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Das Atmen der Bestie
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 06:01

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Автор книги: Graham Masterton


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Ich legte den nutzlos gewordenen Hörer hin. »Ich glaube ja. Dan Machin hat sich mit Bryan Corder in einem Zimmer eingeschlossen. Die Belegschaft des Krankenhauses kommt nicht an sie heran.«

George Thousand Names stopfte weiter seine Pfeife und griff nach den Streichhölzern. »Das klingt, als ob es losgeht«, sagte er. »Vielleicht fahren wir besser hinunter.«

»Wir?«

Das Indianermädchen brachte die Getränke und George Thousand Names hob sein Bourbonglas.

»Sie glauben doch wohl nicht, dass ich den Weißen den größten indianischen Dämon allein überlassen werde, oder? Über dieses Ereignis werden die roten Männer noch in Generationen sprechen. Jetzt trinken wir erst einmal auf die Verwirrung unserer Feinde.«

Ich hob meinen Wodka. »Ich weiß nichts über die Verwirrung unserer Feinde«, meinte ich trocken. »Ich weiß aber verdammt genau, dass ichvöllig verwirrt bin.«

In dieser Nacht fuhren wir mit über 90 Meilen pro Stunde nach San Francisco zurück, während Insekten auf der Windschutzscheibe zerklatschten und unsere Gesichter grün im Licht der Armaturenbeleuchtung des Jaguars schimmerten. Mit quietschenden Reifen nahmen wir die Kurven den Berg hinunter, bis wir auf die 101 trafen, auf der wir uns durch Willits, Ukiah, Cloverdale und zurück ins Sonoma County schlängelten. Es war kurz nach Mitternacht, als wir in Marin County ankamen, und erst als ich das Glitzern der Lichter über der dunklen Bucht von San Francisco sah, nahm ich den Fuß vom Gaspedal und fuhr mit 40 über die Golden Gate Bridge.

George Thousand Names hatte bequem auf dem Rücksitz geschnarcht, erwachte aber mit einem Satz, als wir vom Presidio Drive abbogen und in Richtung Krankenhaus fuhren. Er streckte sich und sagte: »Die verflixten englischen Wagen zwingen einen, die ganze Zeit aufrecht zu sitzen. Für wen halten Sie mich eigentlich, für einen Adligen vom Lande?«

»Sie hätten ja nicht mitfahren brauchen«, erinnerte ich ihn, während wir in die Einfahrt bogen und in den Hof des Krankenhauses einfuhren.

»Das wäre ja so, als hätte man versucht, Custer davon abzuhalten, zum Little Big Horn zu reiten.«

»Sind Sie so pessimistisch?«, fragte Jane.

George Thousand Names schnäuzte sich ziemlich laut. »Pessimismus ist nicht gerade eine indianische Eigenschaft. Ich habe das Omen des heutigen Tages befragt, bevor wir losfuhren, und das scheint in Ordnung, obwohl ich hinzufügen muss, dass eine Wolke am Horizont steht, nicht größer als die Faust eines Mannes.«

»Das sind die Vögel«, sagte ich und zeigte nach oben. »Es scheint so, als ob das Gesundheitsamt den Versuch aufgegeben hat, sie fortzujagen.«

Die Scheinwerfer glitten über die Reihen der grauen Vögel, als wir die Einfahrt hochfuhren. Dann parkte ich den Jaguar und wir stiegen aus. George Thousand Names stand in der frischen Nachtluft und starrte auf die stummen, gefiederten Zeugen von Coyotes Wiedergeburt.

»Und?«, fragte ich.

Er nickte. »Es gibt keinen Zweifel. Dies sind die seltenen Vögel, die wir die ›Graue Traurigkeit‹ nennen. Man hat sie in großen Ansammlungen bei Wounded Knee und beim Begräbnis von Sitting Bull gesehen, ebenso als Rain-in-the-Face starb. Es sind die Vögel der Trauer und des Unglücks.«

Jane kam zu mir und fasste nach meiner Hand. Ihre eigene Hand war sehr kalt. »Bedeutet ihre Anwesenheit wirklich, dass Coyote hier ist?«

George Thousand Names hob den Kopf, als ob er in den Wind schnüffelte, und fragte uns: »Können Sie etwas riechen?«

Ich schnupperte. »Nicht viel. Ich habe eine Nasenverkrümmung.«

Jane sagte: »Es riecht wie … Ich weiß nicht genau, wonach.Wie Hunde … Wie Hunde, wenn sie nass sind.«

Er nickte und sagte nichts weiter. Ich nahm Janes Arm und führte sie zu den Krankenhaustüren und er folgte uns, sah dabei ab und zu hinauf zu den Vögeln, der Grauen Traurigkeit. In seinem Blick lag der Ausdruck von Misstrauen und Angst, wie bei einem Jungen, den man in eine Leichenhalle führt, damit er sich den Leichnam seines Vaters ansieht.

Bei den Aufzügen standen zwei uniformierte Wachpolizisten des SFPD. Einer von ihnen kam durch das Foyer auf uns zu und hob die Hand.

»Tut mir leid, Sir. Im Moment darf niemand hier hinein.«

»Ich bin mit Dr. Jarvis verabredet. Er erwartet uns.«

Der Polizist sah uns prüfend an. »Es tut mir leid. Ich habe strikte Anweisungen, niemanden hinaufzulassen.«

»Wie meinen Sie das?«, fragte ich. »Dr. Jarvis hat vor drei oder vier Stunden mit mir telefoniert und wir kommen jetzt extra aus Round Valley.«

»Mister«, sagte der Polizist geduldig. »Es wäre mir auch egal, wenn Sie vom Mars kämen. Meine Befehle lauten: Niemand fährt hoch.«

Der zweite Polizist kam heran: »Das stimmt. So lauten die Befehle.«

»Jetzt hören Sie doch zu, verdammt noch mal …«, entgegnete ich.

George Thousand Names unterbrach mich. »Wir haben eine Erlaubnis«, erzählte er dem Polizisten ruhig. »Möchten Sie sie sehen?«

Die Polizisten schauten ihn misstrauisch an. Aber George Thousand Names griff in seine rote Windjacke und hob eines der goldenen Amulette in die Höhe, die um seinen Hals hingen.

»Was ist das?«, fragte einer der Polizisten.

»Schauen Sie es an«, bat George Thousand Names. »Schauen Sie nur.«

Irgendwie fing er das Licht des Foyers mit dem Amulett auf und ließ es in die Augen der Polizisten scheinen. Die schienen zu blinzeln und erstarrten, dann traten sie einen Schritt zurück, als hätte sie jemand aus dem Weg gestoßen.

Ich sah George Thousand Names an und dann Jane, aber Jane zuckte nur die Achseln.

»Wir haben eine Genehmigung und dürfen hier hinein«, sagte George Thousand Names laut. »Haben Sie verstanden?«

Die beiden Polizisten nickten. Einer von ihnen drehte sich wie ein Schlafwandler um und öffnete uns die Türen des Aufzugs. Wir traten ein. George Thousand Names flüsterte zu mir: »Immer zu Ihren Diensten, Mr. Hyatt«, und ich drückte auf den Knopf für die fünfte Etage.

»Ist das eine Art Hypnose?«, fragte ich, während wir langsam aufwärtsfuhren. »Sie haben das doch mit dem Amulett gemacht?«

Der Medizinmann stopfte es in seine Windjacke zurück. »Wir nennen es ›Den Weg der Freundlichen Eroberung‹. Es ist eine Art Hypnose, ja, aber sie hat den Vorteil, eine Gehorsamstrance für nur wenige Augenblicke herbeizuführen, Augenblicke, an die sich das Opfer nie mehr erinnern wird. Sie können sie nicht auf Leute anwenden, die aggressiv sind oder sich vorgenommen haben, der Hypnose zu widerstehen. Aber es klappt ganz gut bei normalen Menschen, deren Gemütslage ziemlich entspannt ist.«

»Aber werden die Polizisten jetzt nicht nach uns suchen?«, fragte Jane.

George Thousand Names schüttelte den Kopf. »Das ist unwahrscheinlich. Sie werden vielleicht jetzt gerade da unten stehen und die Köpfe schütteln, weil sie das sichere Gefühl haben, dass irgendetwas nicht stimmt, aber sie werden absolut nicht wissen, was es sein könnte.«

Wir erreichten den fünften Stock und die Aufzugtüren öffneten sich. George Thousand Names ging höflich an Janes Seite in den Flur und ich folgte ihnen und schaute mich nach den Anzeichen der schrecklichen Panik um, von der Jim bei seinem Anruf gesprochen hatte.

Der Flur lag ruhig vor uns. Ich horchte einen Augenblick, konnte aber noch nicht einmal die Geräusche eines geschäftigen Privatkrankenhauses vernehmen wie etwa Rollwagen, Gespräche oder Durchsagen für die Ärzte. Nichts – nur das Surren des Aufzugs, als dessen Türen sich hinter uns schlossen und er in eine andere Etage hinauffuhr.

»Ich schlage vor, dass wir es am besten erst einmal in Dr. Jarvis’ Büro versuchen«, sagte ich. »Wenn er nicht dort ist, dann wird er sicher auf der Intensivstation sein, die ist weiter den Flur hinab.«

»Gehen Sie vor«, bat George Thousand Names. »Je eher wir dieses Monster in unsere Gewalt bekommen, desto besser.«

Jane lachte nervös. »Das hört sich ja an wie ein Frankenstein-Film.«

George Thousand Names steckte die Hände in die Taschen seiner Jeans, verzog das Gesicht und erwiderte pragmatisch: »Es ist schlimmer als das.«

Wir gingen über den weichen roten Teppich bis zu Jims Büro. Ich hielt den Atem an und klopfte an die Tür. Wir warteten, aber es kam keine Antwort.

George Thousand Names, dessen Augen in seinem Ledergesicht ruhig wie die einer Eidechse aussahen, meinte: »Ich hoffe, Sie haben diesem Arzt gesagt, wem er da gegenübersteht.«

Ich öffnete Dr. Jarvis’ Tür und schaute mich prüfend in dem kleinen Zimmer um. Es war sauber und ordentlich. Auf dem Schreibtisch stand noch ein dampfender Kaffeebecher, verlassen, wie die letzte Mahlzeit auf der Marie Céleste.Ein Zigarettenstummel schwelte in dem übervollen Aschenbecher. Die nahezu leere Ginflasche stand auf dem Kunststoffschränkchen.

»Gespenstisch«, flüsterte Jane.

»Sie müssen hinten in der Intensivstation sein«, sagte ich. »Es geht da entlang, auf der linken Seite.«

Als wir um die Ecke bogen, begannen wir zu laufen. Ich weiß nicht, warum. Die Stille gab uns irgendwie das Gefühl der Dringlichkeit – je länger es so totenstill blieb, desto unheimlicher kam uns alles vor. Alles, was wir hörten, war unser eigenes Atmen und das heftige Rascheln der Kleidung, weil wir uns so schnell bewegten.

Ich machte mir nicht einmal die Mühe, an die Doppeltüren der Station zu klopfen. Ich drückte sie einfach auf, hinein in das Flimmern und die Schatten und das blaue Zwielicht der Welt, in der Bryan Corder sein unnatürliches Leben weiterlebte.

Dr. Jarvis war da, ebenso Dr. Crane, Dr. Weston und Lieutenant Stroud von der Polizei; außerdem zwei verwirrte, stämmige Polizisten.

Jim drehte sich um, als wir eintraten. »Du hast es geschafft. Ich hatte schon Angst, dass es nicht klappt.«

»Was ist denn los?«, fragte ich. »Was ist hier passiert?«

Jim nahm meinen Arm und führte mich nach vorne zur Glaswand, die den Blick in die Tiefen der eigentlichen Station freigab. Drinnen brannte immer noch das blaue Licht, aber irgendwie erschien das Licht schwächer und viel unruhiger, ähnlich wie das kalte Leuchten, das in den Nächten über die See schwebt. Ich konnte die Umrisse des Bettes erkennen, Ständer mit Infusionslösungen und einige silberne Geräte, die darumstanden. Ich glaubte, die knochenweiße Wölbung von Bryan Corders Schädel zu erkennen, aber auf dem Bett selbst lag ein undefinierbares Gewirr von verdrehten Gliedern und Fleisch. Genaueres konnte ich nicht unterscheiden, weil es zu dunkel war.

»Dan Machin ist da drin?«, fragte ich. »Ich sehe ihn nicht.«

»Können Sie nicht hineingehen?«, fragte Jane.

Lieutenant Stroud, groß und kultiviert wie immer, antwortete: »Lady, wir stehen hier draußen nicht aus Gesundheitsgründen. Wir haben sechs-oder siebenmal versucht hineinzugelangen, aber jedes Mal wurden wir zurückgetrieben.«

»Zurückgetrieben?«, fragte ich. »Was meinen Sie mit ›zurückgetrieben‹?«

»Versuchen Sie es selbst«, schlug Lieutenant Stroud vor. »Die Tür befindet sich direkt vor Ihnen.«

Ich ging schon vorwärts, aber George Thousand Names sagte, und das sehr leise: »Tun Sie es nicht, Mr. Hyatt. Es lohnt sich nicht.«

Lieutenant Stroud fragte: »Was wissen denn Sie?«

George Thousand Names schaute ihn durch das Dämmerlicht an, und ich sah, dass er ein Lächeln unterdrückte.

»Das ist George Thousand Names, Lieutenant«, sagte ich. »Wir haben ihn heute Nacht vom Round Valley Reservat mitgebracht.«

»Schwätzen Sie immer noch von diesem Indianerkram?«

»Nennen Sie es ruhig Schwätzen«, entgegnete ich gelassen. »Aber bisher ist es die einzige vernünftige Erklärung. George Thousand Names glaubt, dass wir Zeuge der Wiedergeburt eines indianischen Dämons aus der frühen Zeit sind.«

Lieutenant Stroud sah Dr. Jarvis, dann die anderen Ärzte und danach seine beiden Plattfüße an. Dann wandte er sich mit sarkastischem, missratenem Lächeln George Thousand Names zu. »Ein indianischer Dämon aus der frühen Zeit? Ich habe das richtig verstanden?«

George Thousand Names war zu alt und zu selbstbeherrscht, als dass er sich durch Sarkasmus herausfordern ließ. Er nickte nur. »Das ist richtig. Der Name des Dämons lautet Coyote, manchmal wird er auch der Erste, der Worte zur Gewalt benutzte, genannt. Er wird allgemein als ein Dämon der Verwirrung, des Zorns, des Streites angesehen, abgesehen von seiner unersättlichen Gier nach Frauen.«

Lieutenant Stroud lachte auf, kurz und hart. »Der dämonische Frauenschänder?«

George Thousand Names lächelte, blieb aber beherrscht. »Das ist genau richtig, Lieutenant. Der dämonische Frauenschänder. Es gibt ein altes Lied der Navahos, das erzählt, wie Coyote auf einem Bergpfad einst eine junge Frau traf, wie er sie dazu brachte, ihr Kleid für ihn zu heben. Ein charmantes Lied, auf seine Weise. Aber es erwähnt nicht, dass Coyote der wildeste und am fürchterlichsten aussehende Dämon aller Zeiten war und dass er sich nicht gerade wie ein Gentleman benahm, wenn er eine Frau verführte.«

»Was meinen Sie mit nicht wie ein Gentleman benahm?«, fragte Lieutenant Stroud kühl.

»Es sind Damen anwesend.«

»Keine der Damen hier wird sich über anatomische Einzelheiten aufregen, wenn Sie auf so etwas rauswollen.«

»Das ist es nicht«, antwortete George Thousand Names. »Wenn es diesem Dämon gelingt, wieder ins Leben zurückzukehren, dann wird keine Frau in San Francisco vor ihm sicher sein, und ich möchte die Damen nicht unnötig beunruhigen.«

»Spucken Sie es schon aus«, forderte Lieutenant Stroud. »Wenn hier etwas passiert, dann will ich auch wissen, was!«

»Nun gut«, meinte George Thousand Names. »Coyote verführt zunächst seine Frauen, dann behandelt er sie auf eine Weise, die bei den Navahos die ›Pein der Drei‹ heißt.«

Jane sagte: »Mein Gott, davon habe ich gehört.«

George Thousand Names strich ihr über den Arm. »Es war die seltsamste aller alten Foltern, und ihre Geschichte reicht weit zurück in die Zeit vor der Zivilisation der nordamerikanischen Stämme. Viele unserer weisen Männer behaupten, dass es die persönliche Erfindung Coyotes gewesen ist, aber wer kann das wissen?«

Jim krauste die Stirn. »Ich habe nie von der ›Pein der Drei‹ gehört. Was zur Hölle ist das?«

George Thousand Names berührte eines seiner Amulette um seinen Hals. Er sprach mit tonloser Stimme: »Zur ›Pein der Drei‹ gehörte das Aufschneiden eines Frauenmagens, in den wurde ein lebendes Reptil genäht, etwa eine Krusteneidechse. Danach schnitt man ein Pferd auf, manchmal auch eine Kuh, weidete sie aus und die Frau wurde dann in das Pferd eingenäht. Die Kunst der Marter bestand darin, alle drei Opfer, die Echse, die Frau und das Pferd, so lange wie möglich am Leben zu halten.«

Dr. Weston sagte: »Ach, hören Sie auf. Das erfinden Sie doch nur.«

George Thousand Names schüttelte den Kopf. »Prüfen Sie es bei Ihren eigenen Anthropologen nach, wenn Sie wollen. Die Skelette einer Echse, einer Frau und eines Pferdes, ineinandergesteckt wie ein chinesisches Puzzle, wurden am Lake Winnemucca, in Nevada, ausgegraben; und das ist kaum sechs Jahre her. Es war Professor Forrester von der Universität Colorado.«

Lieutenant Stroud zog an seiner Unterlippe. »Okay, Mr. Thousand Names. Wenn Sie also wissen, was sich so alles abspielt, was meinen Sie denn, tut sich hier drinnen?«

Er deutete durch die Glaswand auf die trüben, schattenhaften Formen auf dem Bett der Intensivstation. Irgendetwas bewegte sich dort drinnen, eine Silhouette, massig und dunkel. Sie bewegte sich mit den unkontrollierten krampfhaften Zuckungen, die man bei Insekten beobachten kann, wenn sie aus der Puppe schlüpfen.

George Thousand Names antwortete: »Die graue Traurigkeit zu sehen war mir Beweis genug. Was Sie hier erleben, ist das Zusammenkommen von Coyote, dem widerwärtigsten aller indianischen Dämonen. Als er in die Unterwelt verbannt wurde, versteckte er seinen Atem, sein Blut und seinen Herzschlag, und jetzt ist es ihm gelungen, alle Teile wieder an einem Ort zu versammeln. Er kehrt ins Leben zurück, ob Sie es nun mögen oder nicht.«

Lieutenant Stroud starrte George Thousand Names eine ganze Weile an, seine Augen funkelten aufmerksam in der Dunkelheit. »Sie glauben das also wirklich. Sie glauben wirklich, dass das hier passiert.«

»Das hat nichts mit Glauben zu tun, Lieutenant, oder mit religiösen Vorstellungen – ich weiß,was vor sich geht. Es ist für mich so klar wie für Sie ein platter Reifen. Es ist eine Tatsache«, bekräftigte George Thousand Names.

»Was geht dann da … da drinnen vor sich?«, fragte Jim.

»Holen Sie eine Taschenlampe und Sie werden es sehen«, erwiderte George Thousand Names, meiner Ansicht nach viel zu ruhig. »Der Atem und der Herzschlag vereinigen sich. Bald, dann wird Coyote sein Blut und sein schreckliches Gesicht benötigen.«

»Jane«, sagte ich leise in ihr Ohr. »Der Türklopfer in der Pilarcitos Street. Könntest du ihn holen? Schlag ihn mit einem Hammer von der Tür, falls es nötig ist.«

Jane griff nach meinem Arm. »Ich möchte jetzt nicht von dir fortgehen, John. Jetzt nicht.«

Ich zog eine Zehn-Dollar-Note aus der Tasche und drückte sie ihr in die Hand. »Du wirst ja nicht lange fort sein. Nimm ein Taxi. Aber besorge uns diesen Türklopfer, bevor ihn sich jemand anderes holt.«

Jane blickte mich mit ihren großen, chinablauen Augen an, legte ihren Arm um meinen Hals und küsste mich. »Vielleicht wären wir besser zusammengeblieben, du und ich«, flüsterte sie. Jane verließ den Raum und machte sich auf den Weg zu Seymour Wallis’ Haus.

Lieutenant Stroud sagte: »Wir haben es bereits mit Taschenlampen versucht. Vielleicht liegt es am Glas, aber wir kommen mit dem Lichtstrahl nicht durch.«

George Thousand Names blickte von Lieutenant Stroud zu Dr. Jarvis und dann wieder zurück. »In diesem Fall hat der große Coyote bereits mehr Kraft zurückgewonnen, als ich dachte. Er ist schon so mächtig, dass er Ihr Licht völlig absorbieren kann.«

Dr. Westen sagte: »Absorbieren? Wovon reden Sie?« Es war offensichtlich, dass sie wenig von der ethnischen Folklore dieses George Thousand Names hielt.

»Sie haben die letzte Ausgabe des Scientific Americannicht gelesen?«, fragte George Thousand Names. »Wenn ein Gegenstand genügend Dichte hat, dann kann er tatsächlich verhindern, dass Licht von ihm reflektiert wird. Er drängt das Licht auf sich selbst zurück durch seine intensive Abstoßungskraft. Das ist es, was hier vor sich geht. Coyote ist eine Bestie der Unterwelt, und das bedeutet, wenn man es so nennen will: Er ist ein lebendes schwarzes Loch.«

»Meinen Sie, dass er komplett unsichtbar sein wird?«, fragte Jim.

George Thousand Names schüttelte den Kopf: »Nur, wenn er es will.«

»Was ist mit seinem Blut?«, warf Dr. Crane ein. »Wenn sein Herzschlag und sein Atem sich hier verbinden, sollten wir dann nicht versuchen, Mr. Wallis zu isolieren? Er ist doch das Gefäß für das Blut dieses Dämonen, vermute ich.«

»Ja«, antwortete der Medizinmann. »Versuchen Sie, ihn von hier fortzuschaffen. Aber achten Sie auf die Vögel, achten Sie auf jeden magischen Trick, den Coyote versuchen wird, um Sie daran zu hindern.«

»Magische Tricks?«, fragte Lieutenant Stroud skeptisch. »Welche zum Beispiel?«

»Lieutenant, das hört sich vielleicht wie ein Scherz an, ist aber keiner. Wenn ich von magischen Tricks rede, dann meine ich keine Kaninchen, die man aus dem Hut zieht, oder Damen, die man zersägt. Ich rede von Tod, Verletzungen und Illusionen, wie Sie noch keine erlebt haben.«

Ich nickte. »Das könnte stimmen, Lieutenant. Alles, was George bisher gesagt hat, klingt logisch.«

»Wer hat Sie gefragt?«, knurrte Lieutenant Stroud.

Dr. Jarvis sagte: »Es hat keinen Zweck zu streiten, Lieutenant. Keiner von uns hat eine bessere Idee.«

»Meinen Sie das?«, fragte Lieutenant Stroud und drehte sich um. »Vielleicht habe ich eine bessere Idee. Vielleicht ist dieses ganze verfluchte Ding nur ein Schwindel.«

»Ein Schwindel?«, sagte ich. »Sie meinen, wir hätten wegen eines Schwindels einem Mann das Fleisch vom Schädel gerissen?«

»Na ja, dieser ganze dämliche Kram über indianische Dämonen –«

»Kram!«, meinte George Thousand Names zornig. »Sie bezeichnen unsere Dämonen als Kram!Sind Sie verrückt? Wissen Sie, wozu Coyote fähig ist? Haben Sie auch nur die geringste Vorstellung?!«

Lieutenant Stroud wich förmlich zurück vor George Thousand Names’ Ungestüm. »Tja, Sie erwähnten die Pein der Drei …«

»Das ist unwichtig!Das stellte er mit den Frauen an, mit denen er sich vergnügte und an denen er die Lust verlor. Coyote hat Kräfte, die jedes menschliche Vorstellungsvermögen übersteigen. Kräfte, die es für alle guten und bösen Götter zusammen fast unmöglich machen, ihn zu zerstören. Und das ohne die zusätzlichen Kräfte, die er von anderen Dämonen wie Big Monster und den Loogaroos gestohlen hat.«

»Loogaroos?«, fragte Lieutenant Stroud ungläubig.

»So nannten sie die französischen Siedler, als sie nach Amerika kamen. Es ist die Verfälschung des Wortes loups-garousund bedeutet ›Werwölfe‹. Coyote hat von ihnen alle Kräfte übernommen. Er bedeckte seinen Rücken mit dem Fell eines Werwolfes und seinen Kopf mit dem Skalp von Big Monster, und durch sie ist er nahezu unzerstörbar.«

Lieutenant Stroud hörte sich diesen Ausbruch an und stand anschließend lange Zeit schweigend da, während wir alle sein Gesicht beobachteten und uns fragten, was er wohl antworten würde. Zunächst glaubte ich, dass er alles, was George Thousand Names gesagt hatte, als Mist bezeichnen würde, doch dann sah ich, wie sein Gesichtsausdruck sich entspannte und die Falten um seinen Mund sich vertieften, und ich erkannte, dass die feste Überzeugung des Medizinmannes ihn sozusagen überzeugt hatte.

»Ich will wissen, was da drinnen vor sich geht, in dem Zimmer. Ich möchte, dass Sie es mir erklären«, meinte er schließlich.

George Thousand Names trat einen Schritt vor. Das blaue Licht, das aus der Intensivstation strahlte, ließ seine Augen glitzern und vertiefte die Furchen in seinem Gesicht mit azurblauen Linien. Er hob eine seiner faltigen Hände – ums Handgelenk hingen Perlenarmbänder und die Finger waren mit Silberringen geschmückt – und presste die Hand gegen das Glas, als könne er die Vibrationen fühlen, die von der dunklen, verschlungenen Masse ausgingen, die vielleicht Dan war, oder Bryan, oder beide, oder vielleicht auch keiner von ihnen.

Mit der anderen Hand fasste er nach seinem goldenen Amulett und sagte leise: »Es ist die Zeit für Coyote gekommen, sich wieder selbst zum Leben zu erwecken, sich aus dem Lehm des menschlichen Fleisches neu zu formen. Er benötigt Blut, aber er kann auch ohne Blut auferstehen. Er formt sich aus den Körpern derer, die seinen Herzschlag und seinen Atem aufnahmen. Seht!«

Die ganze Zeit, während George Thousand Names die Hand gegen das Glas gepresst hielt, muss er geistig gegen die Kräfte Coyotes gekämpft haben. Als er nämlich ›Seht!‹ sagte, wurde das blaue Licht deutlich heller, und in dieser kurzen und entsetzlichen Helligkeit konnten wir tatsächlich sehen, was er versucht hatte, uns zu erklären. Wir sahen den Anfang des Erscheinens von Coyote, dem Dämon, dem Frauenschänder und Verräter, dem Ersten, der Worte zur Gewalt benutzte.

Wir sahen Glieder, die sich auf dem Bett hoben und wieder herabsanken. Zunächst wirkte es wie Arme und Beine von Menschen, die in einem dunklen See untergehen – aber dann schien die in sich verknotete Fleischmasse sich zu erheben und fast aufrecht zu stehen. Ich konnte nur sprachlos hinstarren und fühlte, dass mir ein eiskalter Schauer über den Rücken lief.

Auf eine unbeschreibliche Weise waren Dan Machin und Bryan Corder zu einer Kreatur zusammengewachsen. Sie war fast zweieinhalb Meter groß und erhob sich blind von dem Bett. Bryans fleischloser Schädel bildete ihren Kopf, aber sie hatte von den beiden Männern die Beine und auch die Arme, die sie nach uns ausstreckte. Die beiden Rümpfe hatten sich in einem formlosen Doppelleib ineinander verschlungener Muskeln vereinigt, und Dan Machins gespenstisches Gesicht erschien einen Augenblick inmitten des Magens der Bestie, gegen die durchsichtige Haut gepresst, den Mund zu einem höllischen Schrei geöffnet.

Jim stammelte: »Das ist unmöglich!« Dr. Weston stöhnte, als hätte sie Schmerzen. Aber das blaue Licht wurde schon wieder schwächer und wir konnten nur noch die dunklen Umrisse des monströsen Geschöpfes erkennen.

Lieutenant Stroud sagte heiser: »Nun gut, Mr. Thousand Names, was ist das?«

George Thousand Names ging müde vom Fenster fort. »Es ist Coyote«, antwortete er schlicht. »Er nimmt viele Formen an, aber diese bevorzugt er. Er könnte auch als Frau, als Hirsch oder sogar als Fisch erscheinen. Es wird erzählt, dass er seine irdische Gestalt einmal aus einem Mädchen und einer Tarantel gebildet hat. Aber heute Abend wird er glücklich sein. Er hat zwei starke junge Männer für seine Reinkarnation, und unten im Leichenkeller liegt das Blut von Seymour Wallis.«

»Haben Sie die Anweisung erteilt, dass man das Blut fortschafft?«, fragte Lieutenant Stroud.

»Dr. Crane kümmert sich darum«, erwiderte Dr. Jarvis. »Seymour Wallis’ Körper ist jetzt sicher schon auf halbem Weg nach Redwood City.«

»Redwood City?«, fragte der Lieutenant. »Wieso denn nach Redwood City?«

»Elmwood Foundation finanziert ein Forschungscenter für Kälteerzeugung in Redwood. Wir können ihn dort so lange auf Eis legen, wie wir wollen.«

»Und was werden wir damittun?« Ich wies auf den düsteren Schatten in der Intensivstation. »Wir können da doch nicht einfach zusehen.«

Lieutenant Stroud sah mich ungeduldig an, als ob er sagen wollte, dass ich mich doch verdammt noch mal um meine eigenen Angelegenheiten kümmern solle, aber er ging zu Jim und legte ihm vertraulich die Hand auf die Schulter.

»Doktor«, sagte er. »Ist das Ding eine Bedrohung für menschliche Leben? Für das Leben Ihrer Belegschaft?«

Jim leckte sich über die Lippen. »Dafür habe ich noch keinen Beweis. Bis jetzt habe ich nur außergewöhnliche physiologische Abnormitäten beobachtet. Es hat uns noch nicht bedroht.«

George Thousand Names mischte sich ein. »Coyotes Existenz ist eine Bedrohung! Sobald das Blut wieder in seinen Adern pocht, wird er uns in Stücke reißen!«

»Haben Sie dafür Beweise?«, fragte Lieutenant Stroud. »Ich zweifle nicht an Ihrem Wort, Sir, aber das Ding da drinnen ist ja irgendwie menschlicher Natur und ich kann keine menschlichen Wesen erschießen, es sei denn, ich hätte triftige Gründe zu glauben, dass sie Leben oder Eigentum bedrohen.«

George Thousand Names stand starr wie der Stachel eines Stachelschweins, seine Augen schleuderten Blitze. Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf die Intensivstation. »Lieutenant, das ist Coyote! Er ist aus der Unterwelt zurückgekehrt! Was kann ich Ihnen noch sagen? Das ist Coyote!«

Lieutenant Stroud schaute zu den beiden Polizisten hinüber – einer von ihnen hob seine Augenbrauen, als wollte er damit sagen, George Thousand Names habe nicht alle Tassen im Schrank.

»Was meinen Sie, Doktor?«, fragte der Lieutenant Dr. Weston. »Ist das ein indianischer Dämon? Oder ist es nur ein medizinisches Monstrum?«

Obwohl Dr. Weston noch zitterte von dem, was sie in der Intensivstation gesehen hatte, antwortete sie: »Es ist ein Monstrum. Es muss eines sein. Ich habe noch nie so etwas gesehen, aber wir können es nicht töten.«

»Angenommen …«, begann Dr. Jarvis.

»Nichts angenommen!«, unterbrach Dr. Weston. »Jim, dieses Geschöpf ist das seltsamste medizinische Ereignis, das wir je gesehen haben. Es ist, als wären siamesische Zwillinge vor unseren Augen entstanden. Wir können es jetzt nicht zerstören. Auf keinen Fall!«

»Dr. Weston«, meldete ich mich, »Sie haben nicht gesehen, wie Bryan Corder verletzt wurde. Sie waren nicht dabei, als die Augen von Dan Machin aufleuchteten wie die des Teufels … Was auch immer da drinnen ist, ob ein Dämon oder nicht, wir müssen unbedingt sichergehen, dass es nicht noch jemanden tötet!«

Dr. Weston wollte gerade antworten, aber dazu kam sie nicht mehr. Was jetzt passierte, war wie ein Autobahnunfall. Er rauschte so schnell an meinen Augen vorbei, dass ich es kaum begreifen konnte. Ich erinnere mich aber noch an zwei lebhafte und schreckliche Dinge, und ich nehme an, dass ich sie nie vergessen werde.

Jim rief plötzlich: »Es kommt hier entlang!«

Als wir uns umdrehten, um auf die Intensivstation zu schauen, hörten wir schon das Klirren zerspringenden Glases. Tausend Teile der Beobachtungsscheibe schwirrten durch den Raum. Einer der Polizisten fiel sofort auf die Knie, sein Gesicht sah aus wie zerhackte Leber, der andere drehte sich zur Seite und hielt die Hände über die Augen – Blut rann durch seine Finger. Meine eigenen Wangen wurden in dem Splitterregen zerschnitten, aber es war nicht das Glas, was mich erstarren ließ.

Es war Coyotes Erscheinung: Aufgerichtet wie eine riesige, bleiche Gottesanbeterin, den grinsenden Schädel regungslos auf dem formlosen Rumpf, drückte er mit seinen vier Armen die Reste der Glaswand beiseite, ohne Zeit zu verlieren.

Und mit ihm kam diese Hitze. Die entsetzliche, glühende Hitze. In der Intensivstation mussten 200 Grad herrschen, und jetzt drang von dort ein trockener, sengender Wind mit Geheul heraus, während Coyote durch das zerbrochene Fenster schnellte.

Lieutenant Stroud riss seine Einsatzwaffe vom Gürtel der Hose und feuerte zweimal auf den monströsen Dämon. Aber Coyote schwang einen Arm in Strouds Richtung, der daraufhin durch den ganzen Raum geschleudert wurde und mit dem Rücken krachend an der Wand landete. Die Pistole schlitterte in die Masse aus zerbrochenem Glas.

Jim schrie: »John, halt ihn fest!«Aber ich wusste, dass es keine Möglichkeit gab, dieses Wesen zurückzuhalten, deshalb riss ich die Tür auf und schrie: »Sinnlos! Um Gottes willen, kommt hier heraus!«

George Thousand Names hielt die Hände schützend über seinen Kopf. Er stolperte so schnell er konnte aus dem Raum. Dr. Weston folgte ihm, dann Jim und ich. Der Polizist mit den blutenden Augen wollte Lieutenant Stroud helfen, aber der Dämon schlug wieder mit seinem Arm zu und der Polizist schrie auf und stolperte hilflos in Richtung Tür.

»Ich brenne!«,schrie er. »Holt mich heraus! Oh Gott! Ich brenne!«

Jim rannte auf ihn zu, aber der Polizist öffnete jetzt den Mund und – eine glühende Flamme leckte zwischen seinen Lippen hervor. Er brannte innerlich,sein Magen und seine Lungen brannten, und jedes Mal, wenn er um Hilfe schreien wollte, strömte die Glut der Flammen aus ihm heraus.

»John! Eine Decke! Hol mir eine Decke!«, rief Dr. Jarvis, aber es war zu spät. Der Polizist fiel gegen die Flurwand und rutschte auf die Knie, wobei er eine Spur brennenden Blutes an der Wand hinterließ. Dann fiel er in sich zusammen, blieb still vor unseren Augen liegen und zu unserem Entsetzen drangen die Flammen, die ihn innerlich verbrannten, jetzt langsam nach außen, züngelten, setzten seine Uniform in Brand und dann seinen gesamten Körper, bis er wie ein ritueller Selbstmörder lodernd vor uns auf dem Boden lag.


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