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Untot
  • Текст добавлен: 6 октября 2016, 01:48

Текст книги "Untot"


Автор книги: Джон Руссо


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Ужасы


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»Schnell! Beeilung!« rief Michaels. »Wir müssen so viele wie möglich schaffen, bevor die Polizei ankommt!« Als die Leute die Polizeisirenen hörten, bekamen sie Angst. Sie wußten, daß sie sofort verschwinden mußten, auch wenn sie ihre Arbeit noch nicht zu Ende gebracht hatten. Von den vierunddreißig Leichen waren nur dreizehn mit den Bolzen durchbohrt worden. Reverend Michaels schüttelte den Kopf. Er hoffte, daß seine Gebete für die ungespießten Leichen ausreichen würden. Dann führte er die Mitglieder seiner Gemeinde aus der Lichtung des Waldes zurück in das Tal, aus dem sie gekommen waren. Leise und hastig folgten sie einem Weg, auf dem sie weder der Polizei noch irgendwelchen zufälligen Passanten begegnen würden, die mit der Art und Weise, wie die Toten behandelt worden waren, nicht einverstanden sein mochten. Der Reverend betete, als er sich den Weg durch den Wald bahnte, und erbat die Hilfe des Herrn für die einundzwanzig Leichen, die nicht gepfählt worden waren, flehte, daß Gott ihnen den ewigen Frieden gewähren möge. Er wußte, daß sie leichte Beute wären für Mächte unaussprechlichen Horrors.

Ungefähr zu dem Zeitpunkt, äs die letzten Leichen gepfählt werden konnten, bahnten sich Sheriff McClellan und der Adjutant Greene den Weg den Abhang hinunter zu dem verunglückten Bus. In der Ferne hörten sie das rhythmische Schlagen von Holz auf Metall und fragten sich, was das wohl zu bedeuten habe. Im Gehen suchten sie, halbwegs in der Erwartung, aus dem Bus geschleuderte Leichenteile zu finden, das Unterholz mit den Augen ab, doch sie sahen nichts dergleichen und fanden auch keinerlei Hinweise auf Überlebende.

Als sie den Bus erreichten, fanden sie ihn leer. Dünne Rauchfahnen schwebten über dem Wrack, doch es schien keine Explosionsgefahr zu bestehen. Das Innere des Busses bot einen entsetzlichen Anblick. Alles deutete auf ein grausiges Blutbad scheußlichster Ausmaße hin, doch kein Verwundeter oder Toter war zu sehen. Die Passagiere, tot oder lebendig, waren verschwunden. Greenes Blick fiel auf eine blutige Hand zwischen verbogenen Metallteilen und Glassplittern, und er mußte würgen. Er schluckte und wies McClellan darauf hin, McClellan sah sie und sagte nichts. Er hatte selbst etwas entdeckt, das aussah wie ein Stück von einem Finger, der unter einem nagelneuen, rauchblauen Damenkoffer herausragte, aber er hielt es nicht für nötig, Greene darauf aufmerksam zu machen. Wenn sie die Trümmer hätten durchsuchen wollen, wären sie zweifellos auf weitere Fetzen und Glieder menschlicher Leichen gestoßen, gleichzeitig mit abgebrochenen Zähnen und zersplitterten Brillen, doch im Augenblick interessierten sie sich weit mehr für das, was mit den Leuten, die das Unglück überlebt – oder nicht überlebt -hatten, geschehen war.

McClellan erkannte, daß das niedergetrampelte Gras, das von der Straße bis in die Lichtung reichte, von einer großen Gruppe von Leuten stammen mußte, welche die Unfallstelle aufgesucht hatten. Sie hatten die Leichen weggetragen, oder auch die Überlebenden, falls es welche gegeben hatte. Aber warum? Vielleicht hatten sie es für nötig gehalten, weil sie fürchteten, der Bus könne explodieren, ehe die Überlebenden gerettet und die Toten identifiziert worden wären, obwohl McClellan nicht den Eindruck hatte, daß irgendeine Explosionsgefahr bestand. Es konnte nur ein kleines Feuer gewesen sein, das den Rauch erzeugt hatte – vielleicht eine glimmende Zigarette, die zwischen das verstreut liegende Gepäck gefallen und dort ausgebrannt war, ohne ausgeflossenen Brennstoff entzündet zu haben.

»Irgendwer hat die Leute von hier fortgeschafft«, war sich McClellan sicher. »Suchen Sie den Wald nach niedergetretenem Gras ab. Wahrscheinlich können wir herausfinden, wohin sie gegangen sind.«

Greene starrte sprachlos vor sich hin. Sie hatten beide den Bus wieder verlassen, und Greene war froh, draußen zu sein. Er hatte gehofft, sie würden jetzt den Hügel hinauf zum Streifenwagen zurückgehen.

»Nun machen Sie schon!« schnauzte McClellan den Anfänger an. »Sie können nicht mittendrin einfach aufhören! Diese Leute haben nicht einfach Flügel ausgebreitet, um auf und davon in den Himmel zu fliegen wie Engel. Wenn sie alle tot sind, dann hat irgendwer sie weggebracht. Wir müssen herausfinden wohin – falls einer nicht tot ist und Hilfe braucht.«

»Plünderer?« äußerte Greene eine Vermutung, um zu beweisen, daß er nachdachte, auch wenn ihn McClellans kritischer Vorwurf in Verlegenheit gebracht hatte. »Möglich«, gab der Sheriff zu. »Aber falls es Leichenfledderer waren, warum haben sie dann das ganze Gepäck hiergelassen?«

Er ließ die Frage in der Luft hängen, während er mit den Augen die Umgebung nach Spuren absuchte, die in den Wald führten.

Greene trat neben McClellan, und beide zogen ihre Pistolen. Falls sie auf eine Gruppe von Plünderern treffen sollten, wollten sie bereit sein. Vorsichtig bewegten sie sich vorwärts. Sie wollten sich nicht überrumpeln lassen. Falls es Plünderer waren, könnten sie eine Wache im Hinterhalt aufgestellt haben.

Die beiden Männer bahnten sich den Weg durch niedergetrampeltes Unterholz in Richtung auf den umliegenden Wald. Greene, der junge Neuling, wirkte wachsam und kräftig, wenn auch ein wenig nervös. Er war dreiundzwanzig Jahre alt, und die Uniform des Streifenpolizisten stand ihm ausgesprochen gut. McClellan war fünfundzwanzig Jahre älter, dickbäuchig, aber mit kräftigem Brustkasten, vielleicht ein wenig kurzatmig und langsam, aber ein Mann, der sich nicht leicht umhauen ließ. Wenn er auf den Füßen blieb und die Gelegenheit bekam, ein oder zwei Hiebe zu landen, wäre es der Gegner, um wen es immer sich handeln mochte, der zu Boden ginge. McClellan war weise und bedächtig wie ein alter Bär. Greene, der Jüngere, hatte die schnellen Reflexe der Jugend, doch er war noch unerfahren und undiszipliniert. Die Schläge und Narben und Erfahrungen von Jahren harter, geduldiger Arbeit standen ihm noch bevor.

Im Wald herrschte Stille, ungestört von menschlicher Gegenwart. Wenn Menschen in der Nähe sind, hören sich bestimmte Tiere anders an, auch verhalten sie sich anders oder machen überhaupt kein Geräusch. McClellan bemerkte die Veränderung der Laute, während sie sich unter den Bäumen hindurch bewegten. Es gab ihm das sichere Gefühl, daß, falls Leute irgendwo im Wald wären, sie vermutlich inzwischen geflüchtet waren. Ohne Greene eine Erklärung zu geben und sich noch allzu viele Sorgen um Plünderer oder einen möglichen Hinterhalt zu machen, beschleunigte er unvermittelt das Tempo.

Es fiel den beiden Männern nicht schwer, die Stelle zu finden, wo die Verletzten – oder besser gesagt die Leichen -hingebracht worden waren. Eine deutlich lesbare Spur aus

Blutstropfen, Kleiderfetzen, Fußabdrücken und niedergetretenem Gras führte sie in die Waldlichtung. Vorsichtig und mit gezogenen Pistolen näherten sich ihr McClellan und Greene. Sie hielten sich hinter Baumstämmen in Deckung, bis sie sicher waren, daß niemand dort lauerte, und betraten die Lichtung. Vor ihnen lagen die Leichen in unregelmäßigen Reihen auf dem Rücken, manche von ihnen mit einem Bolzen im Schädel. Während einer ganzen Weile rührten sich McClellan und Greene nicht von der Stelle, und keiner sprach ein Wort. Dann eilten sie an den Rand der Lichtung, suchten sie hastig ab und prüften das umliegende Gebüsch. Sie fanden keinerlei Zeichen von der Gegenwart anderer Menschen und steckten ihre Waffen wieder ein. Danach blieben sie schweigend zwischen den verstümmelten Leichen stehen. »Stellen Sie fest, ob noch irgendeiner am Leben ist«, befahl McClellan schließlich, und sie machten sich daran, eine blutige Gestalt nach der anderen zu inspizieren, ohne jedoch ein Lebenszeichen zu finden.

»Das ist nicht das Werk von Leichenfledderern«, brach McClellan schließlich das drückende Schweigen. »Diese... die Bolzen...«, stammelte Greene mühsam. »Irgendwer glaubt, es sei wieder soweit. Wir müssen sie aufgestört haben, ehe sie fertig waren.«

Greene schaute den Sheriff fragend an. »Sie sind nicht aus dieser Gegend, Greene«, erklärte McClellan. »Sie gehörte zu den am schwersten betroffenen Regionen, damals, vor zehn Jahren. Erinnern Sie sich? Die Toten mußten verbrannt oder enthauptet werden. Man mußte ihr Gehirn zerstören. Ich habe keine Ahnung, ob jene Wesen wirklich tot waren oder nicht -jedenfalls nicht im üblichen Sinne. Keiner weiß es. Aber irgendwer fürchtet, daß es wieder passiert. Darum stecken die Bolzen in ihren Schädeln.«

Greene wurde blaß. »Das kann doch nicht noch mal passieren«, wandte er ein. »Es wurde doch unter Kontrolle gebracht. Ich erinnere mich. Ich war zwar erst dreizehn. Wir lasen darüber und hörten im Fernsehen davon und wollten es noch immer nicht glauben. In meiner Heimatstadt gab es nur wenige Fälle, aber einige gab es... genug, um uns zu überzeugen, daß es Wirklichkeit war.« »Es war Wirklichkeit«, bekräftigte McClellan. »Etwas, das ich zu vergessen versuche. Unbedingt vergessen will. Aber Wirklichkeit war es.«

»Es kann doch nicht wieder passieren«, wiederholte Greene, als könne er es damit wahr werden lassen, weil er es unbedingt glauben wollte.

»Ich weiß es nicht«, räumte McClellan ein. »Ich hoffe es. Aber man hat nie mit Sicherheit feststellen könnnen, was die Ursache war. Mag sein, daß es wiederkommt, wie eine Ungezieferplage.« Er versuchte zu kichern. Er hatte seine letzte Bemerkung zur Auflockerung der Stimmung gedacht, aber er bekam kein Kichern zustande, und die Bemerkung blieb in der Luft stehen.

Greene starrte noch immer auf die Reihen der Leichen. Er hatte fast unbewußt seine Pistole wieder gezogen, doch er hielt sie nutzlos in der Hand.

»Kommen Sie«, drängte McClellan. »Wir müssen uns beide zusammenreißen. Die Leute werden jeden Moment eintreffen -Sanitäter und wahrscheinlich Reporter. Neugierige Widerlinge. Ich werde hier Wache stehen. Gehen Sie zum Bus zurück und zeigen Sie den Rettungsmannschaften den Weg.« Es war Greene nicht entgangen, daß der Sheriff gesagt hatte, sie müßten sich beide zusammenreißen. Es war nett von McClellan, Greene zu zeigen, daß er ebenso betroffen war wie er und daß man sich dessen nicht zu schämen brauchte. Greene wurde von einer Welle von Respekt und Zuneigung zu dem Sheriff überflutet. Auf dem Weg zum Bus fiel ihm ein Satz ein, der ihn einmal beeindruckt hatte: Der Mutige und der Feigling haben beide Angst; aber der Feigling rennt davon, der Mutige nicht.

Als Greene zu dem verunglückten Bus zurückgelangte, waren ein Arzt und sieben oder acht Sanitäter an der Unfallstelle eingetroffen. Sie hatten offenbar schon einige Minuten dort gewartet und wuselten verwirrt und verständnislos durcheinander und stellten einander Fragen, die niemand beantworten konnte. Wie die Polizisten hatte das Nichtvorhandensein von Leichen sie mehr erschreckt als der erwartete Anblick von verstümmelten, blutigen Menschen. Mit Leichen und Verwundeten wußten sie umzugehen, dazu waren sie ausgebildet worden. Aber das Fehlen von Toten und Verwundeten in einer Situation, wo sie mit ihnen rechneten, hatte die Rettungsmannschaften aus der Fassung gebracht. Das Ganze war ihnen unerklärlich, und sie fühlten sich einigermaßen unbehaglich. Als sie Greene näher kommen sahen, schauten sie ihm erwartungsvoll entgegen. Sie hofften, daß er ihnen sagen würde, was sie tun sollten. »Dort entlang!« gebot Greene und zeigte in den Wald. »Die Passagiere des Busses sind dort drüben!« Dann fügte er mit leiserer Stimme hinzu: »Sie brauchen nichts als Bahren. Sie sind alle tot.«

In der Ferne, an der Stelle, wo der Bus durch die Leitplanken gebrochen war, entdeckte Greene eine Unmenge von Leuten, welche die Böschung heruntergeklettert kamen. Sie schleppten Ausrüstungen mit, die Greene, als sie näher kamen, als Fotoapparate und Stative erkannte. Reporter von Fernsehen und Presse waren plötzlich überall, und Greene überlegte einen Moment lang, ob er beim Bus bleiben sollte oder nicht, um die Reporter und Fotografen im Zaum zu halten. Wenn sie entdeckten, daß der Bus leer war, würden sie den Sanitätern in den Wald folgen. Sobald weitere Polizei eingetroffen wäre, könnte das Gebiet um die Lichtung abgesperrt werden, doch dann wäre es schon zu spät. Die Leichen würden schon auf Bahren zur Straße hinauftransportiert werden. Die Reporter würden alles in Augenschein nehmen und die ganze Geschichte erfahren. Es würde gewaltiges Aufsehen erregen, den Leuten höllische Angst einjagen und ihnen die Plage, die jetzt schon zehn Jahre zurücklag, ins Gedächtnis zurückrufen. Resigniert zuckte Greene mit den Achseln. Er wußte, daß es unmöglich war, das grausige Ereignis aus den Nachrichten fernzuhalten. Er drehte der herannahenden Menge den Rük-ken zu und machte sich wieder auf den Weg zu der grausigen Szene in der Waldlichtung.

Auszug aus einer Bürgerschutz-Radiosendung zehn Jahre zuvor:

»Guten Abend, meine Damen und Herren, es ist Mitternacht nach hiesiger Ortszeit. Sie hören die Bürgerschutz-Notstandswelle mit stündlichen Berichten über die Lage. Bleiben Sie auf dem Sender für Über lebensinformationen. Meine Damen und Herren, so unglaublich es scheinen mag, die neuesten Berichte aus dem Pentagon und von dem vom Präsidenten eingesetzten Forscherteam im Walter-Read-Hospital bestätigen, was viele von uns schon vermutet haben. Das Heer der Angreifer, das einen großen Teil der Staaten im Osten und Mittelwesten unseres Landes belagert, besteht aus toten Menschen. Kürzlich Verstorbene sind durch eine unbekannte Kraft wieder zum Leben erwacht und ernähren sich von frischem Menschenfleisch. Die Toten aus Leichenhallen, Krankenhäusern, Friedhofskapellen sowie viele derer, die während oder durch das herrschende Chaos umgekommen sind, das als Folge der gegenwärtigen Notlage entstanden ist, sind in verstümmelter, versehrter Gestalt wieder zum Leben erwacht und mit dem wilden Drang, andere Menschen zu töten und ihr Fleisch zu verzehren, unter uns zurückgekehrt.

Erklärungen für die Ursachen dieses unfaßbaren Phänomens wurden weder von der Forschungskommission des Walter-Read-Hospitals noch aus dem Weißen Haus oder von irgendeiner Regierungsstelle gegeben, doch die Spekulationen zentrieren sich um die vor kurzem gestartete, erfolglos verlaufene Venus-Mission. Jene Raumsonde startete vor über einer Woche zur Venus, doch sie geriet von dem geplanten Kurs ab und erreichte die Atmosphäre des Planeten nie. Sie kehrte statt dessen zur Erde zurück und stürzte verseucht mit einer mysteriösen hochgradigen Strahlung, deren Ursache, wie verlautbart wurde, bislang völlig unbekannt ist, in den Atlantischen Ozean. Kann diese Strahlung für die Epidemie von Tod und Grauen, deren Zeugen wir zur Zeit sind, verantwortlich sein? Spekulative Antworten auf diese Frage kursieren hier in Washington und auch anderswo, während das Weiße Haus sich in Schweigen über die wissenschaftlichen Theorien hüllt und versucht, den Notstand auf Vergeltungsbasis zu lösen. Die Regierung stellt Widerstandsmannschaften in Form von Such– und Vernichtungstrupps gegen die Angreifer zusammen: Die Einzelheiten dieser Unternehmungen sind bisher nicht bekannt. Zu Krisensitzungen im Pentagon und im Weißen Haus waren Reporter nicht zugelassen, und militärische und zivile Berater auf dem Weg zu und von diesen Zusammenkünften haben Reportern sämtliche Interviews verweigert und keinerlei Fragen beantwortet. Ich wiederhole: Das jüngste offizielle Communique aus dem Pentagon hat bestätigt, daß die Angreifer tot sind. Es handelt sich nicht um Eindringlinge von einem fremden Planeten. Es sind die vor kurzem Verstorbenen von unserer Erde. Nicht alle kürzlich Verstorbenen sind wieder zum Leben erwacht, doch in einigen Gebieten, vor allem an der Ostküste und im Mittleren Westen, ist das Phänomen weiter verbreitet als anderswo. Warum der Mittlere Wesen so stark betroffen ist, läßt sich nicht erklären, nicht einmal mit wildesten Spekulationen. Möglicherweise spielt das Eindringen der Venus-Sonde so nah an der Küste eine Rolle. Im Augenblick haben wir keine Antworten. Vielleicht werden wir die genauen Ursachen für das grauenhafte Phänomen, dessen Zeugen wir zur Zeit sind, niemals erfahren.

Es besteht allerdings eine gewisse Hoffnung, die Bedrohung unter Kontrolle zu bekommen. Vielleicht ist es nur noch eine Frage von Tagen oder Wochen. Es wurde nämlich festgestellt, daß die Angreifer durch einen Kopfschuß oder einen heftigen Schlag auf den Schädel getötet – oder müßte man sagen wieder getötet? – werden können. Sie fürchten das Feuer und brennen leicht. Diese Wesen haben sämtliche Eigenschaften von Toten – außer daß sie nicht tot sind – und aus Gründen, die wir bislang nicht verstehen, wurden ihre Gehirne wieder aktiviert, und sie sind Kannibalen.

Soeben erhielt ich eine neue Nachricht, die besagt, daß jeder, der einer von den Fleischfressern verursachten Wunde erliegt, in der gleichen Form wieder zum Leben erwachen kann wie sein Angreifer. Die Krankheit, oder was immer es sein mag, wird demnach durch offene Wunden oder Schrammen übertragen und zeigt sich wenige Minuten nach dem vermeintlichen Tod der verwundeten Person. Jeder, der während dieser Notstandslage stirbt, muß auf der Stelle enthauptet oder verbrannt werden. Den Überlebenden werden diese Maßnahmen emotional nicht leichtfallen, doch sie müssen unter allen Umständen, nötigenfalls von seiten der zu alarmierenden Autoritäten, durchgeführt werden. Wer während dieser Notstandslage stirbt, ist nicht eine Leiche im üblichen Sinne. Es handelt sich um totes, aber höchst gefährliches Fleisch, das eine Bedrohung für das Leben des gesamten Planeten darstellt. Ich wiederhole: Die Leichen der in dieser Zeit Gestorbenen müssen sofort verbrannt oder enthauptet werden.«

Auf dem Fernsehbildschirm über der Bar lief der Bericht über den Busunfall und die merkwürdigen Ereignisse, die darauf folgten. Der Kommentar war zu ausführlich und sensationslüstern, die Kameras verweilten unnötig lange auf den Bahren, auf denen die Toten aus der blutigen Lichtung weggeschafft wurden, dachte McClellan. Die meisten Tragen waren zugedeckt, und der Zustand der Leichen war nicht deutlich zu erkennen, doch der Sprecher füllte die Lücken mit gräßlichen Einzelheiten, welche die Kameras gnädig ausgelassen hatten.

McClellan wandte den Blick vom Bildschirm ab. Er und Greene hatten einen Drink nehmen wollen, um die Bilder des Tages verblassen zu lassen. Die beiden Männer waren völlig ausgelaugt, körperlich und seelisch, und brauchten ein ruhiges Plätzchen, um sich hinzusetzen und die Ereignisse zu sortieren. Sie hatten diese Kneipe ausgewählt, weil sie selten stark besucht war, und als sie eintraten, waren, genau wie sie gehofft hatten, keine Kunden da. Der Sheriff hatte einen Schnaps und ein Bier bestellt, und Greene hatte es ihm gleichgetan. Wortlos kippten sie den Schnaps hinunter. Keinem der beiden war nach einem Gespräch zumute, doch beide waren froh über die Gesellschaft des anderen. Als sie gerade das Bierglas zur Hand genommen hatten, flog die Tür auf, und ein Mann betrat die Kneipe. Er schwankte ein bißchen, schätzte die Situation nach der Möglichkeit einer passenden Unterhaltung ab, ging dann zur Bar und ließ sich auf dem Hocker neben McClellan nieder.

McClellan vermied es, seinen neuen Nachbarn anzuschauen. Er kannte ihn nicht und verspürte kein Verlangen, seine Bekanntschaft zu machen. Vor allem wollte er, nach all dem, was er gerade durchgemacht hatte, unter keinen Umständen in ein geistloses Gespräch mit einem Betrunkenen verwickelt werden. Und die Fernsehübertragung der Tagesereignisse hatte ihn noch zusätzlich genervt.

Der Neuankömmling hatte einen Blaumann an und trug eine metallene Butterbrotdose bei sich, die er auf die Theke knallte. Lautstark bestellte er einen doppelten Seagram's 7 und eine Flasche Budweiser. Der Mann kippte schnell den Whiskey hinunter und verlangte einen neuen. Dann schaute er mit blutunterlaufenen Augen auf den flimmernden Bildschirm über der Theke. Er rülpste und nuschelte Kommentare zu Passagen der Nachrichten, die ihm auf schiefe Weise amüsant erschienen – oder er schaute direkt zu McClellan, als erwarte er, daß der Sheriff ebenfalls zustimmend rülpsen und nuscheln würde. Als sein Rülpsen und Nuscheln keine Antwort erhielt, begann der Betrunkene vor sich hin zu brabbeln; und als auch auf das Gebrabbel keine Antwort kam, fing er an, laute Kommentare von sich zu geben.

Die beiden Polizisten schwiegen. McClellan bemühte sich, sein Gesicht zu Greene gewandt zu halten, weil er hoffte, daß der Betrunkene den Hinweis verstehen und ihn in Ruhe lassen würde. Doch der Blick des Sheriffs schoß zu dem Fernseher, als er seine eigene Stimme hörte. Es war ein Interview, das er an der Unfallstelle gegeben hatte.

»Sie sagen es, Sheriff«, bemerkte der Betrunkene, der sich schnell genug umgedreht hatte, um McClellans Blick aufzufangen, als dieser zum Fernseher schaute. »Ja, ja«, seufzte McClellan.

Greene lächelte seinem Vorgesetzten mitfühlend zu. Er wußte, daß das Allerletzte, wonach McClellan jetzt der Sinn stand, eine Unterhaltung über die Ereignisse des Tages war. Der Betrunkene redete mit schwerer Zunge weiter. »Sheriff, ich meine, die Leute haben recht. Diese verdammten Bolzen in die Schädel rammen. Zur Sicherheit. Sie wissen schon, was ich meine?«

McClellan ließ sich von dem Barhocker gleiten, zog seine Brieftasche und knallte ein paar Geldscheine auf die Theke. »Kommen Sie, Greene, wir gehen.«

Der Wirt zählte das Geld, und der Betrunkene rief hinter den beiden Gesetzesvertretern her: »Es ist schon mal passiert, es kann wieder passieren! Sie haben es doch erlebt, Sheriff! Sie haben's mit Ihren eigenen Augen gesehen!« McClellan und Greene traten in die kalte Nacht hinaus und gingen schnell weiter. Beide hatten das Bedürfnis, die Kneipe so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Die Nacht war sehr klar, der schwarze Himmel von unzähligen Sternen übersät. Der Verkehr rollte an den beiden Polizisten vorbei in stetigem Strom die Straße entlang, die an einem kleinen Park vorbeiführte.

»Lassen Sie uns zusehen, daß wir von hier wegkommen«, drängte McClellan und beschleunigte seine Schritte. »Können Sie mich zu Hause absetzen? Meine Frau hat den Wagen.« Sie überquerten die Fahrbahn und steuerten auf den Streifenwagen zu, den sie am äußeren Ende des Parks abgestellt hatten. Als sie sich dem Wagen näherten, blieb Greene plötzlich stehen und streckte seinen Arm aus, um McClellan aufzuhalten. »Haben Sie das gehört?« flüsterte er und starrte in die Richtung einer etwa fünfundzwanzig Meter entfernten Baumgruppe.

Beide blieben stehen und lauschten. Sie hörten Rascheln im Laub und etwas, das wie ein Handgemenge klang – dann den Schrei einer Frau. Sie zogen ihre Dienstpistolen und rannten los. Sie hasteten in den finsteren Park und sahen drei Gestalten, die miteinander rangen. Zwei von ihnen hoben sich als Silhouetten vor dem Sternenhimmel ab, und als sie die beiden Polizisten auf sich zurennen sahen, richteten sie sich auf, um zu fliehen. Die zwei Männer hatten eine Frau überfallen. Die Unterbrechung hatte es ihr ermöglicht, sich aufzurappeln, doch einer der Männer stieß sie zu Boden, während er zu fliehen versuchte. »Halt! Polizei!« brüllte Greene. McClellan feuerte einen Warnschuß in die Luft. Greene schaute auf den efeubewachsenen Boden, um beim Laufen nicht zu stolpern, und sah die eine der dunklen Gestalten nicht, die in dem Augenblick, als McClellan den

Schuß abgab, hinter ein Gebüsch tauchte. Greene blinzelte, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, und rannte mit gezogenem Revolver weiter.

Die Frau lag noch immer am Boden, erschöpft und unter Schmerzen, doch es war ihr gelungen, den Knöchel eines ihrer Angreifer zu fassen, und mit der Stärke, die man in Extremsituationen entwickeln kann, klammerte sie sich daran fest. Der Mann balancierte auf einem Bein und strampelte und trat mit dem anderen um sich, in der Hoffnung, sich aus dem Griff der Frau zu befreien. Schließlich schnellte er einen kräftigen Tritt mit seinem schweren Stiefelabsatz gegen den Kiefer der Frau. Mit einem lauten Schnappgeräusch brach der Frau das Genick, und sie ließ ihn los.

Greene erreichte den Mann genau in diesem Moment, sprang ihn an, und beide gingen schwer zu Boden. Der Mann befreite sich aus Greenes Griff, kam auf die Füße, und Greene folgte ihm. Plötzlich krachte ein Schuß aus dem Gebüsch, Greene taumelte, stolperte ein paar Schritte vorwärts und stürzte zu Boden.

McClellan schoß auf der Stelle und traf den Mann im Gebüsch voll in die Brust, so daß er wie eine Ente im Schießstand nach hinten kippte.

Der andere Angreifer flüchtete aus dem Park zur Straße. McClellan drehte sich bedächtig um, folgte dem Fliehenden mit dem Lauf seiner Pistole und zielte sorgfältig. Der Mann hatte die Straße erreicht, sprang durch den herrschenden Verkehr, und die Fahrer bremsten mit quietschenden Reifen bei dem Versuch, ihm auszuweichen. McClellan drückte auf den Auslöser und der Flüchtige wurde getroffen, zuckte und wurde mit dem Kopf voran über die Haube eines auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkten Autos geschleudert.

McClellan trat neben Greene, kniete sich hin und tastete seine Brust ab. Seine Hand war voller Blut. Er legte zwei Finger auf Greenes Handgelenk, doch er konnte keinen Puls fühlen.

Greene war tot. McClellan wischte sich die Hand im Gras sauber.

Dann untersuchte er die Frau. Sie war ebenfalls tot. Sie hatte das Genick gebrochen, und ihr Kopf war grotesk zur Seite geknickt. Ihre Kleider waren zerschlissen, und sie hatte Prellungen im Gesicht, an den Schultern und den Schenkeln. Vergewaltigung verursachte McClellan Übelkeit. Was vermutlich als Geplänkel angefangen hatte, war so zu Ende gegangen. McClellan hatte es nur allzuoft erlebt. Mit schußbereiter Pistole näherte sich McClellan dem geparkten Wagen, auf dessen Motorhaube der Mann lag, den er erschossen hatte. Sein Sturz mit dem Kopf voran war von der Windschutzscheibe aufgefangen worden, sein Kopf hatte ein spinnwebeförmiges Muster in die Scheibe geschlagen. McClellan öffnete die Wagentür, die törichterweise von dem Besitzer nicht verschlossen worden war, und schaute durch die gesplitterte Windschutzscheibe in die weit aufgerissenen Augen des Toten. Waren es eine Geldbörse oder ein erzwungener Geschlechtsakt wert, auf diese Weise zu sterben? Und der Tod der beiden Männer konnte den Verlust von Greene nie wieder wettmachen. Noch vier Tote an einem vom Tod gezeichneten Tag, dachte McClellan. Ihm blieb nichts anderes übrig, als Greenes Familie in Kenntnis zu setzen und das Leichenhaus zu benachrichtigen.

Der Sheriff blieb am Ort, dirigierte den Verkehr und hielt Neugierige fern, bis die Polizeistreife und der Leichenwagen eintrafen. Dann ging er nach Hause ins Bett, erschöpft, aber mit dem Wissen, daß er nicht würde schlafen können.

Mehrere Stunden nach Mitternacht wurden zwei Tote in das Kreisleichenhaus gebracht. Sie wurden aus einem Leichenwagen geladen und auf fahrbare Bahren gelegt, eingewickelt in grüne Krankenhauslaken. Zwei Männer aus dem Amt des Leichenbeschauers standen herum und warteten, daß der Leiter des Leichenhauses und sein Assistent die nötigen Formulare zur Unterschrift fertig ausfüllten. »Sind das die beiden aus dem Park?« fragte der Leiter. Während seines Nachtdienstes war er immer froh über Gesellschaft.

»Das sind sie«, bestätigte der eine der beiden Männer knapper, als dem Leiter lieb war.

»Und was ist mit dem Adjutanten Greene und der Frau?« versuchte der Leiter die Unterhaltung forzusetzen. »Im Beerdigungsinstitut ONeil.«

Der Leichenhausleiter, der gerade die Formulare unterschreiben wollte, hob seinen Schreibstift und blickte auf. »Es ist wirklich ein Jammer um diesen Greene.« »Ja«, entgegnete der eine der beiden aus dem Amt des Leichenbeschauers ungeduldig.

Der Leichenhausleiter war schließlich mit den Formularen fertig. Er kratzte sich am Kopf und betrachtete die verhüllten Leichen. »Wir haben kaum noch Platz wegen der Busladung von heute nachmittag«, klagte er.

»Ich bin sicher, Sie kriegen die auch noch unter«, entgegnete der Leichenwagenfahrer. Er und sein Kollege stiegen in ihr Fahrzeug und fuhren davon.

Der Leichenhausleiter und sein Assistent schauten dem Leichenwagen nach, dann wandten sie sich den eingewik-kelten Gestalten auf den Bahren zu. »Na, dann wollen wir denen mal eine kostenlose Fahrt gönnen«, sagte der Assistent ohne eine Spur von Humor.

Sie schoben die Bahren in das Leichenhaus und in einen weitläufigen, kalten, sterilen Saal mit Reihen von lakenbedeckten Tischen, auf denen die Opfer des Busunglücks aufgebahrt lagen. Sie schoben die neue Lieferung in eine Ecke und wandten sich zum Gehen. Sie bemerkten nicht, daß der Arm eines der locker zugedeckten Toten des nachmittäglichen Unfalls unter dem Laken herausglitt und nach unten baumelte. Die Finger zuckten kaum wahrnehmbar. Der Leichenhausleiter und sein Assistent gingen in ihr Büro zurück, und der Leiter erklärte, der andere sei diesmal an der Reihe, Kaffee zu machen. Ein kleines Radio war eingeschaltet und auf eine Talkshow, welche die ganze Nacht dauerte, eingestellt. Jemand rief an und sagte, daß die Autoritäten damals vor zehn Jahren, als die Toten wieder zum Leben erwacht waren, eine größere Anstrengung hätten machen müssen, um die genauen Ursachen herauszufinden, statt alles zu unterdrücken, sobald die Sache unter Kontrolle zu sein schien. Der Anrufer meinte, daß es sich um eine Art Sporen oder so etwas gehandelt haben könnte. Er fügte hinzu, daß, falls es etwas gab, das in der Lage war, Tote wieder lebendig zu machen oder zumindest den vollständigen, endgültigen Tod zu verhindern, seien es nun Sporen oder andere Auslöser der Seuche, diese untersucht und eventuell als Medikament hätten eingesetzt werden können. Vielleicht hätte sogar die Möglichkeit bestanden, sie dazu zu benützen, die allgemeine Lebenserwartung zu vergrößern.

Der Talkshowmaster hüstelte nervös und erklärte, daß die Sporen oder die Strahlung oder was immer vor zehn Jahren den Terror ausgelöst hätte, vermutlich vom Planeten Venus stammten und daß die Wissenschaft heute der Ansicht sei, auf Venus gebe es kein Leben. Und wenn es dort kein Leben gab, fuhr er fort, wie konnte der Planet dann über eine Substanz -oder Kraft – verfügen, die ewiges Leben schenkte? Der Anrufer erwiderte, daß er keine Ahnung habe, aber daß es unbedingt untersucht werden müsse.


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