht wieder auf. Er fühlt, dass es noch jemand im Zimmer gibt. Er öffnet seine Augen. Ein Mann im weißen Kittel steht ihm gegenüber. Hinter ihm scheint die Sonne, so sieht Valera nur seine Kontur. Er nimmt an, dass der Mann der Arzt sein soll und fragt ihn nach seinen Verletzungen. Der Arzt antwortet, dass Valera sich vor nichts fürchten soll. Er kommt näher und jetzt sieht Valera ihn ganz deutlich. Der Arzt kommt ihm irgendwie bekannt vor. Er fragt den Arzt, ob sie sich schon mal irgendwo begegneten. Der Arzt sieht ihn fröhlich zu und sagt Bestimmt kennen wir uns, Genosse Pawlowskij. Jetzt erkennt Valera ihn. Das ist Löscha Inow. Wann hast du Arztausbildung gemacht? fragt er. Hab nie gemacht antwortet der Mann in weißem Kittel. Mach dir keine Sorgen, deinem Bein passiert nichts. Genauer gesagt, du wirst dich nicht mehr dafür interessieren. Als er spricht, kommt er nah zum Valeras Bett und nimmt ihm das Kissen weg. Du solltest nicht auf einem Kissen liegen, sagte er. Deine Kopfwunden ertragen das nicht. Valera merkt nun, dass aus unbekannten Gründen sie beide Deutsch sprechen.

Valera versteht nicht, warum dieser Löscha sein Kissen nimmt, aber ganz intuitiv gefällt ihm das nicht. Plötzlich legt Löscha das Kissen auf sein Gesicht. Valera schnappt nach Luft und bekommt keines. Er versucht mit der Schiene sich zu wehren, das gelingt ihm aber nicht. Er beginnt sein Bewusstsein zu verlieren. Er hört noch, wie Löscha etwas brummt. Auf einmal wird es dunkel im Zimmer. Das Licht erlöscht sich. Valera denkt, dass heute doch keine Sonnenfinsternis sein soll. Er versucht aufzustehen, hat aber keine Kräfte. Er bewegt krampfhaft alle seine Extremitäten. Alles umsonst. Er fühlt nichts mehr.

Valera ist tot, mausetot.


1.15.txt

Unser Training geht weiter. Wir sprechen über zwei Systeme, die benutzt werden, wenn man auf die Ereignisse der Umwelt reagiert. Das erste System, oder System I, bekommt man als genetische Erbschaft. Dieses System orientiert sich auf Mustererkennung und arbeitet schnell, effektiv, zuverlässig und läuft meistens im Unbewusstsein. Das zweite System, oder System II, ist langsam und für Menschen sehr anstrengend bei der Ausführung. Das läuft meistens im Bewusstsein.

Wenn man vor dem entgegen rasenden Auto weg springt, oder ein virtuoses Konzert für Klavier von Rachmaninov auswendig spielt, oder erkennt im Nu, ob der unbekannte Mensch ihm sympathisch ist, dann handelt es sich um System I. Wenn man multipliziert, z. B., 2647x126, oder prüft seine Steuererklärung, lernt ein virtuoses Konzert für Klavier von Rachmaninov, dann hat man mit System II zu tun. Mit anderen Worten, wenn es um eine automatisierte Tätigkeit oder Intuition geht, dann ist System I dafür verantwortlich, wenn es um etwas Neues, Unbekanntes, noch nicht Existierendes geht, dann liegt es im Verantwortungsbereich von System II.

XXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXX XXX XXX XXX XXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXX XXXXXXX XXXX XXX XX XXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXX XXXXXX XXX XXX XX XXXXXXX XXXXXXX XXXXX.

Den größten Teil des Lebens verbringen wir unter der Leitung von System I. Man denkt nicht, man tut etwas. Es ist nicht gut und nicht schlecht, es ist einfach so. Unsere Vorfahren waren sehr erfolgreich, als sie dieses System benutzten. Immerhin gibt es in moderner Welt einige Probleme, die System I nicht bewältigen kann. Was gut für Jäger und Sammler war, passt nicht in vernetztes Büro oder automatisierten Werk. Die Verhaltensstrategie, die man, leitend von System I, benutzt – sogenannte Heuristik, führt meistens zu Fehler. Wir erzählen von einiger Heuristik.

Wenn man neue Informationen bekommt und nicht den Inhalt dieser Informationen analysiert, sondern ob sie „gut“ oder „schlecht“ sind, dann geht es um die affektive Heuristik. Besonders gern exploitiert man diese Heuristik in Werbung und Politik. Haben Sie mal nachgedacht, warum in Werbung spricht man nur darüber, dass die Ware gut ist und nicht über technische Merkmale der Ware? Genau so wählt man Politiker, die jemandem „sympathisch“ oder „unsympathisch“ scheinen. Oder man kauft zu viel, weil die Verkäuferin so sexappeal ist, oder man kann so einem guten Mensch von Verkäufer nicht absagen. Man trifft die Entscheidungen mit Hilfe der affektiven Heuristik sehr leicht und genauso oft fehlerhaft.

Die Verirrung post hoc ergo propter hoc basiert auf der Annahme, dass wenn zwei Ereignisse nacheinander passieren, dann ist das erste Ereignis die Ursache des Zweites. Diese Verirrung dient als Grund für viele Vorurteile. Zum Beispiel, man wurde erkältet und heilt sich mit folgendem Mittel: morgens pünktlich um 6 Uhr riecht man die frisch gefertigte Thüringer Bratwurst. Nach 7 Tagen wird die Erkältung geheilt. Man entscheidet, dass das Riechen der Thüringer Bratwurst die beste Therapie für die Erkältung sein soll.

Mit dieser Verirrung ist noch eine Verirrung fest verbunden – die pragmatische Verirrung. Man kann diese Verirrung erkennen, wenn man hört, dass „etwas funktioniert“. Akupunktur „funktioniert“, Astrologie „funktioniert“, Chiropraktik „funktioniert“, Homöopathie „funktioniert“, Rumologie „funktioniert“ (diese ist noch nicht so bekannt, wie die anderen Verirrungen – man liest Schicksal und Charakter des Menschen aus der Form seines Pos). Es ist aber immer unklar, was man meint, wenn man sagt, dass etwas „funktioniert“. „Energetische“ Medizin, z. B., Akupunktur, benutzt oft „funktioniert“ im Sinne „der Kranke ist zufrieden“, meint aber, dass es eine Übertragung von Qi stattfand.

Man spricht von Verständnisillusion, wenn man nur die Informationen sammelt, die seine Position verstärkten, und verwirft die Informationen, die diese widerlegen. Dabei findet man Argumente, die überzeugend aussehen, aber führen zu falschen Entscheidungen. Besonders oft begegnet man diese Heuristik im Bereich verschiedener Prognosen. Man hört oft ökonomische Prognose im Fernsehen, die Experten benutzen Fachchinesisch und schmücken ihre Worte mit Grafiken und Tabellen, aber warum sind sie doch selber so arm, wenn sie die Bewegung die Aktien so exzellent vorhersagen können? Lassen wir aber diese armen Experten in Ruhe, man prognostiziert gern selbst und meistens genauso falsch, wie renommierte Experten, aber das ist doch ein schlechter Trost.

Ad hominem Verirrung passiert jedem und zwar sehr oft. Sagen wir, jemand versucht etwas zu beweisen, was anderem nicht gefällt. Aber, statt die Argumentation des Opponenten zu widerlegen, attackiert man seine Persönlichkeit. Man erzählt, dass der Opponent unehrlich sei, gäbe irrelevante und unvollständige Informationen aus und dass die Zulänglichkeit seiner Argumentation fraglich sei. Besonders oft passiert diese Verirrung, wenn es sehr schwer ist, die Argumentation des Opponenten zu widerlegen, dann beginnt man den Opponenten zu tadeln.

Es ist so verlockend, diese Verirrung zu benutzen, besonders wenn der Opponent die Meinung unterstützt, die jemandem widerlich ist. Dann kann man „mit Hilfe“ Ad hominem Verirrung „beweisen“, dass der Opponent nicht nur Schwachsinn redet, sondern auch ein böser Mensch ist. Aber der Angreifer selbst ist gut und glaubenswürdig.

System II ist faul und langsam, so versucht System I immer wieder die Oberhand zu gewinnen, sogar in Situationen, denen es nicht gewachsen ist. Zum Beispiel, man hat eine Matheaufgabe:

Ananas und Apfel kosten zusammen 1 Euro und 10 Cent . Ananas ist um 1 Euro teurer als Apfel. Wie viel kostet ein Apfel?

Wenn man gleich, ohne lange Überlegungen, die Antwort gibt, dann kommen fast alle Leute auf schöne runde Zahl10. Man bekommt die Antwort mit Links und diese Antwort ist total falsch! Man muss bloß etwas an die Schule erinnern und dann wird die Antwort richtig – 5 Cent. Aber man soll nicht glauben, dass es nur einfache Mathe betrifft.

System I versucht immer „große Verluste“ zu vermeiden. Man kann sich vorstellen, dass es eine Versicherungsgesellschaft gibt, die um eine neue Art der Versicherung wirbt – „Totalversicherung“. Dabei gibt es zwei Arten der Verträge. Beim ersten Vertrag muss man 40 Euro monatlich zahlen und, falls etwas passiert, muss man selbst die Kosten in Höhe von 400 Euro erstatten. Beim zweiten Vertrag zahlt man 80 Euro monatlich, muss aber nichts selbst erstatten. Was für einen Vertrag wählt man am häufigsten? Sie können das erraten – natürlich den Zweiten! System I meidet „große Verluste“. Aber wenn man nachdenkt, dann sieht man, dass in erster Variante zahlt man im Jahr nur 480 Euro und im schlimmsten Fall noch 400 Euro, das macht 880 Euro zusammen. Die zweite Variante verlangt 960 Euro jährlich. Und es könnte überhaupt nichts passieren! Warum ist man bereit die Summe zu bezahlen, die zweimal größer ist? Weil man dann 400 Euro „spart“!

Wenn man schnelle Entscheidungen nach dem „Bauchgefühl“ trifft, muss man bereit sein, dass sie nur selten heutzutage erfolgreich sein können. System I ist sehr hilfreich für einen Indianer in Dschungel von Amazone, aber nicht zuverlässig für „zivilisierte“ Menschen. Z. B., von Natur aus können fast alle Menschen die Farben gut unterscheiden, aber nur beim natürlichen Licht. Beim künstlichen Licht kann man das nur begrenzt und sehr schlecht machen.

 System I verlangt immer nach Ursache und Wirkung suchen, es ist ihm unmöglich, Logik zu benutzen und Wahrscheinlichkeit zu schätzen. Einmal befragte man Passagiere in Flughäfen, wie viel waren sie für Lebensversicherung mit der Versicherungssumme 10000 Euro bereit zu zahlen, wenn das Flugzeug wegen mechanischer Ursachen abstürzen würde. Durchschnittlich waren Passagiere bereit 10 Euro zu zahlen. Wenn die Versicherung wegen aller denkbaren Ursachen von Absturz des Flugzeugs gelten würde, dann waren Passagiere bereit im Schnitt 12 Euro zu zahlen. Aber wenn die Ursache der Terrorakt war, dann waren Passagiere bereit im Schnitt 14 Euro zu zahlen. Aber warum? Im zweiten Fall war Terroranschlag schon drin! Dieses Wort – Terrorakt, war zu emotional geladen. Emotionen (System I) lassen uns Logik (System II) nicht benutzen.

Die Gerechtigkeitsillusion spiegelt das Glauben der Menschen, dass die Welt nach dem Gesetz der Gerechtigkeit erschafft wurde. Das „natürliche“ Gefühl der Gerechtigkeit sagt uns, dass alles Gutes belohnt sein soll und alles Böses – bestraft. Man sieht Ungerechtigkeit, wenn gute Leute Pech haben, während böse Leute – Schwein. Es ist nicht richtig, wenn braves Benehmen missbilligt wird und delinquentes Benehmen – gelobpreist. Wenn ich dir etwas Gutes tue, dann musst du auch etwas Gutes für mich tun.

In realer Welt ist es ganz anders. Die Gerechtigkeitsillusion zwingt Menschen Mythen zu erfinden. Gutes Benehmen wird nicht immer gelobt. Man kann Nichtraucher sein und rational nur Biokost essen, aber das gibt keine Garantie, dass man keinen Krebs bekommt. Wenn man Lungenkrebs kriegt, nachdem man vierzig Jahre lang zwei Päckchen Zigaretten pro Tag geraucht hatte, dann ist mit der Welt alles O.K. Man verursachte das selber. Aber wenn man ein Sportler war, der nie rauchte und sogar nie trank, dann ist es laute Ungerechtigkeit.

Es gibt viele Leute, die glauben, dass man selbst schuld ist, wenn man an Krebs leidet. Dass man selbst schuld ist, wenn man gefeuert wird – er war nicht genug fleißig. Alles, war im Leben passiert, hat seine Ursache und es gibt keinen Zufall. Man kann nicht immer die Ursachen kennen, warum einer unter Krebs leidet und anderer wurde gefeuert, aber diese Ursachen existieren, weil unsere Welt gerecht ist. Es gibt jemand, der alles überwacht und ehrlicherweise Belohnung und Bestrafung verteilt. Niemandem gefällt es, dass Lungenkrebs zufälligerweise wegen Asbests entstehen kann, das ist ungerecht. Leberkrebs wegen Alkoholismus – so soll es sein.

Man will nicht glauben, dass erfolgreiche Karrieren von vielen bekannten Menschen, genauso wie erfolgreiche Geschichte von meisten großen Unternehmen, nur dem Glück verdanken sollen. Aber nein! Man glaubt, dass man viel und persistent arbeiten soll, dann kommt die gerechte Belohnung schlicht und einfach. Man glaubt, dass es besondere Rezepte gibt und, wenn man das alles genau tut, wie es da geschrieben steht, dann bekommt man Erfolg und Anerkennung. Wegen dieses Glaubens kauft man unzählige Bücher wie „Zehn Schritte zum Erfolg“, „Fünf Regeln ein Star zu werden“, „Dreißig Methoden sich glücklich zu machen“ u.s.w.


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