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Das Atmen der Bestie
  • Текст добавлен: 24 сентября 2016, 06:01

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Автор книги: Graham Masterton


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Триллеры


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2

Eines der schlimmsten Dinge, die man im Leben entdecken kann, ist, dass einige von uns es draufhaben – und andere eben nicht. Ich schätze, dass es so auch ganz richtig ist. Hätte jeder junge Mann das Talent, Flugzeuge zu fliegen, Rennwagen zu fahren oder in einer Nacht 20 Frauen zu lieben, dann würde es wohl nicht mehr viele Freiwillige geben, die verstopfte Kanalrohre reinigten. Aber es ist immer schwer, wenn man entdeckt, dass man selbstes nicht draufhat und man anstatt ein luxuriöses Leben voller Spaß und Anerkennung in Beverly Hills zu führen, einem Job von neun bis fünf Uhr im öffentlichen Dienst nachgehen muss.

Ich bin das Kind von klugen, wohlhabenden Eltern aus Westchester, New York. Als mein Vater einen Schlaganfall erlitt, verließ ich meine Mutter mit ihrem Haus und ihrem Versicherungsgeld und machte mich auf nach Westen. Ich glaube, ich wollte Fernsehmoderator werden oder etwas ähnlich Grandioses, doch nachher war ich froh, überhaupt etwas zum Essen zu verdienen.

Ich habe eine Frau geheiratet, die sieben Jahre älter war, hauptsächlich, weil sie mich an meine Mutter erinnerte, und zum Glück reichte sie die Scheidung ein, nachdem sie mich mit einer Serviererin aus dem Foxim Bett ertappte. Diese Affäre ging ebenfalls in die Brüche. So blieb ich alleine zurück – mittellos. Ich musste nun zum ersten Mal in meinem Leben für mich selbst sorgen, zu mir selbst finden und mir klar darüber werden, was ich wirklich erreichen konnte und was nicht.

Mein Name ist John Hyatt, einer dieser Namen, von denen die Leute glauben, dass sie ihn nicht vergessen werden, aber sie vergessen ihn doch. Ich bin 31, ziemlich groß und ich trage gerne dunkle, gut geschnittene Sportjacken und weite graue Hosen im Stil der 50er-Jahre. Ich lebe allein im obersten Stockwerk eines Apartmentblocks in der Townsend Street, mit meiner Stereoanlage, meinen Topfpflanzen und meiner Sammlung von Taschenbüchern mit zerknitterten Buchrücken.

Ich glaube, dass ich hier mit meiner Arbeit eigentlich glücklich und zufrieden bin – aber sind Sie schon einmal abends ausgegangen, an irgendeinen ruhigen Ort, haben über eine Bucht geschaut, mit den zwinkernden Lichtern, wie es sie überall in Amerika gibt, und dann kam ihnen der Gedanke: Hey, daskann doch wirklich nicht alles im Leben sein?

Glauben Sie jetzt nicht, dass ich einsam bin. Bin ich nicht. Ich verabrede mich sogar öfter mit Frauen und habe gute Freunde, die mich zu Swimmingpool-Partys und zu Barbecues einladen. Aber an dem Abend, als wir zum Haus von Seymour Wallis gingen, machte ich gerade eine Phase der Antriebslosigkeit durch und war mir nicht sicher, was ich eigentlich vom Leben erwartete oder was das Leben von mir erwartete. Ich schätze, dass eine Menge Menschen dasselbe fühlten, als Präsident Carter gewählt wurde. Bei Nixon wusste man wenigstens, auf welcher Seite man stand.

Eventuell half mir das, was mit Dan Machin passiert war, wieder zu meiner alten Selbstsicherheit zu finden. Das war etwas so Unheimliches, so Entsetzliches, dass man an nichts anderes mehr denken konnte. Sogar einige Sekunden nachdem wir ins Zimmer gestürzt waren, Dan seine Augen geschlossen hatte und auf sein Kissen zurücksank, zitterte ich noch vor Schock und Entsetzen. Ich spürte die prickelnde Spannung der Angst bis in meine Handflächen.

Die Krankenschwester stammelte: »Er … er …«

Dr. Jarvis trat vorsichtig an Dans Bett, nahm sein Handgelenk und prüfte den Puls. Dann atmete er tief ein und hob eines von Dans Augenlidern. Ich bemerkte, dass ich einen Schritt zurücktrat – nur für den Fall, dass das Auge noch immer in dieser roten Farbe glühte, doch dem war nicht so. Es sah wieder normal grau aus, aber es war offensichtlich, dass Dan wieder bewusstlos geworden war.

»Schwester, ich brauche sofort eine gesamte Diagnoseausrüstung hier. Und lassen Sie Dr. Foley ausrufen.«

Die Schwester nickte und verließ den Raum. Man merkte ihr an, dass sie froh war, etwas tun zu müssen, das sie ablenkte.

Ich trat an Dans Bett und schaute auf sein blasses, fiebriges Gesicht. Er sah gar nicht mehr wie der gewitzte Hinterwäldler aus Kansas aus. Die Falten um seinen Mund waren zu tief und seine Blässe zu weiß. Immerhin atmete er wieder normal.

Ich schielte rüber zu Dr. Jarvis. Er kritzelte etwas auf seinen Notizblock, sein Gesichtsausdruck war gleichzeitig konzentriert und besorgt.

»Wissen Sie, was das war?«, fragte ich leise.

Er sah weder auf, noch gab er eine Antwort.

»Diese roten Augen. Wissen Sie, wodurch so etwas hervorgerufen werden kann?«

Er hielt im Schreiben inne und starrte mich an. »Ich möchte zu gern wissen, was es mit dem Atmen gestern Abend auf sich hat, mit dem Sie beide zu tun hatten. Sind Sie sich absolut sicher, dass keine Drogen im Spiel waren?«

»Hören Sie, das würde ich Ihnen doch sagen. Es hatte etwas mit einem Haus oben in Pilarcitos zu tun.«

»Ein Haus?«

»Genau. Wir arbeiten beide für das Gesundheitsamt. Der Besitzer hat uns gebeten, sein Haus zu untersuchen und dessen Atmen zuzuhören. Er sagte, dass sein Haus ein atmendes Geräusch machen würde, und er wusste nicht, was es war.«

Dr. Jarvis prüfte wieder Dans Puls. »Haben Sie herausgefunden, was es verursacht hat?«, fragte er. »Ich meine, dieses Atmen?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, dass Dan eben genauso geatmet hat. Es ist fast so, als sei das Atmen des Hauses auf ihn übergegangen. Als ob er davon besessen ist.«

Dr. Jarvis legte seinen Block neben Dan Machins Schüssel mit Weintrauben. »Sind Sie ein aktives Mitglied im Club der Verrückten oder nur ein zahlendes?«, fragte er.

Dieses Mal spielte ich nicht den Beleidigten. »Ich weiß, dass es schwer zu verstehen ist«, sagte ich. »Ich verstehe es ja selbst nicht. Aber Besessenheit scheint mir der richtige Ausdruck. Ich habe das Haus atmen hören und ich hörte Dan atmen, als seine Augen ganz rot waren. Es klang ganz genauso.«

Dr. Jarvis sah Dan an. Er schüttelte den Kopf: »Es ist offensichtlich psychosomatisch. Er hat dieses atmende Geräusch vergangene Nacht gehört und es hat ihn so erschreckt, dass er sich damit identifiziert und aus Sympathie ebenso atmet.«

»Tja, das kann sein. Aber was war mit seinen Augen?«

Dr. Jarvis atmete tief durch. »Ein Lichteffekt«, erwiderte er ruhig.

»Ein Lichteffekt? Jetzt machen Sie aber mal halblang!«

Dr. Jarvis sah mich an, kalt. »Sie haben mich gehört«, schnauzte er. »Es war ein Lichteffekt.«

»Ich habe doch seine Augen genau gesehen! Und Sie auch!«

»Ich habe nichts gesehen. Zumindest nichts, was medizinisch unmöglich ist. Und ich glaube, dass wir beide uns darüber im Klaren sein sollten, bevor wir uns bei irgendjemandem den Mund verbrennen.«

»Aber die Krankenschwester …«

Dr. Jarvis machte eine abfällige Handbewegung. »In diesem Krankenhaus sind Schwestern nicht mehr als Hausmädchen in hübschen Uniformen.«

Ich beugte mich über Dan und betrachtete sein wächsernes Gesicht und wie seine Lippen sich im Schlaf bewegten und flüsterten.

»Doktor, dieser Mann ist mehr als einfach nur krank«, sagte ich. »Mit ihm stimmt wirklich etwas nicht. Was können wir denn jetzt tun?«

»Wir können nur eines tun. Seine Krankheit bestimmen und ihn angemessen medizinisch behandeln. Tut mir leid, Teufelsaustreibungen machen wir hier leider nicht. Ich glaube auf keinen Fall, dass es etwas Schlimmeres ist als ein fortgeschrittener Fall von Hypersuggestion. Ihr Freund ist in dieses Haus gegangen und wurde hysterisch, als er glaubte, das Atmen zu hören. Es war möglicherweise sein eigenes Atmen.«

»Aber ich habe es doch auch gehört.«

»Mag sein«, meinte Dr. Jarvis kurz angebunden.

»Doktor«, sagte ich ärgerlich.

Aber Dr. Jarvis kam mir zuvor, bevor ich weiterreden konnte: »Bevor Sie anfangen, mir mangelnde Fantasie vorzuwerfen, denken Sie bitte daran, dass ich hier arbeite«, schnauzte er. »Alles, was ich tue, muss vor dem Direktorium begründet werden. Falls ich hier etwas von dämonischer Besessenheit und Augen erzähle, die in der Dunkelheit rot glühen, dann werde ich meine Beförderung vorübergehend zu den Akten legen können. Außerdem wird man meine Arbeitsmöglichkeiten und die notwendigen Finanzen stark einschränken.«

Er kam um das Bett herum und sah mir gerade in die Augen. Leise und eindringlich sagte er: »Ich habe auch gesehen, dass die Augen von Mr. Machin rot wurden. Doch wenn wir etwas unternehmen wollen, irgendetwas Wirksames, dann sprechen wir besser nicht laut darüber. Verstehen Sie das?«

Ich sah ihn neugierig an: »Wollen Sie mir sagen, dass Sie glauben, dass er wirklich besessen ist?«

»Ich versuche, Ihnen gar nichts zu sagen. Ich glaube nicht an Dämonen und ich glaube auch nicht an Besessenheit. Aber ich glaube, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Etwas, das wir aber selbst herausfinden müssen, ohne dass das Krankenhaus davon erfährt.«

In diesem Augenblick bewegte sich Dan und stöhnte. Ich spürte, dass mir die Haare im Nacken alarmierend zu Berge standen, aber als er sprach, war er offensichtlich ziemlich normal.

»John …«,murmelte er. »John …«

Ich beugte mich über ihn. Seine Augen waren nur einen Schlitz weit geöffnet und seine Lippen ganz rissig.

»Ich bin hier, Dan. Was ist los? Wie fühlst du dich?«

»John …«,flüsterte er . »Lass mich nicht gehen …«

Ich schaute zu Dr. Jarvis hinüber. »Es ist alles in Ordnung, Dan. Niemand will dich gehen lassen.«

Dan hob schwach eine Hand. »Lass mich nicht gehen, John. Es ist das Herz, John. Lass mich nicht gehen

Dr. Jarvis beugte sich näher zu Dan. »Ihr Herz? Tut Ihnen das Herz weh? Spüren Sie irgendwelche Krämpfe – oder Schmerzen?«

Dan schüttelte den Kopf, nur eine schwache Andeutung. »Es ist das Herz«, flüsterte er so leise, dass es kaum zu hören war. »Es schlägt und schlägt und schlägt. Es schlägt noch immer. Es ist das Herz, John, es schlägt noch weiter! Es schlägt noch!«

»Dan«, flüsterte ich eindringlich. »Dan, du darfst dich da nicht so hineinsteigern! Dan, um Gottes willen!«

Dr. Jarvis deutete kurz an, dass ich jetzt schweigen sollte. Dan lag schon wieder ruhig auf seinem Kissen. Die Augen hielt er geschlossen. Sein Atmen wurde langsamer und wieder regelmäßig, langsam, qualvoll und schwer, und obwohl es mich immer noch an das Atmen erinnerte, das wir in Seymour Wallis’ Haus gehört hatten, schien er doch endlich etwas Ruhe zu finden. Ich richtete mich wieder auf. Ich fühlte mich ausgelaugt und müde.

»Er wird jetzt Ruhe haben, zumindest für ein oder zwei Stunden«, sagte Dr. Jarvis leise. »Diese Anfälle scheinen in regelmäßigen Abständen von 90 Minuten aufzutreten.«

»Haben Sie dafür irgendeine Erklärung?«

Er zuckte die Achseln. »Dafür könnte es viele Gründe geben. Aber 90 Minuten ist der Zeitzyklus des REM-Schlafes, die Art Schlaf, bei dem die Leute ihre lebhaftesten Träume haben.«

Ich schaute hinunter auf Dans graues, eingefallenes Gesicht. »Vorhin hat er zu mir etwas über Träume gesagt«, meinte ich. »Er hat von Türklopfern geträumt, die lebendig wurden, und von Figuren, die sich bewegten. Es hatte alles etwas mit dem Haus zu tun, das wir gestern Abend besucht haben.«

»Gehen Sie wieder dorthin? Zu dem Haus?«, fragte Dr. Jarvis.

»Ich hatte vor, heute Abend noch einmal hinzufahren. Einer meiner Ingenieure glaubt, dass die Geräusche von einem ungewöhnlichen Fallstrom stammen könnten. Warum?«

Dr. Jarvis fixierte Dan weiterhin. »Ich würde gern mitkommen, deshalb frage ich. Hier geht etwas vor, das ich nicht verstehe, ich will es aber verstehen.«

Ich zog eine Augenbraue hoch. »Plötzlich sind Sie sich wohl gar nicht mehr so sicher?«

Er brummte. »Okay, das habe ich wohl verdient. Aber ich würde mich wirklich gern anschließen.«

Ich schaute noch einmal zu Dan. Er lag jung und blass wie ein Leichnam auf seinem Krankenhausbett. Sehr leise antwortete ich: »In Ordnung. Es ist 1551 Pilarcitos. Punkt neun Uhr.«

Dr. Jarvis nahm einen Kugelschreiber und notierte sich die Adresse. Dann, bevor ich ging, sagte er noch: »Hören Sie, tut mir leid, dass ich vorhin so grob zu Ihnen war. Sie müssen bedenken, dass wir hier immer eine Menge Freunde und Verwandte haben, die zu viel ›General Hospital‹ anschauen und glauben, dass sie alles besser wüssten. Ich meine, wir müssen uns ständig verteidigen.«

Ich blieb stehen, dann nickte ich. »Okay. Ich verstehe Sie. Bis um neun also.«

An diesem Nachmittag wurde vom Ozean her eine graue Wolkenbank hereingeweht, die Regen mit sich brachte. Ich saß bis halb zwei Uhr nervös und zappelig am Schreibtisch, dann nahm ich meinen Regenschirm und ging spazieren. Mein unmittelbarer Vorgesetzter, der pensionierte Seeleutnant Douglas P. Sharp, würde wahrscheinlich genau diesen Nachmittag für eine Stippvisite wählen, aber im Augenblick war mir das absolut gleichgültig. Ich war zu besorgt, zu nervös und zu betroffen von dem, was Dan zugestoßen war.

Ich überquerte die Bryant Street. Einige centstückgroße Regentropfen fielen auf den Bürgersteig. Die Luft war angefüllt mit einer magnetischen Spannung.

Ich glaube, ich kannte mein Ziel, auf das ich die ganze Zeit zusteuerte. Ich ging in die Brannan Street, und dort war es: The Head Bookstore.Ein kleiner, rot angestrichener Laden, der drinnen von einer Reihe nackter Glühbirnen beleuchtet wurde, vollgestopft mit Taschenbüchern aus zweiter Hand. Weltatlanten, Poster und wertloser Plunder standen zum Verkauf.

Ich trat ein, die Klingel schrillte. Ein bärtiger junger Bursche sah hinter der Theke auf und sagte: »Hallo. Suchen Sie etwas Bestimmtes?«

»Jane Torresino?«

»Oh, klar. Sie ist hinten, packt gerade Castanedas aus.«

Ich zwängte mich durch die Regale voller Marx, Seale und indianischem Räucherwerk, duckte mich unter der kleinen Tür, die zum Lagerraum führte. Ja, Jane war da. Sie saß auf dem Boden und sortierte Yaqui-Weisheit in saubere Stapel.

Erst schaute sie nicht auf und ich lehnte mich in den Türrahmen und beobachtete sie. Sie gehörte zu den Frauen, die immer hübsch und strahlend aussehen, ganz gleich, wie lässig sie sich anziehen. Heute trug sie enge weiße Jeans und ein blaues T-Shirt, auf das eine lächelnde Katze gedruckt war. Jane war schlank, hatte sehr langes, mittelblondes Haar, in das kleine Locken frisiert worden waren und das mich immer an Botticelli erinnerte. Ihr Gesicht war scharf und gut geschnitten mit großen Kulleraugen.

Ich hatte sie das erste Mal bei einer Party in Daly City getroffen, wo die zweite Wiedergeburt von Christus gefeiert wurde, die von einem Weisen des 18. Jahrhunderts prophezeit worden war. Der Hauptehrengast, was nicht wirklich verwundert, tauchte dann gar nicht auf. Entweder war das vorausgesagte Datum falsch oder aber er hatte nicht Daly City gewählt für seine Wiederkunft. Ich konnte ihm das nicht verübeln. Doch wenn auch mit der zweiten Wiederkehr alles schieflief, so lief es zwischen Jane und mir goldrichtig. Wir trafen uns, redeten, tranken viel zu viel Tohay und fuhren danach zu meiner Wohnung, um uns zu lieben. Später, ich erinnere mich gut, trank ich im Bett starken Kaffee, den sie mir aufgebrüht hatte. Ich war sehr glücklich über das, was das Leben mir so großzügig in den Schoß gelegt hatte.

Aber so lief es natürlich nicht weiter. Diese Nacht – die Wiedergeburts-Nacht – war unsere erste und einzige geblieben. Jane bestand darauf, dass wir nur gute Freunde seien, und so trafen wir uns zu gemeinsamen Kino-Besuchen, zum gemeinsamen Essen und das Licht der Kerzen, das dabei über der s paghetti bolognaiseso romantisch schien, galt mir alleine. Schließlich akzeptierte ich unsere Freundschaft als solche und schaltete jeden Gedanken an ein Liebesleben mit Jane aus.

Jedoch hatte sich eine angenehme Verbindung angebahnt, die zwar sehr vertraulich war, aber niemals fordernd. Manchmal trafen wir uns dreimal in einer Woche. Dann wieder hatten wir monatelang keinen Kontakt. Heute, als ich mit meinem Regenschirm und meinen Sorgen über Dan Machin erschien, war es mein erster Besuch seit sechs oder sieben Wochen.

»Das Gesundheitsamt schickt Ihnen beste Grüße und hofft, dass Ihre Rohrleitungen gut funktionieren.«

Sie schaute mich über ihre rosa gefärbte Lesebrille an und lächelte: »John, ich habe dich wochenlang nicht gesehen!«

Sie stand auf und kam auf Zehenspitzen vorsichtig durch die Bücherstapel auf mich zu. Wir gaben uns einen Kuss, einen sehr keuschen, dann meinte sie: »Du siehst müde aus. Ich hoffe, du schläfst nicht mit zu vielen Frauen.«

Ich grinste: »Sollte das ein Problem sein? Dann wäre ich gern etwas müde.«

»Komm nach draußen«, sagte sie. »Wir haben heute Morgen eine neue Lieferung mit Büchern bekommen, deshalb die Unordnung. Hast du Zeit für einen Kaffee?«

»Sicher. Ich habe mir wegen guter Führung heute Nachmittag selbst freigegeben.«

Wir verließen den Buchladen und gingen über die Straße zu Prokic’s Deli, wo ich uns Cappuccino und Alfalfa-Sandwiches bestellte. Aus irgendeinem Grund hatte ich ein Faible für Alfalfa-Sandwiches. Dan Machin (Gott möge ihn schützen) hatte gemeint, dass ich mich wahrscheinlich in ein Pferd verwandele. Ich würde, statt Mist zu entsorgen (wie er sagte), übergehen zur Produktion von Mist.

Jane setzte sich ans Fenster und wir beobachteten, wie der Regen draußen auf die Straße herabstürzte. Ich zündete eine Zigarette an und rührte in meinem Kaffee; die ganze Zeit sah sie mich stumm an, als ob sie wüsste, dass ich ihr etwas erzählen wollte.

»Du siehst gut aus«, meinte ich. »Die Zeit vergeht und du wirst mit jeder Stunde immer hübscher.«

Sie schlürfte ihren Cappuccino. »Du bist doch nicht gekommen, um mir Komplimente zu machen.«

»Nein, das nicht. Aber ich will auch keine Gelegenheit dazu versäumen.«

»Du siehst besorgt aus.«

»Sieht man mir das an?«

»Ja, extrem.«

Ich lehnte mich auf dem wackligen Stuhl zurück und stieß Rauch aus. Direkt über Janes Kopf hing ein Poster an der Wand, das für die Legalisierung von Haschisch warb, doch nach dem unterschwelligen Aroma in Prokic’s Deli zu urteilen, war sowieso niemand von den Gesetzen beeindruckt – man konnte hier hereinspazieren, ein Glas Milch und ein Salami-Sandwich kaufen, und kam high wieder raus.

»Hast du in deinem gesamten Leben schon einmal etwas erlebt, das so absolut seltsam war, dass du nicht wusstest, wie du es begreifen kannst?«, fragte ich.

»Was meinst du mit absolutseltsam?«

»Also, manchmal passieren doch seltsame Dinge, oder? Du siehst jemanden auf der Straße, den du für tot gehalten hast, oder so etwas Ähnliches. Nur ein einzelner Vorfall. Aber mit absolutseltsam meine ich eine Situation, die ganz seltsam anfängt und dann immer seltsamer wird.«

Sie schob sich die Haare aus der Stirn. »Das ist es, was dich so belastet?«

»Jane«, meine Stimme klang ganz rau, »es belastet mich nicht. Es macht mich verrückt.«

»Willst du darüber reden?«

»Es klingt alles so lächerlich.«

Sie schüttelte den Kopf. »Erzähle es mir trotzdem. Ich liebe lächerliche Geschichten.«

Langsam, mit vielen Unterbrechungen und Erklärungen, erzählte ich ihr alles, was in Seymour Wallis’ Haus passiert war. Das Atmen, die Freisetzung von Energie, wie Dan Machin ohnmächtig wurde. Dann beschrieb ich den Zwischenfall im Krankenhaus und Dans unheimlich glühende Augen. Ich erzählte ihr auch von seinen seltsam geflüsterten Worten: Es ist das Herz, John, es schlägt noch weiter!

Jane hörte mir die ganze Zeit mit ernstem Gesichtsausdruck zu. Dann legte sie eine ihrer langfingrigen Hände auf meine. »Darf ich dich etwas fragen? Wirst du nicht beleidigt sein?«

Ich ahnte, was sie fragen wollte. »Wenn du glaubst, dass ich hier eine Show abziehe, um uns wieder zusammenzubringen, dann irrst du. Alles, was ich gerade erzählt habe, ist passiert, und nicht letzten Monat oder letztes Jahr. Es ist hier in San Francisco in der vergangenen Nacht und hier in San Francisco heute Morgen passiert. Es ist Wirklichkeit, Jane, ich schwöre es.«

Sie griff über den Tisch und nahm sich eine von meinen Zigaretten. Ich hielt ihr meinen Glimmstängel hin und sie zündete sie sich an der glühenden Spitze an. »Es klingt so, als ob dieses Ding, dieser Geist oder was immer es ist, ihn besetzt. Es klingt wie Der Exorzistoder so …«

»Das habe ich auch schon gedacht. Aber ich fand es zu blöd, um es auszusprechen. Ich meine, um Gottes willen, diese Dinge passieren doch nicht wirklich.«

»Vielleicht doch. Nur weil sie nie jemandem passieren, den wir kennen, heißt das ja nicht, dass sie überhaupt nicht passieren.«

Ich drückte meine Zigarette aus und seufzte: »Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen und doch glaube ich es einfach nicht. Er saß aufrecht in seinem Bett und ich sage dir, Jane, seine Augen glühten. Er ist doch ein ganz normaler junger Typ, der für die Stadt arbeitet, er trägt noch einen Bürstenhaarschnitt wie ein Junge, und er sah aus wie der Teufel.«

»Was kann ich tun?«, fragte Jane.

Ich schaute aus dem Fenster, vor dem Leute standen, die sich vor dem Regen schützten. Der Himmel hatte eine seltsame grüne Metallfarbe angenommen und die Wolken bewegten sich schnell über die Dächer der Brannan Street. Heute früh, bevor ich zu Dan gegangen war, hatte ich mit Seymour Wallis telefoniert, um mich mit ihm für eine weitere Besichtigung des Hauses zu verabreden, und er hatte mich dasselbe gefragt: »Was kann ich tun? Himmelherrgott, sagen Sie mir, was kann ich tun?«

»Ich weiß es wirklich nicht«, antwortete ich Jane. »Aber vielleicht kannst du heute Abend mitkommen, wenn wir das Haus besichtigen. Du verstehst doch etwas von Okkultismus, oder? Geister und Gespenster und all dieser Kram. Ich möchte gern, dass du dir mal den Türklopfer des alten Wallis anschaust, und auch drinnen so einiges. Vielleicht finden wir irgendeinen Anhaltspunkt. Ich weiß es nicht.«

»Warum ich?«, meinte sie ruhig. »Es gibt bestimmt bessere Experten für Okkultismus. Ich verkaufe nur Bücher darüber.«

»Du liest sie aber doch auch, oder?«

»Sicher, aber …«

Ich griff nach ihrer Hand. »Bitte, Jane, tu mir den Gefallen, geh mit. Es ist um neun Uhr heute Abend, in der Pilarcitos Street. Ich weiß nicht, warum ich dich dort brauche, aber ich fühle, dass ich dich brauche. Wirst du kommen?«

Jane berührte ihr Gesicht mit den Fingerspitzen, als wollte sie sich vergewissern, dass sie existierte, immer noch 26 Jahre alt war und sich über Nacht nicht in jemand anderen verwandelt hatte.

»In Ordnung, John, wenn du mich wirklich dabeihaben willst … und solange es kein Versuch ist, mich irgendwie zu verführen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Kannst du dir ein Paar vorstellen, das John und Jane heißt? Das würde nie klappen.«

Sie lächelte stumm.

Ich ging an diesem Abend etwas früher zur Pilarcitos Street. Aufgrund des bewölkten Himmels war es viel schneller dunkel geworden als sonst. Das düstere Haus wurde von Schatten und Regen verhüllt. Während ich draußen stand und wartete, hörte ich Wasser in der Regenrinne gurgeln und sah das feuchte Dach schieferdunkel glänzen. Bei diesem Wetter, in dieser Finsternis, schien Nummer 1551 in sich selbst zusammenzukriechen, sich schwermütig und unbehaglich zu fühlen, inmitten der von Regen gepeitschten Stadt.

Ich hatte noch einmal kurz im Krankenhaus angerufen, aber die Schwester sagte, dass Dan noch immer schlief und es wäre keine Veränderung eingetreten. Dr. Jarvis sei im Augenblick nicht im Dienst, deshalb könne ich nicht mit ihm über Dans Fortschritte reden, doch wahrscheinlich, mit etwas Glück, könnte ich ihn wohl heute Abend erreichen.

Auf der anderen Seite der Bucht wanderte ein Wetterleuchten umher und weit in der Ferne hörte ich das Grollen eines Unwetters. So, wie der Wind jetzt blies, würde der Sturm in einer halben Stunde über die Stadt hinwegziehen.

Ich öffnete das Gartentor und ging die Stufen zur Eingangstür hinauf. In der Dunkelheit konnte ich noch soeben die Umrisse des Türklopfers mit seinem grinsenden Wolfsgesicht ausmachen. Vielleicht war ich nur nervös und dachte zu sehr an den Traum von Dan Machin, aber der Türklopfer schien seine Augen zu öffnen und mein Nahekommen zu beobachten. Ich erwartete schon beinahe, dass er reden und etwas flüstern würde, wie Dan es sich eingebildet hatte.

Widerwillig streckte ich meine Hand aus, um den Klopfer zu nehmen und gegen die Tür zu schlagen. In dem Augenblick, als ich zugriff, ließ ich auch schon wieder los – für den Bruchteil einer Sekunde, nur einen abwegigen Moment lang, schien es, als hätte ich Borsten statt Bronze angefasst. Doch ich packte wieder zu, denn mir war bewusst, dass ich mir solche Sachen nur einbildete. Der Türklopfer war grotesk, sein Gesicht war wild und bösartig, aber er bestand aus nichts anderem als gegossenem Metall. Als ich ihn auf die Tür schlug, verursachte er einen lauten, schweren Knall, der drinnen durch das Innere des Hauses hallte.

Ich wartete, lauschte dabei dem Geräusch des sanft fallenden Regens und dem Sausen der Autos auf der Mission Street. Erneut grollte der Donner und das Wetterleuchten ging wieder los, inzwischen viel näher. Im Haus hörte ich das Öffnen einer Tür und wie sie geschlossen wurde, dann folgten Schritte, die sich der Eingangstür näherten.

Die Riegel und Ketten rasselten und dann schaute Seymour Wallis durch den Spalt. »Sie sind es«, meinte er. »Sie sind aber früh dran.«

»Ich wollte mit Ihnen reden, bevor die anderen kommen. Darf ich eintreten?«

»Aber natürlich«, sagte er und öffnete die schwere, knarrende Tür.

Ich betrat die muffige Halle. Sie war noch immer so alt und roch so stickig, wie ich sie gestern empfunden hatte, und obwohl durch den Knall vergangene Nacht die Rahmen gerissen und die Glasscheiben gesprungen waren, hingen die trübseligen Zeichnungen des Mount Taylor und Cabezon Peak immer noch an der schäbigen Tapete.

Ich ging zu der seltsamen Bärenstatue hinüber, die auf dem Endpfosten des Treppengeländers stand. Gestern Abend hatte ich sie nicht sonderlich beachtet, aber jetzt sah ich, dass das Frauengesicht ziemlich hübsch war, friedlich und gefasst, mit geschlossenen Augen.

»Das ist wirklich eine außergewöhnliche Skulptur.«

Wallis war noch damit beschäftigt, die Tür zu verriegeln. Er wirkte heute Abend älter und steifer in seiner ausgebeulten grauen Hose und der weiten grauen Strickjacke, deren Ärmel er hochgekrempelt hatte. Er roch nach Whisky.

Er beobachtete, wie ich mit der Hand über den Bronzerücken des Bären strich.

»Ich habe sie gefunden«, sagte er. »Schon vor einigen Jahren, als ich drüben in Fremont arbeitete. Wir haben eine Verkehrsbrücke für den Park gebaut und dabei haben wir sie ausgegraben. Seitdem habe ich sie immer bei mir gehabt. Sie gehörte nicht mit zum Haus.«

»Dan Marchin hat heute Morgen davon geträumt«, erzählte ich.

»Wirklich? Ich kann mir keinen Grund vorstellen, warum er von ihr träumen sollte. Es ist doch nur eine alte Skulptur. Ich weiß nicht mal, wie alt sie ist. Was würden Sie schätzen? 100 Jahre, 200 Jahre?«

Ich sah mir das demütige Gesicht der Bärenfrau näher an. Ich weiß nicht, weshalb, aber der Gedanke an einen Bären mit dem Gesicht einer Frau gab mir ein unangenehmes, gruseliges Gefühl. Ich vermute, es lag ganz einfach an der gesamten Atmosphäre in Wallis’ Haus. Aber wer hatte eine solch seltsame Figur geschaffen? Was sollte sie ausdrücken? Hatte sie eine symbolische Bedeutung? Zumindest war es sicher, dass sie nicht nach einem lebenden Modell modelliert worden war – das hoffte ich jedenfalls.

Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin kein Experte. Ich kenne mich nur im Gesundheitswesen aus.«

»Kommt Ihr Freund auch? Der Ingenieur?«, fragte Wallis, während er mich in sein Büro führte.

»Er hat es gesagt. Außerdem kommen noch ein Arzt, wenn Sie nichts dagegen haben, und eine Bekannte von mir, die einen auf esoterische Literatur spezialisierten Buchladen in Brannan führt.«

»Ein Arzt?«

»Ja, es ist der, der Dan behandelt. Wir hatten heute einen kleinen Zwischenfall.«

Wallis ging zu seinem Schreibtisch hinüber und schenkte mit zitternder Hand zwei volle Gläser Scotch ein. »Zwischenfall?«, fragte er, den Rücken mir zugewandt.

»Es ist schwer zu beschreiben. Aber ich habe das Gefühl, dass das, was auch immer wir vergangene Nacht hier hörten, Dan sehr aufgeregt hat. Er hat sogar so ähnlich geatmet. Der Arzt glaubte zuerst, dass Dan Asthma hätte.«

Wallis drehte sich um, in jeder Hand ein Glas, gefüllt mit bernsteinfarbenem Scotch. Sein Gesicht sah in dem grünen Schattenlicht der Schreibtischlampe angespannt und geradezu gespenstisch aus. »Wollen Sie mir damit sagen, dass Ihr Freund genauso geatmet hat, wie das Atmen sich hier im Haus anhört?«

Er war so aufgeregt, dass ich ganz verlegen wurde. »Ja, genau das. Dr. Jarvis dachte, dass es vielleicht psychosomatische Gründe habe. Sie wissen, selbst verursacht. Das passiert hin und wieder nach einer schweren Gehirnerschütterung.«

Seymour Wallis gab mir den Whisky und setzte sich dann. Er sah so perplex und nachdenklich aus, dass ich mir die Frage nicht verkneifen konnte: »Was ist los? Sie sehen aus, als hätten Sie einen Dollar verloren und dafür einen Nickel gefunden.«

»Es ist das Atmen«, sagte er. »Es hat aufgehört.«

»Aufgehört? Woher wissen Sie das?«

»Ich weiß es nicht. Nicht genau. Nicht sicher. Aber ich habe es gestern Nacht nicht mehr gehört und auch heute noch nicht. Außerdem spüreich, dass es vorbei ist.«

Ich setzte mich auf eine Ecke des Schreibtisches und nippte an meinen Whisky. Der Whisky war neun Jahre alt und schmeckte reif und mild, aber er passte nicht so besonders gut zu meinem halb verdauten Salatsandwich. Ich hätte besser etwas Solides essen sollen, bevor ich auf Gespensterjagd ging. Ich rülpste leise in meine Faust, während Wallis unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Er sah noch unglücklicher aus.

»Glauben Sie, dass das Atmen sich irgendwie aus dem Haus auf Dan übertragen hat?«, fragte ich.

Er schaute nicht auf, zuckte nur die Achseln und wurde noch unruhiger. »So etwas schleicht sich in die Gedanken hinein, ist doch so, oder? Ich meine, wenn Geister tatsächlich in der Lage sind, einen Ortheimzusuchen, warum sollen sie dann nicht auch eine Personheimsuchen können? Wer kann denn schon beurteilen, was sie können und was sie nicht können? Ich weiß es nicht, Mr. Hyatt. Die ganze verdammte Angelegenheit ist mir ein Rätsel – und ich hab sie satt.«

Eine Weile saßen wir schweigend da. Seymour Wallis’ Büroraum war wie zuvor vollgestellt und luftlos und mich überkam das Gefühl, in einer kleinen Höhle auf dem Boden einer Mine zu hocken, begraben unter unzähligen Schichten aus Felsen. Das Haus gab einem das Gefühl, als wolle es einen unter dem Gewicht eines Jahrhunderts voller Leid und Duldsamkeit erdrücken. Es war kein sonderlich angenehmes Gefühl, nein, es deprimierte mich und machte mich nervös.


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