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Untot
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Текст книги "Untot"


Автор книги: Джон Руссо


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Ужасы


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Auf der Ladefläche des Lastwagens lagen Sue Ellen und Ann gefesselt auf der Seite und mußten eine weitere holprige, furchterregende Fahrt über sich ergehen lassen. In ihrem Bewußtsein wirbelten beängstigende, unzusammenhängende Gedanken durcheinander. Ann hatte eine Verletzung an der Stirn, die schmerzte – nicht so stark, daß sie das Gefühl hatte, es sei ernsthaft, aber doch heftig genug, um die Qualen und die Panik, denen sie ausgesetzt waren, noch zu verschlimmern. Der Knebel in ihrem Mund war von Speichel durchtränkt und schmeckte faulig und säuerlich. Ihr war übel und sie stand kurz davor, sich zu erbrechen, doch sie mußte dagegen anschlucken, um nicht zu ersticken. Sue Ellen lag, so still sie konnte, sie war viel zu erschöpft, um noch zu weinen. Ihre Wange vibrierte auf dem rauhen Metall der Ladefläche. Sie hatte keine Ahnung, wo man sie hinbrachte, und es war ihr längst alles egal. Sie war überzeugt, daß sie und Ann bald tot sein würden. Wenn sie auf dem Rücksitz des Polizeiwagens nicht geschlafen hätten und nicht so entspannt gewesen wären, hätten sie vielleicht den Unfall nicht überlebt. Und das wäre vielleicht das beste gewesen – ohne Vorankündigung einfach ausgelöscht, ahnungslos, was mit ihnen passierte. Flack und Carter hätten ihnen zweifellos in die Schädel geschossen, um ihren Tod vollständig zu machen, und sie hätten friedlich für immer ruhen können.

Dave fuhr Mr. Dorseys Wagen, so schnell er konnte, und hielt dabei wachsam Ausschau nach irgendwelchen Gefahren auf der Straße. Es war ein Chevrolet von 1956, verrostet und verdreckt, schwer zu starten und noch schwerer zu steuern, mit ausgeschlagener Lenkung und kaum vorhandenen Bremsen. Er rappelte und klapperte über die Schotterstraße und schaffte es nicht über fünfundsechzig Stundenkilometer. Die Straße war erstaunlich frei von Leichenfressern. An einer Stelle entdeckte er eine Gruppe von ihnen, weit entfernt von der Straße in einem Feld. Sie schienen dort einfach still zu stehen, ohne irgend etwas zu tun, als ob sie nicht wüßten, was sie tun sollten. Dave überlegte, daß die lebendigen Toten vielleicht mit jedem neuen Tag eine Art Lähmung zu überwinden hätten, so als sei die Morgendämmerung und das Auferstandensein von den Toten eine Überraschung für sie. Oder vielleicht hatten sie einfach alles, was es in diesem abgelegenen Gebiet an einsamen Bauernhöfen gab, schon abgegrast, und waren drauf und dran, neue Gefilde mit reichlicheren Vorräten an Menschenfleisch aufzusuchen. Dave schauderte.

Er mochte sich nicht vorstellen, daß diese Humanoiden vielleicht des Denkens fähig wären. Sie wären noch grauenerregender, wenn sie tatsächlich denken könnten. Er dachte an seine Frau und an seinen Sohn, die nicht wußten, daß er noch am Leben war. Er hatte noch immer Hoffnung, sie wiederzusehen. Sie befanden sich vermutlich einigermaßen in Sicherheit in der Wohnung in dem großen Hochhaus im Zentrum der Stadt. Vor zehn Jahren während der Krise waren die Städte recht gut geschützt worden. Die Polizeikräfte waren zentralisiert und die Kommunikation konnte aufrechterhalten werden. Es waren die ländlichen Gebiete gewesen, die damals – wie heute – am schlimmsten betroffen wurden. Dave und seine Frau hatten vor, so bald als möglich aus der Stadt zu ziehen. Dave mußte sich widerwillig eingestehen, daß es vermutlich ein Glück war, daß sie es sich bislang noch nicht hatten leisten können.

Carl Martinelli war nicht verheiratet gewesen. Wenn Dave wieder in die Stadt kam, würde er Carls italienische Eltern über den Tod ihres Sohnes unterrichten müssen. Er würde betonen, daß Carl starb, als er versuchte, das Leben eines Kindes zu retten. Wenigstens war er nicht von den Humanoiden getötet worden, und es bestand vielleicht die Möglichkeit, seine Leiche für ein kirchliches Begräbnis nach Hause zu bringen, was seine Eltern wahrscheinlich wünschten. Dave schaltete das Autoradio ein und warf gleichzeitig einen Blick auf das Gewehr, das neben ihm auf dem Beifahrersitz lag. Er hatte das Radio bislang noch nicht ausprobiert. Offenbar hatte der erbärmliche Zustand des Wagens ihn zu der Annahme geführt, daß das Radio in einem solchen Schrotthaufen unmöglich intakt sein konnte. Aber es funktionierte doch und die Stimme eines Sprechers war zu hören. »...werden wir lebendig und zu fleischverzehrenden Monstern, zu Kreaturen, die nach lebendigem Fleisch lechzen, um zu überleben? Wissenschaftler haben die Leichen der lebendigen Toten untersucht, die durch die Zerstörung des Gehirns immobilisiert worden waren. Eine Theorie besagt zur Zeit, ich zitiere: Die toten Zellen frischer Leichen scheinen durch eine bislang unbekannte Art von Malignität wiederbelebt zu werden. Mit anderen Worten handelt es sich also um eine unbekannte Form von Krebs oder eventuell um einen Virus, der tote Zellen wieder lebendig macht. Sie werden dabei nicht >lebendig< im üblichen Sinne, sondern stellen eine bösartige Lebensform dar, die den Menschen in eine Kreatur verwandelt, die in den meisten Aspekten tot ist. Die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler ist überzeugt, daß es sich um etwas handelt, das in der Luft ist, etwa um einen durch Pollution entstandenen Virus, eine merkwürdige Mischung aus karzinogenen Chemikalien, die tote Zellen angreifen, sie aktivieren und den Toten zu einem lebendigen Tod erwecken, einer aktivierten Leiche, die von der Gier nach lebendigem Fleisch getrieben wird. Es wurde festgestellt, daß der >Tod< oder sagen wir die >Immobilisierung< der Leichen durch die Zerstörung des Gehirns herbeigeführt werden kann. Wenn das Gehirn nicht mehr arbeitet, hören auch alle Drüsen-und Kreislauffunktionen auf; die Kreatur kann zumindest unbeweglich gemacht werden...«

Dave lenkte den Wagen auf den Kies der Einfahrt zur Tankstelle von Log Cabin, bremste und stellte den Motor ab. Der Ort war ausgeplündert worden. Die Schlösser an zwei Tanksäulen waren abgebrochen und Fenster eingeworfen worden. Die Eingangstür hing schief in den Angeln. Niemand war zu sehen. Kein Tankwart tauchte auf und Dave erwartete auch keinen, obwohl er über einen Luftschlauch gerollt war, der die Klingel zweimal hatte läuten lassen. Dave ließ mit Mr. Dorseys Gewehr im Anschlag seinen Blick wachsam über das Gelände gleiten, dann stieg er aus und näherte sich dem Gebäude. Er drückte sich an die Wand und schlich bis zum Eingang. Nichts rührte sich. Der Ort wirkte völlig verlassen. Mit dem Fuß stieß Dave die Tür ein Stück weiter auf und trat vorsichtig ein. Seine Augen gewöhnten sich an das dämmrige Licht. Das Innere der Tankstelle wurde nur von draußen schwach erhellt. Ein paar Regale waren umgestürzt und halb leer, die Lade der Kasse war herausgezogen worden und enthielt nur ein paar Cents. Das, was an Wertgegenständen in dem Laden gewesen sein mochte, war fort.

Ein Klicken und dann ein Summen ließen Dave zusammenschrecken. Es war das Summen eines Kühlschranks. Dave hatte angenommen, daß es keine Elektrizität mehr gäbe und daß die Milch, falls es welche gab, sauer geworden wäre. Er schaute sich um und entdeckte den Kühlschrank an der hinteren Wand am Ende einer Reihe von Regalen. In ihnen standen ein paar Konserven, weitere Dosen lagen über den Boden verstreut und Dave stolperte über einige von ihnen. Er machte den Kühlschrank auf, die Innenleuchte schaltete sich ein, und zu seiner Überraschung fand er mehrere Kartons mit Milch, Orangensaft, Eiern und Käse. Alles war mit Preisschildern versehen und bereit zum Verkauf. Wie in so vielen Läden auf dem Land, die abgeschieden lebende Leute im Notfall versorgen, gab es hier nicht einen eleganten Vitrinenkühlschrank, sondern man begnügte sich mit einem alten Eisschrank. Dave hatte wirklich Guck. Wer immer der Plünderer gewesen war, er hatte den Eisschrank nicht ausgeräumt, vermutlich, weil die Sachen zu schnell verderben würden.

Dave fand Einkaufstüten und füllte sie mit allen Nahrungsmitteln, die er finden konnte, um sie Mr. und Mrs. Dorsey zu bringen. Dann lud er alles, so schnell er konnte, ins Auto, wobei er wachsam auf drohende Gefahren achtete.

»Sieht aus, als käme er nicht durch, der arme kleine Kerl.« Der Säugling lag in eine Decke gewickelt auf dem Sitz eines Sessels und Mr. und Mrs. Dorsey beugten sich über ihn. Mrs. Dorsey gab es auf, dem Neugeborenen ein bisschen warmen Tee einflößen zu wollen. Sie hatte den Tee in eine Nuckelflasche gefüllt, und der Schnuller war speichelnaß, nachdem er wieder und wieder verweigert worden war. Sie legte die freie Hand auf die Brust des Babys. »Er atmet noch – ich kann es fühlen«, flüsterte Mrs. Dorsey ganz leise, daß nur sie selbst es hören konnte. »Irgendwelche Anzeichen von den Dingern da draußen? « rief Mr. Dorsey seinem Sohn zu, der mit gekrümmtem Rücken vor dem Fenster stand, um durch einen Spalt zwischen den Brettern schauen zu können.

Der Junge schüttelte hilflos mit dem Kopf, als habe die Frage, auf die er keine Antwort wußte, ihn völlig überrumpelt. Er hatte ein Gewehr in der Hand. Er hielt es am Lauf, so daß die Mündung auf dem Boden aufkam. »Nee«, sagte er schließlich nach so langer Zeit, daß die Frage inzwischen schon in Vergessenheit geraten war.

Henry Dorsey ging ungeduldig hinüber und nahm dem Jungen das Gewehr aus der Hand, ehe der begriff, wie ihm geschah. »Wenn ich mir's recht überlege«, fuhr Dorsey ihn an, »setzt du dich vielleicht ein bißchen hin und überläßt deinem alten Vater die Waffe, bevor du wieder was abknallst, das nicht abgeknallt werden sollte.«

»Henry! Er atmet nicht mehr!« Mrs. Dorsey hatte sich entsetzt umgedreht.

Mr. Dorsey starrte aus der Mitte des Zimmers von seiner Frau zu dem Baby und zurück. Draußen hörte man einen Wagen in die Zufahrt einbiegen.

Der Sohn schaute durch einen Spalt zwischen den Brettern. »Ein Auto«, verkündete er triumphierend, als wäre es eine großartige Neuigkeit.

»Wessen Auto?« fragte Dorsey gereizt und schob seinen Sohn vom Fenster weg, um selber hinauszuschauen. Seine Hände umklammerten das Gewehr. Es war Dave, der die Wagentür aufmachte und die mit Nahrungsmitteln gefüllten Einkaufstüten herausholte. Dorsey sah seine Frau, die den Säugling auf den Arm genommen hatte, fragend an. »Ich bin nicht sicher, ob er noch ein bißchen atmet oder nicht. Ich glaube nicht«, brachte sie mit verängstigter, gequetschter Stimme hervor und begann, das Baby hin und her zu wiegen, als ob eine normale Behandlung es dazu brächte, normal zu sein.

Dave pochte an die Eingangstür.

»Leg ihn auf den Sessel – vielleicht ist er nur eingeschlafen«, sagte Mr. Dorsey. Er schaute seine Frau fest an, bis sie begriff, daß sie Dave zuliebe zumindest so tun sollten, als ob. Sie tat wie geheißen, zog dem Säugling die Decke über die Ohren und setzte sich auf den Sesselrand neben ihn. Im Halbdunkel des Zimmers wirkte die Szene ganz friedlich. Dorsey entriegelte die Tür, um Dave einzulassen. Der schwachsinnige Sohn hatte sich wieder im Schaukelstuhl niedergelassen, schaukelte quietschend hin und her und beobachtete die Anwesenden.

»Wie geht es dem Baby? « fragte Dave, stellte die Einkaufstüten auf den Boden und wühlte darin nach der Milch. »Fein«, erwiderte Mrs. Dorsey leise. »Ich habe ihm ein bißchen dünnen Tee gemacht, wie ich vorhatte. Jetzt schläft er.«

»Meinen Sie, wir sollten ihn aufwecken, um ihn zu füttern?« »Natürlich – kommen Sie mit, dann können Sie mir helfen, die Milch warm zu machen.«

Mit der Milch in der Hand folgte Dave Mrs. Dorsey in die Küche.

Henry Dorsey verriegelte die Tür, ging dann zu dem Säugling und schaute auf ihn hinunter. Er biß sich auf die Lippen. Sein Gesicht war angespannt und verriet einen abwesenden Ausdruck. Er überlegte, daß es, wenn das Baby starb, in Anbetracht der versehentlichen Erschießung des Polizisten zuvor, notwendig werden konnte, Dave ebenfalls zu töten. Dorsey war für das Überleben seiner Familie verantwortlich. Falls sie heil durchkämen, wollte er später nicht als Mörder vor Gericht gestellt werden.

Das Baby rührte sich und gab ein leises Wimmern von sich. Dorsey schaute es an und wußte nicht, ob er erleichtert oder noch furchtsamer sein sollte. Es atmete jetzt ganz deutlich, auch wenn das Atmen mühsam klang. Die Tatsache, daß das Baby zuvor zu atmen aufgehört zu haben schien, erschreckte ihn. Seine Frau hatte ernsthaft befürchtet, es sei gestorben. Vielleicht war es einfach nur sehr krank und schwach vor Hunger. Vielleicht konnte man es mit etwas warmer Milch und Fürsorge über die Krise bringen.

Dave und Mrs. Dorsey erschienen mit einem Fläschchenl mit warmer Milch. Dorsey wandte sich unter dem Vorwand, einen Blick durchs Fenster werfen zu müssen, ab, während seine Frau sich um das Baby kümmerte. »Er atmet sehr schwach«, berichtete Dorsey, um seine Frau in Kenntnis zu setzen. Ihre Augen leuchteten auf.

Mrs. Dorsey hielt dem Kleinen die Flasche an den Mund, der den Schnuller akzeptierte und hungrig zu saugen begann. Dave lächelte. Das Baby saugte gierig weiter. »Wir dürfen ihm am Anfang nicht zu viel auf einmal geben«, mahnte Mrs. Dorsey, »sonst wird ihm schlecht, dem armen kleinen Strolch.« Sie sah dabei weder Dave noch ihren Mann an, sondern starrte auf die Flasche und ihren schwindenden Inhalt. Ein Schuß krachte durch die Stille.

Dorsey hatte von seinem Posten am Fenster aus geschossen. Draußen im Garten standen drei Leichenfresser unter den überhängenden Ästen eines Ahornbaumes.

»Daneben«, kommentierte Dorsey und feuerte ein zweites Mal, nachdem er sorgfältig gezielt hatte. Einer der Leichenfresser stürzte an der Schulter getroffen zu Boden und strampelte, um wieder auf die Füße zu kommen.

»Zielen Sie auf den Kopf – das ist der einzige Weg, sie zu stoppen«, riet Dave und wünschte, er hätte das Gewehr selbst in der Hand, da Dorsey offensichtlich ein miserabler Schütze war.

»Meinen Sie, das weiß ich nicht?« schnaubte Dorsey und schoß erneut. Die Leichenfresser waren auf beinahe sechs Meter zur Eingangstüre herangekommen, und auf diese kurze Entfernung gelang Dorsey ein Volltreffer. Der Schuß ließ Blut und Hirnmasse aufspritzen und schlug einem der Angreifer eine Schädelhälfte weg.

Der Sohn der Dorseys kam mit einem anderen Gewehr an das Fenster gesprungen, wo Dave stand. Dave nahm ihm die Waffe aus der Hand, ehe er protestieren konnte. Dave bohrte den Lauf durch ein Loch in der Scheibe, zielte und feuerte. Der Schuß traf den zweiten Leichenfresser genau zwischen den Augen, und das tote Ding sackte unter der Wucht des Aufpralls rücklings zu Boden.

Dorsey schoß weiter auf den dritten Leichenfresser, doch der zog sich hinter einen Baum zurück, ob zufällig oder absichtlich, wußten die Männer nicht zu sagen. »Verflucht!« murmelte Dorsey. Das Zimmer roch nach verbranntem Schießpulver.

Dorseys Sohn hatte sich schmollend darüber, daß Dave ihm die Waffe weggenommen hatte, wieder in den Schaukelstuhl gesetzt und schaukelte quietschend hin und her. Dave hielt das Gewehr ungefähr auf die Stelle gerichtet, wo der Kopf des dritten Leichenfressers auftauchen würde, wenn er hinter dem Baum hervorkam. Der Kopf tauchte auf, Dave schoß und traf. Das Ding stieß einen merkwürdigen Laut aus und stürzte kopfüber. Seine Beine blieben in grotesker Position in einem niedrigen Gebüsch hängen. »Donnerwetter!« begeisterte sich Dorsey. Mrs. Dorsey hatte aufgehört, den Säugling zu füttern, und wiegte ihn in den Armen. Der Krach hatte ihn nicht zum Weinen gebracht, und er schien zu schlafen. »Das arme Kerlchen ist zu schwach, um überhaupt Angst zu kriegen«, sagte sie zu niemandem im besonderen. »Hoffentlich sind da draußen nicht noch mehr von denen«, meinte Dave. Er hatte sich vom Fenster abgewandt, nachdem er den Garten und die Umgebung aufmerksam mit den Augen abgesucht hatte. Er hielt noch immer das Gewehr in der Hand. »Wir haben sie alle erwischt«, strahlte Mr. Dorsey mit größerem Enthusiasmus, als Dave angemessen schien. Dave schaute den Mann dabei fest an, um ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen.

Dorsey räusperte sich und blickte zu seiner Frau hinüber. Der Schaukelstuhl quietschte weiter.

»Sie hatten erwähnt, der Besitz der Kingsleys liegt jenseits des Hügels?« fragte Dave.

Dorsey ließ sich auf einen Stuhl nieder und fing an, sein Gewehr wieder zu laden. »Nicht zu verfehlen. Vier Kilometer nach dem Golfplatz und dem Clubhaus, immer geradeaus. Sagen Sie..., Sie hatten doch nicht vor, meinen Wagen zu nehmen, oder? «

»Ich hatte gehofft, Sie würden ihn mir noch einmal leihen«, erwiderte Dave. »Sie sind bisher so freundlich gewesen. Die Kingsleys haben einen Haufen Schwierigkeiten. Die Bande von Plünderern, von der ich gesprochen habe, war auf dem Weg zu ihnen, und sie haben die beiden Miller-Töchter mitgenommen. Und Billy, Sue Ellens Freund.« Mrs. Dorsey starrte ihn entgeistert an. Henry Dorsey blies seinen Atem in einem langen, nachdenklichen Seufzer aus. »Na, ich denke, ich kann Ihnen den Wagen leihen«, entschied er schließlich. »Aber lassen Sie die Knarre hier. Ich hab' nur zwei – eine für mich und eine für meinen Sohn. Ich geb' Ihnen eine Axt und ein Messer.«

Dave lag es auf der Zunge zu entgegnen, daß Dorsey gut daran täte, seinen Sohn daran zu hindern, je wieder eine Waffe in die Finger zu kriegen, aber er sagte sich, daß es gescheiter war, den Mund zu halten und anzunehmen, was immer die Dorseys zu geben bereit waren. Er lehnte das Gewehr an die Wand neben der Tür, weil er nicht die Verantwortung dafür übernehmen wollte, es dem schwachsinnigen Sohn selbst auszuhändigen. Was Dorsey anschließend tat, war sein Bier. »Sie können das Baby hierlassen«, bot Mrs. Dorsey an. »Verlassen Sie sich darauf, daß ich mich darum kümmere, bis Sie wiederkommen.«

Mr. Dorsey hatte sein Gewehr geladen, prüfte und entsicherte es. »Wie gesagt, Sie können eine Axt, ein Messer und den Wagen haben. Das Baby lassen Sie bei uns. Wir werden dafür sorgen, so gut wir können.« Er dachte, daß, wenn Dave nicht zurückkäme, niemand jemals erfahren würde, daß sein Sohn den Polizisten erschossen hatte, und daß es kein Problem wäre, sich später den Säugling irgendwie vom Hals zu schaffen.

Unter einer Salve von Schüssen wurden die letzten Fensterscheiben des Farmhauses der Familie Miller zerschmettert. Die Belagerung ging weiter, das Haus war von bewaffneten Männern umstellt, die sich hinter Bäumen und im Gebüsch in Deckung hielten und wild drauflosfeuerten. Es waren Mitglieder von Sheriff McClellans Landwehr. Sie waren beim Absuchen des Geländes zu dem Haus gelangt, ohne zu wissen, was sie dort vorfinden würden. Sie hatten Geräusche aus dem Inneren des Hauses gehört und deren Urheber aufgefordert, sich zu zeigen. Zur Antwort hatten diese das Feuer eröffnet und die Männer des Polizeiaufgebots gezwungen, in Deckung zu gehen. Ein Mann war am Arm getroffen worden und wurde von einem Sanitäter versorgt.

Hinter einem Baum legte Sheriff McClellan die Hände als Trichter vor den Mund und brüllte: »Kommen Sie da raus oder wir räuchern euch aus!« Zur Bekräftigung seiner Worte prallten noch ein paar weitere Schüsse gegen das Haus. Die Truppe hatte es von allen Seiten umstellt.

»Hört auf zu schießen, Jungs!« rief der Sheriff wieder. »Gebt ihnen die Gelegenheit, sich zu ergeben!«

Eine ganze Weile lang war alles still. Dann klang eine Stimme aus dem Haus: »Nicht schießen!«

»Halten Sie die Hände hoch und kommen Sie raus!« befahl der Sheriff.

Er wartete. Man hörte, wie die Eingangstür entriegelt wurde. Schließlich öffnete sie sich knarrend und der Anführer der Jungenbande trat heraus, seinen Bogen über die Schulter gehängt, die Hände über dem Kopf. Weitere Jungen folgten mit erhobenen Händen. Sie hatten ihre Waffen im Inneren des Hauses zurückgelassen.

McClellan ließ seine Waffe sinken. Er wußte, daß seine Truppe die Bande unter Kontrolle halten würde. »Hergott im Himmel! Kinder!« bemerkte er verbittert. »Na, komm schon, Robin Hood. Okay, Männer, durchsucht sie und legt ihnen Handschellen an.«

Die Landwehrtruppe bestand aus Polizisten und freiwilligen Zivilisten. Einer der Uniformierten trat neben McClellan und schlug vor: »Wir sollten uns vielleicht das Haus vornehmen -wer weiß, was da sonst noch drin ist.«

Der Sheriff nickte zustimmend, und der Mann, der den Vorschlag gemacht hatte, sammelte ein paar Männer. Unter seiner Führung betraten sie wachsam und mit schußbereiten Waffen das Haus.

Einige der Polizisten hatten die Mitglieder der Bande gegen die Hauswand gescheucht, stießen sie herum, durchsuchten sie und legten ihnen Handschellen an. Ein paar von den Jungen sahen verängstigt aus oder den Tränen nahe, vor allem die Jüngeren. Aber der Anführer hatte seine Haltung bewahrt. Ein boshafter, sarkastischer Ausdruck in seinem Gesicht drohte jederzeit zu einem hämischen Grinsen auszuarten. Während er abgetastet wurde, rief er dem Sheriff über die Schulter zu: »Sie können uns nicht verhaften. Wir haben nichts getan. Wir haben das Haus gesehen, und es waren gerade keine von den Dingern da, und darum sind wir reingegangen, um uns zu verstecken.«

McClellan warf dem Jungen einen harten Blick zu, ehe er antwortete: »Ach ja? Und was habt ihr da drin gemacht?« Der Junge wirbelte herum, aber zwei der Uniformierten packten ihn rauh an den Handgelenken. »Da sind Leichen drin, aber das können Sie uns nicht anhängen. Wir waren's nicht.« »Mag sein, mag auch nicht sein«, entgegnete McClellan ruhig und unverbindlich. »Im Augenblick haben wir nicht die Zeit, das herauszufinden. Aber ihr steckt ganz schön in der Patsche. Es ist verdammt klar, daß ihr das Haus ausrauben wolltet.« »Einen Haufen von Toten berauben? « erwiderte der Junge boshaft und schaute den Sheriff geringschätzig an, als wäre er ein Idiot. Fast kicherte er im Anschluß an seine Frage. »Tote haben manchmal Verwandte«, erwiderte McClellan. »Schon mal dran gedacht, daß das, was sie hinterlassen, denen gehört? «

In dem Augenblick kam einer der Männer, die das Haus untersuchen gegangen waren, aus der Tür gestürmt. »Sheriff!« schrie er. »He, Sheriff! Im Obergeschoß sind zwei tote Mädchen – und beide haben große Nägel im Kopf. Und, ich würd's zwar nicht beschwören, aber es sieht aus wie damals, als meine Frau ein Baby geboren hat.« Der Mann blieb vor McClellan stehen und sah ihn verwirrt an, als habe er gerade etwas Unglaubliches gesagt.

Der Sheriff zuckte nur mit den Schultern und schüttelte den Kopf. »Tja, ich würde meinen, in diesen verdammten Zeiten ist alles möglich«, murmelte er mehr zu sich selbst. »Kommt, Jungs – laßt uns hier fertig machen und zu den Kingsleys fahren.«

Einer der Beamten war gerade mit einem der Jungen fertig geworden. »Diesen reichen Schweinen geht's wahrscheinlich gut«, stichelte er. »Die können sich 'ne eigene Privatarmee leisten, um sich zu verteidigen.«

»Die Tatsache, daß sie sich eine leisten können, heißt noch nicht, daß sie tatsächlich eine haben«, wies ihn McClellan zurecht, schob sich eine Zigarre in den Mund und zündete sie an. Er nahm einen tiefen Zug. Er erwartete, auf Notfallfahrzeuge an der Kreuzung zwischen dem Feldweg und der Landstraße zu treffen. Dann würden seine Leute zu dem Besitztum der Kingsleys transportiert werden.

Dave hatte festgestellt, daß Mr. Dorseys altes Auto unkontrollierbar ins Schwimmen geriet, wenn er versuchte, schneller als fünfundsechzig Stundenkilometer zu fahren. Auf der freien Landstraße wäre es angenehmer gewesen, schneller fahren zu können, aber er mußte sich mit der geringeren Geschwindigkeit abfinden. Das ließ ihn kurzfristig an die Ironie des Schicksals denken: daß er vielleicht die MillerTöchter oder die Kingsley-Familie nur wegen eines verrotteten, alten Autos, das nicht schnell genug fahren konnte, nicht würde retten können. Ärgerlich drückte er aufs Gaspedal und sah den Zeiger auf achtzig und darüber hinaus klettern. Das Schlenkern hörte nicht auf, wie einige Male vorher, sondern wurde immer schlimmer. Als Dave den Fuß vom Gas nahm, mußte er geraume Zeit warten, bis die Vibrationen nachließen und der Zeiger wieder unter fünfundsechzig ging. Er knirschte ungeduldig mit den Zähnen und versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was er tun würde, wenn er einmal dort angekommen war, wo er so eilig hinstrebte. Auf dem Beifahrersitz neben Dave lagen das Fleischermesser und die Axt, die Henry Dorsey ihm gegeben hatte. Ein Gewehr oder wenigstens ein Revolver wären ihm lieber gewesen. Es würde nicht ganz einfach sein, drei gut bewaffnete Männer gefangenzunehmen oder zu töten. Am besten wäre es, zu versuchen, sie zu überrumpeln und einen von ihnen zu entwaffnen, um dann dessen Waffe dazu zu benutzen, die beiden anderen zu überwältigen.

Dave dachte auch an den Säugling in der Obhut der Dorseys. Er ging davon aus, daß er dort gut aufgehoben war. Mrs. Dorsey würde für ihn sorgen. Sie schien die Vernünftigste von der Familie zu sein. Der Alte war von Furcht und der sturen Entschlossenheit getrieben, die Seinen zu beschützen, was es auch koste, und den Sohn konnte man sowieso vergessen, außer darauf aufzupassen, daß er nicht aus Versehen wieder irgendwem Schaden zufügte. In normalen Zeiten wären die Dorseys keine schlechten Leute, überlegte Dave. Sie zogen es vermutlich vor, die meiste Zeit ihres Lebens unter sich zu sein, ihre ärmliche Farm zu bearbeiten und ein karges Auskommen herauszuwirtschaften, um sich jenes Maß an Würde und Selbstrespekt zu erhalten, das mit Selbstgenügsamkeit einhergeht. Unter normalen Umständen waren sie wahrscheinlich nett und anständig, wenn auch von der Schwere ihres Existenzkampfes ein bißchen hart geworden. Diese Härte würde ihnen helfen, die gegenwärtige Notlage zu überleben; bislang hatten sie es ganz gut gemeistert, sich gegen die Widrigkeiten, die wirklich beängstigend waren, am Leben zu halten. Das war mehr, als viele andere Leute schaffen würden. Aber sie hatten Martinelli erschossen, aus panischer Angst und Dummheit. Der Tod seines Kollegen war sinnlos und unnötig. Es hätte Carl nicht zustoßen dürfen, besonders nach all dem, was er bis dahin überstanden hatte. Sein Tod erschien Dave unwirklich und unglaublich, wie in den meisten Fällen, aber um so mehr, weil Carl so grundlos gestorben war.

Die Landschaft zeigte sich so strahlend und sonnig, daß es schwer war zu glauben, daß es kein normaler Tag war. Die Sonne hatte den Morgennebel vollständig aufgelöst. Es war schon fast Mittag. Dave fiel ein, daß es um diese Zeit eine Bürgerschutzsendung gab, und er schaltete das Autoradio ein. Er drehte den Summton leiser. Bis zum Beginn der Nachrichten war nur dieser Summton zu vernehmen; sämtliche anderen Sendungen waren offensichtlich gestrichen worden. Abgesehen von dem unterschwellig bedrohlichen Summen, das Dave an die Art von Nachrichten erinnerte, die er zu hören erwartete, konnte er sich beinahe einreden, daß alles in Ordnung war. Es war ein sonniger Tag und er machte eine ruhige, entspannende Fahrt über Land. Plötzlich sah er eine Leiche auf der Straße und mußte ausweichen. Dabei erhaschte er einen Blick auf den von mehr als nur einem Reifenpaar überrollten Körper. Es war einer der Humanoiden, die Carters Laster in der Dunkelheit vor acht oder neun Stunden überfahren hatte. Seither waren weitere Fahrzeuge darübergerollt, entweder, weil sie ihn nicht früh genug gesehen hatten oder weil sie es für überflüssig hielten, ihm auszuweichen. Was übriggeblieben war, lag als grausiger, blutiger Klumpen in der Mitte der zweispurigen Landstraße. Als der Wagen sich nach dem Ausweichmanöver wieder gefangen hatte, bremste Dave leicht ab und entdeckte eine schwere Beschädigung in der Leitplanke auf der rechten Straßenseite. Er trat die Bremsen von Dorseys Wagen bis zum Anschlag durch. Sie funktionierten, wenn es auch eine ganze Strecke brauchte, bis er zum Stehen kam. Dave hielt auf dem Seitenstreifen, bewaffnete sich mit der Axt, steckte das Fleischermesser in den Gürtel und stieg aus. Als er sich der aufgerissenen Leitplanke näherte, sah er eine ziemlich steile Böschung und einen Streifenwagen der Staatspolizei, der gegen einen Baum gekracht war. Er erkannte den Streifenwagen, der einst ihm und Carl gehört hatte, sofort; seine Vermutung wurde bestätigt, als er das Kennzeichen las. In der näheren Umgebung gab es kein Anzeichen von Bewegung oder drohender Gefahr, doch Dave hielt seine Waffe in Bereitschaft, während er die Böschung hinunterkletterte.

Er fand den toten Wade Connely im Wagen und die Leiche eines Humanoiden im Gebüsch in der Nähe. Sowohl Wade als auch dem Humanoiden war in den Schädel geschossen worden. Dave verbrachte einige Zeit damit, die Umgebung nach weiteren Leichen abzusuchen, die bei dem Unfall aus dem Fahrzeug geschleudert worden sein mochten. Er fand keinerlei Spuren der Miller-Töchter, obwohl er das Unterholz sorgfältig überprüfte, und er nahm an, sie hätten den Unfall wahrscheinlich überlebt. Wenn nicht, hätten Carter und Flack ihnen ebenfalls in die Schädel geschossen, wie sie es mit Wade Connely getan hatten. Oder vielleicht nicht? Im stillen dankte Dave demjenigen, der es getan hatte, und fragte sich, was aus den Mädchen geworden sein mochte. Vielleicht waren sie doch bei dem Unfall umgekommen und die Männer hatten ihre Leichen mitgenommen.

Dave betrachtete Wades entstellte, verstümmelte Leiche mit einer Mischung aus Mitleid und Abscheu, Abscheu vor allem, weil er wußte, daß Wade in Carls Uniform gestorben war. Dave griff an der Leiche vorbei und zog den Zündschlüssel heraus. Dann suchte er den Wagen und den Kofferraum nach Waffen ab, die vielleicht zurückgelassen worden waren. Wie zu erwarten, fand er keine. Carter und Flack hatten sorgfältig alles mitgenommen. Dave steckte die Wagenschlüssel in die Tasche. Ein Vorteil dieses Unfalls war, stellte er fest, daß er mit Wade nicht mehr zu rechnen brauchte, nur noch mit Carter und Flack. Damit wuchsen seine Chancen, sie zu überrumpeln. Dieser Funken Hoffnung gab Dave neue Kraft. Er stieg wieder in Henry Dorseys altes Auto, und nach mehreren Versuchen sprang der Motor schließlich an. Dave scherte auf die Landstraße zurück, vorbereitet, daß weitere Leichen mitten auf der Straße liegen könnten. Er schaltete das Radio wieder ein, das er ausgeknipst hatte, als er den Motor anließ, um der Batterie der alten Karre die Arbeit zu erleichtern. Nur ein Summen war zu hören. Dave schaute auf die Uhr. Es war fast halb eins. Er hatte die Nachrichtensendung verpaßt.


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